S 31 AS 226/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 226/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme von Kosten der Unterkunft im Zeitraum vom 02.01. bis zum 16.08.2009.

Der Kläger lebt in Köln-Rodenkirchen in einer Vier-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 130 qm². Die Bruttokaltmiete beträgt 1.300,00 EUR. Hinzu kommen die von den Mietern mit dem Versorger RheinEnergie unmittelbar abgerechneten Abschläge für Heizung und Kaltwasser. Mieter der Wohnung ist neben dem Kläger auch dessen Ehefrau, die ebenfalls in der Wohnung lebt. Am 02.01.2009 hat der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) gestellt. Mit Bescheid vom 02.04.2009 lehnte die Beklagte die Leistungsgewährung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht glaubhaft dargelegt worden sei.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Ferner stellte er beim Sozialgericht Köln einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, der dort unter dem Aktenzeichen S 4 AS 23/09 ER geführt wurde. Aufgrund einer im Erörterungstermin vom 04.03.2009 getroffenen Vereinbarung zahlte die Beklagte dem Kläger sodann Regelleistungen in Höhe von 351,00 EUR monatlich und Kosten der Unterkunft in Höhe von 311,00 EUR monatlich für den Zeitraum von März bis Mai 2009 ohne Bescheid aus. Im Juni 2009 stellte der Kläger sodann beim Sozialgericht Köln einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, der dort unter dem Aktenzeichen S 31 AS 144/09 ER geführt wurde. Mit dem Antrag begehrte der Kläger die Weiterbewilligung der Regelleistung für die Zeit ab Juni 2009. Nach Durchführung eines Erörterungstermins sowie eines Hausbesuches bei dem Kläger am 06.08.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25.08.2009, der später durch die Änderungsbescheide vom 28.08. und 15.09.2009 abgeändert wurde, vorläufig eine monatliche Regelleistung in Höhe von 359,00 EUR für den Zeitraum vom 19.06 bis zum 31.12.2009. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger im Übrigen eine monatliche Regelleistung in Höhe von 351,00 EUR für den Zeitraum vom 02.01. bis zum 18.06.2009 und wies den Widerspruch hinsichtlich der Kosten der Unterkunft als sachlich unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Mietzahlung durch die Ehefrau an den Vermieter sei als Unterhaltsleistung für den Kläger gem. § 1361 BGB zu werten. Eine Erstattung des auf den Kläger entfallenden Anteils der Miete durch die Beklagte komme deshalb nicht in Betracht.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger behauptet, dass er von seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung getrennt lebe. Er habe mit seiner Ehefrau mündlich die Vereinbarung getroffen, dass er für den von ihm bewohnten Anteil der Wohnung eine Untermiete in Höhe von monatlich 311,00 EUR zu zahlen habe. Zurzeit zahle er an seine Ehefrau aus der ihm gewährten Regelleistung 15,00 EUR im Monat für Strom und Heizung. Seine Ehefrau sei lediglich geringfügig im Partnerschaftsvermittlungsgeschäft seiner Schwiegermutter beschäftigt mit einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von ca. 424,32 EUR. Es werde als gerichtsbekannt unterstellt, dass hieraus keine Unterhaltsleistung an ihn erbracht werden könne. Zur Einkommens- und Vermögenslage seiner Ehefrau könne er keine weiteren Angaben machen. Ob die Ehefrau leistungsfähig sei und ihm daher Unterhaltsansprüche gegen diese zustünden, sei für seinen Anspruch nach dem SGB II jedoch unerheblich. Es käme dann allenfalls ein Übergang der Unterhaltsansprüche auf die Beklagte gem. § 33 SGB II in Betracht. Jedenfalls könne die Zahlung der Ehefrau gegenüber der Vermieterin nicht als Unterhaltsleistung gegenüber ihm angesehen werden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04.02.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 02.01.2009 bis zum 18.06.2009 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 311,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren.

Das Gericht hat die Akten zu den gerichtlichen Eilverfahren S 4 AS 23/09 ER und S 31 AS 144/09 ER beigezogen. Die Ehefrau des Klägers hat dem Gericht auf Anfrage mitgeteilt, dass sie im vorliegenden Verfahren wie bereits in den vorangegangenen Verfahren von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen werde. Das Gericht hat daraufhin von einer förmlichen Zeugenladung abgesehen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte verwiesen, welche zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch sachlich nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Übernahme der von ihm geltend gemachten Kosten der Unterkunft in Höhe von 311,00 EUR im Zeitraum vom 02.01. bis zum 18.06.2009 zu.

Kosten der Unterkunft werden gem. §§ 19 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Voraussetzung hierfür ist gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, dass der Antragstellende zwischen 15 und 65 bis 67 Jahren alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Von diesen Grundvoraussetzungen der Leistungsgewährung ist im Falle des Klägers die Hilfebedürftigkeit jedenfalls in Hinblick auf die hier geltend gemachten Kosten der Unterkunft nicht zur Überzeugung der Kammer erwiesen.

Fraglich ist die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers bereits deshalb, weil das Verhältnis des Klägers zu der in Frechen tätigen xxxxxxx GmbH ungeklärt ist. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2010 ausgesagt, dass es sich hierbei um die Firma handele, mit der er im Jahre 1994 pleite gemacht habe. Er sei zuvor etwa 10 Jahre selbstständig als Speditionsunternehmer tätig gewesen und habe davor im Speditionsbetrieb seiner Eltern gearbeitet. Zweifelhaft sind diese Angaben deshalb, weil die entsprechende Firma weiterhin im Telefonbuch eingetragen und somit offenkundig tätig ist. Die Kammer bezweifelt zudem, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - in der gegenwärtigen Wohnung von seiner Ehefrau getrennt lebt. Hiergegen spricht, dass der Kläger nach nunmehr eineinhalb Jahren behaupteter Trennung immer noch mit der Ehefrau in derselben Wohnung lebt. Soweit der Kläger hierzu pauschal vorträgt, er bekomme ja ohnehin keine andere Mietwohnung zu den Angemessenheitskritieren der Beklagten ist dies nicht nachvollziehbar, da auch andere Empfänger von Leistungen nach dem SGB II eine Wohnungssuche in Köln erfolgreich abschließen. Gegen die Trennungsabsicht der Eheleute spricht auch, dass von beiden bislang noch kein Scheidungsantrag eingereicht wurde, obwohl das Trennungsjahr gem. § 1566 Abs. 1 BGB zwischenzeitlich abgelaufen ist. Die vorgenannten Zweifel an der Darstellungsweise des Klägers können jedoch im Ergebnis dahin stehen.

Die Hilfebedürftigkeit des Klägers ist jedenfalls deshalb in Hinblick auf die hier alleine geltend gemachten Kosten der Unterkunft nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt, weil nach Ausschöpfung aller dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten unklar geblieben ist, ob dem Kläger gegen seine Ehefrau ein Anspruch auf Trennungsunterhalt gem. § 1361 Abs. 1 BGB zusteht, mit welchem er gegen den Untermietanspruch seiner Ehefrau aufrechnen und sich so von den Kosten der Unterkunft selbst befreien könnte, ohne auf die Hilfe der Beklagten angewiesen zu sein.

Hilfebedürftig ist gem.§ 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und dem Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Hieraus folgt, dass der Kläger zunächst alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Sicherung seines Lebensunterhaltes ausschöpfen muss, bevor er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Anspruch nehmen kann. In diesem Sinne vorrangig in Anspruch zu nehmendes Einkommen sind gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der dort näher bestimmten Sozialleistungen. Ob auch bloße Zahlungsansprüche gegen Dritte, die dem Antragstellenden nicht tatsächlich ausgezahlt werden, als Einkommen in diesem Sinne anzusehen sind, ist umstritten. Teilweise wird dies unter Berufung auf den Wortlaut des § 9 Abs. 1 SGB II bejaht, wonach die Hilfebedürftigkeit nur dann anzunehmen ist, wenn der Lebensunterhalt nicht aus anderen Mitteln gesichert werden kann. Hieraus wird geschlossen, dass die Hilfebedürftigkeit dann entfällt, wenn dem Antragstellenden andere wirtschaftliche Quellen zur Verfügung stehen und er von diesen keinen Gebrauch macht (so Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, 19. Ergänzungslieferung 2008, § 11 Rnd. 98). Nach wohl überwiegender Auffassung genügen nicht zur Auszahlung gelangende Unterhaltsansprüche nicht, um die Hilfebedürftigkeit im Sinne des 9 Abs. 1 SGB II auszuschließen (so Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19.11.2009, Aktenzeichen L 11 AS 643/09 B ER; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.04.2009, Aktenzeichen L 5 AS 81/07; Söhngen in Juris-PK, 2. Auflage 2007, § 11 Rnd. 40, offengelassen von Mecke in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 11 Rnd. 14). Die letztgenannte Auffassung argumentiert mit dem Zweck des Arbeitslosengeldes II, die Sicherung des Existenzminimums des Antragstellenden zu gewährleisten. Das Existenzminimum des Betreffenden sei nur gesichert, wenn ihm an Stelle des Arbeitslosengeldes II bereite, verfügbare Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden. Dies sei bei bloßen Ansprüchen nicht der Fall (so Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Diese grundlegende Streitfrage bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Denn die vorstehend skizzierte Diskussion in Rechtsprechung und Literatur betrifft die Konstellation, dass der Antragstellende auf der einen Seite nicht durchgesetzte Unterhaltsansprüche gegen (frühere) Ehegatten oder Familienangehörige hat und andererseits unabhängig hiervon seinen Lebensunterhalt bestreiten und Kosten der Unterkunft an dritte Personen zahlen muss. Die Interessenlage ist jedoch eine andere, wenn der Schuldner des Unterhaltsanspruches zugleich Gläubiger der Mietforderung ist, für welche die Behörde im Rahmen des Arbeitslosengeldes II aufkommen soll. In diesem Fall ist auch der bloße nicht-titulierte Unterhaltsanspruch ein bereites Mittel, mit welchem der Antragstellende seinen Bedarf an Kosten der Unterkunft unmittelbar und zeitnah decken kann, ohne auf die Hilfestellung der Behörde angewiesen zu sein. Der Antragstellende hat in diesem Fall nämlich die Möglichkeit, mit seinem Unterhaltsanspruch gegen die Mietforderung die Aufrechnung zu erklären. Die Aufrechnungserklärung hat dann gem. § 389 BGB die Wirkung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind. So verhält es sich hier: Die vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Kosten der Unterkunft in Höhe von 311,00 EUR sind identisch mit dem zivilrechtlichen Anspruch der Ehefrau des Klägers gegen diesen auf Zahlung der Untermiete. Steht dem Kläger gegen die Ehefrau ein Anspruch auf Trennungsunterhalt gem. § 1361 Abs. 1 BGB zu, so kann der Kläger mit diesem Unterhaltsanspruch gegen die Mietforderung der Ehefrau aufrechnen und sich auf diese Weise von der Mietforderung befreien, ohne auf die Hilfe der Beklagten angewiesen zu sein.

Ob eine solche Aufrechnungslage nach den konkreten Umständen gegeben ist, d.h. ob dem Kläger gegen seine Ehefrau ein Anspruch auf Trennungsunterhalt zusteht, ist für das Gericht nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht aufklärbar.

Ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Ehefrau scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger und seine Ehefrau am 01.04.2001 einen Ehevertrag abgeschlossen haben, mit welchem der Güterstand der Gütertrennung vereinbart werden sollte. Dieser Ehevertrag enthält keine Regelung zu Unterhaltsansprüchen und hat bereits nicht die für einen rechtswirksamen Ehevertrag erforderliche notarielle Form gem. § 1410 BGB.

Ob und in welcher Höhe der Kläger von seiner Ehefrau Trennungsunterhalt gem. § 1361 Abs. 1 BGB verlangen kann, hängt in erster Linie von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Ehefrau ab. Gegen das Vorliegen eines Unterhaltsanspruches des Klägers gegen seine Ehefrau sprechen zunächst die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechungen seiner Ehefrau, wonach diese als Angestellte der Partnerschaftsvermittlung xxxxxxx in Köln-xxxxxx ein Nettoeinkommen in Höhe von lediglich 424,77 EUR monatlich erhalten soll. Zweifel daran, dass es sich hierbei um die einzigen Einnahmen der Ehefrau des Klägers handelt, ergeben sich jedoch bereits daraus, dass die von dem Kläger und seiner Ehefrau gemeinsam bewohnte Wohnung zu einer Bruttokaltmiete von 1.300,00 EUR monatlich angemietet ist, zu der noch die an den Energieversorger RheinEnergie abzuführenden Heiz- und Stromkosten hinzukommen. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, wie mit dem behaupteten geringfügigen Einkommen diese Unterkunftskosten gedeckt werden sollen. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, wovon die Ehefrau des Klägers bzw. die Ehefrau und der Kläger vor der Trennung ihren sonstigen Lebensunterhalt bestritten haben sollen. Die Einlassung des Klägers, er habe keine Kenntnis von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen seiner Ehefrau und wisse nicht, wovon er und seine Ehefrau in der Zeit des Zusammenlebens gelebt hätten, ist im hohen Maße unglaubhaft, zumal der Kläger als langjährig selbständiger Speditionskaufmann über wirtschaftliche Erfahrung verfügt. Ebenso unglaubhaft ist die Behauptung des Klägers, dass seine Ehefrau von einem Onkel finanziell unterstützt werde, dessen Namen er jedoch nicht nenne. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass Leistungen in Höhe von monatlich 1.500,- bis 1.800,- EUR - so die Größenangabe des Klägers im Erörterungstermin vom 04.03.2009 im gerichtlichen Verfahren S 4 AS 23/09 ER - auf lange Zeit und ohne Gegenleistung erbracht werden. Dies gilt auch innerhalb guter und enger familiärer Beziehungen. Gegen die Annahme, dass die Ehefrau des Klägers aus ihrer Tätigkeit bei der Partnerschaftsvermittlung xxxxxxx lediglich ein Nettogehalt in Höhe von monatlich 424,32 EUR erzielt, spricht auch der Internet-Auftritt dieses Unternehmens, auf welchem unter www.xxxxxxxxx.de alleine die Ehefrau des Klägers, Frau xxxxxxxxx, als Repräsentantin und Fachberaterin aufgeführt wird. Aus alledem ergeben sich erhebliche Zweifel daran, ob die Darstellungsweise des Klägers zutrifft, dass ihm aufgrund Einkommens- und Vermögenslosigkeit seiner Ehefrau ohnehin keine Unterhaltsansprüche gegen diese zustehen. In der Gesamtschau sprechen vielmehr erhebliche Indizien dafür, dass die Ehefrau des Klägers oder dieser selbst über Einkommensquellen verfügt, die der Kläger gegenüber dem Gericht nicht offenlegen möchte und mit denen in der Vergangenheit der Lebensunterhalt bestritten wurde.

Die hieraus folgende Unklarheit hinsichtlich der vorhandenen Aufrechnungsmöglichkeit und somit der Hilfebedürftigkeit des Klägers in Hinblick auf die geltend gemachten Kosten der Unterkunft geht zulasten des Klägers. Die objektive Beweislast, d.h. das Risiko der Unerweislichkeit der Hilfebedürftigkeit liegt nicht auf Seiten der Beklagten, sondern auf Seiten des Klägers (vgl. hierzu u.a. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.11.2009, Aktenzeichen: L 12 B 93/09 AS ER). Das Gericht hat vorliegend alle ihm zu der Frage des Vorhandenseins von Unterhaltsansprüchen zustehenden Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft. Es hat insbesondere den Kläger im vorliegenden Verfahren sowie im vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes S 31 AS 144/09 ER eingehend zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Ehefrau sowie zu der gemeinsamen Lebensweise vor der behaupteten Trennung befragt. Es hat im vorgenannten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Sohn der Ehefrau des Klägers, Herrn xxxxxxxxxx, auch zu dieser Frage vernommen. Eine Vernehmung der Ehefrau des Antragstellers selbst ist daran gescheitert, dass die Ehefrau des Klägers von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht sowohl im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren Gebrauch gemacht hat. Insbesondere aufgrund der aus den oben skizzierten Gründen unglaubhaften Aussagen des Klägers konnte sich die Kammer kein abschließendes Bild über die Unterhaltsberechtigung und somit die Hilfebedürftigkeit des Klägers machen, so dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Kosten der Unterkunft in Höhe von 311,00 EUR nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt ist.

Die fehlende Erweislichkeit des Unterhaltsanspruches spricht im Übrigen nicht dagegen, dass es sich bei der Aufrechnungsmöglichkeit des Klägers mit diesem Unterhaltsanspruch gegen die Untermietforderung der Ehefrau um ein bereites Mittel im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt. Wollte man von der fehlenden Erweislichkeit des Unterhaltsanspruches darauf schließen, dass dem Kläger somit auch kein aktuelles Mittel zur Deckung seines Bedarfes zur Verfügung stünde, unterläge man einem Zirkelschluss, der die notwendige Trennung zwischen einerseits der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes und andererseits der rechtlichen Bewertung dieses Sachverhaltes aufheben und zu einer indirekten Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten führen würde. Eine Lösung, bei der bei Unerweislichkeit der Aufrechnungslage unmittelbar auf eine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II geschlossen würde, ließe im Übrigen außer Betracht, dass der Kläger selbst vorliegend über andere Erkenntnismöglichkeiten verfügt als das Gericht und die Beklagte. Wenn der Kläger hinsichtlich solcher Umstände, die in seiner familiären Sphäre angesiedelt sind, offensichtlich nicht bereit ist, im vollen Umfang an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, so kann dies nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

Die Berücksichtigung einer möglichen Aufrechnungslage mit einem Unterhaltsanspruch als mögliches Einkommen gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II steht schließlich auch nicht die Bestimmung des § 33 Abs.1 Satz 1 SGB II entgegen. Nach dieser Vorschrift gehen Unterhaltsansprüche bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach dem SGB II über, wenn der Leistungsempfänger für den entsprechenden Zeitraum über Unterhaltsansprüche verfügt und bei rechtzeitiger Unterhaltsgewährung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht erbracht worden wären. Die Bestimmung regelt somit einen gesetzlichen Forderungsübergang. Weder aus ihrem Wortlaut noch aus ihrem systematischen Zusammenhang zu § 11 SGB II kann entnommen werden, dass nach ihr grundsätzlich übergangsfähige Ansprüche bei Feststellung der Hilfebedürftigkeit keine Berücksichtigung finden dürften. Eine solche Lesart, nach der gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II übergangsfähige Ansprüche nie die Hilfebedürftigkeit des Antragstellenden ausschliessen könnten, ist auch mit dem Sinn und Zweck des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht vereinbar. Denn die Vorschrift dient der Umsetzung des Prinzips des Nachrangs der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (vgl. Link in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 33 Rn 1). Dieses, das Leistungssystem nach dem SGB II wesentlich prägende Prinzip ist insbesondere auch in der bereits zitierten Norm des § 9 Abs. 1 SGB II verankert, wonach hilfebedürftig und somit leistungsberechtigt nach dem SGB II nur ist, wer seinen Bedarf nicht auf andere Weise decken kann. Die gesetzgeberische Zielsetzung des § 33 SGB II würde deshalb in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man unter Hinweis auf diese Vorschrift eine mögliche Aufrechnungslage bei Prüfung der Leistungsberechtigung außer Acht ließe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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