S 5 AS 122/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 122/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AS 1028/10
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2009 und unter Abänderung des Bescheides vom 09.06.2009 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.06.2009 und vom 30.06.2009 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 25.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 01.05.2009 bis zum 31.10.2009 einen monatlichen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 245,42 EUR unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen sowie einen anteiligen Selbstbehalt für 2009 in Höhe von 397,44 EUR zu bewilligen und auszuzahlen. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen. Der Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der von dem Beklagten zu übernehmenden Kosten für die private Krankenversicherung des Klägers im Zeitraum von Mai bis Oktober 2009.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war bislang selbstständig tätig. Er ist bei der Central Krankenversicherung AG privat kranken- und pflegeversichert. Dabei handelt es sich um einen Normaltarif, für den im Jahr 2009 ein Beitrag in Höhe von 218,58 EUR für die Krankenversicherung und in Höhe von 26,84 EUR für die Pflegeversicherung zu zahlen war. Vertraglich ist im Jahr 2009 eine Selbstbeteiligung in Höhe von 2.500,00 EUR vorgesehen.

Auf Antrag des Klägers vom 04.05.2009 bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 09.06.2009 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 01.05.2009 bis zum 31.07.2009. Dabei gewährte er dem Kläger Leistungen für die (gesetzliche) Krankenversicherung in Höhe von 129,54 EUR und für die (sozialen) Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 23.06.2009 reduzierte der Beklagte die Leistungen für die Krankenversicherung im Monat Juli 2009 auf 124,32 EUR. Mit Änderungsbescheiden vom 30.06.2009 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung insoweit ab, als dem Kläger die Leistungen für die Kranken- und Pflegeversicherung als Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung gewährt wurden, ohne dass die Höhe der jeweiligen Leistungen geändert wurde.

Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 30.07.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25.08.2009 Leistungen für den Zeitraum von August bis Oktober 2009. Dabei gewährte er diesem einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 124,32 EUR zur privaten Krankenversicherung und einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 17,79 EUR zur privaten Pflegeversicherung.

Da der Widerspruch des Klägers vom 18.08.2009 gegen die den Bewilligungszeitraum von Mai bis Juli 2009 betreffenden Leistungsbescheide mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2009 als unzulässig zurückgewiesen wurde, stellte er am 31.08.2009 einen Antrag auf Überprüfung dieser Leistungsbescheide gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 08.09.2009 diesen Antrag ab, da die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht vorlägen.

Bereits am 04.09.2009 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 25.08.2009 ein. Zudem legte er am 11.09.2009 unter Berufung auf Entscheidungen der Sozialgerichts Karlsruhe und Stuttgart Widerspruch auch gegen den Ablehnungsbescheid vom 08.09.2009 ein. Er habe einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge für seine Krankenversicherung in voller Höhe. Dieses ergäbe sich aus einer analogen Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II. Nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II sollten Bezieher von Arbeitslosengeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne gegen ihren Willen mit Beiträgen belastet zu sein. Zwischen denjenigen Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen und freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, und solchen Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, bestehe eine gleiche Interessenlage, die eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II rechtfertige.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2009 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 11.09.2009 zurück. Die Voraussetzungen der eng auszulegenden Vorschrift des § 44 SGB X lägen nicht vor. Eine unrichtige Rechtsanwendung sei nicht gegeben, so dass eine Abänderung der Leistungsbescheide zum Bewilligungszeitraum Mai bis Juli 2009 nicht in Betracht käme. Der SGB II-Träger dürfe den Differenzbetrag zwischen dem Beitragszuschuss gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II und dem an das private Krankenversicherungsunternehmen zu zahlenden Beitrag nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts nicht übernehmen. § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II sei nicht analog anzuwenden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2009 wies der Beklagte auch den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2009 zurück. Zur Begründung führte er insbesondere erneut aus, dass der SGB II-Träger den Differenzbetrag zwischen dem Beitragszuschuss gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II und dem an das private Krankenversicherungsunternehmen zu zahlenden Beitrag nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts nicht übernehmen dürfe.

Mit seinen am 09.10.2009 erhobenen Klagen (S 5 AS 122/09 und S 5 AS 123/09) hat der Kläger die Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 24.09.2009 und vom 28.09.2009 angegriffen. Er habe einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge für seine Krankenversicherung in voller Höhe. Dieses ergäbe sich - wie im Widerspruchsverfahren ausgeführt - aus einer analogen Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II. Der Anspruch umfasse auch den versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalt in Höhe von 2.500,00 EUR, den der Kläger wegen einer ärztlichen Behandlung aufgrund eines Schlaganfalls im Juli 2009 bereits ausgeschöpft hat. Ein Wechsel in den Basistarif der privaten Krankenversicherung sei für den Kläger unzumutbar, da er nach Ende des SGB II-Leistungsbezugs aufgrund seiner Erkrankungen keine Versicherung zum bestehenden Tarif mehr abschließen könne und demnach in Zukunft den nicht-halbierten Basistarif zahlen müsste, der deutlich über seinem bestehenden Tarif liege. Dieses könnte gegebenenfalls auch zu einer längeren Hilfebedürftigkeit und demnach zu einem längeren SGB II-Leistungsbezug führen. Unabhängig von einem Wechsel in den Basistarif habe der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der vollen Krankenversicherungskosten. Jedenfalls müsse der Beklagte zumindest die Kosten für den halbierten Basistarif übernehmen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2009 und unter Aufhebung des Bescheides vom 25.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 zu verurteilen, die Kosten für die private Krankenversicherung des Klägers in voller Höhe einschließlich des Selbstbehalts für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2009 zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden vom 24.09.2009 und vom 28.09.2009 und führt unter Berufung auf Entscheidungen der Sozialgerichte Berlin und Köln ergänzend aus, dass eine erweiterte Auslegung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II aufgrund des klaren Wortlautes nicht möglich sei.

In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Gericht den Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 17.11.2009 abgelehnt (vgl. S 5 AS 116/09 ER). Die Beschwerde des Klägers hat die 7. Kammer des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 29.01.2010 zurückgewiesen (vgl. L 7 B 449/09 AS ER).

Bereits am 28.01.2010 hat der Beklagte dem Kläger einen weiteren monatlichen Zuschuss zur privaten Pflegeversicherung (auch) für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2009 ausgezahlt, so dass der Kläger jeweils einen monatlichen Zuschuss zur Pflegeversicherung in Höhe von 26,84 EUR erhalten hat.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 19.05.2010 die Verfahren S 5 AS 122/09 und S 5 AS 123/09 unter dem führenden Aktenzeichen S 5 AS 122/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Hauptsacheverfahren sowie des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Klagen sind zum Teil begründet. Der Kläger ist in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Er hat einen Anspruch auf einen monatlichen Zuschuss zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 245,42 EUR im Zeitraum vom 01.05.2009 bis zum 31.10.2009 sowie auf Übernahme des anteiligen Selbstbehalts für 2009 in Höhe von 397,44 EUR, so dass der bestandskräftige Bescheid vom 09.06.2009 in der Gestalt der Bescheide vom 23.06.2009 und vom 30.06.2009 sowie der Bescheid vom 25.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 entsprechend abzuändern sind. Darüber hinaus sind die Klagen unbegründet.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Dieses ist der Fall. Der Beklagte hätte dem Kläger im Zeitraum von Mai bis Juli 2009 mit Bescheiden vom 09.06.2009, 23.06.2009 und 30.06.2009 Zuschüsse zu der privaten Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe zuzüglich eines anteiligen Selbstbehalts bewilligen müssen. Auch der Bescheid vom 25.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 ist aus diesem Grund rechtswidrig.

Dieses ergibt sich aus einer teleologischen und verfassungskonformen Auslegung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) bzw. des § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II (so wohl auch Sozialgericht Stuttgart, Beschluss vom 13.08.2009, S 9 AS 5003/09 ER; vgl. zudem Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B). Das erkennende Gericht folgt damit im Ergebnis den Gerichten, von denen in dieser Konstellation eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II (vgl. u.a. Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009, S 5 AS 2121/09; Sozialgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.10.2009, S 31 AS 174/09 ER; Sozialgericht Düsseldorf, Urteile vom 12.04.2010, S 29 AS 547/10 bzw. S 29 AS 412/10; vgl. auch Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 14.01.2010, S 9 AS 5449/09 - anhängig beim Bundessozialgericht, B 14 AS 36/10 R) oder eine Anwendung der Härtefallregelung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) (vgl. Sozialgericht Bremen, Urteil vom 20.04.2010, S 21 AS 1521/09) befürwortet wird (a.A. u.a. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2010, L 15 AS 26/10 B ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.03.2010, L 13 AS 919/10 ER-B; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2010, L 9 AS 570/09 B ER; Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 18.09.2009, S 29 AS 4051/09 ER; Sozialgericht Berlin, Urteil vom 27.11.2009, S 37 AS 31127/09).

Das Gericht verkennt nicht, dass bei wortgetreuer Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG die Beiträge des Klägers zu seiner privaten Krankenversicherung von der Beklagten nur in Höhe des Betrages zu übernehmen wären, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Den Differenzbetrag hätte danach der Kläger selbst zu tragen. Zu beachten ist indes, dass ein wortgetreue Anwendung dann nicht in Betracht kommt, wenn insbesondere Sinn und Zweck der Vorschrift (aber auch Entstehungsgeschichte und Gesamtzusammenhang der Vorschriften) eine andere Deutung zulassen und eine wortgetreue Anwendung zu unerträglichen Ergebnissen führen würde. Dann kommt eine verfassungskonforme Auslegung in Betracht, die ihre Grenzen erst dort findet, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 24.05.1995, BVerfGE 93, 37). Eine Auslegung gegen den Wortlaut ist somit ausnahmsweise zulässig (a.A. Sozialgericht Berlin, Urteil vom 27.11.2009, S 37 AS 31127/09).

Die Änderung des § 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) zum 01.01.2009, d.h. insbesondere die Einführung des neuen Abs. 5a, nach dem ein Bezieher von Arbeitslosengeld II, der unmittelbar vor dem Bezug dieser Leistungen privat krankenversichert war, nicht versicherungspflichtig ist, und die parallele Einführung eines Basistarifs in der privaten Krankenversicherung im vergleichbaren Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung, ändert nichts an der gesetzlichen Konzeption des SGB II, dass für Leistungsempfänger ein umfassender Krankenversicherungsschutz ohne Beitragsbelastung vorgesehen ist (vgl. Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009, S 5 AS 2121/09; Sozialgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.10.2009, S 31 AS 174/09 ER). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch den neugeregelten Verbleib des Hilfebedürftigen in der privaten Krankenversicherung eine Bedarfsunterdeckung bezweckt hat. Vielmehr ist der Entstehungsgeschichte der neuen Vorschriften zu entnehmen, dass der Gesetzgeber zwar eine gesetzliche Diskrepanz in Kauf genommen hat, er sich jedoch zum einen bewusst war, keine abschließende Lösung der Problematik gefunden zu haben (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009, L 2 SO 2529/09 ER-B; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER), und er sich zum anderen gerade nicht bewusst mit den erheblichen Folgen dieser neuen Gesetzeslage auseinandergesetzt hat. Im Gesetzgebungsverfahren konnte kein Konsens erzielt werden, ob die Unternehmen der privaten Krankenversicherungen oder die Allgemeinheit zusätzlich belastet werden sollen; nicht bezweckt war hingegen, die Leistungsempfänger mit zusätzlichen erheblichen Beiträgen zu belasten. Auch die weitere Entwicklung (vgl. BT-Drucksache 16/13965, Nr. 25 vom 28.08.2009) zeigt, dass die Gesetzgebungsorgane einen entsprechenden Handlungsbedarf sahen bzw. sehen. Von einer Vereitelung einer "Regelungsabsicht" des Gesetzgebers (so Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER) kann aber dann nicht gesprochen werden, wenn im Rahmen einer teleologischen Auslegung die gesetzliche Konzeption der Gewährleistung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes ohne Beitragsbelastung für die SGB II-Leistungsempfänger aufrecht erhalten bleibt.

Ausgehend von dieser teleologischen Auslegung der gesetzlichen Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist gerade auch aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung eine wortgetreue Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG abzulehnen. Eine existenzgefährdende Bedarfsunterdeckung ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. dazu insbesondere Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) nicht zu vereinbaren. Die Differenz zwischen dem an das Unternehmen der privaten Krankenversicherung zu zahlenden Beitrag und dem gemäß des Wortlautes des § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG von dem SGB II-Leistungsträger zu gewährenden Zuschuss in Höhe des Betrages, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist, müsste der Bedürftige faktisch aus seiner Regelleistung finanzieren. Dafür ist die Regelleistung gemäß § 20 SGB II indes nicht vorgesehen; sie dient der Sicherung des Lebensunterhaltes und nicht der Bestreitung der Kosten einer Absicherung im Krankheitsfall (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER). Solange demnach der Gesetzgeber nicht eine Absenkung des reduzierten Beitrages zum Basistarif der privaten Krankenversicherung auf die Höhe des Zuschusses für in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte SGB II-Leistungsempfänger gesetzlich festlegt, ist zur Vermeidung einer mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zu vereinbarenden existenzgefährdenden Bedarfsunterdeckung eine Übernahme der Kosten zur privaten Krankenversicherung maximal bis zur Höhe des halbierten Basistarifs angezeigt.

"Für dieses Ergebnis spricht zudem ein ansonsten auftretender Wertungswiderspruch in der Behandlung der Gruppe von Hilfeempfängern, die bereits ohne Berücksichtigung der Beiträge für die private Krankenversicherung hilfebedürftig sind, einerseits, und der Gruppe der Hilfeempfänger, bei denen Hilfebedürftigkeit erst unter Berücksichtigung entsprechender Beiträge gegeben ist, andererseits. Nur auf erstere Gruppe von Hilfebedürftigen bezieht sich § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG, was dazu führen würde, dass nur für diese Gruppe ein Anspruch nur in Höhe der Beiträge in Höhe der für einen gesetzlich Krankenversicherten aufzubringenden Beiträge bestünde. Eine entsprechende Beschränkung wäre hingegen für die andere Gruppe der Hilfebedürftigen nicht vorgesehen. Für diese gälte § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG, wonach sich der zuständige Träger nach dem SGB II oder SGB XII im erforderlichen Umfang beteiligt, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Damit erfolgt hier keine Beschränkung auf die für einen gesetzlich Krankenversicherten aufzuwendenden Beträge. Danach hätte z.B. ein Hilfebedürftiger, der über ein geringes Einkommen verfügte, mit dem er seinen [ ...] Bedarf ohne Berücksichtigung seiner Krankenversicherungsbeiträge gerade noch abdecken könnte, der aber bereits bei Berücksichtigung minimaler Krankenversicherungsbeiträge hilfebedürftig würde, gemäß § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG Anspruch auf die volle Übernahme der ihm entstehenden Beiträge im halbierten Basistarif. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum ein Hilfebedürftiger, der möglicherweise nur einen ganz geringen Teil seiner Krankenversicherungsbeiträge aus eigenem Einkommen selbst abdecken kann, einen Anspruch gegenüber dem Grundsicherungsträger in Höhe des halbierten Basistarifes haben soll, nicht hingegen ein bereits auch ohne die Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge Hilfebedürftiger" (so überzeugend Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.12.2009, L 9 B 49/09 SO ER; vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009, L 2 SO 2529/09 ER-B; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B).

Es kann dahin stehen, ob demnach eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II oder des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG in Betracht kommt. Nach den Rechtsfolgen beider Tatbestände ist dem SGB II-Leistungsempfänger der Beitrag zu bewilligen, der für eine Krankenversicherung zu zahlen ist, die dem Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Übertragen auf den Fall des Klägers, also eines Hilfeempfänger, der bereits ohne Berücksichtigung der Beiträge für die private Krankenversicherung hilfebedürftig ist, sind die Kosten zur privaten Krankenversicherung maximal bis zur Höhe des halbierten Basistarifs zu übernehmen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger bislang nicht in den Basistarif gewechselt ist. Die Überschreitung des halbierten Basistarifs in Höhe von 284,82 EUR (3.675,00 EUR x 15,5 % / 2) für das Jahr 2009 aufgrund des Krankenversicherungsbeitrages in Höhe von monatlich 218,58 EUR zuzüglich des anteiligen Selbstbehalts in Höhe von monatlich 208,33 EUR (2.500,00 EUR / 12) führt nicht zur Begrenzung auf den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Soweit das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. S 5 AS 116/09 ER) eine andere Auffassung vertreten hat, wird dieser nicht mehr gefolgt. Vielmehr führt die Überschreitung des halbierten Basistarifs nur zur Begrenzung auf die Höhe dieses halbierten Basistarifs, also im vorliegenden Fall - neben der Zahlung des monatlichen Krankenversicherungsbeitrages in Höhe von 218,58 EUR - zu einer zusätzlichen Übernahme des Selbstbehalts in Höhe von monatlich 66,24 EUR.

Entsprechendes gilt auch für die von dem Beklagten zu übernehmenden Kosten für die private Pflegeversicherung gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II, also die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang. Dabei ist nicht nur der Beitrag zu zahlen, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen ist (so Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, L 15 AS 1048/09 B ER), sondern der tatsächliche Beitrag zur privaten Pflegeversicherung, maximal aber bis zur Hälfte des Höchstbeitrages zur sozialen Pflegeversicherung, d.h. im Jahr 2009 35,83 EUR (3.675,00 EUR x 1,95 % / 2). Der Beitrag des Klägers zur privaten Pflegeversicherung ist im Jahr 2009 (26,84 EUR) günstiger als dieser Maximalbetrag, so dass er - wie erfolgt - komplett von dem Beklagten zu übernehmen ist.

Ein Wechsel in den Basistarif des privaten Krankenversicherungsunternehmens ist auch nicht unzumutbar. Es ist nicht ersichtlich, warum der gegenüber dem Basistarif insgesamt teurere Normaltarif des Klägers durch die steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II finanziert werden sollte. Ein Anspruch besteht nur auf Übernahme eines Beitrages für eine Krankenversicherung, die dem Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Ein anderes Ergebnis wäre zudem nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dem Beklagten sind ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dieses entspricht dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen.

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Beschwerdewert von 750,00 EUR überschritten wird.
Rechtskraft
Aus
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