L 5 AS 1880/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 1626/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 1880/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Hilfebedürftiger, der das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, muss eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II auch dann einholen, wenn der Wohnungswechsel nicht mit dem erstmaligen Bezug einer eigenen Wohnung verbunden ist.

Dass ein Hilfebedürftiger, der das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht mehr im Elternhaus lebt, stellt für sich genommen keinen sonstigen, ähnlich schwerwiegenden Grund iSd § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 3 SGB II dar; sind die Eltern zur Aufnahme ihres Kindes bereit und steht im elterlichen Haushalt ausreichender Wohnraum zur Verfügung, so kann der hilfebedürftige junge Erwachsene auf den bei seinen Eltern zur Verfügung stehenden Wohnraum verwiesen werden.
Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 29. September 2010 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:
I.

Mit seinen vom 4. Oktober 2010 datierenden Beschwerden wendet sich der Antragsteller dagegen, dass das Sozialgericht sowohl seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch seinem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen hat.

Der 2005 aus der Schule entlassene 22 Jahre alte Antragsteller brach eine im Oktober 2007 an seinem Heimatort G begonnene Ausbildung Anfang Dezember 2007 ab und zog zu seiner damaligen Freundin nach Idar-Oberstein, wo er nach eigenen Angaben unter anderem Arbeitslosengeld II bezog. Anfang April 2008 zog er zurück nach G und stellte im Mai 2008 bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, unter anderem auch für die im Zusammenhang mit einer zum 1. Juni 2008 angemieteten 33,82 m² großen Einzimmerwohnung im Zweg entstehenden Kosten. Nachdem der Antragsgegner eine Besichtigung des elterlichen Reihenhauses vorgenommen und festgestellt hatte, dass dieses hinreichend Platz auch für den Antragsteller bot, gewährte er ihm lediglich die Regelleistungen. Den unter anderem dagegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers wies er zurück.

Zum 1. September 2008 begann der Antragsteller eine Berufsausbildung und erhielt Berufsausbildungsbeihilfe. Zum 1. März 2009 zog er in eine 46,90 m² große Zweizimmerwohnung in der R und beantragte bei dem Antragsteller einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft und Heizung. Diesen lehnte der Antragsgegner ab und führte zur Begründung aus, solange der Antragsteller das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, seien Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nur dann zu erbringen, wenn sie vor Abschluss des Mietvertrags vom kommunalen Träger zugesichert worden seien. Dies sei aber nicht der Fall, so dass auch ein Zuschuss nicht gewährt werden könne. Aufgrund unentschuldigter Fehlzeiten kündigte der Ausbildungsbetrieb dem Antragsteller zum 31. März 2010. Da der Antragsteller erforderliche Unterlagen nicht beibrachte, wurde sein neuerlicher Leistungsantrag wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt; er erhielt Arbeitslosengeld I.

Bei einer erneuten Antragstellung am 29. Juli 2010 gab der Antragsteller an, er habe bei der Familie seiner Ex-Freundin V H einen Schlafplatz im Keller des Hauses M ... Der Antragsgegner bewilligte ihm mit Bescheid vom 11. August 2010 Regelleistungen für die Zeit vom 29. Juli 2010 bis zum 31. Januar 2011. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung heißt es in dem Bescheid, deren Berücksichtigung sei nicht erforderlich, "da die Mietzahlungen bisher an Frau H ausgezahlt" würden und dies weiterhin im vollen Umfang erfolgen werde.

Am 7. September 2010 erschien der Antragsteller mit seiner Freundin bei dem Antragsgegner, erklärte, er wolle mit ihr zusammenziehen und legte ein Wohnungsangebot vor. Ihm wurde erklärt, dass er keine Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung erhalten könne, weil er unter 25 Jahre alt sei und nach den Erkenntnissen des Antragsgegners bei seinen Eltern wohnen könne. Gegen die mündliche Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Zusicherung, die einschließlich der Betriebskostenvorauszahlung von 71,- Euro monatlich kalt 279,80 Euro betragenden Kosten für eine 58 m² große Dreizimmerwohnung mit Ofenheizung in der K- zu übernehmen, legte der nun anwaltlich vertretene Antragsteller am selben Tag Widerspruch ein und trug vor, die Rechtsauffassung der Mitarbeiterin des Antragsgegners sei völlig unsinnig. Es werde verkannt, dass er seit Jahren außerhalb des Elternhauses lebe und ihn deshalb keine Verpflichtung treffe, dorthin zurückzukehren.

Am 9. September 2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Cottbus beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die begehrte Zusicherung zu erteilen, und ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er hat ausgeführt, er wohne seit dem 2. September 2010 in einer Gartensparte in einem Zelt. Bei seinen Eltern könne er schon deshalb nicht wieder einziehen, weil die vier Kinderzimmer durch seine Brüder und ein Pflegekind belegt seien. Der Antragsteller hat eine vom 15. September 2010 datierende Erklärung seiner Eltern zu den Akten gereicht, derzufolge im Haushalt außer den beiden eigenen Kindern "derzeit noch zwei Pflegekinder" leben, so dass "alle Kinderzimmer belegt" sind.

Mit Beschluss vom 29. September 2010 hat das Sozialgericht Cottbus den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, die Aufwendungen für die Wohnung, hinsichtlich derer eine Zusicherung begehrt werde, seien unangemessen hoch, so dass kein Anordnungsanspruch bestehe.

Gegen den ihm am 4. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am selben Tag Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass er zusammen mit einer Freundin in die Wohnung ziehen wolle. Der Antragsteller hat eine vom 6. Oktober 2010 datierende mit "F" unterschriebene Erklärung einer "Frau C F polizeilich gemeldet bei Frau S F" vorgelegt, ausweislich derer diese beabsichtigt, die Wohnung in der K mit ihm gemeinsam zu beziehen.

Der Antragsgegner meint, Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, bedürften auch dann einer Zusicherung vor Abschluss eines Mietvertrags, wenn es sich nicht um den erstmaligen Bezug einer eigenen Wohnung handele. Eine solche Zusicherung müsse nur dann erteilt werden, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden könne, der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich sei oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliege. Dies sei hier nicht der Fall. Die Besichtigung des von den Eltern bewohnten Hauses habe ergeben, dass dieses eine Wohnfläche von etwa 150 m² zuzüglich einer von der Mutter des Antragstellers gewerblich genutzten Fläche von etwa 38 m² habe. Damit sei hinreichend Platz auch für den Antragsteller vorhanden. Dass die Eltern des Antragstellers Pflegekinder aufgenommen hätten, könne nicht dazu führen, dass er einen Anspruch auf staatliche Leistungen habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (Nummer der Bedarfsgemeinschaft ) verwiesen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.

II.

Die Beschwerden haben keinen Erfolg; sie sind zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht sowohl dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung [ZPO]). Die zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung in Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II bzw. XII betont hat (Beschluss vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, S. 927 ff), sowohl auf eine Folgenabwägung (Folgen einer Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch alternativ auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Im Vordergrund steht dabei für den Senat die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache (Anordnungsanspruch), ergänzt um das Merkmal der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund), um differierende Entscheidungen im Eil- und Hauptsacheverfahren möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist das Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern im Rahmen des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Möglichen abschließend zu prüfen, besonders wenn das einstweilige Verfahren im Wesentlichen oder vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und einem Beteiligten eine endgültige Grundrechtsbeeinträchtigung droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Unter Beachtung der auf dem Spiel stehenden Grundrechte dürfen dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Hieran gemessen hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund in einem die (hier faktisch endgültige) Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher der Antragsgegner verpflichtet wird, ihm eine Zusicherung bezüglich der Erbringung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung bei Anmietung der Wohnung in der K zu erteilen. Dabei kann dahinstehen, ob die Kosten der Unterkunft und Heizung bei Anmietung dieser Wohnung unangemessen wären, denn der Antragsteller hat schon deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung, weil er, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat, auf den bei seinen Eltern zur Verfügung stehenden Wohnraum verwiesen werden kann.

Der Bezug der Wohnung in der K bedarf der Zustimmung des Antragsgegners. Nach § 22 Abs. 2 a Satz 1 SGB II werden Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sofern sie umziehen, für die Zeit nach dem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres Leistungen für Unterkunft und Heizung nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrags über die Unterkunft zugesichert hat. Diese Vorschrift ist hier anwendbar.

Der Antragsteller gehört zu dem von der Regelung erfassten Personenkreis. Er ist 1988 geboren, hat also das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Nicht unmittelbar aus der Formulierung, wohl aber aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich, dass das Zusicherungserfordernis nur für solche Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr gilt, die bereits im Leistungsbezug stehen oder Leistungen nach dem SGB II beantragt haben, weil Hilfebedürftigkeit besteht bzw. eintreten wird (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Oktober 2009, L 15 AS 327/09 B ER; Landessozialgericht Sachsen, Urteil vom 2. Juli 2009, L 3 AS 128/08 m.w.N.; beide zitiert nach juris; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Kommentar, München Stand 1. April 2010, Rdnr. 75 zu § 22 SGB II). Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn dem Antragsteller sind mit Bescheid vom 11. August 2010 Regelleistungen für die Zeit vom 29. Juli 2010 bis zum 31. Januar 2011 bewilligt worden.

Der Einzug des Antragstellers in die Wohnung in der K ist auch ein Umzug im Sinne der genannten Vorschrift. Entgegen der Auffassung des Antragstellers findet § 22 Abs. 2 a Satz 1 SGB II bereits seinem Wortlaut nach nicht nur auf den im Zusammenhang mit dem Auszug aus dem elterlichen Heim erfolgenden erstmaligen Bezug einer eigenen Wohnung Anwendung (so aber der 25. Senat dieses Gerichts, Beschluss vom 15. Februar 2010, L 25 AS 35/10 B ER, zitiert nach juris; ebenso Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage, Baden-Baden 2009, Rdnr. 89 zu § 22; Lauterbach in Gagel, a.a.O., Rdnr. 80 zu § 22 SGB II), sondern auf jeden Unterkunfts- bzw. Wohnungswechsel eines unter 25-jährigen Hilfebedürftigen (vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage einiger Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 16/6092 vom 19. Juli 2007, S. 1 ff). Sinn und Zweck der besonderen Regelungen für junge Erwachsene ist es, wie sich der Gesetzesbegründung entnehmen lässt, den Anreiz zu vermindern, ohne Not auf Kosten der Allgemeinheit eine eigene Wohnung zu beziehen. Um dies zu erreichen, wurde zum einen § 22 Abs. 2 a SGB II eingefügt. Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/688 vom 15. Februar 2006, S. 14): "Künftig sollen Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und erstmalig eine Wohnung beziehen wollen, vorher die Zustimmung des Leistungsträgers einholen müssen. Wird die Zustimmung nicht eingeholt, werden bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. Dies ist den Betroffenen auch zuzumuten, weil § 3 Abs. 2 SGB II vorsieht, dass Jugendliche unverzüglich in eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln sind. Der Leistungsausschluss wird daher im Regelfall von kürzerer Dauer sein." Flankierend wurde auch in § 20 SGB II eine neue Regelung, ebenfalls Abs. 2 a, eingefügt, wonach unter 25-jährige Personen, wenn sie ohne Zusicherung des kommunalen Trägers aus dem Haushalt der Eltern ausziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres die gleiche Regelleistung (nämlich 80 Prozent der Regelleistung) erhalten, die ihnen gewährt worden wäre, wenn sie weiterhin mit den Eltern eine Bedarfsgemeinschaft gebildet hätten. Es sollte also nicht nur der Entstehung neuer Bedarfsgemeinschaften entgegengewirkt werden (so wohl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Auflage, München 2008, Rdnr. 80 e zu § 22), sondern durch die bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres andauernde negative Sanktionierung auch darauf hingewirkt werden, dass ein vom Gesetzgeber als unerwünscht angesehenes Verhalten überdacht und geändert wird. Zwar wurde bei Einführung der Regelungen der Erstbezug einer Wohnung durch Personen, die entweder bislang wegen Unterstützung innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hatten oder als Teil einer Bedarfsgemeinschaft niedrigere Leistungen bezogen, in den Vordergrund gestellt, gesetzlich geregelt wurde aber ein Zusicherungserfordernis für jegliche Umzüge von Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Würde die Regelung nur für den Erstbezug einer Wohnung gelten, so könnte sie problemlos umgangen werden. Es bedürfte beim Auszug aus dem Elternhaus nur des Bezugs einer vorübergehenden ersten eigenen Wohnung, um dann kurz darauf ohne Zusicherungserfordernis in eine andere eigene Wohnung umziehen zu können (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage einiger Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE, a.a.O.). Eine Auslegung, durch welche die Regelung in der Praxis leer liefe, kann nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechen und verbietet sich daher.

Der Senat ist, soweit Ausführungen dazu im Rahmen eines auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichteten Verfahrens überhaupt für erforderlich gehalten werden, davon überzeugt, dass die besonderen Bestimmungen für Personen unter 25 Jahren mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), vereinbar sind. § 22 Abs. 2 a Satz 1 SGB II und § 20 Abs. 2 a SGB II enthalten Sonderregelungen für eine Personengruppe, für die es auch in anderen Gesetzen spezifische Vorschriften gibt, weil sie sich von anderen unterscheidet. Der Kreis der dieser Gruppe Zugehörigen umfasst junge Erwachsene vom Eintritt der Volljährigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Die für Kinder geltenden gesetzlichen Regelungen finden auf sie keine Anwendung mehr. Typischerweise befinden sich Angehörige dieser Personengruppe aber noch in der Ausbildung, es sind in der Regel Schüler, Auszubildende, Studenten oder Praktikanten. Anders als ältere Erwachsene sind sie meist wirtschaftlich noch nicht oder jedenfalls nicht vollständig selbständig und mithin auf Unterstützung angewiesen. Bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung sind die Eltern unterhaltspflichtig (§§ 1601 ff Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), die ihrerseits bis zum 25. Geburtstag eines unterhaltsberechtigten Kindes Anspruch auf Kindergeld haben (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz [BKKG]). Reicht ihr Einkommen nicht, um das noch in der Ausbildung befindliche Kind zu unterstützen, so kann ein Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bestehen (§ 1 BAföG). Waisen und Halbwaisen erhalten, wenn sie noch in der Ausbildung sind, bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres Hinterbliebenenrente (§ 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Die gesetzlich geregelten Ansprüche junger Erwachsener auf materielle Hilfe sind teils auch an bestimmte Voraussetzungen gebunden, um die Kosten für diejenigen, die sie leisten, in einem gegenüber anderen vertretbaren Rahmen zu halten. So erhalten etwa Schüler einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule nur dann Ausbildungsförderung, wenn sie nicht bei ihren Eltern wohnen und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist, oder sie einen eigenen Haushalt führen und verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft verbunden sind oder waren bzw. mit mindestens einem Kind zusammenleben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1 a Satz 1 BAföG).

Die nach alledem erforderliche Zusicherung muss der Antragsgegner nicht erteilen; zu Recht hat er dies bei der Vorsprache des Antragstellers am 7. September 2010 abgelehnt.

Zur Zusicherung ist er nach § 22 Abs. 2 a Satz 2 Nrn 1 und 2 SGB II insbesondere dann verpflichtet, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann oder der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist. Entsprechendes hat der Antragsteller nicht vorgetragen; es ist auch nichts ersichtlich.

Es liegt auch kein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vor (§ 22 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 3 SGB II). Soweit der Antragsteller offenbar meint, es könne ihm, nachdem er schon eine Weile nicht mehr zu Hause lebe, nicht zugemutet werden, wieder ins Elternhaus zu ziehen, kann ihm nicht gefolgt werden (so aber offenbar auch Berlit in LPK-SGB II, a.a.O.). Er hat sich nicht aus eigenen Kräften aus dem Elternhaus gelöst und ist später hilfebedürftig geworden. Vielmehr hat er trotz der seitens des Antragsgegners anlässlich des erstmaligen längerfristigen Verlassens des Elternhauses verweigerten Zusicherung immer wieder versucht, den Unterhalt einer eigenen Wohnung durch staatliche Leistungen finanziert zu bekommen. Dass die Eltern zur Aufnahme ihres Sohnes nicht bereit wären, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. So ist der Antragsteller auch nach seiner Rückkehr aus Idar-Oberstein zunächst wieder in den elterlichen Haushalt aufgenommen worden. Auch sind die Wohnverhältnisse bei den Eltern nicht unzumutbar beengt. Die Familie lebt in einem Reihenhaus mit einer reinen Wohnfläche von 150 m²; es gibt vier Kinderzimmer. Für die beiden Brüder des Antragstellers und ihn selbst steht danach je ein Zimmer zur Verfügung. Soweit er vorträgt, es sei kein Platz mehr für ihn und insoweit darauf verweist, dass die Eltern Kinder zur Pflege aufgenommen hätten, ist sein Vortrag weder in sich schlüssig noch hinreichend substantiiert. Während er nämlich mit Schreiben vom 15. September 2010 vorträgt, es lebe ein Pflegekind in der Familie, heißt es in der schriftlichen Erklärung seiner Eltern vom selben Tag, es lebten "derzeit noch zwei Pflegekinder" in dem Haushalt. Damit ist nicht einmal bekannt, wie viele Kinder im September 2010 dort lebten. Über die Dauer des Verbleibs des Pflegekindes bzw. der Pflegekinder in der Familie, über das Alter und das Geschlecht wird nichts mitgeteilt, geschweige denn ist die Behauptung in irgendeiner Weise, etwa durch ein Schreiben des zuständigen Jugendamtes, glaubhaft gemacht. So ist auch nicht ersichtlich, dass der vorhandene Platz nicht ausreichend wäre, zumal es nicht zwingend erscheint, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer hat. Jedenfalls gleichgeschlechtlichen Kindern dürfte es zumutbar sein, zumindest für eine vorübergehende Zeit ein Zimmer zu teilen. Zu Recht weist der Antragsgegner im Übrigen darauf hin, dass die Aufnahme von Pflegekindern voraussetzen dürfte, dass hinreichend Platz für die eigenen Kinder bleibt. Wäre es anders, so müsste der Staat Leistungen für das infolge Platzmangels aushäusig wohnende leibliche Kind erbringen, während die Familie zugleich staatliche Leistungen für die Aufnahme der Pflegekinder erhielte.

Nur ergänzend sei bemerkt, dass der Umstand, dass die Mutter des Antragstellers als Tagesmutter tätig ist, so dass sich tagsüber noch weitere Kinder in dem Haus aufhalten, für das Verfahren ohne Bedeutung ist. Nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Antragsgegners werden die Tageskinder in einem gesonderten, 38 m² großen Bereich des Hauses betreut.

Fehlt es an einem Anordnungsanspruch, so bedarf es der Ausführungen zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht. Im Übrigen wäre auch dazu festzustellen, dass es dem seinen Angaben zufolge derzeit zeltenden Antragsteller frei stünde, wieder zu seinen ihm zum Unterhalt verpflichteten Eltern zu ziehen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zutreffend wegen der fehlenden Erfolgsaussicht des Verfahrens in Anwendung von § 73 a SGG in Verbindung mit §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) abgelehnt worden.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG sowie § 73 a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO. Sie trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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