L 11 EG 3952/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 EG 5481/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 3952/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Da Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt wird und die Eltern insgesamt Anspruch auf 12 bzw 14 Monatsbeträge haben, werden bei gleichzeitigem Bezug von Elterngeld
beider Elternteile bezogen auf einen Lebensmonat des Kindes immer zwei Elterngeldmonate verbraucht (sog doppelter Anspruchsverbrauch).
Beziehen die Eltern nacheinander für insgesamt 12 oder 14 Monate Elterngeld, wird das Einkommen des Berechtigten auch dann angerechnet, wenn der andere Elternteil während dieser Zeit ebenfalls
seine Arbeitszeit und damit sein Einkommen um die Hälfte reduziert hat.Diese sich aus dem geltenden Recht ergebenden Konsequenzen
sind nicht verfassungswidrig.
(Die Revision wurde vom Senat zugelassen).
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. April 2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger beanspruchen entweder Elterngeld für einen längeren Zeitraum oder Elterngeld ohne Anrechnung des Erwerbseinkommens.

Die 1976 geborene Klägerin und der 1974 geborene Kläger sind verheiratet und Eltern des am 2008 geborenen Kindes S. H ... Bis zur Geburt ihrer Tochter waren beide Kläger unbefristet und in Vollzeit berufstätig, danach reduzierten sie ihre Erwerbstätigkeit auf jeweils 50 % (die Klägerin voraussichtlich für zwei Jahre, der Kläger zunächst für ein Jahr). Während der ersten zwei Lebensmonate der Tochter S. wurden die Dienstbezüge der Klägerin weiter gezahlt.

In der Zeit von Januar bis Dezember 2007 beliefen sich die Brutto-Dienstbezüge der Klägerin auf insgesamt 45.518,52 EUR und in der Zeit vom 26. März 2008 bis 26. März 2010 auf 18.254,01 EUR. Die Einkommensverhältnisse der Klägerin gestalteten sich wie folgt:

Zeitraum Brutto Steuern Werbungskosten Netto 1.1.07 - 31.12.07 45.518,52 10.492,92 920,04 31.105,56 26.3.08 - 26.3.09 18.254,01 5.497,45 769,17 11.987,39

In der Zeit von Januar 2007 bis Dezember 2007 beliefen sich die Brutto-Dienstbezüge des Klägers auf 44.795,76 EUR und in der Zeit von März 2008 bis Mai 2008 auf 3.992,46 EUR. Die Einkommensverhältnisse des Klägers gestalteten sich wie folgt:

Zeitraum Brutto Steuern Werbungskosten Netto 1.1.07 - 31.12.07 44.795,76 11.449,68 920,04 32.426,04 29.3.08 - 28.5.08 3.992,46 143,92 153,34 3.695,20

Am 30. April 2008 beantragten beide Kläger bei der Beklagten Elterngeld für den 3. bis 14. Lebensmonat ihrer Tochter. Ergänzend hierzu teilten sie mit, dass das Teilzeitmodell sie unangemessen benachteilige und nicht mit Art 3 und 6 Grundgesetz (GG) vereinbar sei. Der Verdienstausfall werde in wesentlich geringerem Umfang ausgeglichen. Hilfsweise werde Elterngeld für den Kläger für den 3. und 4. Lebensmonat sowie für die Klägerin vom 5. bis 14. Lebensmonat beantragt.

Nach telefonischem Hinweis der Beklagten ergänzte die Klägerin den Hilfsantrag dahingehend, dass sie Elterngeld auch für den 1. und 2. Lebensmonat beantrage.

Mit Bescheiden vom 10. Juni 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für den 3. und 4. Lebensmonat in Höhe von jeweils 571,11 EUR sowie der Klägerin Elterngeld für den 2. Lebensmonat in Höhe von 104,13 EUR und für den 5. bis 14. Lebensmonat in Höhe von jeweils 1.659,- EUR. Die Bewilligungen erfolgten jeweils vorläufig im Hinblick auf das zu erwartende Einkommen im Bezugszeitraum.

Mit ihren dagegen erhobenen Widersprüchen machten die Kläger geltend, dem Kläger müsse Elterngeld auch für den 5. bis 14. Lebensmonat und der Klägerin auch für den 3. und 4. Lebensmonat bewilligt werden.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 6. und 7. Oktober 2008 wies die Beklagte die Widersprüche mit der Begründung zurück, Elterngeld werde in Monatsbeträgen für die Lebensmonate des Kindes gezahlt. Die Eltern hätten insgesamt Anspruch auf 12 Monatsbeträge sowie Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für weitere zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit folge. Die Eltern könnten die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen. Daraus ergebe sich, dass Eheleute gemeinsam nur für insgesamt 14 Lebensmonate des Kindes Elterngeld erhalten könnten.

Hiergegen haben die Kläger am 4. November 2008 Klagen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die Klage des Klägers (Az S 9 EL 5482/08) wurde mit Beschluss vom 6. Februar 2009 zum Verfahren der Klägerin (Az S 9 EL 5481/08) verbunden.

Mit Änderungsbescheid vom 23. Juni 2009 betreffend die Klägerin hat die Beklagte nach Erhöhung des Einkommens im Bezugszeitraum das Elterngeld in Höhe von 102,09 EUR (2. Lebensmonat) bzw 986,85 EUR monatlich (5. bis 14. Lebensmonat) festgesetzt und die Klägerin zur Erstattung in Höhe von 199,44 EUR nach § 50 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgefordert.

Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger sich auf eine Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes (djb) vom 29. Juni 2006 gestützt.

Mit Urteil vom 20. April 2010, den Klägern zugestellt am 21. Juli 2010, hat das SG die Klagen mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe unstreitig die Ansprüche der Kläger auf Elterngeld unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen rechnerisch zutreffend festgesetzt. Diese Normen seien auch mit dem GG vereinbar, verstießen insbesondere nicht gegen Art 3 GG oder Art 6 GG. Zwar würden die Kläger im Vergleich zu den Eltern, die ihre Erwerbstätigkeit abwechselnd vollständig reduzierten und zeitgleich nacheinander Elterngeld beanspruchten, insoweit ungleich behandelt, als der durch die Elternzeit bedingte Einkommensnachteil bei ihnen in geringerem Umfang durch das Elterngeld ausgeglichen werde. Hierfür existiere jedoch ein verfassungsrechtlich rechtfertigender sachlicher Grund. Dieser liege zwar nicht darin, dass der Gesetzgeber einen besonderen Anreiz für die vorübergehende vollständige Aufgabe der Erwerbstätigkeit zugunsten der Kindererziehung hätte setzen wollen. Der hinreichende sachliche Grund bestehe aber darin, dass die dargestellte Ungleichbehandlung gesetzestechnisch nur durch eine korrespondierende Verlängerung des Bezugszeitraums bei gleichzeitiger Inanspruchnahme ein und desselben Bezugsmonats als Elternzeit durch beide Elternteile zu vermeiden wäre. Eine derartige Lösung würde wiederum die Ungleichbehandlung Alleinerziehender und von Alleinverdienerehepaaren nach sich ziehen, denen diese Gestaltungsmöglichkeit verschlossen blieben und die ihrerseits der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfe. Ohnehin bestehe keine Verpflichtung des Gesetzgebers, unabhängig von gesetzestechnischen und systematischen Notwendigkeiten und fiskalischen Gesichtspunkten in jeder denkbaren elterlichen Gestaltungssituation für einen gleichwertigen Einkommensersatz durch Elterngeld zu sorgen. Die Vorschrift stelle auch keine faktische Benachteiligung eines Geschlechts dar, denn sie treffe Männer und Frauen gleichermaßen und differenziere dabei danach, ob Elternzeit in Block- oder Teilzeitmodell genommen werde, nicht aber nach dem Geschlecht. Berücksichtige man weiter, dass die Zahl der alleinerziehenden Frauen die der alleinerziehenden Männer seit Jahren statistisch deutlich überwöge, werde im Gegenteil sogar deutlich, dass eine alternative gesetzliche Regelung mit der Möglichkeit der Verdoppelung des Bezugszeitraumes für Paare bei Inanspruchnahme des Teilzeitmodells anders als die tatsächlich vom Gesetzgeber gewählte Regelung eher eine indirekte geschlechtsspezifische Diskriminierung nach sich ziehen dürfte. Schließlich liege auch keine Verletzung der von Art 6 Abs 1 GG geschützten elterlichen Freiheit vor. Zwar dürften Eltern ihr familiäres Zusammenleben nach eigenen Vorstellungen gestalten und insbesondere in autonomer Verantwortung entscheiden, ob, wann und in welchem Umfang Kinder von einem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen in wechselseitiger Ergänzung betreut würden. Durch das Elterngeld würde aber diese grundrechtlich geschützte Freiheit nicht verletzt. Art 6 GG verbiete es nicht, Anspruch und Höhe familienpolitischer Leistungen von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen wie zB der Aufgabe oder der Einschränkung einer Erwerbstätigkeit abhängig zu machen. Ob und in welchem Umfang ein oder beide Elternteile ihre Berufstätigkeit unterbrechen oder einschränken würden, bleibe auch unter Berücksichtigung des Elterngeldes ihre eigene Entscheidung.

Mit ihrer dagegen am 19. August 2010 eingelegten Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, dass eine Ergänzung der Vorschriften nicht zu einer Verlängerung des Bezugszeitraumes führe und auch nicht erkennbar sei, dass hierdurch andere Eltern benachteiligt würden. Auch fiskalische Erwägungen vermöchten die Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. April 2010 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 10. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheide vom 6. und 7. Oktober 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 23. Juni 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auch für den 3. und 4. Lebensmonat und dem Kläger auch für den 5. bis 14. Lebensmonat Elterngeld in gesetzlicher Höhe für das am 29. Januar 2008 geborene Kind S. H. zu gewähren, hilfsweise, ihnen Elterngeld ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht ergangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die erforderliche Berufungssumme von 750 EUR überschritten wird. Die damit insgesamt zulässige Berufung der Kläger ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben keinen Anspruch auf höheres Elterngeld.

Streitgegenstand ist auch der Änderungsbescheid vom 23. Juni 2009, mit dem die Beklagte das Elterngeld in Höhe von 102,09 EUR (2. Lebensmonat) bzw 986,85 EUR monatlich (5. bis 14. Lebensmonat) festgesetzt und die Klägerin zur Erstattung in Höhe von 199,44 EUR nach § 50 Abs 1 SGB X aufgefordert hat. Der Bescheid wird, auch wenn die Klägerin ihn zunächst ausdrücklich nicht angegriffen hat, nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens. Denn er hat der Höhe nach das Elterngeld neu festgesetzt, damit den ursprünglichen Verwaltungsakt abgeändert. Da es der Klägerin um die Gewährung einer höheren Leistung geht, ist der Änderungsbescheid vom 23. Juni 2009 in das Verfahren einzubeziehen.

Elterngeld kann gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Dabei wird Elterngeld gemäß § 4 Abs 2 Satz 1 BEEG in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Die Eltern haben gemäß § 4 Abs 2 Satz 2 BEEG insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs 2 Satz 3 BEEG). Die Eltern können gemäß § 4 Abs 2 Satz 4 BEEG die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen. Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen sie gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 BEEG, wer von ihnen welche Monatsbeträge in Anspruch nimmt. In der bis 23. Januar 2009 geltenden Fassung war zudem die im Antrag getroffene Entscheidung gemäß § 5 Abs 1 Satz 2 BEEG verbindlich, aber eine einmalige Änderung in Fällen besonderer Härte gemäß § 5 Abs 1 Satz 3 BEEG möglich. Beanspruchen beide Elternteile zusammen mehr als die ihnen zustehenden zwölf oder vierzehn Monatsbeträge Elterngeld, besteht gemäß § 5 Abs 2 Satz 1 BEEG der Anspruch eines Elternteils, der nicht über die Hälfte der Monatsbeträge hinausgeht, ungekürzt; der Anspruch des anderen Elternteils wird gekürzt auf die verbleibenden Monatsbeträge. Beanspruchen beide Elternteile Elterngeld für mehr als die Hälfte der Monate, steht ihnen gemäß § 5 Abs 2 Satz 3 BEEG jeweils die Hälfte der Monatsbeträge zu.

Mutterschaftsgeld, das der Mutter nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte für die Zeit ab dem Tag der Geburt zusteht, wird grundsätzlich nach § 3 Abs 1 Satz 1 BEEG auf das ihr zustehende Elterngeld angerechnet. Das gilt nach § 3 Abs 1 Satz 3 BEEG auch für Dienstbezüge, Anwärterbezüge und Zuschüsse, die nach beamten- oder soldatenrechtlichen Vorschriften für die Zeit der Beschäftigungsverbote zustehen. Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs 1 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen, gelten nach § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht.

Damit gelten die ersten zwei Monate nach der Geburt des Kindes vom 29. Januar 2008, in denen der Klägerin Dienstbezüge für die Zeit des Beschäftigungsverbotes zustanden, als Monate, für die die Klägerin Elterngeld bezieht. Vom 3. bis 4. Lebensmonat des Kindes haben der Kläger und im sich anschließenden Zeitraum die Klägerin vom 5. bis 14. Lebensmonat Elterngeld bezogen. Damit haben die Kläger nach der gesetzlichen Regelung die Höchstanspruchsdauer für den Bezug von Elterngeld ausgeschöpft. Denn Elterngeld können beide Elternteile abwechselnd oder nacheinander für zusammen bis zu 14 Monate beziehen, gleichzeitig aber nur bis 7 Monate.

Ziel des Hauptantrags der Klägerin ist es, Elterngeld auch für den 3. und 4. Lebensmonat - gleichzeitig mit dem Kläger - zu beziehen. Umgekehrt zielt der Hauptantrag des Klägers darauf ab, Elterngeld auch für den 5. bis 14. Lebensmonat - gleichzeitig mit der Klägerin - zu beziehen. Indem jedoch Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes bezahlt wird und die Eltern insgesamt Anspruch auf zwölf bzw vierzehn Monatsbeträge haben, werden bei gleichzeitigem Bezug von Elterngeld beider Elternteile bezogen auf einen Lebensmonat des Kindes immer zwei Elterngeldmonate verbraucht (sog doppelter Anspruchsverbrauch). Dies führt dazu, dass die Eltern vorliegend ihr Ziel, gleichzeitig und gemeinsam Elterngeld vom dritten bis vierzehnten Lebensmonat des Kindes zu beziehen, auf dem Boden des geltenden Rechts nicht erreichen können, da dann schon vom 3. bis 14. Lebensmonat des Kindes insgesamt 24 Monatsbeträge in Anspruch genommen würden. Ebenso wenig kommt nach der geltenden Rechtslage die Gewährung höheren Elterngeldes ohne Anrechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit in Betracht. Denn Elterngeld ist als Individualanspruch mit Einkommensersatzfunktion ausgestaltet. Wer vor der Geburt des Kindes Einkommen aus (nichtselbständiger oder selbständiger) Arbeit erzielt hat und auch nach der Geburt Einkommen erzielt, dem wird Elterngeld gemäß § 2 Abs 1 und 3 BEEG in Höhe von 67 Prozent des Unterschiedsbetrages gezahlt, der sich aus der Differenz des durchschnittlich vor und nach der Geburt erzielten Einkommens ergibt.

Dieses Ergebnis, insbesondere die Nichtaufnahme einer besonderen Regelung zum doppelten Anspruchsverbrauch bei gleichzeitig teilzeitbeschäftigten Elternteilen, die ihr Einkommen um höchstens die Hälfte reduzieren, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die von der Klägerin behauptete Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (sog neue Formel, Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. Oktober 1980, 1 BvL 50/79 ua, BVerfGE 55, 72; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25. Juni 2009, B 10 EG 8/08 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 2 mwN). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung verbieten. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen (vgl BVerfG, Beschlüsse vom 11. März 1980, 1 BvL 20/76, 1 BvR 826/76, BVerfGE 53, 313; und vom 8. April 1987, 2 BvR 909/82 ua, BVerfGE 75, 108). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (stRspr; BVerfG, Nichtannahmebeschlüsse vom 29. September 2010, 1 BvR 1789/10; und vom 2. Februar 2009, 1 BvR 2553/08, jeweils juris).

Ein sachlicher Grund für die Nichtaufnahme einer besonderen Regelung zum doppelten Anspruchsverbrauch bei gleichzeitig teilzeitbeschäftigten Elternteilen, die ihr Einkommen um höchstens die Hälfte reduzieren, ergibt sich schon aus der gesetzlichen Konzeption des Elterngeldes als individueller Anspruch des einzelnen Elternteils ohne Berücksichtigung des Einkommens des anderen Elternteils. Es ist die Konsequenz aus der Einführung des bei der Elternzeit seit langem (seit der BErzGG-Reform 2001) geltenden Individualisierungsprinzips (vgl § 15 Abs 3 BEEG) auch beim Elterngeld: "Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, erhält damit erstmals einen am individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen" (BT-Drs. 16/1889, S. 15). Der Sachverhalt, an den der Gesetzgeber die Rechtsfolge (Höhe des Elterngeldes) knüpft, wird deshalb nur von den Einkommensverhältnissen der berechtigten Person vor bzw nach der Geburt des Kindes bestimmt. Die darin liegende Gleichbehandlung aller Berechtigten, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe auch der andere Elternteil Einkommen erzielt, bedarf bei einer als Einkommensersatz ausgestalteten und nicht unter Bedarfsgesichtspunkten gewährten Leistung keiner besonderen Rechtfertigung.

Auch das SG hat zu Recht entschieden, dass die von den Klägern behauptete Ungleichbehandlung sachlich aus der Funktion des Elterngeldes als Einkommensersatz gerechtfertigt ist, weshalb auf die zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 153 Abs 2 SGG Bezug genommen wird. Denn erklärtes Ziel des Gesetzgebers bei Einführung des BEEG war es, Paaren die Familiengründung zu erleichtern, einen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung von Familien zu leisten und die Wahlfreiheit zwischen den verschiedenen Lebensentwürfen mit Kindern zu unterstützen (BT-Dr 16/1889 S 1). Dazu soll das Elterngeld Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage unterstützen, wenn sich Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (aaO S 2, 16). Im ersten Lebensjahr eines Neugeborenen soll das Elterngeld bei der Sicherung der Lebensgrundlage helfen, einen am individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen zu gewährleisten und es damit Paaren erleichtern, zumindest in einem überschaubaren Zeitraum auch auf das höhere Einkommen zu verzichten (BT-Drs 16/1889 S 2, 15). Konkret wurde das Elterngeld deshalb - wie bereits dargelegt - als individueller Anspruch des einzelnen Elternteils, der das Einkommen der antragstellenden Person prozentual ausgleicht, umgesetzt. Bei dieser Zwecksetzung kommt es nicht auf das Einkommen des anderen Elternteils an.

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung liegt aber auch dann nicht vor, wenn - wie von den der Klägern gefordert - verschiedene Erziehungsformen miteinander verglichen werden. Dem Gesetzgeber ist durch Art 3 GG nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt vielmehr im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit - zu dem auch die steuerfinanzierte Sozialleistung des Elterngeldes gehört (vgl § 25 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch iVm § 12 Abs 2 BEEG) - ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebende Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit ist erst überschritten, wenn sich für eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts kein Rechtfertigungsgrund finden lässt, der in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung steht. Bei einer Ungleichbehandlung von unter dem Schutz des Art 6 Abs 1 GG stehenden Familien ist daher zu prüfen, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können.

Eltern, die nacheinander ihr Kind betreuen und dafür jeweils die Erwerbstätigkeit voll aufgeben, können - absolut gesehen - zusammen mehr Elterngeld erhalten, da ihnen in der Zeit, in der sie ihr Kind betreuen, kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht, das bei dem Erziehungsmodell der Kläger dazu führt, dass ihr Elterngeld nur nach einem Differenzbetrag (vgl die Berechnungsmethode des § 2 Abs 3 BEEG) gewährt wird. Die deshalb von verschiedenen Seiten geäußerte Kritik, ua des djb (Stellungnahme der Dr. Fuchsloch vom 14. März 2008), ausführlich dargelegt auch im "Leitfaden Elterngeld" (Fuchsloch/Scheiwe, 1. Aufl 2007, Rdnr 356 ff), bezüglich des finanziellen Nachteils von Eltern, die ihr Kind gemeinschaftlich unter gleichzeitiger Reduzierung der Arbeitszeit betreuen, wurde zunächst von zwei Fraktionen aufgegriffen (vgl Gesetzentwurf der FDP-Fraktion vom 17. Juni 2009, BT-Drs 16/13449; Antrag der SPD-Fraktion vom 25. Februar 2010, BT-Drs 17/821), ist aber im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des BEEG, den der Bundestag am 28. Oktober 2010 verabschiedet hat und der von den Bemühungen der Haushaltskonsolidierung geprägt ist, nicht enthalten (Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011, BT-Drs 17/3361 S 47). Bei dem Vergleich der beiden Gruppen fallen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf. Die Gemeinsamkeit der beiden Gruppen liegt darin, dass in beiden Fällen das Kind (nur) im ersten Lebensjahr eine Vollzeitbetreuung durch die Eltern erfährt. Werden allerdings die Elternteile gesondert betrachtet, reduzieren die Kläger insgesamt für zwei Jahre die Erwerbstätigkeit (je zeitgleich ein Jahr die Klägerin und ihr Ehemann). Darin besteht der Unterschied zur Vergleichsgruppe. Denn diese schränkt die Erwerbstätigkeit nur für insgesamt ein Jahr ein (zB je sechs Monate).

Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung tatsächlich die meisten Frauen erst in den Beruf zurückkehren, wenn die Kinder älter sind und viele Eltern heute langfristig auf zwei Einkommen angewiesen sind. Deshalb soll das Elterngeld die Eltern in der Frühphase der Elternschaft unterstützen und dazu beitragen, dass es beiden Eltern auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Durch die Beschränkung auf ein Jahr und die Orientierung am ausgefallenen Einkommen werden dauerhafte Einbußen mit der Gefahr der Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen vermieden, da die Rückkehrmöglichkeiten in den Beruf, Karrierechancen und Altersvorsorge umso schlechter ausfallen, je länger, je häufiger und je später die Erwerbstätigkeit ausgesetzt wird (aaO S 1 f, 14). Die Verkürzung der Bezugszeit beim Wechsel vom Erziehungsgeld (maximale Bezugszeit nach §§ 3, 4 Bundeserziehungsgeldgesetz zwei Jahre) zum Elterngeld begründet der Gesetzgeber deshalb letztlich damit, dass nicht länger Anreize für einen langfristigen Ausstieg aus der Erwerbsarbeit gesetzt werden sollen.

Dieses letztgenannte Ziel würde geradezu konterkariert, wenn den Klägern im Verhältnis zur Vergleichsgruppe der doppelte Anspruch (in Anspruchsmonaten gerechnet) an Elterngeld zustünde. Denn sie haben zusammen betrachtet über einen längeren Zeitraum ihre Erwerbstätigkeit reduziert als die Vergleichsgruppe. Schließlich würde die von den Klägern angestrebte Lösung wiederum andere Gruppen, insbesondere alleinerziehende Elternteile und Alleinverdienerfamilien benachteiligen. Denn diese beiden Gruppen könnten mangels Partners, der auf Einkommen zugunsten der Kinderbetreuung verzichtet, nie die von der Klägerin gewünschte Maximalbezugsdauer ausschöpfen. Deshalb muss der Gesetzgeber nicht alle denkbaren und mannigfaltigen Konstellationen regeln, sondern darf sich im Rahmen seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis auf die häufigsten und typischen Fallgestaltungen beschränken, denn diese Regelung vereinfacht den Vollzug der betroffenen Norm erheblich und vermeidet damit einen erhöhten Verwaltungsaufwand und dadurch Mehrkosten.

Ein Verstoß gegen das aus Art 6 Abs 1 GG herzuleitende Gebot der Förderung der Familie und der damit begründeten allgemeinen Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich ist ebenfalls nicht festzustellen. Denn durch die gesetzliche Regelung wird ein ausreichender Familienlastenausgleich bewirkt. Dies zeigt sich ua daran, dass auch gleichzeitig Elterngeld in Anspruch nehmende Eltern den Höchstbetrag des Elterngeldes ausschöpfen können, indem sie beide sieben Monate lang unter vollständigem Verzicht auf ihre Erwerbstätigkeit gemeinsam ihr Kind erziehen. Denn dann stünde nach der gesetzlichen Regelung jedem Elternteil ein Anspruch auf maximal sieben Monatsbeträge Elterngeld in Höhe von 67 % des individuellen (dann vollständigen) Einkommensverlustes zu. Der Vergleich zu dieser Gruppe zeigt, dass die Ausschöpfung des Höchstbetrags des Elterngeldes auch gemeinsam erziehenden Elternteilen möglich ist, aber die derzeitige gesetzliche Regelung die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des anspruchstellenden Elternteils berücksichtigt. Damit wird durch die Regelung des doppelten Anspruchsverbrauchs kein verbotener Zwang auf Eltern ausgeübt, sondern es werden lediglich Anreize gesetzt, die familienpolitischen aber auch fiskalischen Zielen des Staates dienen (vgl BSG, Urteil vom 25. Juni 2009, B 10 EG 8/08 R, aaO). Nehmen Eltern über den Elterngeldzeitraum hinaus Elternzeit in Anspruch und entstehen ihnen hierdurch wirtschaftliche Nachteile, ist dies hinzunehmen. Denn zu einer bestimmten Gestaltung ihres Familienlebens werden sie weder durch ein staatliches Ge- noch durch ein Verbot gezwungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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