S 24 AS 3645/10 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
24
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 AS 3645/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Gewährung einer Hilfe zur Haushaltsführung als Mehrbedarf nach dem SGB II kommt nur in engen Ausnahmefällen in Betracht. Voraussetzung dafür ist jedenfalls, dass es dem Hilfebedürftigen nicht möglich und nicht zumtbar ist, übergangsweise die grundlegendsten und absolut notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, um dass gesetzgeberische System der pauschalierten Bedarfsdeckung mittels der Regelleistung nicht zu konterkarieren.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin J. aus S. wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragstellerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes ein Anspruch auf Hilfe zur Haushaltsführung zusteht.

Die 1952 geborene deutsche Antragstellerin steht seit Anfang 2005 beim Antragsgegner im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 10.05.2010 und Änderungsbescheid vom 07.06.2010 bewilligte ihr der Antragsgegner zuletzt für die Zeit vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Am 26.05.2010 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner eine Haushaltshilfe. Sie begründete ihren Antrag damit, dass bei ihr am 21.05.2010 ein bösartiges Brustkarzinom und aus der Achsel ein Knoten entfernt worden sei. Demnächst werde über die Nachbehandlung entschieden. Ihr Hausarzt und ihre Physiotherapeutin hätten ihr jegliche Hausarbeit verboten. Die Krankenkasse habe sie an das Sozialamt, das Sozialamt an den Antragsgegner verwiesen. Dem Antrag waren der Entlassbericht über die stationäre Behandlung der Antragstellerin in der Zeit vom 20.05.2010 bis 26.05.2010 des Frauenarztes Prof. Dr. K. vom 21.05.2010 und die Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. H. vom 26.05.2010 beigefügt. Prof. Dr. K. berichtet in seinem Entlassbericht über einen regelgerechten postoperativen Verlauf nach partieller Mamma- und Lymphknotenexzision sowie nach Destruktion des Mammagewebes. Die Drainagen hätten fristgerecht entfernt werden, die Antragstellerin mit reizlosen Wundverhältnissen und bei Wohlbefinden entlassen werden können. Die endgültige Histologie stehe noch aus. Dr. H. teilt in seiner Bescheinigung vom 26.05.2010 mit, dass die Antragstellerin noch an ausgeprägten Schmerzen und einer deutlichen Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Armes leide. Ebenso bestehe ein ausgeprägtes Lymphödem. Aus seiner Sicht sei die Bereitstellung einer Haushaltshilfe zur Sicherstellung der häuslichen Versorgung im Umfang von drei Stunden pro Woche bis auf Weiteres dringend erforderlich. In der Verwaltungsakte befinden sich zudem diverse Arbeitsun-fähigkeitsbescheinigungen. Aus der letzten Bescheinigung vom 14.06.2010 ergibt sich, dass die Antragstellerin bis einschließlich 16.07.2010 arbeitsunfähig erkrankt ist.

Mit Bescheid vom 07.06.2010 lehnte der Antragsgegner den Antrag ohne weitere Begründung ab. Mit ihrem dagegen unter dem 17.06.2010 erhobenen Widerspruch machte die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, dass sie einen Anspruch auf Finanzierung einer Haushaltshilfe zur Sicherstellung der häuslichen Versorgung in einem Umfang von drei Wochenstunden habe. Sie beruft sich insoweit auf den neu eingefügten § 21 Abs. 6 SGB II. Ein entsprechender Härtefall liege bei ihr vor, was sich aus der Bescheinigung des Dr. H. vom 26.05.2010 ergebe. Soweit die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Geschäftsanweisung Nr. 08/10 vom 17.02.2010 ausführe, dass ein Sonderbedarf in Gestalt einer Putz- bzw. Haushaltshilfe nur bei Rollstuhlfahrern in Betracht komme, könne dem nicht gefolgt werden. Darauf habe bereits die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in ihrer Stellungnahme vom 14.04.2010 hingewiesen. Ihr Sonderbedarf weiche darüber hinaus auch erheblich vom durchschnittlichen Bedarf ab, wenn man wöchentliche Kosten in Höhe von rund 120 Euro in Ansatz bringe (Stundensatz der Sozialstation rund 25,64 Euro zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 0,35 Euro pro Kilometer). Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bzw. der Sozialhilfe habe sie überdies nicht zu erwarten.

Unter dem 17.06.2010 hat die Antragstellerin beim beschließenden Gericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin J. aus Stuttgart gestellt.

Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und beantragt,

den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr gemäß § 21 Abs. 6 SGB II Leistungen zur Finanzierung einer Haushaltshilfe zur Sicherstellung der häuslichen Versorgung in einem Umfang von drei Wochenstunden zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Eine atypische Bedarfslage nach dem SGB II könne nur in engen Fällen anerkannt werden. Vorrangig seien Ansprüche gegen die Krankenkasse. Einen entsprechenden Ablehnungsbescheid habe die Antragstellerin indes nicht vorgelegt. Außerdem sei nicht glaubhaft gemacht, dass bei der Antragstellerin ein längerfristiger, dauerhafter bzw. regelmäßig wiederkehrender besonderer Bedarf vorliege. Die Bescheinigung des Dr. H. enthalte dazu und auch zur weiteren Behandlungsbedürftigkeit keine konkreten Angaben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der Eilantrag ist zulässig aber unbegründet.

1. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, soweit nicht ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Der Antrag nach § 86 b Abs. 2 SGG ist gemäß § 86 b Abs. 3 SGG schon vor Klageerhebung zulässig.

Als Sicherungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG ist der Antrag darauf gerichtet, einen bestehenden Zustand aufrechtzuerhalten, wobei wegen des Vorrangs des § 86 b Abs. 1 SGG der Ein-griff in einen bestehenden Zustand nicht durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt erfolgt sein darf. Die Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG dient hingegen der vorläufigen Einräumung einer bislang noch nicht bestehenden Rechtsposition.

Unter Zugrundelegung dessen ist der Antrag insgesamt als Regelungsanordnung im Sinne des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft, denn der Antragstellerin geht es vorliegend nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Zustandes, sondern um die gegenwärtige und künftige Gewährung von zusätzlichen Leistungen.

2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch, also die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs sowie einen Anordnungsgrund voraus. Letzterer ist gegeben, wenn wegen Eilbedürftigkeit die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten ist. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist. Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG]), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre,

siehe zum Vorstehenden statt vieler nur LSG Ba.-Wü., Beschl. v. 06.05.2009 – L 1 AS 1259/09 ER-B, m. w. N., abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/sgbe.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt der begehrte Erlass einer Regelungsanordnung nicht in Betracht. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr gegen den Antragsgegner ein Anordnungsanspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine Haushaltshilfe nach dem SGB II zusteht.

Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II in der Fassung des Art. 3 a Nr. 2 lit. b) des "Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze" (StabRuaÄndG) vom 27.05.2010 (BGBl. I, Nr. 26, Seite 671 ff.) – zukünftig nur noch § 21 Abs. 6 SGB II n. F. –, dessen Einführung mit Wirkung zum 03.06.2010 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts,

BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, NJW 2010, S. 505 ff.,

umsetzt, erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein un-abweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist un-abweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung,

BR-Drs. 17/1465, S. 8 f.,

soll der Sonderbedarfsanspruch unter den Aspekten des nicht erfassten atypischen Bedarfs sowie eines ausnahmsweise höheren, überdurchschnittlichen Bedarfs angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt sein. Ein Anspruch auf Übernahme dieses individuellen Mehrbedarfs könne nämlich nur dann entstehen, wenn es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen, unabweisbaren atypischen oder um einen ausnahmsweise überdurchschnittlichen Bedarf handele. Für die Beurteilung der Regelmäßigkeit sei auf den Bewilligungszeitraum abzustellen. Die Gesetzesbegründung nennt als Anwendungsfälle der Härtefallklausel des § 21 Abs. 6 SGB II n. F. beispielhaft die dauerhafte Notwendigkeit von Hygienemitteln bei bestimmten Erkrankungen, Putz- bzw. Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer sowie die Übernahme von Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend ein unabweisbarer besonderer Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II n. F. nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann zunächst offen bleiben, ob die Gewährung einer Haushaltsbeihilfe in jedem Fall nur bei Rollstuhlfahrern in Betracht kommt. Denn die Antragstellerin hat schon nicht glaubhaft gemacht, dass es ihr nicht möglich ist, die grundlegenden alltäglichen Haushaltsverrichtungen während der Zeit ihrer Rekonvaleszenz ohne fremde Hilfe zu besorgen. Ausweislich des Entlassberichtes des Prof. Dr. K. vom 21.05.2010, der im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden kann, verlief die postoperative Phase regelgerecht, ohne reizlose Wundverhältnisse und bei Wohlbefinden. Auch Allgemeinmediziner Dr. H. berichtet in seiner Bescheinigung vom 26.05.2010 (ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwertbar) lediglich über ausgeprägte Schmerzen und eine deutliche Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Armes sowie über ein Lymphödem, freilich ohne objektiv-klinische Befunde mitzuteilen. Seine Einschätzung, dass eine Haushaltshilfe dringend erforderlich ist, begründet er nicht weiter. Auch teilt er nicht mit, welche Verrichtungen genau der Antragstellerin nicht möglich sein sollen. Die Antragstellerin selbst hat lediglich angegeben, dass ihr "Tragen, Bewegungen, Berührung mit heißem Wasser etc. verboten sei". Daraus lässt sich indes nach Überzeugung des Gerichts das Erfordernis einer Haushaltshilfe für die grundlegendsten, notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens nicht ableiten. Der Antragstellerin ist es zumutbar, für eine Übergangszeit auf das Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten im Haushalt zu verzichten und ungeschützten Kontakt mit heißem Wasser zu vermeiden bzw. ihre Hausarbeit allgemein auf das Notwendigste zu beschränken. Dass ihr leichte, absolut notwendige Bewegungen im häuslichen Umfeld gänzlich unmöglich wären, kann den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht entnommen werden.

Wie bereits oben dargelegt, ist bei der Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II n. F. ein strenger Maßstab anzulegen und ein entsprechender Anspruch nur bei Vorliegen eines dauerhaften besonderen Bedarfes anzuerkennen. Eine andere Auslegung würde das gesetzgeberische System der pauschalierten Bedarfsdeckung mittels der Regelleistung konterkarieren,

vgl. dazu Münker, jurisPR-SozR 12/2010, Anm. 3,

ohne dass dies verfassungsrechtlich gefordert wäre.

Davon abgesehen ist vorliegend auch nicht glaubhaft gemacht, dass die von der Antragstellerin be-haupteten Einschränkungen "laufend" im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II n. F. bzw. "dauerhaft" im Sinne der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts,

BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, NJW 2010, S. 505 (517),

besonders bedarfserhöhend wirken. Die Antragstellerin hat sich zu Stand und Verlauf ihrer Heil-behandlung nicht weiter erklärt. Dr. H. schreibt in seiner Bescheinigung vom 26.05.2010 – ohne weitere Begründung – lediglich vom Erfordernis einer Haushaltshilfenbereitstellung "bis auf Weiteres". Im Hinblick auf den regelgerechten postoperativen Verlauf (Entlassbericht des Prof. Dr. K. vom 21.05.2010) und mangels objektiver Verschlechterungsbefunde kann ein dauerhafter, scil. den Bewilligungszeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 – jedenfalls im Wesentlichen – durchgehend umfassender, besonderer gesundheitsspezifischer Mehrbedarf nicht angenommen werden.

Unabhängig davon war die Antragstellerin in der Zeit ab Entlassung aus der stationären Behandlung am 26.05.2010 bis heute offensichtlich auch in der Lage, sich grundlegend selbst zu versorgen. Entgegenstehendes ist jedenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich. Dass ihr dies weiterhin nicht möglich wäre, ist nicht glaubhaft gemacht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Weitere Anspruchsgrundlagen enthält das SGB II nicht,

statt vieler nur LSG Ba.-Wü., Beschl. v. 19.12.2006 – L 8 AS 4586/06 ER-B; Beschl. v. 15.05.2006 – L 13 AS 1708/06 ER-B, beide abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/ sgb/sgbe, jeweils zur Rechtslage bis zur Entscheidung des BVerfG bzw. bis zur Einfügung des § 21 Abs. 6 SGB II n. F.

Die Antragstellerin vermag ihren vermeintlichen Anspruch gegen den Antragsgegner auch nicht auf Vorschriften des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) erfolgreich zu stützen. Mit Einfügung des § 21 Abs. 6 SGB II n. F. wurde zugleich § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I, Nr. 36, S. 1706 ff.), wonach eine abweichende Festlegung der Bedarfe nach dem SGB II ausgeschlossen war, aufgehoben. Damit besteht jedenfalls seit dem 02.06.2010 keinerlei Grundlage und auch keine Veranlassung mehr, im gegebenen Zusammenhang Vorschriften des SGB XII im Anwendungsbereich des SGB II entsprechend anzuwenden,

so auch LSG Bln.-Bbg., Beschl. v. 09.06.2010 – L 34 AS 2009/09 NZB, juris.

Inwieweit der Antragstellerin möglicherweise (unmittelbar) Ansprüche nach §§ 70, 73 SGB XII gegenüber dem Sozialhilfeträger oder nach § 38 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bzw. § 36 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegenüber der Kranken-/Pflegekasse zustehen, ist nicht im hiesigen Verfahren gegen den Antragsgegner zu klären. Von einer Beiladung des Sozialhilfeträgers und der Kranken- bzw. Pflegekasse im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat das Gericht abgesehen, siehe dazu auch LSG Ba.-Wü., Beschl. v. 21.12.2009 – L 13 AS 5211/09 ER-B, Beschl. v. 06.05.2009 – L 1 AS 1259/09 ER-B; LSG NRW, Beschl. v. 22.03.2007 – L 19 B 21/07 AS ER, alle abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/sgbe; LSG Bln.-Bbg., Beschl. v. 20.12.2007 – L 5 B 2073/07 AS ER, juris.

Der Antragstellerin steht es frei, sich gegebenenfalls unmittelbar an die genannten Leistungsträger zu wenden und dort entsprechende (förmliche) Anträge zu stellen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Es entspricht vorliegend der Billigkeit, dass die Antragstellerin als unterliegender Teil ihre außergerichtlichen Kosten (§ 193 Abs. 2 SGG analog) selbst zu tragen hat.

4. Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entsprechend der obigen Ausführungen zu Ziffer 1 keinen Erfolg hat, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin J. aus den Gründen des § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO abzulehnen.
Rechtskraft
Aus
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