L 6 AS 999/10 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 1904/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 999/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.05.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides nach § 31 Abs. 5 S. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1986 geborene Antragsteller, der mit seiner Mutter eine Bedarfsgemeinschaft (BG) bildet, erhält von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Zeitraum September bis November 2009 wurden ihm wegen einer Pflichtverletzung aus Juli 2009 lediglich Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) gewährt (Sanktionsbescheid vom 31.07.2009). Zuletzt bewilligte die Antragsgegnerin der BG mit Bescheid vom 23.03.2010 (ungekürzte) Leistungen für die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.10.2010.

Im November 2009 unterbreitete die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Vermittlungsvorschlag über eine Hilfstätigkeit bei der H (XXX). Am 02.12.2009 schloss der Antragsteller mit der Antragsgegnerin eine Eingliederungsvereinbarung. Darin heißt es:

Bemühungen von Herrn N L zur Eingliederung in Arbeit:

( ...) Sie nehmen an folgender Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung ( ...) teil: Art der Tätigkeit: Maler/Lackierer; Tätigkeitsort H in J ( ...) zeitliche Verteilung: 14.12.2009 - 13.06.2010. ( ...) Ein Einsatz in einem anderen als dem ihnen vorgeschlagenen Tätigkeitsfeld ist in Absprache mit ihnen und dem Träger möglich und ist Bestandteil dieser Eingliederungsvereinbarung. ( ...)

Rechtsfolgenbelehrung:

( ...) Das Gesetz sieht bei pflichtwidrigem Verhalten unterschiedliche Leistungskürzungen vor. ( ...)

1. Eine Verletzung Ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn Sie sich weigern,

- die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Maß Eigenbemühungen nachzuweisen
- eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit Beschäftigungszuschuss geförderte Arbeit, ein zumutbares Sofortangebot oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen oder
- Sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben.

( ...) Da Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld II innerhalb der Jahresfrist bereits einmal wegen einer Verletzung der Grundpflichten für die Dauer von 3 Monaten gemindert wurde (vgl. Bescheid vom 31.07.2009), wird bei einem erneuten Verstoß gegen die unter Ziffer 1 aufgeführten Grundpflichten (weitere Pflichtverletzung) das Arbeitslosengeld II für die Dauer von drei Monaten vollständig entfallen. ( ...)

Der Antragsteller stellte sich im Folgenden bei der H vor und begann die Tätigkeit als Maler. Da ihm diese Tätigkeit zu belastend war, wurde er nach vorhergehender Probe ab 01.03.2010 bei den K als Hausmeisterhelfer eingesetzt. Zwischen der H und den K (Kooperationspartner) besteht eine Kooperationsvereinbarung vom 23.12.2009, deren Ziel die Schaffung von Zusatzjobs mit Mehraufwandsentschädigung gem. § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II ist. Nach dieser Vereinbarung führt der Kooperationspartner "im Auftrag der H für den/die Teilnehmer/in fachpraktische Unterweisung /Qualifizierung durch". Weiter ist geregelt, dass dem Kooperationspartner keine Kosten entstehen und er insbesondere nicht zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet ist. Eventuelle Fehlzeiten hat er dem Träger zu melden und diesem eine ggf. eingehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu übersenden.

Ab dem 18.03.2010 erschien der Antragsteller nicht mehr zu der Maßnahme. Mit Schreiben vom 23.03.2010 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einer wegen der Fehlzeit beabsichtigten Absenkung bzw. den Wegfall der Leistungen an. In einem persönlichen Gespräch am 07.04.2010 erklärte der Antragsteller, dass er krank gewesen sei und kein Geld gehabt habe, um einen Arzt aufzusuchen.

Mit Bescheid vom 15.04.2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass der ihm zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.07.2010 wegen wiederholter Pflichtverletzung (vorangegangene Pflichtverletzung am 24.07.2009) gem. § 31 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 b und Abs. 6 SGB II vollständig entfalle. Zur Begründung führte sie an, dass der Antragsteller ab dem 18.03.2010 unentschuldigt bei der Arbeitsgelegenheit gefehlt habe, so dass diese zum 31.03.2010 beendet worden sei. Die von ihm abgegebene Erklärung, erkrankt gewesen zu sein aber wegen der dann fälligen Praxisgebühr keinen Arzt aufgesucht zu haben, könne nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II anerkannt werden. Eine Begrenzung der Sanktion (Zahlung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung) sowie eine Verkürzung des Wegfalls der Leistungen auf 6 Wochen sei nicht gerechtfertigt, da er in der persönlichen Anhörung am 07.04.2010 keine Reue gezeigt habe. Auf Antrag könnten ihm in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen - gewährt werden.

Gegen den Sanktionsbescheid legte der Antragsteller am 20.04.2010 Widerspruch ein.

Am 26.04.2010 hat er beim Sozialgericht Dortmund (SG) im Wege der einstweiligen Anordnung den Antrag gestellt, die ihm zustehenden Leistungen nach dem SGB II ohne Ansatz einer Sanktion zu bewilligen bzw. auszuzahlen. Der Bescheid der Antragsgegnerin sei bereits formell rechtswidrig, weil zwischen Eingliederungsvereinbarung und angeblichem Pflichtenverstoß Monate gelegen hätten. Des Weiteren erfülle die Rechtsfolgenbelehrung in der Eingliederungsvereinbarung die vom Bundessozialgericht (BSG) hierfür aufgestellten Voraussetzungen nicht. Es werde lediglich der Gesetzestext formelhaft wiederholt. Eine - von der Antragsgegnerin angegebene - mündliche Belehrung sei nicht erfolgt. Auch habe er zuletzt nicht wie in der Eingliederungsvereinbarung vorgesehen bei der H, sondern bei den K gearbeitet. Um einen Pflichtenverstoß zu sanktionieren hätte hierüber eine neue Vereinbarung abgeschlossen werden müssen. Im Übrigen liege ein Pflichtenverstoß nicht vor, weil er in der Zeit ab 18.03.2010 aufgrund erheblicher Rückenprobleme erkrankt gewesen sei und mangels finanzieller Verhältnisse keinen Arzt habe aufsuchen können. Dies habe er auch seinem Vorgesetzten bei den K umgehend angezeigt. Weiterhin hätte ihm bei Bejahung eines Fehlverhaltens die Leistung lediglich für 6 Wochen gekürzt werden dürfen, da er beim persönlichen Gespräch am 07.04.2010 Reue gezeigt habe. Schließlich seien ihm keine Sachleistungen oder geldwerte Leistungen für den Sanktionszeitraum bewilligt worden. Zur Glaubhaftmachung hat der Antragsteller eidesstattliche Versicherungen vom 26.04.2010 und 10.05.2010 vorgelegt, nach denen er mittellos sei, seinem Ansprechpartner bei den K, Herrn I die Erkrankung ab 18.03.2010 sofort mitgeteilt und seine Sachbearbeiterin Frau U ihn nicht in einem persönlichen Gespräch am 02.12.2009 mündlich über die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen belehrt habe.

Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 21.05.2010 abgelehnt. Die Kammer lege den Antrag als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid aus. Die Anordnung komme dann in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestünden. Dies sei hier nicht der Fall. Die Voraussetzungen für die erfolgte Absenkung des Arbeitslosengeldes II gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 c, S. 2 SGB II lägen vor. Der Antragsteller habe nach Aktenlage bei der ihm zugewiesenen Arbeitsgelegenheit unentschuldigt gefehlt. Sein Vortrag, er habe sich krank gemeldet, erscheine nach summarischer Prüfung nicht glaubhaft. Entgegen seiner Auffassung sei auch eine ausreichende Belehrung über die Rechtsfolgen des Abbruchs der Arbeitsgelegenheit überwiegend wahrscheinlich. Der Antragsteller sei sowohl in der Eingliederungsvereinbarung als auch nach Aktenlage mündlich belehrt worden. Die Belehrung sei auch ausreichend zeitnah mit der Arbeitsgelegenheit erfolgt. Der Wechsel der Arbeitsgelegenheit gebiete keine andere Sichtweise, da dieser zum einen bereits Bestandteil der Eingliederungsvereinbarung gewesen, zum anderen der Wechsel auf den Wunsch des Antragstellers ohne Änderung der Zuständigkeit des Trägers erfolgt sei. Der Sanktionsbescheid stelle auch Beginn, Dauer und Höhe der Sanktion zutreffend fest. Die Voraussetzungen der Sanktionierung nach § 31 Abs. 5 SGB II lägen vor. Insbesondere bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller im Rahmen der Anhörung Reue gezeigt habe und deshalb Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 31 Abs. 5 S. 5 SGB II zu erbringen gewesen seien. Schließlich sei der Sanktionsbescheid auch nicht deswegen rechtswidrig, weil dort keine abschließende Regelung über die Bewilligung von ergänzenden Leistungen oder geldwerten Leistungen getroffen werde. Der Hinweis auf eine mögliche Beantragung der Leistungen trage dem Gesetzeszweck des § 31 Abs. 3 S. 6 i.V.m. Abs. 6 S. 6 SGB II ausreichend Genüge. Durch die Regelung solle sichergestellt werden, dass für den Hilfebedürftigen auch im Rahmen einer Sanktionierung die Grundversorgung gewährleistet bleibe. Da es sich um eine Ermessensentscheidung handele, bei welcher die individuellen Bedürfnisse sowie der Wille des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen seien, komme eine ergänzende Bewilligung von Sachleistungen ohne Mitwirkung des Betroffenen nicht in Betracht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 10.12.2009, L 9 B 51/09 AS ER).

Gegen den ihm am 01.06.2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 02.06.2010 Beschwerde eingelegt und sein bisheriges Vorbringen vertieft.

Die Antragsgegnerin hat den am 20.04.2010 erhobenen Widerspruch des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2010 zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet.

Das Begehren des Antragstellers im Beschwerdeverfahren ist dahingehend auszulegen, dass nach nunmehr erhobener Klage die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gegen den Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 15.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2010 beantragt wird.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem (durch die Antragsgegnerin vertretenen) Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung der Vorrang zu geben ist. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im Einzelfall gewichtige Argumente für eine Umkehr des gesetzgeberisch angenommenen Regelfalls sprechen, d.h. besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise das Privatinteresse des vom Verwaltungsakt Belasteten in den Vordergrund treten lassen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, vgl. auch Keller a.a.O., § 86b Rn 12 c m.w.N.). Ein wesentliches Kriterium bei der Interessenabwägung ist die nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage zu bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (§ 86 b Rn 12, 12 e; Berlit, info also 2005, S. 3, 6; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, S. 92), wobei beachtet werden muss, dass für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ein besonderes Interesse erforderlich ist, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 30.10.2009, 1 BvR 2395/09).

Hat die Hauptsache offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel anzuordnen, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse besteht (Keller, a.a.O., § 86b Rn 12 f). Bei einem als rechtmäßig zu beurteilenden Bescheid hingegen ist das öffentliche Interesse am Vollzug regelmäßig vorrangig. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, d.h. ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so ist jedenfalls in Fällen, in denen wie vorliegend, existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und damit die Wahrung der Würde des Menschen berührt wird, eine Folgenabwägung vorzunehmen, die auch Fragen des Grundrechtsschutzes einbezieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 Rn 25, 26, 29 in Breith 2005, 803 ff.).

Unter Anwendung dieser Kriterien kann der Antragsteller, dessen Klage wie der vorangegangene Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat, mit seinem Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren nicht durchdringen. Denn sein Aussetzungsinteresse überwiegt nicht das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.

Der Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 15.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2010 ist nicht offensichtlich rechtswidrig.

Nach dem bisherigen Sachstand ist unklar, ob die Voraussetzungen für den Wegfall des Arbeitslosengeldes II für den Zeitraum vom 01.05. bis 31.07.2010 gemäß § 31 Abs. 5 S. 2 SGB II vorliegen. Wenngleich die Rechtsfolgenbelehrung in der Eingliederungsvereinbarung im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 30/09 R) Bedenken begegnet, so ist durch Zeugenvernehmung der Sachbearbeiterin Frau U zu klären, ob eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung mündlich am 02.12.2009 erteilt worden ist. In der Akte findet sich ein entsprechender Beratungsvermerk vom 02.12.2009, während der Antragsteller diese Beratung bestreitet. Gleichfalls ist unklar, ob der Antragsteller der Arbeitsmaßnahme unentschuldigt oder entschuldigt ferngeblieben ist. Über den Widerspruch zwischen der Aussage des Antragstellers (telefonische Abmeldung) und dem Aktenvermerk der Frau Langwald (unentschuldigtes Fehlen) ist durch Vernehmung des vom Antragsteller benannten Zeugen I Beweis zu erheben.

Die Sanktionierung des Antragstellers ist entgegen seiner Auffassung weder deshalb rechtswidrig, weil zwischen Eingliederungsvereinbarung und Pflichtenverstoß einige (hier: 2,5 Monate) gelegen haben noch weil Sachleistungen bzw. geldwerte Leistungen für den Sanktionszeitraum nicht bereits im Sanktionsbescheid konkret benannt worden sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 21.05.2010 Bezug (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Zutreffend ist das SG auch davon ausgegangen, dass eine Reue des Antragstellers im Hinblick auf den aktenkundig dokumentierten Verlauf des persönlichen Gesprächs am 07.04.2010 nicht glaubhaft ist und die Antragsgegnerin damit zu Recht die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 31 Abs. 5 S. 5 SGB II im Sanktionszeitraum sowie dessen Verkürzung auf 6 Wochen nach § 31 Abs. 6 S. 3 SGB II abgelehnt hätte. Im Hauptsacheverfahren werden hierzu weitere Ermittlungen erforderlich sein.

Die bei somit offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens notwendige Folgenabwägung fällt - zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats - zugunsten der Antragsgegnerin aus. Zum jetzigen Zeitpunkt sind schwere und unwiederbringliche Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein könnte, nicht dargelegt und nach Lage der Akten auch nicht ersichtlich. Insoweit ist es dem Antragsteller diesbezüglich auch im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 26.02.2010, L 6 B 154/09 AS ER m.w.N.). Dies folgt daraus, dass der Sanktionszeitraum mittlerweile abgelaufen ist und der Antragsteller seit August wieder Leistungen von der Antragsgegnerin erhält, so dass sein Lebensunterhalt gesichert ist (vgl. entsprechend auch LSG NRW, Beschluss vom 21.12.2009, L 19 B 277/09 AS). Hingegen könnte die Antragsgegnerin bei vorläufiger (Nach-)Zahlung der Leistungen und späterem Obsiegen in der Hauptsache ihren Rückforderungsanspruch nur schwerlich realisieren, so dass die Zuerkennung der Leistungen deshalb im Ergebnis einen Zustand schaffen würde, der in seinen (wirtschaftlichen) Auswirkungen der Vorwegnahme in der Hauptsache zugunsten des Antragstellers gleichkäme.

Vor diesem Hintergrund ist kein Anhalt für eine Umkehr des in § 39 Nr. 1 SGB II normierten Vorrangs des öffentlichen Interesses am (weiteren) sofortigen Vollzug des Sanktionsbescheides.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die notwendige Folgenabwägung auch bei Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt nicht zu einem Erfolg des Eilantrags geführt hätte. Insoweit ist zu beachten, dass der Antragsteller zu keiner Zeit im Laufe des Verfahrens schwere und unwiederbringliche Nachteile dargelegt hat, aufgrund derer seinem Suspensionsinteresse entgegen der gesetzgeberischen Entscheidung der Vorrang zu geben gewesen wäre. Weder durch den Wegfall der Regelleistung noch durch den Wegfall der KdU ist für ihn in den Sanktionsmonaten die Existenzsicherung ernsthaft in Frage gestellt worden. Den Wegfall der Regelleistung konnte der Antragsteller im existenzsichernden Bereich durch den Antrag auf Gewährung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen gemäß § 31 Abs. 5 S. 6 i.V.m. Abs. 3 S. 6 SGB II auffangen. Ein Verlust der gemeinsam mit seiner Mutter bewohnten Wohnung aufgrund des Wegfalls der KdU ist weder vorgetragen noch im Hinblick darauf ersichtlich, dass zumindest die Hälfte der KdU weiter durch die Mutter gedeckt werden konnten und Mietschulden in einem kündigungsberechtigenden Umfang damit nicht aufliefen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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