L 9 B 6/05 SO ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 SO 28/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 B 6/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2005 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller zu 2) ab 10. Februar 2005 monatlich laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 208,- Euro bis 31. Mai 2005 vorläufig zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

Gründe:

I.

Die Antragsteller - Ast zu 1) und Ast zu 2) - begehren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) im Wege der einstweiligen Anordnung.

Die Ast bezogen von der Antragsgegnerin (Ag) bis zum 31.12.2004 Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und beantragten im Oktober Leistungen nach dem SGB II. Nachdem bei der Ag im November 2004 eine anonyme Anzeige eingegangen war, nach der die Ast zu 1) seit ca. 10 Jahren mit ihrem Vermieter - Herrn I (I.) - zusammenlebe, ein Hausbesuch am 08.12.2004 bei der Ast zu 1) veranlasst worden war und eine Nachfrage bei den zuständigen Stromwerken ergab, dass in der Wohnung der Ast zu 1) ein einem 3-Personen-Haushalt entsprechender Stromverbrauch vorgelegen haben dürfte, lehnte die Ag den Antrag mit Bescheid vom 06.01.2005 mit der Begründung ab, die Ast lebten mit dem Vermieter I. in "häuslicher" und "wirtschaftlicher" Gemeinschaft zusammen. Daher sei das Einkommen des I. bei der Bedürftigkeitsprüfung der Ast zu berücksichtigen. Da dieses nicht näher bezeichnet und keine Prüfungsmöglichkeit gegeben sei, sei der Anspruch abzulehnen. Dieser werde nach Bekanntgabe der Einkommensverhältnisse des I. erneut geprüft. Die Ag veranlasste am 06.01.2005 einen erneuten Hausbesuch bei der Ast zu 1). Diese erhob gegen den Bescheid am 18.01.2005 Widerspruch, mit dem sie geltend machte, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen ihr und I. nicht bestehe.

Die Ast beantragten am 10.02.2005 bei dem Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie führten zur Begründung aus, die Ast zu 1) und I. lebten nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. I. sei nur der Vermieter. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Ast zu 1) zwischenzeitlich zu ihrer Schwester gezogen sei. Nur der Ast zu 2) wohne weiterhin in der alten Wohnung. Es sei vereinbart, dass I. nach ihm sehe, da die Wohnung der Schwester für alle Personen zu klein gewesen sei.

Die Ag verblieb bei ihrer Auffassung, dass auf Grund der Außendienstberichte von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen der Ast zu 1) sowie I. auszugehen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 08.12.2004 verwiesen. Darüber hinaus hat die Ag zwei weitere Hausbesuche am 02.02.2005 sowohl in der Wohnung der Ast in der Nstr. als auch in der Wohnung der Schwester D X durchgeführt. Auf die Außendienstberichte wird ebenfalls verwiesen.

Das Sozialgericht hat dem Antrag durch Beschluss vom 16.02.2005 stattgegeben und die Ag dazu verpflichtet habe, den Ast im Wege der einstweiligen Anordnung 80% der zustehenden Leistungen nach dem SGB II ab 01.01.2005 zu gewähren. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Ast hätten einen Anordnungsanspruch geltend gemacht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Beschuss vom 02.09.2004, Az.: 1 BvR 1962/04) liege eine eheähnliche Gemeinschaft nur vor, wenn zwischen den Partnern so enge Bindungen beständen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne. Hierauf könne noch nicht aus dem Umstand geschlossen werden, dass die Ast zu 1) und I. offenbar in einer gemeinsamen Wohnung wohnten und in einem gemeinsamen Bett schliefen. Denn diesen Anhaltspunkten stände gegenüber, dass zwischen beiden Personen ein Mietvertrag geschlossen sei und die Ast zu 1) nunmehr bei der Schwester wohne. Selbst wenn die Ast zu 1) und I. eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bilden sollten, sei der Anspruch der Ast nicht abzulehnen. Denn es beständen gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften im Rahmen des SGB II, weil eine unzulässige Ungleichbehandlung zumindest im Verhältnis von Heterosexuellen und Homosexuellen (nicht "verheirateten") Paaren im Lichte des Art. 3 Grundgesetz (GG) anzunehmen sein dürfte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den am 18.02.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 03.03.2005 eingelegte Beschwerde der Ag. Sie ist auf Grund der durchgeführten Hausbesuche weiterhin der Auffassung, dass die die Ast zu 1) sowie I. in einem eheähnlichen Verhältnis lebten, so dass Einkommen des I. bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei. I. zähle nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II zur Bedarfsgemeinschaft und habe daher zur Deckung des Bedarfs der übrigen Gemeinschaftsmitglieder sein Einkommen einzusetzen. Da die Ast hierzu keine Angaben gemacht hätten, sei der Antrag abzulehnen. Soweit das Sozialgericht von einer Verfassungswidrigkeit der Einbeziehung der eheähnlichen Gemeinschaft in die Überprüfung der Hilfebedürftigkeit ausgegangen sei, könne dieser Meinung nicht gefolgt werden. Denn durch diese Regelung solle eine nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht besser gestellt werden als die Lebensgemeinschaft von Ehegatten. Dies sei bereits in § 122 BSHG geregelt gewesen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.02.2005 abzuändern und den Antrag abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 09.03.2005 nicht abgeholfen. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Ag - Az.: 000 - Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

II.

Die Beschwerde der Ag ist insoweit begründet, als die Ast zu 1) im Wege der einstweiligen Anordnung keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Im Übrigen ist die Beschwerde hinsichtlich des Ast zu 2) unbegründet.

Die Ast zu 1) hat als erwerbsfähige Hilfebedürftige keinen Anspruch auf die vorläufige Zahlung von Leistungen nach dem SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG, weil sie bereits keinen Anordnungsanspruch, d.h. das Bestehen des materiellen Rechts auf Alg II - Leistungen, das ohne vorläufige Regelung gefährdet sein könnte, glaubhaft gemacht hat.

Gemäß § 7 Abs. 3 SGB II sind die Ast zu 1) (Nr. 1), der Ast zu 2) als deren im Haushalt lebendes minderjähriges, unverheiratetes Kind (Nr. 4) sowie schließlich auch I. nach Nr. 3 b in die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen, weil er mit der Ast zu 1) in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Sein Einkommen ist daher nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit der Ast zu 1) zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts spricht auch bei einer im einstweiligen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund der Sachlage schon mehr für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft als dagegen. Die eheähnliche Gemeinschaft ist nach einhelliger gefestigter Rechtsprechung definiert als die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfGE 87, 234, 264; zuletzt wohl Beschluss vom 02.09.2004, 1 BvR 1962/04, m.w.N.). Als wichtige Indizien für die Feststellung einer solchen eheähnlichen Gemeinschaft hat das BVerfG die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen, genannt (BVerfG, Urt. v. 17.11.1992 SozR 3-4100 § 137 Nr. 3). Hinsichtlich der Dauer des Zusammenlebens sind wichtige Hinweistatsachen die Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor Begründung der Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation während der streitgegenständlichen Zeit und die nach außen erkennbare Intensität der gelebten Gemeinschaft (BVerwG v. 17.05.1996 - 5 C 16/96 - BVerwGE 98, 195-202), wobei das BSG eine "Drei-Jahres-Grenze" (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15) des Zusammenlebens nicht als zeitliche Mindestvoraussetzung für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft verstanden hat (BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 7 Rdnr. 27).

Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Nichtabhilfebeschluss sind damit aber keineswegs "einzig zulässige" und abschließend aufgezählte Indizien für eine eheähnliche Lebensgemeinschaft beschrieben, die zudem - wie vom SG durch die Art der Aufzählung suggeriert - kumulativ vorliegen müssen. Vielmehr sind damit für den Rechtsanwender nur die (maßgeblichen) Umstände mit individueller Bedeutung zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs "eheähnliche Gemeinschaft" erläutert. Diese Indizien oder besser "Hinweistatsachen" können schon von ihrer Bedeutung und nach Sinn und Zweck nicht abschließende Kriterien sein. Für die Beurteilung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist stets maßgebend, ob das "Gesamtbild" aller zu wertenden Tatsachen die Annahme des Vorliegens einer solchen Gemeinschaft rechtfertigt (einhellige Meinung: BVerwGE 98, 195 ff. = NJW 95, 2802; BVerfGE 87, 235 ff., 264, 265 = BSG SozR 3 - 4100 § 137 Nr. 3; Rothkegel, Sozialhilferecht, Teil III, Kapitel 13 Rn. 10 ff. = S. 324; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 20 Rn. 11 ff.). Das SG verkennt auch, dass auch nicht andeutungsweise festgelegt ist, für das Indiz einer längeren Dauer des Zusammenlebens werde zwingend ein Zeitraum von drei Jahren vorausgesetzt. Die vom Sozialgericht zitierte Literaturstelle (Hauck/Noftz, SGB III, Stand 2004, § 193 Anm. 4) verweist lediglich auf die von der Bundesagentur für Arbeit zu § 193 Nr. 2 Abs. 3 SGB III in den Dienstanweisungen geäußerte Meinung. Eine starre Grenze der Dauer des Zusammenlebens ist damit aber nicht festgelegt. Vielmehr sind die Zeiträume entsprechend den Lebensgestaltungen mehrgestaltig (vgl. insoweit Rothkegel, a.a.O., Rn. 11: Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rn. 12).

Hiervon ausgehend hat die - hierfür beweispflichtige - Ag glaubhaft gemacht, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zwischen der Ast zu 1) und I. eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt. Die hiergegen gerichteten Einwände der Ast zu 1) sind insoweit nicht plausibel und schlüssig.

Nach den bekannten Umständen spricht lediglich die Existenz eines eigenen Kontos der Ast zu 1) gegen die Annahme einer Gemeinschaft sowie der formal abgeschlossene Mietvertrag. Im Übrigen sprechen zahlreiche Indizien für das Führen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Insoweit ist zunächst ein starker Anhaltspunkt in der Tatsache zu sehen, dass I. als Vermieter zumindest ab 2004 endgültig von seiner früheren Anschrift in der Donkerstr. in das Haus der Nstr., in dem die Ast bereits seit Jahren ihre Wohnung gehabt haben, gezogen ist. Abgemeldet ist I. im Übrigen darüber hinaus von der Donkerstr. bereits seit dem Jahr 2000. Die Ast zu 1) hat in keiner Weise einen nachvollziehbaren Grund dafür benennen können, dass der Vermieter eine vollständige eigene Wohnung in einem anderen Haus aufgibt und lediglich in zwei Dachzimmer zieht, die sich zudem ausweislich des Hausbesuchsberichts der Ag an die über zwei Etagen gehende Wohnung der Ast zu 1) (1. Geschoss und Dachgeschoss) anschließen und nicht einer abgeschlossenen Wohnung entsprechen. Das Bad befindet sich außerhalb im Flur und gehört zudem zur Wohnung der Ast zu 1). Eine eigene Wohnung des I. hat der Hausbesuchsdienst der Ag jedenfalls nicht feststellen können und ist nach der allgemein gehaltenen Gegendarstellung der Ast zu 1) auch für den Senat nicht plausibel als existent ansehbar. Für das Vorliegen der Gemeinschaft spricht ferner die Tatsache, dass I. dem Besuchsdienst der Ag in Unterhemd und Unterhose die Tür geöffnet hat. Dies belegt, dass ein derartiges Vertrautsein des I. in der Wohnung vorliegt, dass er sich völlig ungezwungen dort bewegt und sich "zu Hause" fühlt. Es ist insoweit in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb sonst sich ein Vermieter in dieser Weise in der Wohnung seiner Mieterin bewegt, außer dass ein Vertrautsein "wie zwischen Eheleuten" besteht. In diesem Zusammenhang ist überhaupt nicht mehr plausibel, wie sich eine teilweise Entkleidung und der Aufenthalt des Vermieters in der Wohnung der Ast zu 1) mit dessen Bereitschaft zum Türöffnen gegenüber Fremden anlässlich einer nur kurzen vorherigen Bitte zur "Tasse Kaffee nach einem Treff im Flur" ergeben sollen. Mit einem regelmäßigen Zusammenleben stimmen ferner die Feststellungen des Besuchsdienstes der Ag überein, dass ein benutztes Doppelbett sowie im Kleiderschrank Herrenwäsche im Stil für Erwachsene vorgefunden worden sind und das Badezimmer zur Benutzung zweier Personen eingerichtet gewesen ist. Auch die Feststellung der Ag, der auf ihre Nachfrage beim Versorgungsunternehmen angegebene monatliche Stromverbrauch entspreche einem 3-Personen-Haushalt, weist auf einen ständigen Lebensaufenthalt mit entsprechendem Verbrauchsbedarf des I. in der Wohnung der Ast hin. Dieser Hinweis wird auch nicht dadurch entkräftet, dass die Stromkosten seit der Abfassung des neuen Mietvertrags ab 01.01.2004 aus der Umlagepauschale in die Miete herausgenommen worden sind. Die Miete hat sich nach Angaben der Ast zu 1) als solche zwar verringert; sie hat aber danach den Strombedarf weiterhin selbst voll monatlich bezahlt.

Soweit die Ast zu 1) in ihrem zeitweisen kurzen Auszug aus der Wohnung einen Hinweis auf das Nichtvorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft sieht, ist auch dies kein Anhaltspunkt, der die vorgenannten Indizien für das Vorliegen der Gemeinschaft entkräftet. Selbst wenn die Ast zu 1) derart weitgehend gedacht haben sollte, fehlt eine solche angenommene Aussagekraft angesichts des jahrelangen vorherigen Zusammenseins, das offensichtlich von übrigen Hausbewohnern als eheähnlich registriert und zum Anlass einer anonymen Anzeige genommen worden ist. Zu der Umzugsdauer hat die Ast zu 1) zudem unterschiedliche Angaben von einem bis drei Monaten gemacht. Derartige Gedächtnislücken sind angesichts der kurzen abgelaufenen Zeit jedenfalls nicht verständlich und nachvollziehbar und sprechen vielmehr dafür, dass ein derartiger Umzug nicht erfolgt ist und die Gemeinschaft fortbestanden hat.

Dies bestätigt auch der Bericht des Hausbesuchs der Ag in der Wohnung der Schwester, zu der die Ast zu 1) gezogen sein wollte. Denn dort hat man keinen entsprechenden, weiteren Kleidungsumfang für eine weitere weibliche Person sowie die entsprechende Bestückung des Badezimmers feststellen können. Darüber hinaus ist es auch nicht nachvollziehbar, dass die Ast zu 1) ihren Sohn, den Ast zu 2) weiterhin in der Wohnung zurücklassen und eine Trennung hinnehmen wollte. Die Wohnung der Schwester ist ohnehin auch für zwei Personen zu klein gewesen, so dass sie einen dauerhaften Aufenthalt der Ast zu 1) nicht zugelassen hätte und sich somit die Frage, ob auch der Ast zu 2) dort hätte mit einziehen können, von vornherein nicht ernsthaft hat stellen können.

Der Umstand, dass die Ast zu 1) den Sohn in dieser Zeit in der Obhut des I. gelassen hat, ist ebenfalls ein starkes Indiz für das Bestehen einer Lebensgemeinschaft. Denn es stellt gerade ein "Füreinander Einstehen" des I. für die Ast zu 1) dar, die Versorgungs- und Betreuungsaufgabe für den Sohn in der gemeinsamen Wohnung zu übernehmen und durchzuführen. Da der Ast zu 2) zudem (lern)behindert ist, bedarf es eines grundlegenden Vertrauens zueinander, dass eine derartige Versorgung ordnungsgemäß und umfassend erfolgt. Indem die Ast zu 1) regelmäßig zur Betreuung wieder in der Wohnung selbst gewesen sein will, ist auf nur ein - mag es erst Recht auch ein "Panikverhalten" gewesen sein - unüberlegtes und ungesteuertes Verhalten zu schließen, das ernsthafterweise nicht die Aufhebung oder Nichtexistenz der zuvor gelebten eheähnlichen Gemeinschaft widerlegen kann. Dies umso weniger, als sich I. als behaupteter Vermieter in derselben Zeit weiterhin in der Wohnung aufgehalten hat.

In Würdigung aller vorgenannten Umstände spricht damit das Gesamtbild für ein Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Ast zu 1) und I., das durch ein einfaches Bestreiten ihrer Existenz nicht in Frage gestellt werden kann. Damit hat die Ag aber zu Recht angenommen, dass I. sein Einkommen zur Deckung des Lebensbedarfs der Ast zu 1) einzusetzen hat. Die Ast zu 1) sowie I. haben hierzu während des bisherigen Verfahrens keine Angaben gemacht, so dass nicht feststellbar ist, ob die Ast zu 1) hilfebedürftig ist. Die Ag ist zwar insgesamt für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft und die fehlende Hilfebedürftigkeit beweispflichtig. Die Ast zu 1) als Hilfebedürftige muss insoweit auch keine Angaben zu Mit- oder Untermietern und deren Einkommen im Einzelnen machen. Für die Zwecke der Grundsicherung für Arbeitssuchende reicht es aus, wenn sie ihre eigenen (Miet) Anteile sowie ihr Einkommen angibt. Sie trägt aber das rechtliche Risiko dafür, dass entgegen ihren Angaben doch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt (vgl. BVerfG vom 02.09.2004 - 1 BvR 1962/04). Damit muss sich die Ast zu 1) die fehlende Feststellbarkeit ihrer Hilfebedürftigkeit entgegen halten lassen, so dass sie das Bestehen eines Leistungsanspruchs und damit auch eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht hat. Der Beschluss des Sozialgerichts ist mithin bereits aus diesem Grund betreffend die Ast zu 1) aufzuheben.

Der Senat hat im Übrigen auch - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 7 Abs. 3 Nr. 3 b) SGB II. Das Sozialgericht übersieht bereits, dass das BVerfG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 17.11.1992 (SozR 3 - 4100 § 137 Nr. 3) die eheähnliche Gemeinschaft und die Berücksichtigung deren Einkommens in die Bedürftigkeitsprüfung des Hilfeempfängers zum Schutz und zur Verhinderung einer Ungleichbehandlung der Ehe als vertretbare, ver-fassungsgemäße gesetzgeberische Entscheidung angesehen hat. Ausgangs- und Bezugspunkt einer Verfassungsbetrachtung ist allein die Ehe und nicht die Beziehung von Lebensgemeinschaften untereinander allgemein. Insoweit hat es das BVerfG dem Gesetzgeber überlassen, welche Form von Lebensgemeinschaften zum Schutz der Ehe in eine Bedarfs- und Einstandsgemeinschaft einzubeziehen sind. Die Berücksichtigung von anderen Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften - wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, die nicht Lebenspartner nach dem LPartG sind, oder Verwandten - hat es nicht für erforderlich gehalten. Entgegen den allgemein gehaltenen Behauptungen des Sozialgerichts zu deren Verbreitung und Häufigkeit, die allein für sich genommen zudem keinen Aussagewert haben, ist auch nicht eine solche Zunahme derer Existenz erkennbar, dass angesichts deren Gewichts über die Regelungen des Partnerschaftsgesetzes hinaus die Pflicht des Gesetzgebers zum Handeln die einzig denkbare Konsequenz und der gegenwärtige Rechtszustand überdies wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig wäre. Davon kann aber nicht die Rede sein. Die Nichtberücksichtigung der eheähnlichen Gemeinschaft von Mann und Frau wäre im Hinblick auf die dann alleinige Berücksichtigung der Ehe verfassungswidrig. Es gibt aber keinen Grund, Einkommen und Vermögen von Eheleuten nicht zu berücksichtigen, so dass unabhängig von einer Notwendigkeit der Erfassung anderer menschlicher Lebensformen jedenfalls die Gleichbehandlung der eheähnlichen Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau - und ausschließlich darum geht es hier - vom Ansatz her auch nicht im Licht des Art. 3 GG verfassungswidrig sein kann.

Es bleibt vielmehr dabei, dass die Einbeziehung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft in die Bedarfs- und Einstandsgemeinschaft zum Schutz der Ehe, der gesetzlich in den bisherigen §§ 122 BSHG, jetzt: 20 SGB XII, 137 Abs. 2 a AFG, ab 01.01.1998: § 193 SGB III, 7 Abs. 3 Nr. 2 BSGB II zum Ausdruck gekommen ist, entsprechend den Ausführungen des BVerfG verfassungsgemäß ist. Ausgehend von dieser Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der eheähnlichen Gemeinschaften in die Bedürftigkeitsberechnung wie bei Eheleuten und einer Gleichstellung mit diesen, könnte sich nur die Frage stellen, ob auch weitere Lebensgemeinschaften einzubeziehen wären. Deren Beantwortung liegt aber in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und steht vorliegend nicht zur Diskussion. Denn auf sie kommt es bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage nicht an. Da die Heranziehung der eheähnlichen Gemeinschaft verfassungsgemäß und nur zu prüfen ist, ob die Ast zu 1) und I. eine solche bilden, andere Lebensgemeinschaften vorliegend nach dem Sachverhalt nicht betroffen sind, sind die Ausführungen des Sozialgerichts insoweit nicht entscheidungserheblich.

Im Übrigen ist die Beschwerde der Ag unbegründet und der angefochtene Beschluss dem Grunde nach zu bestätigen. I. hat sein Einkommen nicht zu Gunsten des Ast zu 2) einzusetzen, so dass letzterer einen Bedarf zur Deckung seines Lebensunterhalts hat und bedürftig ist.

Der Ast zu 2) ist gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II Leistungsberechtigter, weil er als minderjähriges, unverheiratetes Kind im Haushalt der Ast zu 1) lebt. Er ist auch nach § 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig, weil er als Schüler seinen Lebensunterhalt nicht selbst - was offensichtlich ist - und auch nicht durch die Ast zu 1) sichern kann. I. kann im Rahmen der bestehenden Haushaltsgemeinschaft nicht herangezogen werden, da er mit dem Ast zu 2) nicht verwandt oder verschwägert ist (vgl. § 9 Abs. 5 SGB II). Er ist weder dessen Vater noch Stiefvater. I. ist auch nicht nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II leistungspflichtig. Denn diese Vorschrift stellt allein eine Verteilungsregelung für den weiteren Bedarf bei mehreren Personen der Bedarfsgemeinschaft dar, wenn auch nach dem Einsatz aller Mittel dieser Bedarfsgemeinschaft ein Restbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleibt. Sie begründet dagegen nicht selbst eine Stellung als Leistungsverpflichteter, sondern setzt eine solche Einstandsverpflichtung voraus. Somit verbleibt lediglich die Ast zu 1) als Mutter nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II leistungspflichtig, die den Bedarf des Ast zu 2) aber wegen fehlenden eigenen Einkommens nicht sichern kann. Damit hätte der Ast zu 2) als Hilfebedürftiger über 14 Jahren, aber unter 18 Jahren einen Regelbedarf von 276,00 Euro monatlich zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung (ausweislich des Antrags 436,90 Euro) von anteilig bezogen auf drei Personen monatlich 145,63 Euro - insgesamt also 421,63 Euro. Hierauf muss er sich das ihm zustehende Kindergeld von 154,00 Euro anrechnen lassen, so dass ein Bedarf von monatlich 207,63 Euro/gerundet (§ 41 Abs. 2 SGB II) 208,00 Euro verbleibt. Der Senat hält es in diesem Zusammenhang für gerechtfertigt, den Leistungszeitraum auf die Zeit vom 10.02.2005 (Antrag auf einstweilige Anordnung bei Gericht) bis zum 31.05.2005 festzulegen. Hinsichtlich des Beginns folgt er der bisherigen herrschenden Auffassung der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Leistungen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung (vgl. statt anderer HessVGH FEVS 33, 108, 113, OVG NRW, Beschluss vom 18.06.2002, 16 B 834/02). Da Alg II bzw. das Sozialgeld, das hier dem Ast zu 2. zusteht, bis zu 6 Monaten bewilligt werden kann, folgt er der Auffassung der Ag und nimmt wie das Sozialgericht eine Leistungspflicht bis 31.05.2005 an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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