S 35 AY 1/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AY 1/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller und seiner Familie einstweilen bis zur Entscheidung über seinen Widerspruch vom 30.12.2004 Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz ab dem 01.01.2005 – nach der Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften – zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

I. Der Antragsteller ist algerischer Staatsangehöriger. Er ist am 00.00.1951 geboren und mit seiner 1965 geborenen Frau sowie vier minderjährigen Kindern am 01.12.1998 nach Deutschland eingereist.

In Deutschland hat er einen Asylantrag gestellt. Im Rahmen dieses Asylantrages hat er angegeben, seinen Pass vernichtet zu haben, um eine sofortige Abschiebung zu verhindern.

Die Asylanträge des Antragstellers wurden 1999 abgelehnt. Eine hiergegen vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage blieb im Jahre 2001 erfolglos. Seit 1999 erhält der Antragsteller Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Seit September 2001 wurden durch die Ausländerbehörde der Stadt S keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen den Antragsteller mehr durchgeführt, da bei drei Personen seiner Bedarfsgemeinschaft langfristig Reiseunfähigkeit besteht.

Bis zum 31.12.2004 erhielt der Antragsteller Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz.

Mit Bescheid vom 16.12.2004 wurden diese Leistungen eingestellt und dem Antragsteller wurden ab 01. Januar 2005 Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz bewilligt. Hiergegen hat der Antragsteller am 30.12.2004 Widerspruch erhoben, über den bis heute nicht entschieden worden ist.

Ebenfalls unter dem 30.12.2004 – eingegangen beim Sozialgericht am 07. Januar 2005 – hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Der Antragsteller hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller und seiner Familie einstweilen Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz ab dem 01.01.2005 – nach der Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften – zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, dass nach der Neufassung des § 2 Asylbewerberleistungsgesetzes Leistungen nach dieser Vorschrift nicht mehr in Betracht kommen, wenn der Antragsteller die Dauer des Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat. Dies sei vorliegend der Fall, weil der Antragsteller seinen Reisepass und die Pässe seiner Angehörigen vernichtet habe. Die Vorschrift des § 2 Asylbewerberleistungsgesetzes n. F. sei auch auf Fälle anzuwenden, in denen die rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer vor dem 01.01.2005 gelegen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II. Gemäß § 86 b Abs. 2 kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Diese Vorschrift ist vorliegend anwendbar, weil der Antragsteller in der Hauptsache sich nicht mit einer Anfechtungsklage wehren kann, denn der betreffende Bescheid nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist kein Dauerverwaltungsakt im Sinne des § 48 SGB X.

Der somit zulässige Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des Antragstellers liegen vor.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die dem Antragsteller nunmehr lediglich bewilligten Leistungen nach §§ 3 ff Asylbewerberleistungsgesetz, sind deutlich geringer als die Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz und auch deutlich geringer als Leistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII. Die Beschränkung auf derart geringfügige Leistungen ist grundsätzlich – nach dem gesetzgeberischen Willen – nur zulässig, wenn die besonderen Voraussetzungen für geringere Leistungen nach §§ 3 ff. Asylbewerberleistungsgesetz vorliegen.

Ob die Voraussetzungen für verminderte Leistungen nach §§ 3 ff Asylbewerberleistungsgesetz vorliegend gegeben sind, erscheint - bei der hier gebotenen summarischen Prüfung - eher zweifelhaft. Es spricht vielmehr Vieles dafür, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren obsiegen wird.

Der Gesetzgeber hat in seinen Motiven zur Gesetzesänderung (Bundestagsdrucksache 15/420 Seite 121) zwar ausgeführt, dass Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz nicht gewährt werden sollen, wenn der Asylbewerber rechtsmissbräuchlich die Dauer des Aufenthalts beeinflusst hat. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, ist dabei schon fraglich, ob die neue Regelung auch auf Rechtsmissbräuche anzuwenden ist, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liegen. Diese Frage dürfte allerdings hier nicht streitentscheidend sein, denn der Gesetzgeber hat im nächsten Absatz ausgeführt, es entspreche seiner Intention, zwischen denjenigen zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen können und denen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen. Der Antragsteller fällt aber heute zweifellos unter den Personenkreis, der unverschuldet nicht ausreisen kann, denn sein Aufenthalt beruht seit 2001 auf der Tatsache, dass zwei seiner Kinder und seine Ehefrau erkrankt sind. Der Antragsteller kommt also nicht rechtsmissbräuchlich seiner Ausreisepflicht nicht nach, so dass für Sanktionen nach §§ 3 ff Asylbewerberleistungsgesetz kein Raum sein dürfte.

Unter diesen Umständen fällt die gebotene Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers aus. Die Gewährung von verminderten Leistungen nach §§ 3 ff. Asylbewerberleistungsgesetz bedeutet für den Antragsteller eine erhebliche rechtliche Benachteiligung. Der Antragsteller müsste bis zur Beendigung des Widerspruchsverfahrens mit minimalen Leistungen auskommen. Dies erscheint vor dem Hintergrund der oben dargelegten Rechtslage nicht gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved