L 3 AS 557/10 B ER

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 11 AS 1119/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 AS 557/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Der Leistungsträger ist nicht zur Übernahme von Stromkosten als Darlehen verpflichtet, wenn sich der Antragsteller sozialwidrig verhält.
2. Dies gilt auch, wenn im Haushalt minderjährige Kinder leben.
3. Erschwernisse, die sich dadurch ergeben, dass eine Wasch- und ggf. Spülmaschine nicht benutzt werden kann, sind bei der selbst herbeigeführten Notsituation hinzunehmen.
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 08.10.2010 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S , B , ohne Ratenzahlung gewährt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen die ihm im Wege der einstweiligen Anordnung auferlegte Verpflichtung, den Antragstellern ein Darlehen zur Begleichung ihrer Stromschulden zu gewähren.

Die 1967 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der 16 Jahre alten Antragstellerin zu 2), der 15 Jahre alten Antragstellerin zu 3) und des 9 Jahre alten Antragstellers zu 4). Sie lebt von ihrem Ehemann und Vater der Kinder seit 2007 getrennt.

Die Antragstellerin stellte für sich und ihre Kinder nach der Trennung erstmals im Dezember 2007 einen Antrag auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Antragsgegner. Der Antragsgegner gewährte zunächst Leistungen, forderte diese aber im April 2008 wieder zurück, nachdem er erfahren hatte, dass die Antragsteller sich im Februar 2008 in I angemeldet und auch dort einen Antrag auf Gewährung von SGB II-Leistungen gestellt hatten.

Im April 2008 meldeten sich die Antragsteller wieder unter der Adresse der Antragstellerin zu 1) in I an und stellten erneut einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.

Zum 16.10.2008 mietete die Antragstellerin zu 1) eine 62 m² große Wohnung in der H in I an, deren Kosten vom Antragsgegner voll berücksichtigt wurden. Im Einverständnis mit der Antragstellerin zu 1) wurde die Miete direkt an den Vermieter gezahlt.

Die R GmbH I teilte der Antragstellerin zu 1) mit Schreiben vom 17.10.2008 mit, dass sie ab dem 01.11.2008 auf ihre Stromlieferung einen monatlichen Abschlag von 60,00 Euro und für Gas einen solchen von 100,00 Euro zu zahlen habe. Der Antragsgegner gewährte den Antragstellern in der Folge entsprechend auch die Kosten für die Gasheizung abzüglich einer Warmwasserpauschale. Als Einkommen wurden lediglich das für die Antragsteller zu 2) bis 4) gezahlte Kindergeld sowie letzterem gezahlte Unterhaltsleistungen berücksichtigt.

In einem Weitergewährungsantrag vom August 2009 gab die Antragstellerin zu 1) an, eine Beschäftigung im Restaurant M in I auszuüben. Nach einer Einkommensbescheinigung des Arbeitgebers wurde die Tätigkeit seit März 2009 mit unterschiedlich hohem Einkommen verrichtet.

Der Antragsgegner gewährte den Antragstellern daraufhin zunächst von Oktober 2009 bis März 2010 vorläufig unter Anrechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 1) von 400,00 Euro sowie der o.g. Kindergeld- und Unterhaltszahlungen Leistungen.

Im November 2009 legte die Antragstellerin zu 1) dem Antragsgegner ein Schreiben der R GmbH vom 17.11.2009 vor, in dem eine Einstellung der Versorgung zum 24.11.2009 angedroht und dargelegt wird, dass seit dem 01.06.2009 Abschläge fällig seien. Insgesamt seien Forderungen in Höhe von 575,00 Euro offen. Der Antragsgegner lehnte die Übernahme der Kosten als Sonderleistungen ab.

Im Dezember 2009 beantragte die Antragstellerin zu 1), ihr eine Zusicherung für ihren Umzug in die aktuelle Wohnung in die R in I zu gewähren. Die Bruttomiete für diese Wohnung beträgt 851,71 Euro. Der Antragsgegner lehnte die Erteilung der Zusicherung mit Schreiben vom 07.12.2009 wegen unangemessen hoher Kosten ab. Er wies darauf hin, dass maximal nur 530,10 Euro angemessen seien und bei einem Umzug nur die alte Miete weiter gezahlt werde. Die Antragstellerin zu 1) schloss den Mietvertrag dennoch am 08.12.2009 zum 01.01.2010 ab.

Mit Schreiben vom 12.01.2010 mahnte die Vermieterin, die Wohnungsbaugesellschaft I (W ), bei der Antragstellerin zu 1) die ausstehende Miete für Januar 2010 an.

Mit Bescheiden vom 10. und 11.02.2010 gewährte der Antragsgegner vorläufig Leistungen für die Zeit von Januar bis März 2010, wobei er Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 790,53 Euro unter Zugrundelegen der als angemessen angesehenen Kaltmiete in Höhe von 530,17 Euro berücksichtigte

In der Folge wurde bekannt, dass die Antragstellerin zu 1) außer der Tätigkeit im Restaurant M , I , weitere Beschäftigungen bei der Firma H GmbH, W und der Firma A GmbH, I , ausübte. Zwischen Februar 2009 und Juni 2010 erzielte sie aus diesen Tätigkeiten monatliches Entgelt zwischen 166,25 Euro und 386,75 Euro.

Von Juni 2010 an war die Antragstellerin zu 1) arbeitsunfähig erkrankt und arbeitet mit reduzierter Stundenzahl weiter.

Mit Schreiben vom 21.06.2010 teilte die R GmbH I der Antragstellerin zu 1) mit, dass noch Gesamtforderungen in Höhe von 1.505,16 Euro für Stromlieferungen offen seien. Es stünden monatliche Abschläge von Februar bis Juni 2010 in Höhe von je 50,00 Euro aus sowie die Begleichung einer am 30.03.2010 fälligen Schlussrechnung in Höhe von 846,16 Euro. Die Stromsperre wurde zum 28.06.2010 angedroht und erfolgte auch zu diesem Zeitpunkt. Inklusive eines Betrages von 38,00 Euro waren nach einem handschriftlichen Vermerk auf der Rechnung vom 28.06.2010 1.143,16 Euro offen. In einem Telefax vom 12.08.2010 an die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller lehnte die R GmbH I eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Antragstellerin zu 1) ab und wies darauf hin, dass eine Stromlieferung erst nach vollständiger Begleichung ihrer Forderung wieder aufgenommen werde.

Am 03.08.2010 reichte die Antragstellerin zu 1) bei dem Antragsgegner die Rechnung des Energieversorgers vom 21.06.2010 ein und bat um darlehensweise Übernahme der Schulden.

Mit Schreiben vom 11.08.2010 lehnte der Antragsgegner es ab, die Stromschulden nach § 23 Abs. 1 SGB II als Darlehen zu übernehmen. Bei der Entscheidung sei zu berücksichtigen, dass der Rückstand selbst verschuldet sei, da Abschlagszahlungen ab Februar 2010 und eine Abschlussrechnung nicht bezahlt worden seien. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit vorhanden sei.

Die Antragstellerin zu 1) erhob dagegen am 23.08.2010 Widerspruch.

Am 13.08.2010 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Mainz beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ein Darlehen für den Ausgleich der Energieschulden in Höhe von 1.143,16 Euro Zug um Zug gegen Abgabe ihrer Zustimmungserklärung, dass die vom jeweiligen Stromversorger festgesetzten Abschlagszahlungen für Strom direkt durch den Antragsgegner an den Stromversorger erfolgen dürfen, zu gewähren.

Durch Beschluss vom 08.10.2010 hat das Sozialgericht Mainz den Antragsgegner antragsgemäß zur Gewährung des Darlehens verpflichtet. Es bestehe sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund im Sinne des § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Anspruch auf das begehrte Stromdarlehen ergebe sich aus § 22 Abs. 5
SGB II. Danach könnten auch Kosten, die in der Regelleistung enthalten seien, insbesondere Stromschulden übernommen werden, wenn eine drohende Stromsperre eine dem Verlust der Unterkunft vergleichbare Notlage auslösen würde. Dies sei hier der Fall. Die Antragsteller seien nicht darauf zu verweisen, im Wege der Selbsthilfe eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Stromversorger abzuschließen, da dafür keine ausreichenden Erfolgsaussichten bestünden. Die Gewährung eines Lohnvorschusses durch die Arbeitgeber der Antragstellerin zu 1) oder eines Bankdarlehens erscheine ebenfalls nicht wahrscheinlich.

Die Übernahme der Schulden sei auch gerechtfertigt. Zwar weise der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass die Antragsteller selbst zur Erhöhung des Fehlbetrages beigetragen hätten, in dem Abschlagszahlungen nicht geleistet worden seien. Dies ändere jedoch nichts an der aktuellen Notlage insbesondere der Antragsteller zu 2) bis 4), die für die unterlassenen Zahlungen nicht verantwortlich gemacht werden könnten. Künftigem Fehlverhalten der Antragstellerin zu 1) werde durch die von ihr auch beantragte Abzweigung der Abschlagszahlungen an den Energieversorger von Regelleistungen begegnet.

Der Antragsgegner könnte sich auch nicht auf die Unangemessenheit der Wohnung der Antragsteller berufen. Der Stromverbrauch sei von der abstrakten Angemessenheit der Größe der Wohnung unabhängig, soweit nicht mit Strom geheizt wird.

Am 26.10.2010 hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Die Gewährung des Darlehens sei nicht im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II gerechtfertigt. Es sei bisher weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass die Antragsteller zuvor alle sich bietenden Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hätten. Die Antragstellerin zu 1) stehe in einem Beschäftigungsverhältnis, so dass eine arbeitgeberseitige Zuwendung in Form eines Lohnvorschusses oder eines Arbeitgeberdarlehens nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei die Schuldenübernahme nicht gerechtfertigt, weil diese zur Sicherung einer deutlich zu teuren Wohnung führen würde. Die zu zahlende Kaltmiete übersteige den nach dem grundsicherungsrelevanten Mietspiegel im Landkreis M anzusetzenden angemessenen Quadratmeterpreis bei weitem. Auch für die Übernahme von Energieschulden sei maßgeblich, ob es sich bei der Unterkunft überhaupt um einen schützenswerten Lebensbereich handele, dessen Erhaltung durch eine Darlehensgewährung gerechtfertigt sei. Im Übrigen könne auch eine Ermessensreduzierung zu Gunsten der Antragsteller nicht bejaht werden. Die unangemessen teure Wohnung sei wider besseres Wissen bezogen worden, obwohl der Antrag auf Erteilung einer Zusicherung zuvor abgelehnt worden sei. Die Antragstellerin zu 1) habe sich damit sehenden Auges einer regelmäßigen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt, deren Begleichung auf Dauer nicht gesichert sei. Zudem habe die Antragstellerin zu 1) bereits vor dem Wohnungswechsel erhebliche Energierückstände gehabt. Im Übrigen habe sie Einkünfte aus ihren Beschäftigungsverhältnissen verschwiegen, so dass ihr von März bis September 2009 Sozialleistungen in Höhe von 1.896,18 Euro zu Unrecht gezahlt worden seien, die inzwischen durch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22.10.2010 geltend gemacht worden seien. In dieser Zeit habe sie also einen erheblichen Vermögensvorteil gehabt, es aber trotzdem unterlassen, die damals fälligen Stromabschläge zu zahlen. Mit Einzug in die aktuelle Wohnung habe sie schließlich ihre Abschlagszahlungen trotz der Kenntnis über die vorausgegangene Sperrankündigung vom 17.11.2009 vollständig eingestellt. Dies spreche dafür, dass sie es habe darauf ankommen lassen, dass ihr später Leistungen zur Begleichung der Energieschulden zugute kommen würden. Diese leichtfertig und gezielt herbeigeführte Notlage zu Lasten des Leistungsträgers sei nicht hinzunehmen. Im Übrigen habe die Antragstellerin zu 1) auch Mietrückstände gegenüber ihrer Vermieterin. Nach Mitteilung der W könne eine fristlose Kündigung für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, wenn der Rückstand nicht beglichen werde. Zudem seien mit Bescheiden vom 22.10.2010 nach Vorlage mehrerer Gehaltsabrechnungen die Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit von Februar bis Oktober 2010 neu berechnet worden, woraus sich eine Nachzahlung in Höhe von insgesamt 1.068,40 Euro ergebe, die bereits angewiesen sei. Diese könne für die Begleichung der Stromschulden verwendet werden.

Die R GmbH I hat am 18.11.2020 mitgeteilt, die Stromsperre sei am 18.10.2010 wieder aufgehoben worden; der Strom werde aber wieder gesperrt, wenn die Rückstände nicht beglichen würden. Für den Anschluss H sei laut Schlussrechnung vom 30.03.2010 ein Betrag von 846,16 EUR offen gewesen, nunmehr seien von den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 15.11.2010 827,40 EUR darauf gezahlt worden, so dass noch Forderungen in Höhe von 18,76 EUR bestünden. Nach der auf Grund des Verbrauchs erstellter Zwischenrechnung vom 17.11.2010 seien für den Anschluss der aktuellen Wohnung noch 368,14 EUR zu zahlen. Am 15.12.2010 hat das Unternehmen mitgeteilt, nach der inzwischen erfolgten Jahresabrechnung auf der Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs seien für den aktuellen Stromanschluss am 21.12.2010 318,14 EUR zu zahlen, die für die frühere Verbrauchsstelle noch zu zahlenden 18,76 seien weiterhin offen. Der nächste Abschlag sei am 01.02.2011 in Höhe von 33,00 EUR fällig.

Die Antragsteller tragen vor, die zwischenzeitlich auf ein Anderkonto der Prozessbevollmächtigten vom Antragsgegner überwiesene Nachzahlung von 827,50 EUR sei für die Tilgung der Stromrückstände verwendet worden. Sie seien auch bereit, weitere Nachzahlungen entsprechend einzusetzen. Da nur noch Stromschulden in Höhe von 568,75 EUR bestünden, werde der Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt. Die Antragstellerin zu 1) leide an mehreren Erkrankungen, u.a. schweren chronischen Arthrosen in den Gelenken, Schwerhörigkeit, Sehschwäche und Magenbeschwerden. Hinzu kämen schwere psychische Leiden, die durch die Trennung von dem Ehemann ausgelöst worden seien. Deshalb sei es ihr auch nicht möglich gewesen, im Jahr 2010 die Stromabschläge zu zahlen, da sie insgesamt mit organisatorischen Dingen überfordert sei. Die Wohnung sei auch ohne Strom beheizbar und mit Warmwasser versorgt. Die Antragstellerin zu 2) komme dreimal in der Woche gegen 13.45 Uhr aus der Schule nach Haus, zweimal gegen 16.30 Uhr; die Antragsteller zu 3) und 4) gegen 13.30 Uhr.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie der Prozessakte verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

II.

Die Beschwerde ist gemäß den §§ 172 ff SGG zulässig und auch begründet. Der Antragsgegner ist auch, soweit die Antragsteller über die Antragsrücknahme hinaus an der Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von 568,75 EUR festhalten, zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, den Antragstellern ein Darlehen zur Begleichung rückständiger Energiekosten zu gewähren. Zu den rechtlichen Voraussetzungen des Erlasses der einstweiligen Anordnung wird auf die insoweit zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Diese liegen jedoch entgegen der Rechtsansicht des Sozialgerichts nicht vor.

Es kann dahinstehen, ob es hier nicht bereits an einem Anordnungsgrund fehlt. Zwar droht nach der vom Senat eingeholten Auskunft des Energieversorgungsunternehmens vom 18.11.2010 trotz zwischenzeitlicher Wiederaufnahme der Stromlieferung wieder eine Stromsperre, wenn die noch bestehenden Schulden nicht beglichen werden. Ob eine Stromsperre einen wesentlichen Nachteil begründet, obwohl - wie die Antragsteller entgegen ihrem Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren eingeräumt haben - die Wohnung auch ohne Strom zumindest beheizbar und mit Warmwasser versorgt ist, ist zweifelhaft. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da jedenfalls ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 5 SGB II. Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Die Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar, da hier Stromschulden im Streit stehen, die nicht die Heizung betreffen, sondern die die Haushaltsenergie betreffenden sonstigen Stromkosten. Diese werden nicht von den Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst, sondern sind nach § 20 Abs. 1 SGB II Bestandteil der Regelleistung. Der Senat hält allerdings in vergleichbaren Notlagen eine entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 5 SGB II für geboten (Beschluss des erkennenden Senats vom 12.12.2008 - L 3 ER 301/08 AS und L 3 B 397/08 AS). Die Bestimmung des § 23 SGB II, die den von den Regelleistungen grundsätzlich umfassten, im Einzelfall aber nicht gedeckten Bedarf betrifft, ist für Schulden nicht anwendbar. Die Leistungen nach dem SGB II sollen den aktuellen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes decken, nicht aber in der Vergangenheit entstandene Verbindlichkeiten ablösen. § 22 Abs. 5 SGB II ermöglicht dagegen gerade die Übernahme von Schulden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Als vergleichbare Notlage ist die drohende Stromsperre anzusehen, da die Nutzung von Haushaltsenergie sich unmittelbar auf die Wohnsituation einer Bedarfsgemeinschaft auswirkt (vgl. entspr. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.05.2009, L 7 AS 546/09 B ER, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.12.2008, L 7 B 384/08 AS).

Gemäß Satz 2 der Regelung verdichtet sich das der Verwaltung eingeräumte Ermessen mit der Folge, dass die Rückstände übernommen werden sollen, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und anderenfalls Wohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage einzutreten droht. Gerechtfertigt und notwendig ist die Schuldenübernahme grundsätzlich dann, wenn anderenfalls die Notlage nicht mehr abgewendet werden kann. Auch insoweit bestehen bereits Zweifel. Nach der Auskunft der R GmbH sind nach der Jahresabrechnung nunmehr noch 318,14 Euro für den Stromabschluss in der aktuellen Wohnung zu zahlen, die am 21.12.2010 fällig werden. Für die alte Verbrauchsstelle der bisherigen Wohnung sind weiterhin 18,76 Euro offen. Der nächste Abschlag ist erst zum 01.02.2011 in Höhe von 33,00 Euro fällig. Da nach § 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (StromGVV) eine Unterbrechung der Stromversorgung erst dann möglich ist, wenn der Kunde mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 100,00 Euro im Verzug ist, müssten zur Vermeidung einer Stromsperre auf die offenen Forderungen in Höhe von insgesamt 336,91 Euro somit lediglich rund 237,00 Euro gezahlt werden. Dieser Betrag kann, insbesondere im Hinblick auf den im Oktober an die Antragsteller selbst ausgezahlten Teil der Nachzahlung in Höhe von 241,00 Euro, selbst aufgebracht werden. Zudem sind den Antragstellern mit Bescheid vom 25.08.2010 Regelleistungen bzw. Sozialgeld in Höhe von insgesamt 497,52 Euro im Monat unter Zugrundelegung eines Gesamteinkommens von 948,00 Euro im Monat gewährt worden.

Darüber hinaus könnte eine Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweisen Übernahme der Stromschulden nur bestehen, wenn er in der Hauptsache zu einer positiven Entscheidung verpflichtet wäre. Dies ist aber nicht der Fall.

Bei der Ermessensentscheidung sind in einer umfassenden Gesamtschau die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, nämlich die Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, das Alter sowie evtl. Behinderungen der jeweiligen Mitglieder der von der Energiesperre bedrohten Bedarfsgemeinschaft, das in der Vergangenheit vom Hilfesuchenden gezeigte Verhalten (erstmaliger oder wiederholter Rückstand, eigene Bemühungen, die Notsituation abzuwenden und die Rückstände auszugleichen) und ein erkennbarer Wille zur Selbsthilfe. Dabei kann es insbesondere darauf ankommen, ob sich der Leistungsberechtigte missbräuchlich verhalten hat. Dies ist im Regelfall zu bejahen, wenn der Hilfesuchende seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet und sein Verhalten darauf schließen lässt, dass er auf eine darlehensweise Übernahme entstehender Schulden durch den Leistungsträger vertraut oder gar spekuliert. In einem solchen Fall wird die Notlage gezielt zu Lasten des Leistungsträgers herbeigeführt. Dies kann jedoch nicht hingenommen werden (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.06.2010, L 13 AS 147/10 B).

Von einem solchen missbräuchlichen Verhalten der Antragstellerin zu 1) ist vorliegend auszugehen. Das Verhalten der Antragstellerin zu 1) spricht dafür, dass sie die Abschläge bewusst im Vertrauen darauf nicht erbracht hat, dass diese möglicherweise später darlehensweise vom Antragsgegner übernommen werden.

Wie sich aus den Auskünften der R GmbH und den oben erwähnten Schreiben des Unternehmens vom 17.11.2009 ergibt, sind bereits seit Juni 2009 die für die Stromlieferungen der vorherigen Wohnung in der H in I geforderten Abschläge ebenso wenig gezahlt worden wie die zum 30.03.2010 gestellte Schlussrechnung. Erst während des hier anhängigen Verfahrens, nämlich am 15.11.2010, ist mit der Nachzahlung an die Prozessbevollmächtigten der größte Teil dieser Schulden beglichen worden. Auch im Jahr 2010 sind Stromabschläge in Höhe von monatlich 50,00 Euro nicht beglichen worden, wie sich aus dem Schreiben der R GmbH vom 21.06.2010 ergibt.

Nachvollziehbare Gründe für dieses Verhalten haben die Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen. Der Hinweis auf körperliche und psychische Beeinträchtigungen der Antragstellerin zu 1), die u.a. durch die Trennung von ihrem Ehemann entstanden seien und dazu führten, dass sie insgesamt mit sämtlichen organisatorischen Dingen überfordert sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Unabhängig davon, dass es hierfür keinen begründeten medizinischen Nachweis gibt und die Antragstellerin zu 1) dies auch nicht behauptet hat, ist das Vorbringen schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Trennung von ihrem Ehemann nach Aktenlage bereits im Jahr 2007 stattgefunden hat und die Antragsstellerin zu 1) in den Jahren 2009 und 2010 einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist. Auch im Übrigen war sie durchaus in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und zu regeln. Sie hat Anträge bei dem Antragsgegner gestellt, wobei sie teilweise auch Zuschüsse wegen einer Klassenfahrt ihrer Tochter oder sonstiger Schulkosten beantragt hat. Im Jahr 2010 hat sie sich auch mehrfach an den Antragsgegner gewandt mit dem Hinweis, dass ihr weiterhin Leistungen zur Rückzahlung des Mietkautionsdarlehns abgezogen wurden, obwohl dieses schon erledigt sein müsste. Warum es der Antragstellerin nicht möglich gewesen sein soll, die Stromkosten zu zahlen, was ggf. durch eine einmalige Lastschriftermächtigung möglich gewesen wäre, erschließt sich dem Senat unter Berücksichtigung ihres sonstigen Verhaltens nicht.

Sonstige Gründe, die die Nichtzahlung von Abschlägen erklären könnten, sind ebenfalls nicht erkennbar. Wie oben dargelegt, wurden den Antragstellern in der Zeit von Juni 2009 bis Juni 2010 Leistungen nach dem SGB II gewährt, wobei die Antragsteller - zumindest zeitweise - auch über eigenes Einkommen verfügten. In der Zeit von März bis September 2009 erhielt die Antragstellerin zu 1) Einkommen aus der Tätigkeit für die Firma H und A GmbH, das sie nicht angegeben hat, so dass ihr dieses anrechnungsfrei zur Verfügung stand. Auch wenn man die Tatsache einbezieht, dass ihr die Leistungen nach dem SGB II zunächst unter Zugrundelegung eines letztlich nicht realisierten Nettoeinkommens für die Tätigkeit im Restaurant M von 400,00 Euro angerechnet wurden, ist im Ergebnis nicht ersichtlich, dass ihr keine ausreichenden finanziellen Leistungen zur Verfügung gestanden hätten, um die Stromabschläge von zunächst 60,00 Euro später 50,00 Euro im Monat zu zahlen.

Zwar verkennt der Senat nicht, dass durch die drohende Stromsperre auch die Antragsteller zu 2) bis 4) betroffen sind, denen letztlich das Verhalten der Antragstellerin zu 1) nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Es ist aber nicht zu verkennen, dass vorrangig die Antragstellerin zu 1) als Personensorgeberechtigte verpflichtet ist, sich um die Versorgung ihrer minderjährigen Kinder zu kümmern. Es kann letztlich nicht zu Lasten des Antragsgegners gehen, wenn sie dieser Aufgabe nicht in ausreichendem Maße nachkommt. Im Übrigen sind auch die Antragsteller zu 2) bis 4) durch eine drohende Stromsperre nicht in unerträglichem Maße belastet. Gesundheitliche Beeinträchtigungen der Antragsteller sind im Hinblick auf die nicht betroffene Heizenergie der Wohnung auch bei einer Stromsperre nicht zu befürchten.

Wie oben dargelegt, ist die Wohnung weiterhin beheizbar, auch warmes Wasser ist vorhanden. Einschränkungen bei der alltäglichen Versorgung ergeben sich im Wesentlichen wegen der fehlenden Beleuchtung, fehlender Kochmöglichkeiten und der Nutzung von Haushaltsgeräten, wie etwa einer Waschmaschine. Aber auch dies führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine ausreichende Ernährung von Kindern außerhalb des Säuglings- oder Kleinkinderalters von 9, 15 und 16 Jahre kann auch ohne warme Mahlzeiten – zumindest für eine Übergangszeit - sichergestellt werden, zumal die Antragstellerin zu 1) selbst vorgetragen hat, dass diese nicht gefährdet ist. Körperpflege und Reinigung von Kleidern und Geschirr ist ebenfalls möglich, denn warmes Wasser ist vorhanden. Erschwernisse, die sich dadurch ergeben, dass eine Wasch- und ggf. Spülmaschine nicht benutzt werden kann, sind bei der selbst herbeigeführten Notsituation hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus dem § 193 SGG.

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergibt sich aus § 73 a i.V.m. § 114 ZPO. Da es sich um eine Beschwerde des Antragsgegners gehandelt hat, kommt es für die Gewährung der Prozesskostenhilfe auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde nicht an.

Diese Entscheidung kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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