S 17 SO 614/10 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 SO 614/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweili-gen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 08.01.2011 bis einschließlich 31.05.2011 Grund-sicherungsleistungen nach dem 4 Kapitel des SGB XII in Höhe von 123,57 EUR monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in Höhe von neun Zehnteln. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I1, I2allee 000, 00000 L, ab Stellung des Eilantrags (23.12.2010) gewährt.

Gründe:

Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Antragsteller von der Antragsgegnerin vorläufig Leistungen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) unter Anrechnung seiner niederländischen Rente.

Der am 00.00.1936 geborene Antragsteller ist griechischer Staatsbürger. Nach eigenen Angaben hielt er sich in der Vergangenheit insgesamt über dreißig Jahre in der Bundesrepublik Deutschland auf, seit 1988 in L. In 2009 kehrte er zurück nach Griechenland zu seiner dort lebenden Schwester. Im Oktober 2010, am 07.10.2010, kehrte er nach Deutschland zurück und lebt seitdem im Obdachlosenwohnheim in der Mstraße 00 in L.

Mit einem unter griechischer Anschrift geschriebenen Schreiben an die Stadt L, z.Hd. Herrn X, das keine Datumsangabe enthält, nach Angabe der Antragsgegnerin aber am 07.10.2010 bei der Antragsgegnerin eingegangen sein soll, hatte der Antragsteller seine Rückkehr nach Deutschland angekündigt.

Am 08.01.2010 beantragte er bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. In der Niederschrift über die persönliche Vorsprache am 21.10.2010 ist festgehalten:

"Die Frage, warum ich wieder nach Deutschland gekommen bin, beantworte ich folgendermaßen:

Ich bin zurückgekommen, um Grundsicherungsleistungen zu beziehen und meine Angelegenheiten bezüglich meiner Ansprüche auf eine deutsche Rente zu klären.

Meine niederländische Rente wird nach Griechenland überwiesen. Meine Schwester hat von mir eine Vollmacht erhalten, damit sie die Rente abholen kann. Meine Schwester wird mir die Rente nicht nach Deutschland schicken, sondern diese für ihren Lebensunterhalt in Griechenland einsetzen. Ich möchte mir die niederländische Rente nicht wieder nach Deutschland schicken lassen, da dies nur mit Komplikationen verbunden ist.

Ich denke, ich werde meinen Lebensunterhalt mit Grundsicherungsleistungen und Einkommen aus kleinen Erwerbtätigkeiten sicherstellen können. Sobald ich die Angelegenheit bezüglich der deutschen Rente geklärt habe, werde ich wieder nach Griechenland zurückkehren. Ich gehe davon aus, dass dies in ca. 2 – 2,5 Jahren sein wird."

Mit Bescheid vom 04.11.2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Grundsicherungsleistungen ab. Zur Begründung stützte sich die Antragsgegnerin auf § 23 Abs. 3 SGB XII. Nach dieser Vorschrift hätten Ausländer, die nach Deutschland eingereist seien, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Das sei hier der Fall, denn der Antragsteller habe in seinem Brief an Herrn x, der am 07.10.2010 eingegangen sei, mitgeteilt, dass er nach Deutschland zurückkehre, weil die soziale Absicherung in Deutschland wesentlich besser sei. Zudem habe er im Rahmen der persönlichen Vorsprache am 21.10.2010 erklärt, zurück gekehrt zu sein, um Grundsicherungsleistungen zu beziehen und seine deutschen Rentenansprüche zu klären.

Am 16.11.2010 ging bei der Antragsgegnerin ein Schreiben ein, welches vom Gericht nicht gelesen werden kann. Da aber im Betreff "REKLAMATION" angegeben ist, geht das Gericht davon aus, dass es sich um den Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.11.2010 handelt.

Am 13.12.2010 hat der Kläger wegen der Weigerung der Beklagten, "seit 7. Oktober 2010 Grundsicherung zu zahlen", Klage erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 17 SO 585/10 geführt worden ist. Mit Schriftsatz vom 23.12.2010 hat sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers bestellt und gebeten, die Klage in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung umzudeuten. Der Bitte um Änderung ist das Gericht nachgekommen, so dass das Verfahren nunmehr das Aktenzeichen S 17 SO 614/10 ER trägt.

Der Antragsteller mach geltend als griechischer Staatsbürger freizügigkeitsberechtigt zu sein und hat die Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz /EU (FreizügG/EU) der Stadt l vom 19.11.2010 vorgelegt, in der es heißt:

"Der Inhaber dieser Bescheinigung ist Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union und nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes / EU zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt."

Sein Hilfeanspruch berechne sich wie folgt: 359,00 EUR Regelsatz zzgl. 15,50 EUR (31 Tage x 0,50 EUR) Unterkunftskosten für das Obdachlosenwohnheim ergebe einen notwendigen Lebensbedarf in Höhe von 374,50 EUR. Nach Abzug der niederländischen Rente in Höhe von 250,93 EUR verbleibe ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 123,57 EUR. Die Antragsgegnerin könne dem Antragsteller nicht auf § 23 Abs. 3 SGB XII entgegenhalten, da dieser nicht auf Angehörige von EU-Mitgliedstaaten Anwendung finde; dem stünde Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) entgegen, das unmittelbar geltendes Bundesrecht sei und hier Anwendung finde. Zur näheren Erläuterung verweist der Prozessbevollmächtigte auf die Urteilsgründe des BSG im Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Antragsteller hat beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, an den Antragsteller für den laufenden Monat Grundsicherungsleistungen in Höhe von 123,57 EUR zu zahlen, einen Regelsatz in Höhe von 359,00 zzgl. Kosten der Unterkunft in Höhe von 15,50 EUR abzgl. einer niederländischen Rente in Höhe von 250,93 EUR.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf den zwischenzeitlich erlassenen Widerspruchsbescheid vom 05.01.2011. Darin hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass die Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU ohne Bedeutung sei, da eine solche nicht im Zusammenhang mit dem Leistungsanspruch auf Sozialhilfe stehe. Die vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers angeführte Entscheidung des BSG (B 14 AS 23/10 R) könne nicht herangezogen werden, da sie einen anderen Fall betreffe, Auch habe der Europäische Gerichtshof die Bestimmung des § 23 Abs. 3 SGB XII als mit EU-Recht vereinbar erklärt. Zum Nachweis verweist die Antragsgegnerin hierzu auf eine Entscheidung des LSG NRW vom 12.03.2010 (L 12 SO 74/10 B ER). Im Hinblick auf den Rentenbezug des Antragstellers und den Umstand, dass keine weiteren Besonderheiten in seiner Person vorlägen, gebe es auch bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens kein Raum für eine Hilfeerbringung außerhalb des SGB XII, d.h. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.

Im Eilverfahren hat die Antragsgegnerin zudem die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10 R) für nicht einschlägig erachtet, weil sie eben nicht zum SGB XII sondern zum SGB II ergangen sei. Außerdem habe das BSG zwar diskutiert, ob § 23 Abs. 3 SGB XII analog auf das SGB II anzuwenden sei, dies aber letztlich verworfen und erst recht keine Aussage über die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des § 23 Abs. 3 SGB XII getroffen.

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat hierauf erwidert, dass es bislang keine Entscheidung des EuGH zu § 23 Abs. 3 SGB XII gebe. Soweit die Antragsgegnerin über die Bezugnahme auf die Entscheidung des LSG NRW (aaO) die Entscheidung vom 04.06.2009 (C-22/08, C-23/08, Vatsouras, Koupatantze) meine, habe dieser Entscheidung kein Sachverhalt zu § 23 Abs. 3 SGB XII zugrunde gelegen sondern der Fall des erwerbssuchenden EU-Ausländers im erwerbsfähigen Alter. Im konkreten Fall sei offen geblieben, ob nicht die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 39 EG gegeben sei, was Folgen für die Auslegung von Art. 24 Abs. 2 EGREL 38/2004 hätte. Gegen den Bescheid vom 04.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.01.2011 hat der Antragsteller zwischenzeitlich Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 17 SO 20/11 geführt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

Gründe:

I. Der zulässige Antrag ist insofern begründet, als dem Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Leistungen ab dem 08.01.2011 gewährt werden. Für die Zeit ab Stellung des Eilantrags am 23.12.2010 bis zum 07.01.2010 ist der Antrag unbegründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für nötig erscheint. Der Antragsteller muss hierfür einen Anordnungs-anspruch, das heißt den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, und ein Anordnungsgrund, das heißt die besondere Dringlichkeit des Begehrens, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lässt, glaubhaft machen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Dies bedeutet, dass die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründenden Tatsachen so darzulegen sind, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.07.2003, 2 BvR 311/03).

Der Antragsteller hat Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, jedoch erst ab dem 08.01.2011.

Der Antragsteller ist hilfebedürftig im Sinne des § 19 Abs. 2 SGB XII. Denn sein Einkommen in Gestalt der holländischen Rente in Höhe von 250,93 EUR pro Monat reicht nicht aus, seinen grundsicherungsrechtlichen Bedarf in Höhe von derzeit 374,50 EUR (359,00 EUR Regelsatz zzgl. 15,50 EUR Unterkunftskosten) zu befriedigen, so dass ungedeckter Bedarf in Höhe von 123,57 EUR verbleibt.

Dabei steht einem möglichen Leistungsanspruch des Antragstellers nicht entgegen, dass er als Grieche nach bundesdeutschem Recht Ausländer ist. Denn auch Ausländer haben nach § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Allerdings steht dem Grundsicherungsanspruch der Wortlaut des § 23 Abs. 3 SGB XII entgegen. Danach haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Die Vorschrift verlangt einen finalen Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe im Sinne eines ziel- und zweckgerichteten Handelns. Hierfür genügt ein nur fahrlässiges Verhalten bei der Einschätzung der Hilfebedürftigkeit und der Möglichkeit, sich selbst helfen zu können, nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass nach den objektiven Umständen mindestens im Sinne eines Vorsatzes ausgegangen werden kann, der für den Entschluss zur Einreise von prägender Bedeutung gewesen sein muss, ohne dass hierin auch ein "unlauteres Verhalten" gesehen werden müsste. Der erforderliche Zusammenhang zwischen der Einreise und der missbilligten Inanspruchnahme von Sozialhilfe besteht nicht nur, wenn der Wille, Sozialhilfe zu erlangen, der einzige Einreisegrund ist. Beruht die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhangs auch erfüllt, wenn der Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss von zumindest prägender Bedeutung ist; es genügt aber nicht, dass der Sozialhilfebezug beiläufig verfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird (BVerwG Urteil vom 04.06.1992, 5 C 22/87, BVerwGE 90, 212 ff).

Hiervon ausgehend ist bei dem Antragsteller von einem derartigen finalen Zusammenhang zwischen Einreiseentschluss und Stellung des Antrags auf Leistungen der Grundsicherung auszugehen. Zwar sind für das Gericht die handschriftlich geschriebenen Briefe des Antragstellers kaum zu entziffern. Allerdings steht in dem wohl noch in Griechenland geschriebenen Brief des Antragstellers (Bl. 15 Verwaltungsakte), der nach Angabe der Antragsgegnerin am 07.10.2010 bei der Antragsgegnerin eingetroffen sein soll (Bl. 18 VA): "Hier von Soziales Disziplin etc. herrscht großes Finsternis, Beziehungen oder Zahlen. Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, zurück zu kommen ..." (Der Rest des Satzes ist nicht zu entziffern.) Bei der Antragsaufnahme am 21.10.2010 vor der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin hat der Antragsteller angegeben und unterzeichnet, dass er zurückgekommen sei, um Grundsicherungsleistungen zu beziehen und seine Angelegenheiten bezüglich seiner Ansprüche auf eine deutsche Rente zu klären. Da für Letzteres die persönliche Anwesenheit in Deutschland nicht zwingend erforderlich ist, ist auch nicht davon auszugehen, dass dies der primäre Grund für die Rückkehr nach Deutschland gewesen wäre. Insbesondere im Hinblick auf die besonders katastrophale wirtschaftliche Lage Griechenlands im vergangenen Herbst ist anzunehmen, dass der Antragsteller ganz bewusst aus Gründen der sozialen Absicherung nach Deutschland zurück gekehrt ist. Dies wird auch dadurch gestützt, dass sich der Antragsteller vorab schriftlich aus Griechenland an die Antragsgegnerin gewandt und seine Rückkehr angekündigt hat verbunden mit der Bitte um Unterstützung bei der Unterkunftssuche. Dass der Brief gleichzeitig mit der Rückkehr in Deutschland bei der Antragsgegnerin eintrifft, ist dabei nicht von Bedeutung. Auch der Umstand, dass der Antragsteller zunächst angibt, seine niederländische Rente sich nicht hier in Deutschland auszahlen zu lassen sondern zur Unterstützung seiner in Griechenland lebenden Schwester verwenden will, zeigt, dass er selbst davon ausgeht, Sozialhilfe in Deutschland zu erhalten, von der er leben möchte.

Seinen Wortlaut nach erfasst § 23 Abs. 3 SGB XII jeden Ausländer, trifft daher keine Unterscheidung zwischen EU-Bürger und den übrigen Ausländern. Auch hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereichs trifft § 23 Abs. 3 SGB XII keine Regelung, so dass die Vorschrift dem Wortlaut nach durchaus einen Sozialhilfeanspruch eines EU-Bürgers, der sich im Inland aufhält, auf Dauer ausschließen könnte, wenn er zum Zwecke des Sozialhilfebezugs eingereist ist. Allerdings wäre ein derartiges Verständnis der Vorschrift nach Auffassung der Kammer nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Denn da es sich bei dem antragstellenden Ausländer um einen griechischen Staatsbürger und damit um einen Unionsbürger handelt, muss die Auslegung der nationalen Vorschriften im Lichte des europäischen Rechtes erfolgen.

Soweit § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII die ersten drei Monate des Aufenthalts nach Einreise in das Bundegebiet erfasst, steht der Ausschluss in Einklang mit europäischem Sekundärrecht. Denn Artikel 24 Abs. 2 EGRL 38/2004 (Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG) erlaubt einen zeitlich befristeteten Sozialhilfeausschluss während der ersten drei Monate des Aufenthalts.

Art. 24 EGRL 38/2004: (1)Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Abs. 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.

Nach Art. 24 Abs. 2 EGRL 38/2004 ist folglich für die ersten drei Monate nach Einreise insgesamt ein Ausschluss vom Bezug von Sozialhilfeleistungen möglich, wobei der Leistungsausschluss direkt nach der Einreise auch mit primärem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein dürfte (vgl. hierzu Greiser in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, Stand: 01.11.2010, Vorbemerkung SGB XII – Die Sozialhilfe als Gegenstand des Europäischen Rechts – Rnr. 46 m.w.N.). Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben am 07.10.2010 in die Bundesrepublik eingereist. Damit endet der dreimontige Ausschluss vom Leistungsbezug am 07.01.2011.

Ein über die ersten drei Monate hinausgehender Ausschluss der Sozialhilfe ist jedoch nicht mit europäischem Recht vereinbar.

Dabei ist zweifelhaft, ob sich die Unvereinbarkeit bereits unmittelbar aus der Richt-linie 38/2004 selbst ergibt. Das wäre der Fall, wenn hier Art. 24 Abs. 1 EGRL 38/2004 anwendbar wäre, so dass das (spezielle) Gleichheitsgebot der Vorschrift es gebiete, den Antragsteller wie einen deutschen Staatsbürger zu behandeln. Für einen deutschen Staatsbürger gibt es aber eine dem § 23 Abs. 3 SGB XII vergleichbare die Leistung vollständig ausschließende Vorschrift nicht. Es gibt allenfalls die Möglichkeit der Leistungsbeschränkung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, wenn jemand Bedürftigkeit herbeigeführt hat in der Absicht, Sozialhilfe zu erlangen. Hiermit ist der Sachverhalt des § 23 Abs. 3 SGB XII jedoch nicht vergleichbar.

Zwar ist der Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EGRL 38/2004 hier bereits aus dem Grund eröffnet, weil § 23 Abs. 3 SGB XII eben nicht sowohl auf Deutsche als auch auf EU-Bürger anwendbar ist. Denn nach Wortlaut und Zweck richtet sich § 23 Abs. 3 SGB XII ausschließlich an in die Bundesrepublik Deutschland einreisende Ausländer. Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EGRL genießt – vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen -, jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats.

Allerdings ist zweifelhaft, ob sich der Antragsteller "aufgrund der Richtlinie" im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik aufhält, ob er also ein Aufenthaltsrecht im Sinne der Richtlinie hat, das die Anwendung des Gleichheitsgebots erlaubt:

Nach Art. 6 EGRL 38/2004 hat ein Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht. Allerdings wirkt für den Aufenthalt von drei Monaten nicht Art. 6 EGRL 38/2004 konstitutiv. Vielmehr besteht dieses Recht bereits seit Einführung der Unionsbürgerschaft durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Nizza (zunächst Art. 8a, später Art. 17 und 18 EG, nunmehr Art. 20, 21 des Zweiten Teiles des AEUV = Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – vom 09.05.2008; Artikel 21 Abs. 1: "Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten." Die Unionsbürgerschaft ist damit zum grundlegenden Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten geworden. In diesem Sinne stellt die Richtlinie 38/2004 Durchführungsvorschriften zu Art. 21 AEUV dar. Dabei hat Art. 6 der Richtlinie aber nur deklaratorischen Charakter.

Die Voraussetzungen für einen über drei Monaten hinausgehenden Zeitraum in einem Mitgliedsstaat werden in Art. 7 Abs. 1 EGRL 38/2004 geregelt. Danach hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a) Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmestaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder über Krankenversicherungsschutz verfügt und der zuständigen nationalen Behörde glaubhaft macht, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen. (Buchstabe c) ist im Vorliegenden nicht relevant.

Nach Art. 8 Abs. 3 EGRL 38/2004 benötigt ein Unionsbürger, auf den Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe b) Anwendung findet, für die Ausstellung der Anmeldebescheinigung die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sowie eines Nachweises, dass er die dort genannten Voraussetzungen (Krankenversicherungs-schutz und ausreichende Existenzmittel) erfüllt. Nach Art. 8 Abs. 4 EGRL 38/2004 aber dürfen die Mitgliedstaaten keinen festen Betrag für die Existenzmittel festlegen, die sie als ausreichend betrachten, sondern müssen die persönliche Situation des Betroffenen berücksichtigen. Der Betrag darf in keinem Fall über dem Schwellen-betrag liegen, unter dem der Aufnahmemitgliedstaat seinen Staatsangehörigen Sozialhilfe gewährt, oder, wenn dieses Kriterium nicht anwendbar ist, über der Mindestrente der Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats.

Hier ist der Antragsteller weder Arbeitnehmer oder Selbständiger noch verfügt er über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende eigene Mittel, die ihn von Sozialhilfe unabhängig machen, da die niederländische Rente hierfür nicht ausreicht.

Dass hier die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen längeren Aufenthalt nicht vorliegen, spricht gegen die Annahme, dass sich der Antragsteller "aufgrund dieser Richtlinie" im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält. Dagegen kann jedoch vorgebracht werden, dass Art. 7 Abs. 1 nicht vom "rechtmäßigen" Aufenthalt spricht sondern vom Aufenthalt "aufgrund dieser Richtlinie", so dass alle Vorschriften der Richtlinie, die sich zum (weiteren) Aufenthalt verhalten, heranzuziehen sind. Dann wären nicht nur die materiell-rechtlichen Voraussetzungen von Art. 6 und 7 EGRL 38/2004 von Bedeutung sondern auch die Normen zur Frage, ob ein fehlendes Aufenthaltsrecht tatsächlich durchzusetzen ist, der Unionsbürger also gezwungen werden kann, den Aufenthaltsmitgliedsstaat zu verlassen. Diese Frage wird in Art. 14 EGRL 38/2004 geregelt.

Nach Art 14 Abs. 2 Satz 2 EGRL 38/2004 können die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen, in denen begründete Zweifel bestehen, ob der Unionsbürger die Voraussetzungen der Artikel 7, 12 und 13 erfüllt, prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Prüfung wird nicht systematisch durchgeführt. Nach Art. 14 Abs. 3 EGRL 38/2004 darf sogar die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch einen Unionsbürger nicht automatisch zu einer Ausweisung führen. Ein Fehlen der Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht auf längere Zeit nach Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b EGRL 38/2004 führt daher nicht zwangläufig zu einer Ausweisung des Unionsbürgers. Seinem Wortlaut nach trifft Art. 14 Abs. 3 EGRL 38/2004 nur eine Bestimmung über die Ausweisung des Unionsbürgers, so dass fraglich ist, ob diese Vorschrift inhaltlich unmittelbar das Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 EGRL 38/2004 beeinflusst.

Ob sich der Antragsteller letztlich auf Art. 24 Abs. 1 EGRL 38/2004 berufen und auf diesem Weg einen Anspruch auf Sozialhilfe herleiten kann, kann die Kammer offen lassen, da sich die Nichtanwendbarkeit von § 23 Abs. 3 SGB XII unmittelbar aus Art. 18 (Diskriminierungsverbot) und Art. 21 (Freizügigkeit) AEUV ergibt.

Bei dem Recht aus Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV ist allerdings umstritten, welche unmittelbaren Folgen das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für ein längeres Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b EGRL 38/2004 für die Freizügigkeit als Unionsbürger hat. Zum einen wird angenommen, dass der Vorbehalt der Durchführungsbestimmungen in Art. 21 AEUV dazu führt, dass bei Fehlen der Voraussetzungen für einen längeren Aufenthalt das Recht auf Freizügigkeit aus Art. 21 AEUV gar nicht erst zum Entstehen gelangt, das Aufenthaltsrecht also in den Grenzen des sekundären Gemeinschaftsrechts entsteht; zum andern wird argumentiert, dass Art. 21 AEUV konstitutiv wirkt und die Durchführungs-bestimmungen der EGRL 38/2004 nur über das Fortbestehen des Rechts entscheiden (zum Streitstand: Husmann, NZS 2009, 547, 549 m.w.N.; in der Entscheidung vom 13.04.2010, C-73/08, Nicolas Bressol u.a. hält der EuGH zwar Art. 21 AEUV für einschlägig, lässt aber offen, ob sich die Kläger auf Art. 24 Abs. 1 EGRL 38/2004 berufen können, da ihm die aufenthaltsrechtlichen Tatsachen nicht ausreichend bekannt seien; dies spricht dafür, dass der EuGH die Bestimmungen der EGRL 38/2004 als nicht konstitutiv für das Bestehen des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 AEUV ansieht. In der Entscheidung vom 07.09.2004, C-456/02 "Trojani" hatte der EuGH dagegen das Aufenthaltsrecht des damaligen Art. 18 Abs. 1 EG als nicht absolut sondern unter Vorbehalt von Art. 1 der Richtlinie 90/364 - Vorgängerregelung zu Art. 7 EGRL 38/2004 – angesehen). Der Streit ist jedoch letztlich nicht entscheidend, weil nach der Rechtsprechung des EuGH der Anwendungsbereich des Art. 21 Abs. 1 AEUV auch dann eröffnet ist, wenn sich der Unionsbürger nach den maßgeblichen Vorschriften des Aufnahmestaates rechtmäßig im Mitgliedsstaat aufhält (EuGH, Urt. v. 20.09.2001, C-184/99 "Grzelczyk"; Urt. v. 07.09.2004, C-456/02 "Trojani"; Urt. v. 13.04.2010, C-73/08 "Nicolas Bressol u.a."). Dabei ist entscheidend, dass dem Unionsbürger ein rechtmäßiger Aufenthalt bescheinigt ist, das Vorliegen der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne der EGRL 38/2004 ist hierfür nicht erforderlich. Die so verstandene Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, die darauf abstellt, ob der Unionsbürger nach nationalem Recht den Status eines rechtmäßigen Aufenthalts nachweisen kann, ist in Fällen der Vorliegenden Art Voraussetzung, sich auf das Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV berufen zu können

Der Antragsteller kann sich in diesem Sinne auf die Freizügigkeit nach Art. 21 Abs. AEUV berufen. Denn sein Aufenthalt ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht illegal sondern rechtmäßig. Der Antragsteller verfügt über eine Freizügigkeits-bescheinigung nach § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU; zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 26.02.2008). Auch wenn es sich bei der Freizügigkeitsbescheinigung um keinen echten Aufenthaltstitel handelt, ist damit dokumentiert, dass es sich um einen rechtmäßigen Aufenthalt handelt. Denn es entspricht der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen, solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU festzustellen und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht einzuziehen (Bundessozialgericht, Urt. v. 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R m.w.N.). Die Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU wird erst mit dieser Verlustfeststellung begründet. § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügigG/EU ist die nationale Umsetzung von Art. 14 EGRL 38/2004, der in seinem Absatz 2 regelt, dass es eines gesonderten Verwaltungsverfahrens zur Überprüfung des Aufenthaltsrechts nach den Artikeln 7 (mehr als drei Monate), 12 und 13 bedarf, ob die Unionsbürger die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Nach Art 14 Abs. 2 Satz 2 EGRL 38/2004 können die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen, in denen begründete Zweifel bestehen, ob der Unionsbürger die Voraussetzungen der Artikel 7, 12 und 13 erfüllt, prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Prüfung wird nicht systematisch durchgeführt. Im Rahmen der Ausreisepflicht wiederum ist Art. 14 Abs. 3 EGRL 38/2004 zu beachten, wonach die Inanspruchnahme von Sozialhilfe-leistungen durch einen Unionsbürger nicht automatisch zu einer Ausweisung führen darf.

Aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts kann kommt im Rahmen der Auslegung des § 23 Abs. 3 SGB XII das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV zur Anwendung. Danach ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Der EuGH hat bereits mehrfach entschieden, dass Leistungen der Sozialhilfe in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen (Urt. v. 07.09.2004, C-456/02 m.w.N.). Werden Unionsbürgern, die sich in dem Mitgliedstaat rechtmäßig aufhalten, ohne seine Staatsangehörigkeit zu besitzen, die Leistungen von Sozialhilfe auch dann nicht gewährt, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die für die Staatsangehörigen des Mitgliedstaates gelten, stellt dies eine verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsbürgerschaft dar (Urt. v. 20.09.2001, C-184-99 "Grzelczyk"; Urt. v. 07.09.2004, C-456/02 "Trojani").

Der Antragsteller hat damit nach Ablauf der Dreimonats-Frist des Art. 24 Abs. 2 EGRL 38/2004 Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Rein vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass es auch nach der Rechtsprechung des EuGH dem Mitgliedstaat unbenommen bleibt, festzustellen, dass ein Staatsangehöriger eines andren Mitgliedstaats, der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht nicht (mehr) erfüllt. Der Aufnahmemitgliedstaat kann sogar in einem solchen Fall unter Einhaltung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen eine Ausweisungsmaßnahme vornehmen, wird dabei aber insbesondere Art. 14 Abs. 3 EGRL 38/2004 zu beachten haben (EuGH aaO).

Auf die – umstrittene – Frage, ob im Fall eines wirtschaftlich nicht aktiven Unions-bürgers, der aus Gründen des Sozialhilfebezugs einreist, das Europäische Fürsorgeabkommen vom 11.12.1953 (EFA) Anwendung findet, kommt es daher nicht an (zum Streitstand einerseits: BSG, Urt. v. 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, Rdnr. 40; andererseits: Greiger in jurisPK-SGB XII, Vorbemerkung SGB XII, Die Sozialhilfe als Gegenstand des Europäischen Rechts, Rnr. 59 f. m.w.N.).

Ebenso wenig braucht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht die Frage geklärt werden, ob der vollständige Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 SGB XII nach nationalem Recht verfassungsmäßig ist, so dass dem Antragsteller für die Zeit vor dem 08.01.2011 u.U. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zumindest in reduzierter Höhe zustünden. Die Kammer sieht diesbezüglich im Hinblick auf den im einstweiligen Rechtsschutz nur geringen Zeitraum (von Stellung des Antrags am 23.12.2010 bis zum 07.01.2011) und den Umstand, dass der Antragsteller über eigenes Einkommen in Höhe von 250 EUR verfügt, keinen Anordnungsgrund.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.

II.

Da der Eilantrag überwiegend Erfolg hat, liegen auch die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor.
Rechtskraft
Aus
Saved