S 13 KR 117/10 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 117/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Mehrkosten über 59,20 EUR hinaus je Hin- und Rückfahrt für Krankenfahrten mit einem Taxi.

Der Antragsteller (Ast.) muss sich vom 29.04. bis 28.06.2010 zu 40 onkologischen Strahlen-/Chemotherapien in das Universitätsklinikum B. begeben. Hierfür verordneten die behandelnden Ärzte Krankenfahrten mittels Taxi. Durch zwei Bescheide vom 26.04.2010 bewilligte die Antragsgegnerin (Ag.) die Krankenfahrten in einem Taxi, jedoch nur für den Zeitraum vom 29.04. bis 07.05.2010 (sieben Fahrten). Sie teilte dem Ast. mit, sie werde sich über eine Ausschreibung im Internet unverzüglich auf die Suche nach einem zuverlässigen und wirtschaftlichen Anbieter machen. Der Ast. forderte daraufhin die Ag. auf, auch über den 07.05.2010 hinaus eine Kostenübernahme für ein von ihm selbst zu wählendes Taxiunternehmen (hier: Taxi L. GmbH in E.) zu erklären, und setzte hierzu eine Frist bis 04.05.2010.

Am 04.05.2010 hat der Ast. einen entsprechenden Eilantrag bei Gericht eingereicht. Zur Begründung hat er u.a. ärztliche Bescheingiungen des Allgemeinmediziners Dr. O. und des Facharztes für Anästhesiologie und Psychotherapie, Dr. S. vom 27.04.2010 vorgelegt; darin befürworten die Ärzte bzw. halten es für dringend notwendig, dass dem Ast. für die notwendige Krankenbeförderung zur Radiochemotherapie zum Klinikum B. ein Vertrags-Taxiunternehmen nach freier Wahl ermöglicht wird.

Bereits mit zwei Bescheiden vom 03.05.2010 hat die Ag. dem Ast. für die Zeit vom 10.05. bis 28.06.2010 für die weiteren 33 Krankenfahrten die Übernahmen der Kosten eines Taxiunternehmens nach Wahl des Ast. bewilligt, jedoch begrenzt auf einen Betrag von 59,20 EUR je Hin- und Rückfahrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, für die ab 10.05.2010 noch anstehenden Fahrten eine Preisanfrage im Internet gestartet zu haben, die ein wirtschaftlich positives Erlebnis ergeben habe. Preisanfragen mittels eines Internetauftritts zu einfachen Krankenfahrten sei ein mittlerweile zur überwiegenden Zufriedenheit aller Beteiligten erfolgreich praktiziertes Verfahren; das Bemühen um preiswerte Transportaufträge erfülle die strengen gesetzlichen Auflagen zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes; auch bei Preisanfragen von Krankenfahrten werde sehr großen Wert darauf gelegt, dass die Leistungen nicht nur wirtschaftlich, sondern selbstverständlich mit der gebotenen Qualität, d.h. mit einwandfrei dafür zugelassenen Fahrzeugen erbracht werden.

Der Ast. ist der Auffassung, die Ag. lasse in ihrem Bescheid vom 03.05.2010 völlig unbeachtet, dass bei ihm eine besondere gesundheitliche Problematik in psychischer Hinsicht bestehe, wie sie insbesondere der ärztlichen Bescheinigung des Dr. S. vom 27.04.2010 zu entnehmen sei.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Kostenübernahme für die Dauer der Bestrahlung/Chemotherapie- behandlung im Klinikum B. über den 07.05.2010 hinausgehend für ein von ihm selbst zu wählendes Taxiunternehmen (hier: Taxi L. GmbH in E.) ohne Beschränkung auf 59,20 EUR pro Transporttag zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf ERlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, auf den Leistungsantrag des Ast. eine Ausschreibung der anstehenden Fahrten vorgenommen zu haben. Auf diese Ausschreibung habe sie verschiedene Angebote erhalten. Das Angebot des Transportunternehmens, welches der beschränkten Kostenübernahmeerklärung zugrunde liege, belaufe sich für 33 Fahrten auf insgesamt 1.953,60 EUR und demnach auf 59,20 EUR pro Fahrt. Sie habe dabei nicht das günstigste Angebot ausgewählt, sondern sich auch von dem Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit leiten lassen. Die Ag. ist der Auffassung, der Versicherte habe - auch bei Transportkosten - lediglich einen Anspruch auf Gewährung der Sachleistung. Die Erfülllung dieses Sachleistungsanspruchs sei durch die Entscheidung der Ag. gewährleistet. Dem Ast. bleibe es vorliegend unbenommen, einen anderen Leistungserbringer mit der Durchführung der Fahrten zu beauftragen; die hierdurch gegenüber den im Rahmen der Ausschreibung festgestellten Kosten entstehenden Mehrkosten habe er allerdings dann selbst zu tragen. Unabhängig davon sei - so die Ag. - ein Anordnungsgrund weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Es sei dem Ast. zuzumuten, die Mehrkosten zunächst selbst zu tragen und ggf. im Anschluss an das Hauptsacheverfahren erstattet zu erhalten.

II.

Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Ast. muss glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist bereits ein Anordnungsanspruch zweifelhaft. Der Anspruch auf Übernahme der notwendigen Kosten für Krankenfahrten zu einer ambulanten Behandlung gem. § 60 Abs. 1 SGB V i.V.m. den Krankentransportrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses unterliegt - wie alle Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung - dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Gem. § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Für die Inanspruchnahme von Taxen und Mietwagen durch Versicherte gilt - wie im gesamten Recht der gesetzlichen Krankenversicherung - grundsätzlich das Sachleistungsprinzip, soweit das SGB V nichts Gegenteiliges vorsieht (BSG, Urteil vom 30.01.2001 - B 3 KR 2/00 R = SozR 3-2500 § 60 Nr. 5). Für so genannte Sammelfahrten hat das BSG (a.a.O.) entschieden, dass das grundsätzliche Recht der Versicherten, bei notwendigen Krankenfahrten das Taxiunternehmen zu wählen (vgl. § 9 SGB IX), die Krankenkasse nicht hindert, zur Kostenersparnis gemeinsame Fahrten mehrerer Versicherter mit einem bestimmten Unternehmen anzuordnen. Es erscheint daher nicht offensichtlich rechtswidrig, dass die Ag. die Höhe der notwendigen Krankenfahrten des Ast. durch Ausschreibung der Fahrten zu begrenzen versucht. Auch das Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten findet seine Grenze im Wirtschaftlichkeitsgebot. Wenn die Ag. einen zuverlässigen Transport zu den onkologischen Behandlungen und zurück durch ein Taxiunternehmen gewährleistet, dass die Fahrten kostengünstiger als das vom Ast. gewählte Unternehmen durchführt, erfüllt sie den Sachleistungsanspruch des Ast. im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Den von den behandelnden Ärzten mitgeteilten gesundheitlichen Besonderheiten des Ast. hat die Ag. ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass sie dem Ast. freistellt, die Krankenfahrten auch durch ein von ihm frei zu wählendes Taxiunternehmen durchführen zu lassen; sie zwingt ihn also nicht, das Taxiunternehmen zu wählen, das in der Ausschreibung das entsprechend günstigere Angebot unterbreitet hat. Wählt der Ast. allerdings ein Taxiunternehmen, das die Fahrten nicht zu dem ermittelten günstigeren Preis anbieten kann oder will, so erscheint es nicht offensichtlich rechtswidrig, den Ast. darauf zu verweisen, dass er die Mehrkosten selbst trägt.

Unabhängig davon fehlt es aber jedenfalls am Anordnungsgrund. Würde die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Mehrkosten der Krankenfahrten über 59,20 EUR je Hin- und Rückfahrt hinaus zu übernehmen, läge darin eine Vorwegnahme der Hauptsache, die grundsätzlich unzulässig ist. Eine einstweilige Anordnung ist allenfalls möglich, wenn ohne sie die Gefahr bestünde, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Ast. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. iese Gefahr besteht vorliegend jedoch nicht bzw. ist vom Ast. nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Er hat dargelegt, dass die Kosten für die Hin- und Rückfahrten bei Inanspruchnahme des von ihm gewählten Taxiunternehmens bei ca. 110,00 EUR liegen. Die Differenz zum Angebotspreis der Ag. beträgt somit ca. 50,00 EUR. Für die 33 Fahrten in der Zeit vom 10.05. bis 28.06.2010 ergeben sich hieraus Mehrkosten in Höhe von ca. 1.650,00 EUR. Es ist nicht ersichtlich, dass der Ast. nicht in der Lage wäre, diesen Betrag zunächst selbst zu tragen, den er bei Obsiegen im Hauptsacheverfahren erstattet bekäme. Der Ast. hat keine wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt, die die vorläufige Übernahme des Mehrkostenbetrages - ggf. durch Aufnahme eines entsprechenden Darlehens - unzumutbar erscheinen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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