L 7 AS 89/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AS 134/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 89/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.06.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht eine Bescheinigung über die gemeldeten beitragspflichtigen Einnahmen aus Arbeitslosengeld II im Streit.

Der Kläger bezieht seit dem Jahr 2005 von der Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Beklagte übersandte dem Kläger unter dem 23.02.2008 eine Bescheinigung, nach der die Beklagte der Deutschen Rentenversicherung Bund als Rentenversicherungsträger für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.12.2007 beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 2.460 Euro gemeldet hatte.

Mit Schreiben vom 17.03.2008 legte der Kläger gegen diese Bescheinigung Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass die aufgrund § 166 Abs. 2 Nr. 2a Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) bescheinigten Einnahmen eklatant dem Grundprinzip der direkten Kausalität von (beitragspflichtigem) Einkommen zu Rentenbeitrag zu Rentenanspruch widersprechen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2008 als unzulässig zurück. Ein Widerspruchsverfahren sei nach Maßgabe der §§ 83 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur im Zusammenhang mit einem Verwaltungsakt zulässig. Bei dem angegangenem Leistungsnachweis handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine Information, die die dem Rentenversicherungsträger gemeldeten Einnahmen für das Jahr 2007 zum Inhalt hätten.

Mit seiner am 31.07.2008 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass der Kernpunkt seiner Klage die offensichtliche Willkür bei der Festlegung der Höhe der an den Rentenversicherungsträger gemeldeten Einnahmen sei. Die Willkür sei daran erkennbar, dass bei geringfügiger Steigerung der SGB II-Leistungen für die Kalenderjahre 2005 sowie 2006 jeweils 4.800 Euro als beitragspflichtige Einnahmen ausgewiesen worden seien, die seit 2007 jährlich auf 2.460 Euro abgesenkt worden seien. Diese beitragspflichtigen Einnahmen seien aber die wesentliche Grundlage für die spätere Rentenberechnung.

Mit beim SG am 29.01.2009 eingegangenem Schreiben hat der Kläger mitgeteilt, dass ihm am 27.01.2009 ein vom 03.01.2009 datierter Leistungsnachweis für 2008 zugegangen sei. Er beantrage, auch diesen Bescheid in die Klage einzubeziehen. Anderenfalls sei dieses Schreiben als Widerspruch anzusehen.

Der Kläger hat seine Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 02.07.2008 gerichtet. Ein darüber hinausgehender Antrag ist vom Kläger nicht gestellt worden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.06.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Widerspruch sei zu Recht zurückgewiesen worden, da es sich bei dieser Bescheinigung nicht um einen Verwaltungsakt handele. Durch dieses Schreiben habe die Beklagte keine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung getroffen, sondern vielmehr die der Rentenversicherung nach § 166 Abs. 1 Nr. 2a SGB VI gemeldeten Einnahmen mitgeteilt. Der Beklagten obliege keinerlei Entscheidungsfreiheit bezüglich der Höhe dieser zu meldenden Einnahmen aus Arbeitslosengeld II. Es seien hier die Vorgaben des § 166 Abs. 1 Nr. 2a SGB VI zu beachten. Das Schreiben vom 23.02.2008 diene dabei lediglich der Information des Kläger und ggf. für ihn zu Beweiszwecken.

Der Kläger hat gegen den ihm am 01.07.2009 zugestellten Gerichtsbescheid des SG Düsseldorf am 20.07.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er ergänzend zu seinem erstinstanzlichen Vortrag vor, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung nach § 166 Abs. 1 Nr. 2a SGB VI seine Gestaltungsfreiheit überschritten habe. Alleine die Herabsetzung des ursprünglichen monatlichen Betrags von 400 Euro auf 205 Euro im Jahr 2007 widerspreche dem Prinzip der direkten Kausalität von (beitragspflichtigen) Einkommen über Rentenbeitrag zu Rentenanspruch. Die Reduzierung erinnere fatal an die vom Bundesverfassungsgericht am 09.02.2010 ausdrücklich gerügte Vorgehensweise bei den Regelleistungen. Er könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass als existenzsicherndes System für ältere Menschen das Zwölfte Sozialgesetzbuch (SGB XII) mit den dortigen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 42 SGB XII vorgesehen ist. Zwischen dem SGB VI und dem SGB XII bestehe der fundamentale Unterschied, dass nach dem SGB VI aufgrund von Beiträgen ein Leistungsanspruch bestehe. Dieser Unterschied bewirke in der Praxis, dass Ältere SGB XII-Leistungen z.B. aus Scham häufig nicht in Anspruch nähmen. Insofern trage die Stärkung eines Rentenanspruchs unmittelbar zur Würde Älterer bei.

Der Kläger hat seine Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 26.06.2009 gerichtet. Ein darüber hinausgehender Antrag ist vom Kläger nicht gestellt worden.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 30.03.2010 bzw. 26.05.2010 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.

Die zulässige Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Widerspruchsbescheid vom 02.07.2008 ist rechtmäßig und hat den Kläger daher nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG verletzt. Die Beklagte hat den Widerspruch des Klägers gegen den Leistungsnachweis vom 23.02.2008 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Gemäß §§ 83 ff SGG setzt ein Widerspruchsverfahren das Vorliegen eines Verwaltungsaktes voraus, gegen den sich der Widerspruch richtet. Daran fehlt es hier. Der Leistungsnachweis vom 23.02.2008 stellt keinen Verwaltungsakt dar. Gemäß § 31 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit dem Leistungsnachweis hat die Beklagte keine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls getroffen, sondern lediglich dem Kläger mitgeteilt, dass und in welcher Höhe sie dem Rentenversicherungsträger Einnahmen gemeldet hat. Sie hat mithin durch dieses Schreiben keine Rechtsfolge gesetzt.

Der Leistungsnachweis vom 23.02.2008 ist auch nicht als sog. formeller Verwaltungsakt nach den für Verwaltungsakten geltenden Regelungen zu behandeln. Die Beklagte hat nicht den äußeren Anschein erweckt, sie wolle eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen. Das an den Kläger gerichtete Schreiben war weder als "Bescheid" bezeichnet noch war es mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 12 AL 5/03 R, Rdn. 19, veröffentlicht bei juris)

Sofern das Begehrten des Klägers darauf ausgerichtet sein sollte, dass die Beklagte dem Rentenversicherungsträger höhere Einnahmen melden soll, hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen im Wege der reinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG durchsetzbaren "Anspruch auf Meldung höheren Entgelts". Als Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) stand ihm im streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber der Beklagten zwar ein subjektiv-öffentliches Recht zu, dass ihm der Inhalt der Meldung mitgeteilt wird (§ 191 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 28a Abs. 5 SGB IV), nicht jedoch ein solches auf Abgabe einer höheren Meldung. Diese Meldung hat die Beklagte als Leistungsträger unmittelbar dem zuständigen Rentenversicherungsträger zu erstatten (§ 191 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Ebenso hat die Beklagte unmittelbar an den Rentenversicherungsträger die wirtschaftlich vom Bund getragenen (§ 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) Beiträge zu zahlen (§ 173 Satz 2 SGB VI). Indes ist der Beklagten hierdurch nicht etwa eine eigene Entscheidungskompetenz zuerkannt. Vielmehr trifft gemäß § 212 Satz 1 SGB VI allein den Rentenversicherungsträger als Gläubiger der in Frage stehenden Forderung die Pflicht, die rechtzeitige und vollständige Zahlung unmittelbar an ihn zu entrichtender Pflichtbeiträge zu überwachen. Somit ist nur er zum Erlass der entsprechenden Verwaltungsakte ermächtigt. Hat daher der Leistungsbezieher Zweifel an der Richtigkeit einer Meldung der Beklagten bzw. an der Entrichtung der Beiträge in zutreffender Höhe, bleibt ihm nur, sich an den sachlich zuständigen und daher im Prozess allein passiv-legitimierten Rentenversicherungsträger zu wenden (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 12 AL 5/03 R, Rdn. 2, 1 und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NW - Urteil vom 12.02.2007, Az.: L 20 AS 84/06, Rdn. 26, beide veröffentlicht bei juris).

Eine Beiladung der Deutschen Rentenversicherung kam nicht in Betracht. Der Senat hätte auch gegenüber der im Berufungsverfahren beigeladenen Rentenversicherungsanstalt Bund nicht entscheiden können, ob Beiträge auf der Grundlage eines höheren Bemessungsentgelts zu entrichten sind. In derartigen Einzugstellenverfahren ist in den Fällen einer gesetzlich abschließend und eindeutig bestimmten Zuständigkeit eine Verurteilung der Einzugsstelle auf eine im Verfahren gegen den sachlich unzuständigen Versicherungsträger hilfsweise erhobene Feststellungsklage ausgeschlossen. Die allein in Betracht kommende "entsprechende" Anwendung von § 75 Abs. 5 SGG würde andernfalls zu einer Aushöhlung des Entscheidungsmonopols der Einzugsstelle und des Erfordernisses einer von ihr vor Prozessbeginn getroffenen Verwaltungsentscheidung führen. Für Verfahren, in denen zunächst der Arbeitgeber oder - wie hier - ein Leistungsträger verklagt wurde, gilt nichts anderes (BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 12 AL 5/03 R, Rdn. 24 und LSG NW Urteil vom 12.02.2007, Az.: L 20 AS 84/06, Rdn. 26, beide veröffentlicht bei juris).

Zur Klarstellung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Leistungsnachweis vom 03.01.2009 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand dieses Verfahrens geworden ist, weil er weder einen angefochtenen Verwaltungsakt weder abändert noch ersetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hatte keinen Anlass, die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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