S 98 U 794/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
98
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 98 U 794/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Unfalls vom 15. Februar 2008 als Arbeitsunfall.

Der 1953 geborene Kläger war im Rahmen eines Förderprojekts von September 2007 an als Mitarbeiter für Veranstaltungsplanung bei einem gemeinnützigen Verein, dem A e. V., tätig. Eingesetzt war der Kläger am Standort "K"; hierbei handelt es sich um eine Einrichtung, die unter anderem der künstlerischen und kulturellen Selbstbetätigung, der Durchführung von öffentlichen und institutionellen Aktivitäten und Veranstaltungen, der persönlichen Weiterbildung sowie der Ausrichtung von privaten Fest- und Feierlichkeiten dient. Am 15. Februar 2008, einem Freitag, endete die Arbeitszeit des Klägers um 16.30 Uhr. Ab 16.00 Uhr fand am selben Tag, ebenfalls in der Einrichtung "K", eine Feier statt, die der Kläger im Anschluss an seine Arbeitszeit besuchte. Gegen 23.30 Uhr verließ der Kläger die Feier und begab sich auf den Heimweg. Er stieg an der Haltestelle F. in die Straßenbahn der Linie in Richtung U-Bahnhof H. Bei einem Bremsvorgang der Straßenbahn auf der Z. Straße/Ecke M. Straße während einer Linkskurve rutschte der Kläger von seinem Sitzplatz herunter und stürzte auf das Gesäß. Der Kläger wurde mit dem Rettungswagen ins U krankenhaus B befördert. Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine Fraktur des Lendenwirbelkörpers (LWK) 1. Vom 16. bis zum 26. Februar 2008 wurde der Kläger stationär im U krankenhaus B behandelt.

Unter dem 29. Februar 2008 reichte der Kläger bei der Beklagten einen von ihm ausgefüllten Fragebogen ein. Darin gab er an, es habe sich bei der Veranstaltung vom 15. Februar 2008 um "eine geplante und genehmigte Abschiedsfeier der Mitarbeiter für die MAE-Kräfte mit Essen und freien Getränken" gehandelt, an der neben ihm auch die Mitarbeiter aller anderen Bereiche sowie die Leiterin der Einrichtung "K", die Zeugin W. (zum damaligen Zeitpunkt noch den Geburtsnamen M. führend), teilgenommen hätten.

Der Geschäftsführer des A ... e. V., der Zeuge L., teilte auf Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 10. März 2008 und 10. April 2008 mit, der Kläger habe mit anderen Teilnehmern der Fördermaßnahme eigenständig eine Abschiedsfeier organisiert und dazu auf dem "K" einen Raum genutzt. Die Veranstaltung sei durch die Teilnehmer eigenständig vorbereitet, ausgestaltet und finanziert worden. Durch die Leiterin des Standorts, die Zeugin W., sei die Veranstaltung geduldet worden. Seinerseits sei keine Festlegung zur Durchführung erfolgt. Die Veranstaltung habe einen persönlichen Hintergrund gehabt, der im Zusammenhang mit der Beendigung der Teilnahme in der Fördermaßnahme gestanden habe.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2008 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger aus Anlass des Ereignisses vom 15. Februar 2008 "Entschädigungsleistungen" zu gewähren. Zur Begründung führte sie an, der um 23.30 Uhr angetretene Heimweg stehe nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach §§ 8, 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Die Fördermaßnahme beim A e. V. habe bereits um 16.30 Uhr, also mehrere Stunden zuvor, geendet. Bei der anschließenden Abschiedsfeier habe es sich nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, sondern um eine private Veranstaltung der Teilnehmer der Fördermaßnahme gehandelt. Daher unterfalle weder die Veranstaltung als solche, noch der Weg nach Hause dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, beim A e. V. habe ein Aushang ausgehangen, in welchem die Mitarbeiter aufgefordert worden seien, an der Veranstaltung teilzunehmen. Er sei von der für die Weiterbildung und Qualifizie¬rung zuständigen Kollegin, der Zeugin S., dahingehend angesprochen worden, dass er an der Veranstaltung teilnehmen möge. Auf seine Nachfrage hin habe die Zeugin S. sich bei dem Organisator der Veranstaltung, dem Zeugen F., erkundigt, ob es sich um eine von der A e. V. organisierte Veranstaltung handele. Der Zeuge F. habe dies gegenüber der Zeugin S. bejaht. Aufgrund dieser Information habe er (der Kläger) an der Veranstaltung teilgenommen. Zur weiteren Begründung seines Widerspruchs reichte der Kläger die Kopie eines Aushangs ein, auf dem es heißt: "Eisbeines¬sen am 15.02.2008 ab 16.00 Uhr im Saal (+ Abschlussfeier für die Mitarbeiter die uns am 29.02.2008 verlassen) 5 EUR bis 10.02.2008 bei K aus der Küche bezahlen." Ein Aussteller dieser Nachricht ist in dem Aushang nicht aufgeführt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Mit der am 18. August 2008, einem Montag, zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, bei der Veranstaltung am 15. Februar 2008 habe es sich um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Hintergrund sei der Abschied von ca. 20 Mitarbeitern gewesen, die Ende Februar 2008 ausge¬schieden seien. Eine angemessene Verabschiedung von Mitarbeitern sei als Gemeinschafts¬zweck im Sinne der Förderung des betrieblichen Zusammenhalts und der Würdigung der aus¬scheidenden Kollegen anzusehen. Allen Mitarbeitern des Unternehmens sei es freigestellt gewesen, an der Feier teilzunehmen und sie seien auch hierzu eingeladen worden. Die Zeugin W. als Leiterin der Einrichtung "K" habe die Veranstaltung nicht nur geduldet, sondern daran teilgenommen und sie gebilligt. Die Veranstaltung sei von den Zeugen F. und B. (zum damaligen Zeitpunkt noch den Geburtsnamen M. führend) organisiert worden. Sämtliche Getränke auf der Feier seien für die Mitarbeiter "frei" gewesen; die Teilnehmer hätten lediglich einen Unkostenbeitrag von 5,- Euro leisten müssen. Von der Gesamtmitgliederzahl des "Ks" von 70 bis 80 hätten 40 bis 50 Mitarbeiter teilgenommen. Aufgrund der Gesamtumstände habe er davon ausgehen können, dass es sich um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung handelte, sodass er sich jedenfalls auf die Rechtsprechung zum Vertrauensschutz von Teilnehmern einer solchen Veranstaltung berufen könne.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbe¬scheids vom 14. Juli 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 15. Februar 2008 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt ihrer Akten und die Feststellun¬gen der angefochtenen Bescheide.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Organisation, Durchführung und Ausgestaltung der Veranstaltung vom 15. Februar 2008 durch uneidliche Vernehmung der Zeugen L., W., S., B. und F. Wegen des Ergebnisses der Be¬weisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 9. Dezember 2010 verwiesen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzel¬heiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Statthaft ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Eine mit der Anfechtungsklage verbundene Leis¬tungsklage (§§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) kommt nicht in Betracht, weil die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 2008 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2008) nicht über eine konkrete Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung – wie z. B. Verletztenrente oder Verletztengeld – entschieden hat. Die Beklagte hat es zwar mit dem Bescheid generell abgelehnt, "Entschädigungsleistungen" zu gewähren; ein derart allgemein gehaltener Verfügungssatz beinhaltet jedoch für sich genommen noch keine Entscheidung über konkrete Leistungsansprüche der gesetzlichen Un¬fallversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 45/03SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 = juris, dort Rn. 12; BSG, Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 3 = juris, dort Rn. 11). Bei verstän¬diger Würdigung muss ein objektiver Empfänger den angefochtenen Bescheid der Beklagten so verstehen, dass die Beklagte es bereits abgelehnt hat, das Vorliegen eines Arbeitsunfalls anzuerkennen. Richtige Klageart ist daher die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs¬klage. Die Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids ist durch die an einem Montag, 18. August 2008, bei Gericht eingegangene Klage gewahrt (vgl. §§ 87, 64 Abs. 3 SGG).

Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, das Ereignis vom 15. Februar 2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), wobei nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zu¬sammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit unter dem Versi¬cherungsschutz steht.

Der Unfall des Klägers vom 15. Februar 2008 stellt keinen Arbeitsunfall dar. Die Fahrt des Klägers mit der Straßenbahn am Unfalltag gegen 23.30 Uhr ist nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls in Form eines Wegeunfalls nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht vor.

Die Arbeitstätigkeit, die der Kläger am Unfalltag im Rahmen eines Förderprojekts bis 16.30 Uhr ausgeübt hat, begründete nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherungsschutz (vgl. Lauterbach, UV – SGB VII, § 2 Rn. 166).

Der Heimweg, den der Kläger gegen 23.30 Uhr angetreten hat, stand jedoch nicht mehr unter dem Versicherungsschutz, der durch die bis 16.30 Uhr ausgeübte Arbeitstätigkeit begründet worden war. Denn der Weg vom Ort der Tätigkeit ist nur versichert, wenn ein sachlicher Zu¬sammenhang zwischen ihm und der versicherten Tätigkeit besteht. Dieser sachliche Zusam¬menhang entfällt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich auch die Kammer anschließt, jedenfalls dann, wenn die unversicherte Unterbrechung länger als zwei Stunden dauert (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 23/08 R – juris m. w. N.). Bei dieser Zwei-Stunden-Grenze handelt es sich um eine feste zeitliche Marke, die das Bundesso¬zialgericht im Interesse einer gleichmäßigen und rechtssicheren Handhabung anwendet. Sie gilt sowohl für Unterbrechungen vor Antritt des Weges als auch für Unterbrechungen eines bereits begonnenen Weges (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 23/08 R – juris m. w. N.). Zwischen der Beendigung der Arbeit des Klägers und dem Antritt des Heimwegs lagen sieben Stunden; ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Weg und der Arbeit bestand daher nicht mehr.

Ein Versicherungsschutz auf dem Heimweg wurde auch nicht dadurch begründet, dass der Kläger im Anschluss an seine Arbeit bis zum Antritt des Heimwegs an der Feier teilgenommen hat, die am 15. Februar 2008 in der Einrichtung "K" stattfand. Es ist zwar anerkannt, dass auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen und daher unfallversicherungsrechtlich geschützt sind. Leitend hierfür ist die Überlegung, dass die Teilnahme von Beschäftigten etwa an Betriebsfesten, Be¬triebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden kann. Der Umfang des Versicherungs¬schutzes reicht dann so weit, dass auch der damit zusammenhängende Weg zur und von einer solchen Veranstaltung als Weg nach bzw. von dem Ort der Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII anzusehen ist (Schmitt, SGB VII, 4. Auflage 2009, § 8 Rn. 35, 179). Vorausset¬zung für die Annahme einer unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallenden betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist jedoch, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb allen Beschäftigten des Unterneh¬mens – bei Großbetrieben mindestens allen Beschäftigten einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten – offen stehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschafts¬veranstaltung getragen werden (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 52/02 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 2; BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 11; BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 5/04 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 4; BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 2 U 27/08 R – juris).

Bei der Feier, die am 15. Februar 2008 im "K" stattfand, handelte es sich nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, denn die Veranstaltung war nicht von der Autorität der Unternehmensleitung getragen.

Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität der Unternehmensleitung getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht oder nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 52/02 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 2; BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 11). Die Unternehmensleitung muss nicht selbst Ver¬anstalter sein; es genügt, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert. Veranstalter – im Auftrag der Unternehmensleitung – kann auch der Betriebsrat oder eine Gruppe bzw. einzelne Beschäftigte des Unternehmens sein. Die Billigung der Unternehmensleitung muss sich nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Ände¬rungen (z. B. der Arbeitszeit, das Benutzen betrieblicher Räume) erstrecken, sondern die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihr gewollt sein (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 52/02 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 2). Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, die in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens erfolgen, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Filialen verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder z. B. Filiale als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 52/02 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 2; BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 11).

Zur Überzeugung der Kammer wurde die Feier vom 15. Februar 2008 im "K" von den Mitarbeitern aus eigener Initiative heraus und im eigenen Interesse – ohne einen entsprechen¬den Auftrag der Unternehmens- bzw. Standortleitung – organisiert und durchgeführt. Die Ver¬anstaltung diente der Verabschiedung von Kollegen, nämlich von Mitarbeitern, die eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im "K" durchgeführt hatten (sog. MAE-Kräfte) und deren Maßnahme zu Ende Februar 2008 auslief. Die Unternehmens- bzw. Standortleitung billigte und förderte die Veranstaltung nicht, sondern akzeptierte sie lediglich. Von der Autorität der Unternehmens- bzw. Standortleitung war die Feier nicht getragen.

Die Kammer stützt ihre Überzeugung auf die Angaben der Zeugen L., W., B. und F.

Aufgrund der Aussagen dieser Zeugen steht zunächst einmal fest, dass der Anstoß für die Feier am 15. Februar 2008 weder von der Geschäftsführung des A e. V. noch von der Leitung des Standorts ("K") dieses Vereins kam, sondern dass die Mitar¬beiter selbst die Initiative ergriffen hatten und die Feier auch eigenständig organisiert, realisiert und finanziert haben.

Der Zeuge L., Geschäftsführer des A e. V., hat glaubhaft bekundet, dass er weder zu der Veranstaltung eingeladen gewesen sei noch diese durchgeführt habe, sondern erst im Nachhinein davon erfahren habe. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass es einem öffentlichen Träger wie dem A e. V. aufgrund des häufigen Wechsels der lediglich befristet tätigen Arbeitskräfte gar nicht möglich sei, solche Feiern zu veranstalten, weil man sonst gar nicht "aus dem Feiern herauskommen" könne. Vor dem Hintergrund, dass nach den Angaben des Zeugen L. im Februar 2008 beim A e. V. etwa 700 Personen (= 500 "Ein-Euro-Jobber" und 200 "versicherungs¬pflichtige Mitarbeiter") befristet tätig waren und der feste Mitarbeiterstamm lediglich 29 Personen umfasste, ist es aus Sicht der Kammer einleuchtend, dass der A e. V. Veranstaltungen, die – wie hier – der Verabschiedung von MAE-Kräften dienen, nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung tragen will bzw. trägt. Dass der A e. V. die von den Mitarbeitern gewollten und organisierten Abschiedsfeiern "akzeptiert" bzw. "duldet", hat der Zeuge L. ohne weiteres eingeräumt.

Aus den Angaben der Zeugin W., der Standortverantwortlichen der Einrichtung "K", geht hervor, dass die Feier vom 15. Februar 2008 auch nicht von der Standortleitung veranlasst, organisiert oder finanziert wurde. Die Zeugin W. konnte zwar keine Angaben zur Organisation der konkreten Veranstaltung im Februar 2008 machen, da nach ihrem eigenen Bekunden diese Veranstaltung "eine von vielen" war, die ihr nicht besonders in Erinnerung geblieben ist. Sie hat jedoch den regelmäßigen AbL. im Vorfeld von Abschiedsfeiern dahingehend beschreiben, dass sich innerhalb des Kreises der Mitarbeiter einzelne Personen als organisationsfreudig zeigen und den Wunsch einer Feier dann an sie he¬rantragen würden. Weiter hat sie bekundet, dass sie mit der Vorbereitung derartiger Veranstaltungen nichts zu tun habe und das "K" sich auch nicht an der Finanzierung der Feiern von Mitarbeitern beteilige. Da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es im Vorfeld der Feier vom 15. Februar 2008 einen vom regelmäßigen Verlauf abweichenden Ablauf gegeben haben könnte, lässt sich der Aussage der Zeugin W. entnehmen, dass die Mitarbeiter des "Ks" auch die hier in Frage stehende Feier aus eigener Initiative heraus selbst or¬ganisierten und finanzierten.

Bestätigt wird dies auch durch die Aussagen der Zeugen B. und F., die zum damaligen Zeitpunkt als MAE-Kräfte im "K" eingesetzt waren. Die Zeugin B. hat glaubhaft bekundet, die Feier sei von den Mitarbeitern "privat organisiert" worden. Sie selbst habe von den Personen, die an der Feier teilnehmen wollten, jeweils 5,- Euro eingesammelt. Das Geld sei für das Essen und Trinken verwendet worden. Das "K" habe ihres Erachtens kein Geld beigesteuert. Die Idee zu der Feier sei von ihrer "Truppe" ausgegangen, die auch zuvor schon Abschiedsfeiern organisiert habe. Man sei dann an die Leitung herange¬treten und habe sich nach einem Raum erkundigt. Weiter hat die Zeugin B. angegeben, sie selbst habe den Aushang betreffend die Einladung der anderen Mitarbeiter – vom Kläger erstmals vorgelegt im Widerspruchsverfahren – angebracht. Auch der Zeuge F. hat ausgesagt, die Feier sei "vom Kollegenstab organisiert und ausgerichtet" gewesen. Er habe selbst an der Organisation mitgewirkt. Die Idee sei von den Mitarbeitern gekommen. Die Aus¬führungen der Zeugin B. zur Finanzierung hat der Zeuge F. im Wesentlichen bestätigt und dahingehend ergänzt, dass regelmäßig nur eine bestimmte Menge an Getränken "kostenlos" – gemeint: von den eingesammelten 5,- Euro pro Mitarbeiter abgedeckt – gewesen sei; wer etwas darüber hinaus getrunken habe, habe extra zahlen müssen. Das aus dem Verkauf der Getränke erzielte Geld sei jeweils für die Finanzierung der nächsten – von den Mitarbeitern organisierten – Feier verwendet worden. Weiter hat der Zeuge F. angegeben, dass die Mit¬arbeiter das Fasspfand als "Vorfinanzierung" von der Einrichtung K erhalten hätten, es anschließend aber wieder zurückgezahlt hätten.

Gerade aus den Schilderungen der Zeugen B. und F., die selbst an der Vorbereitung der Feier vom 15. Februar 2008 mitgewirkt haben und dadurch sehr detaillierte Angaben hierzu machen konnten, wird deutlich, dass die gesamte Organisation der Veranstaltung allein in der Hand der Mitarbeiter lag, dass die Durchführung der Veranstaltung auf die eigene Initiative der Mitarbeiter und nicht etwa auf einen Auftrag der Unternehmens- / Standortleitung zurückging und dass die Mitarbeiter die Feier – abgesehen von der völlig in den Hintergrund tretenden "Vorfinanzierung" des Fasspfands – auch selbst finanziert hatten. Gestützt wird diese Beurtei¬lung auch dadurch, dass der Aushang, den die Zeugin B. zwecks Information / Einladung der anderen Mitarbeiter angebracht hatte, weder den A e. V. noch den Standort "K" als Aussteller aufweist. Abgesehen davon sind das äußere Erschei¬nungsbild des Aushangs und der sprachliche Ausdruck ("K aus der Küche") von einem inoffiziellen Charakter geprägt

Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Wahrheit der Angaben der Zeugen L., W., B. und F. zu zweifeln. Die Zeugen haben jeweils glaubhafte Aussagen zu den Feiern der Mitarbeiter des "Ks" im Allgemeinen und zu der Feier vom 15. Februar 2008 im Speziellen gemacht. Die Aussagen stehen auch miteinander im Einklang, ins¬besondere besteht im Wesentlichen Übereinstimmung zwischen den Angaben der Leitungs¬ebene (Zeugen L. und W.) einerseits und den Bekundungen der damaligen Mitar¬beiter (Zeugen B. und F.) andererseits. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass die Zeugen stets bestrebt waren, den Sachverhalt wahrheitsgemäß zu schildern. Auf die Angaben der Zeugin S. hat die Kammer – wie bereits aus den vorstehenden Ausführungen erkennbar – demgegenüber ihre Überzeugungsbil¬dung nicht gestützt. Die Zeugin S. wirkte schlaff, müde und unkonzentriert. Sie konnte sich zudem kaum an die Feier vom 15. Februar 2008 erinnern, insbesondere konnte sie keine Angaben dazu machen, wer die Veranstaltung organisiert und finanziert hatte und welchen Anlass die Veranstaltung hatte. Nach eigenen Angaben war die Zeugin aufgrund ihres Gesundheitszustandes außer Stande, sich näher zu erinnern. Das Erscheinungsbild der Zeugin stützte diese Selbsteinschätzung.

Aufgrund der Zeugenaussagen steht allerdings weiter fest, dass die Leitung des Standorts "K" durchaus – und zwar außerhalb der eigentlichen Finanzierung und der Organisation – Beiträge zu der Feier vom 15. Februar 2008 geleistet hat. Allerdings rechtfertigen diese Beiträge nicht den Schluss, dass die Veranstaltung von der Autorität der Unternehmens- bzw. Standortleitung getragen war.

So besteht kein Zweifel daran, dass die Standortverantwortliche des "Ks", die Zeugin W. , die Räumlichkeiten für die Veranstaltung einschließlich der Küche unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat. Dies geht sowohl aus der Aussage der Zeugin W. selbst, als auch aus den Angaben der Zeugen B. und F. hervor. Es handelt sich indes bei diesem Beitrag der Standortleitung lediglich um eine Billigung der betrieblichen Änderungen, die wegen der Durchführung der Veranstaltung erforderlich waren; hieraus kann nach dem oben Gesagten gerade nicht geschlossen werden, dass die Feier als betriebliche Gemein¬schaftsveranstaltung von der Unternehmens- bzw. Standortleitung gewollt war. Dies gilt umso mehr, als die Standortleitung nach den glaubhaften Angaben der Zeugin B. dieser gegenüber geäußert hat, es sei zwar ein Raum für die Feier frei, dieser könne allerdings von den Mitarbeitern nur genutzt werden, wenn keine andere Veranstaltung "rein komme". Die Zeugin B. hat dies damit begründet, dass die Einrichtung "K" bei einer Überlassung der Räume an Dritte durch die Erhebung einer Raummiete Einnahmen erzielt hätte. Die Aussage der Zeugin B. ist aus Sicht der Kammer plausibel; auch der Zeuge L. hat bestätigt, dass das "K" bei der Vermietung von Räumen an private Dritte ein Entgelt erhebt. Der Umstand, dass die Leitung des Standorts "K" den Mitarbeitern für die Feier am 15. Februar 2008 die Räumlichkeiten nur unter der Bedingung zur Verfügung gestellt hat, dass die Räume nicht an Dritte vermietet werden können, spricht eindeutig gegen die Annahme einer von der Unternehmens- bzw. Standortleitung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gewollten Feier.

Die Kammer zweifelt auch nicht daran, dass die Zeugin W. auf der Feier selbst anwesend war. Der Zeuge F. hat bekundet, die Zeugin W. sei "zum Abend hin" auf der Feier erschienen und habe ihren "Kontrollgang" gemacht. Die Zeugin W. hat diese Aussage durch ihre Angabe bestätigt, sie sei von etwa 18.00 Uhr an auf der Veranstal¬tung gewesen. Sie nehme prinzipiell an allen Veranstaltungen teil, weil sie weisungsberechtigt sei und die Verantwortung für die Mitarbeiter trage. Sie sei auf jeden Fall die letzte Person auf der Feier gewesen, da sie die Räume abschließe. Aus der Anwesenheit der Zeugin W. auf der Feier vom 15. Februar 2008 folgt indes nicht, dass es sich hierbei um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt hat. Die zumindest zeitweise Anwesenheit der Unter¬nehmensleitung oder von Teilen von ihr wird zwar grundsätzlich für erforderlich gehalten, damit die betriebliche Zielsetzung – Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Be¬schäftigten – erreicht und die Veranstaltung als "von der Autorität der Unternehmensleitung getragen" angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 52/02 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 2; BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 11). Umgekehrt kann aber aus der Tatsache, dass sich eine Person aus der Unternehmens- bzw. Standortleitung auf einer Feier aufhält, nicht automatisch geschlossen werden, es handele sich hierbei um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Der glaubhaften Aussage der Zeugin W. ist zu entnehmen, dass es ihr in erster Linie darum ging, den Ablauf der Feier im Blick zu behalten und dafür zu sorgen, dass die Räumlichkeiten im Anschluss an die Veranstaltung wieder ordnungsgemäß abgeschlossen werden. Dies spiegelt sich auch in der Angabe des Zeugen F. wieder, die Zeugin W. habe ihren "Kontrollgang" gemacht. Es ist aus Sicht der Kammer nur allzu verständlich, dass die Zeugin W., die schließlich die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hatte, nicht gewillt war, der Feier ohne jegliche Aufsicht ihren freien Lauf zu lassen. Diesem natürlichen Ansinnen der Standortlei¬tung, ein Mindestmaß an "Überwachung" der Mitarbeiter und Veranstaltungsräume nicht aus der Hand zu geben, kann jedoch keineswegs entnommen werden, dass die Feier von der Auto¬rität der Unternehmens- bzw. Standortleitung getragen war. Etwas anderes folgt im Übrigen auch nicht aus der Angabe der Zeugin W., sie sehe solche Feiern als "richtig und wichtig wegen der sozialen Kontakte" an. Diese positive innere Einstellung der Zeugin W. gegenüber dem Treiben "ihrer" Mitarbeiter belegt lediglich, dass die Zeugin Zu¬sammenkünfte befürwortet, die der Pflege der Verbundenheit der Mitarbeiter untereinander dienen, verleiht aber der Feier vom 15. Februar 2008 keine betriebliche (= auf die Förderung der Verbundenheit zwischen Unternehmens- / Standortleitung und Beschäftigten) ausgerichtete Zielsetzung, zumal die persönliche Einstellung der Zeugin W. nicht durch ein ent¬sprechendes Handeln der Standortleitung (wie z. B. Planung und Organisation der Veranstal¬tung oder zumindest Beauftragung der Mitarbeiter hiermit) zum Ausdruck gekommen ist.

Letztlich dahingestellt bleiben kann, ob die Zeugin W. auf der Veranstaltung tatsächlich eine Rede gehalten hat. Die Zeugin W. hat insoweit bekundet, sie nutze "meistens" die Gelegenheit, sich bei den ausscheidenden Mitarbeitern zu bedanken; sie habe, wenn es sich bei der Feier vom 15. Februar 2008 um eine Abschiedsfeier gehandelt habe, dort "bestimmt auch eine Rede gehalten." Selbst wenn die Zeugin W. sich auf der Feier am 15. Februar 2008 im Rahmen einer Rede bei den MAE-Kräften bedankt haben sollte, deren Maßnahme zu Ende Februar 2008 endete, so folgt hieraus nicht, dass die Veranstaltung von der Autorität der Unternehmens- bzw. Standortleitung getragen war. Es entspricht dem üblichen Vorgehen, dass ein Arbeitgeber sich bei einem fähigen Mitarbeiter, der das Unternehmen verlässt, für die geleistete Arbeit bedankt. Sollte die Zeugin W. die – ohne Zweifel günstige – Gelegenheit genutzt haben, ihren Dank anlässlich der Feier vom 15. Februar 2008 einem größeren (= dem anwesenden) Teil der ausscheidenden Kräfte gleichzeitig auszuspre¬chen, so konnte hierdurch bei lebensnaher Betrachtung der Charakter der Veranstaltung jedenfalls nicht grundlegend verändert werden; es handelte sich nach wie vor um eine Zusam¬menkunft, die die Mitarbeiter außerhalb einer betrieblichen Zielsetzung, auf eigene Initiative, im eigenen Interesse und auf eigene Kosten selbst organisiert hatten.

Der Kläger kann sich auch nicht auf die im Zusammenhang mit betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen entwickelte Rechtsprechung berufen, wonach der Versicherungsschutz für die einzelnen Teilnehmer einer Veranstaltung auf Vertrauensschutz beruhen kann. Vom Versiche¬rungsschutz umfasst ist nach dieser Rechtsprechung eine Veranstaltung, zu der das Unterneh¬men als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung eingeladen hat und bei der die übrigen Vor¬aussetzungen für eine solche erfüllt sind, an der aber nur so wenige Beschäftigte teilnehmen, dass der Gemeinschaftscharakter fraglich wird (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 11). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Überlegung, dass für den Besucher der Veranstaltung die geringe Anzahl der Teilnehmer ggf. erst bei Beginn der Veranstaltung festgestellt werden kann. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es kam für die Kammer nicht darauf an, ob die Feier im "K" vom 15. Februar 2008 den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Mindestbeteiligung genügte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 52/02 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 2; BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 11). Vielmehr hat die Kammer – wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist – das Vorliegen einer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden betrieblichen Gemeinschaftsveranstal¬tung bereits deshalb abgelehnt, weil die Feier vom 15. Februar 2008 nicht von der Autorität der Unternehmens- oder Standortleitung getragen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ergebnis der Hauptsache, da Anhaltspunkte für eine abweichende Kostenentscheidung nicht ersichtlich waren.
Rechtskraft
Aus
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