S 15 AS 1541/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 1541/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 250/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Nachzahlungen von Arbeitseinkommen aus vorangegangenen Monaten sind im Monat des Zuflusses als Einkommen zu berücksichtigen.
2. Eine mehrfache Absetzung der Freibeträge gemäß § 11 Abs. 2 SGB II (Grundfreibetrag) und § 30 SGB II (erwerbstätigen Freibetrag) ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn das Einkommen nach den Regeln der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-Verordnung) nur im Zuflussmonat zur Anrechnung kommt.
3. Klagt ein Leistungsbezieher nur in eigenem Namen gegen einen an ihn adressierten Bescheid, besteht keine Veranlassung, auch den Ehepartner als Kläger aufzunehmen. § 38 SGB II findet im gerichtlichen Verfahren keine Anwendung.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 29. Juli 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2009 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der am 1947 geborene Kläger steht seit 01.01.2005 mit seiner Ehefrau im Leistungsbezug bei der Beklagten. Im Rahmen seines Leistungsbezugs nimmt er eine Arbeitsgelegenheit an der Grundschule A. wahr (Hausaufgabenbetreuung im Rahmen eines sog. 1-EUR-Jobs). Darüber hinaus ist er gegen eine Entlohnung von 122,21 EUR monatlich ab 18.03.2009 dort geringfügig beschäftigt.

Die erste Überweisung des Gehalts erfolgte im Mai 2009 in Höhe von 294,23 EUR; zuvor hatte der Kläger im März 2009 bereits einen Vorschuss in Höhe von 100,00 EUR bar erhalten. Seit Juni 2009 wird das Arbeitseinkommen regelmäßig bezahlt. Im November 2009 erhielt der Kläger zusätzlich zu seinem laufenden Einkommen ein Weihnachtsgeld in Höhe von 36,54 EUR, im Dezember 2009 eine tarifliche Einmalzahlung in Höhe von 14,61 EUR.

Am 29.07.2009 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem von ihm und seiner Frau für die Zeit ab 01.05.2009 bis 30.06.2009 nach Anrechnung der zugeflossenen Einkünfte ein Betrag in Höhe von insgesamt 173,15 EUR zurückgefordert wurde. Der letzte Bewilligungsbescheid vom 05.03.2009 wurde insoweit teilweise aufgehoben. Auf das im Mai zugeflossene Einkommen von 294,23 EUR rechnete die Beklagte neben dem Freibetrag nach § 30 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) den Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II an, allerdings nur einmalig.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 25.08.2009; die Freibeträge seien monatlich abzusetzen und die verzögerte Auszahlung ab März könne nicht zu seinen Lasten gehen.

Mit Änderungsbescheiden vom 26.11.2009 hob die Beklagte den Bescheid vom 05.03.2009 auf und berechnete die Erstattungsforderung gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau nach dem Individualprinzip in getrennten Bescheiden neu. Vom Kläger wird danach für die Monate Mai und Juni 2009 noch eine zu Unrecht erbrachte Leistung in Höhe von 82,84 EUR zurückgefordert, von seiner Ehefrau ein Betrag in Höhe von 90,31 EUR.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 27.11.2009 wies sie die Widersprüche im Übrigen zurück.

Gegen diese Entscheidung wandte sich der Kläger mit seiner am 03.12.2009 beim Sozialgericht eingegangenen Klage.

Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 04.01.2010.

Mit Schreiben vom 23.02.2010 teilte der Kläger mit, dass nach nunmehriger Kenntnis die Beklagte verpflichtet sei, für die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz eine Pauschale von 0,50 EUR pro Kilometer anzurechnen. Da er an der Grundschule A. an 2 Tagen in der Woche arbeite, seien mindestens 24,00 EUR im Monat anzurechnen. Damit dürfte die ARGE bei einem monatlichen Einkommen von 122,21 EUR keinerlei Anrechnung vornehmen. Er beantrage deshalb, alle bisher ergangenen Bewilligungsbescheide der ARGE als ungültig zu erklären.

Das Gericht hat die Streitsache am 25.03.2009 mündlich verhandelt.

In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Kläger, dass er damit einverstanden sei, wenn von dem Einkommen von 294,23 EUR der Grundfreibetrag von 100,00 EUR zweimal abgezogen werde, da er ja im März 2009 schon einen Vorschuss von 100,00 EUR anrechnungsfrei erhalten habe.

Er beantragt, den Bescheid vom 29.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2009 unter Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen Berechnung aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Behördenakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 29.07.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2009 gerichtete Klage ist zulässig aber unbegründet. Die teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung vom 05.03.2009 und Rückforderung eines Betrages von 82,84 EUR vom Kläger ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der gegenüber der Ehefrau des Klägers ergangene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26.11.2009 ist dagegen nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens. Der Kläger hat ausdrücklich nur in eigenem Namen die Klage zum Sozialgericht erhoben. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass dieser Rechtsbehelf auch im Namen der Ehefrau erfolgt sein soll. Die Vermutungsregelung in § 38 SGB II für die Vertretung der Bedarfsgemeinschaft gilt nicht auch im gerichtlichen Verfahren. Hierauf ist der Kläger mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 25.09.2008 (S 16 AS 379/08) bereits ausdrücklich hingewiesen worden.

Die teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung vom 05.03.2009 beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, soweit dem Kläger nach Erlass dieses Bescheids Einkommen zugeflossen ist, das zur Minderung des Anspruchs geführt hat.

Das zugeflossene Arbeitsentgelt stellt Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II dar. Von diesem Einkommen sind die in § 11 Abs. 2 erfassten Abzüge vorzunehmen. Dabei gilt, dass bei einem Einkommen von nicht mehr als 400,00 EUR anstelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 nur der Grundfreibetrag von 100,00 EUR abgesetzt werden kann; auch höhere nachgewiesene Aufwendungen könnten danach nicht berücksichtigt werden (§ 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB II).

Darüber hinaus kommt vorliegend im Falle des Klägers nur noch der weitere Freibetrag nach § 30 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Höhe von 20 % desjenigen Teils des monatlichen Einkommens, das 100,00 EUR übersteigt und nicht mehr als 800,00 EUR beträgt, in Betracht.

Die Beklagte hat danach in nicht zu beanstandender Weise das im Mai zugeflossene Einkommen in Höhe von 294,23 EUR noch in Höhe von 155,38 EUR angerechnet, das im Juni zugeflossene laufende Arbeitseinkommen in Höhe von 122,21 EUR noch in Höhe von 17,77 EUR.

Es ist auch nach Überzeugung der Kammer nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte hinsichtlich des im Mai 2009 für die Zeit ab 18.03.2009 zugeflossenen Arbeitseinkommens von 294,23 EUR den Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II nur einmal abgesetzt hat.

Die Berücksichtigung dieses Einkommens im Monat des Zuflusses beruht auf § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II - V). Es handelt sich auch bei dem nachgezahlten Einkommen um laufende Einnahmen. Laufende Einnahmen sind solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden, bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung. Dabei ändert sich die Qualifizierung als laufende Einnahme auch nicht dadurch, dass es sich bei der Zahlung um die letzte oder erste einer typischerweise regelmäßig erfolgenden Leistung handelt (Bundessozialgericht - BSG - vom 30.07.2008 - B 14 AS 43/07 R). In dieser Entscheidung hat das BSG auch klargestellt, dass die Anrechnung des Einkommens im Monat des Zuflusses unabhängig davon erfolgt, für welchen Zeitraum dieses Einkommen nachgezahlt wird.

Entgegen der Auffassung des Klägers sieht die Kammer auch in seinem Fall in der von der Beklagten entsprechend dieser Rechtsprechung vorgenommenen Anrechnung der Grundfreibeträge keine unzulässige Benachteiligung des Klägers. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass auch das nachgezahlte Einkommen in der Summe noch deutlich unter dem Betrag von 400,00 EUR liegt, bis zu dem der Gesetzgeber pauschal einen Grundfreibetrag von 100,00 EUR insgesamt als ausreichend angesehen hat. Hätte der Kläger durch die Nachzahlung im Nachzahlungsmonat ein Einkommen von mehr als 400,00 EUR erzielt, hätte er gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II die Möglichkeit gehabt, insgesamt die mit der Erzielung dieses Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen.

Auch dass er nach eigenen Angaben solche Ausgaben nicht hatte, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 09.08.2007 (L 7 AS 5695/06) kann bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil dieses Urteil zeitlich durch die Rechtsprechung des BSG zur Anrechnung von nachgezahlten Einkünften überholt worden ist. Auch die darin getroffene Abgrenzung von Vermögen und Einkommen nach dem Rechtsgrund des Zuflusses, die in dem zu entscheidenden Fall dazu geführt hat, das der Senat tatsächlich bei einer Nachzahlung von Arbeitsentgelt für mehrere Monate auch die Freibeträge mehrfach abgesetzt hat, ist nach der eindeutigen Rechtsprechung des BSG nicht mehr haltbar. Das BSG hat inzwischen mehrfach entschieden, dass es nach seiner Überzeugung keine Ausnahme vom Zuflussprinzip gibt und dass diese Beurteilung ausdrücklich auch dann gilt, wenn Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen, die für eine Zeit vor Beginn des Leistungsbezugs gedacht gewesen waren, erst nachträglich ausbezahlt worden sind (Urteil vom 13.05.2009 - B 4 AS 29/08 R).

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.

Ausgehend von den vom Kläger zurückgeforderten Beträgen wird die Berufungssumme von 750,00 EUR nicht erreicht. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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