L 7 SO 4/06 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 16 SO 142/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 4/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Dezember 2005 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, an die Antragstellerin für Kosten der Gartenpflege 112,52 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Kosten für Gartenarbeiten sowie für eine Küchenhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu übernehmen.

Die im Jahre 1950 geborene Antragstellerin ist mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehindert. Sie bezieht eine bis März 2007 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 715,26 Euro. Bis zum 31. Dezember 2004 bewilligte ihr die Antragsgegnerin ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sowie – antragsgemäß – als einmalige Leistungen Aufwendungen für Gartenpflege in Höhe von 116,00 Euro (Bescheid vom 1. Juni 2004) und 232,00 Euro (Bescheid vom 23. November 2004). Für die Gartenpflege ist die Antragstellerin laut Mitteilung der Wohnungsvermieterin, der Bauverein AG, A-Stadt, verantwortlich.

Für die Zeit ab 1. Januar 2005 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Höhe von monatlich 210,53 Euro. Mit Schreiben vom 17. März 2005 wies die Antragstellerin darauf hin, dass "der Garten mit seinen Anforderungen, wie Mähen, Rückschnitt, Graben usw., wieder dran" sei. Es solle wieder die bekannte Firma B. damit beauftragt werden, für deren Rechnung sie in Vorlage treten müsse. Hierzu werde um Zustimmung gebeten. Durch Bescheid vom 23. März 2005 lehnte die Antragsgegnerin eine Übernahme der Kosten ab, weil das SGB XII entsprechende Leistungen nicht vorsehe. Über den dagegen am 22. April 2005 erhobenen Widerspruch ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

Des Weiteren beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 20. April 2005 die Bewilligung einer Beihilfe zur Finanzierung einer Hilfe im Haushalt; diese benötige sie zweimal die Woche für eine Stunde. Durch ihre fortschreitende Behinderung werde es ihr schier unmöglich, gewisse Dinge im Haushalt zu tätigen, ohne sich immer weiter zu schädigen. Zur Begründung fügte sie außerdem ein ärztliches Attest des Dr. K. vom 21. April 2005 bei. Über diesen Antrag hat die Antragsgegnerin, soweit ersichtlich, noch keine Entscheidung getroffen.

Am 7. September 2005 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Darmstadt (VG) einen "Eilantrag" gestellt, weil das Sozialamt ihre außergewöhnlichen Belastungen im Alltag nicht bestreite. Sie wolle vor einem Gericht dazu angehört werden, "aber auch dann sind die Garten- und Küchenarbeiten immer noch nicht erledigt". Durch Beschluss vom 23. September 2005 hat das VG das Verfahren an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Darmstadt (SG) verwiesen. Dieses hat die Antragstellerin mit Verfügung vom 24. Oktober 2005 darauf hingewiesen, dass der Antrag in der derzeit gestellten Form nicht im Ansatz erkennen lasse, welche Leistungen sie für welchen Zeitraum von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehre. Sie werde aufgefordert, ihren Antrag entsprechend zu präzisieren. Da ein weiterer Vortrag der Antragstellerin nicht zu verzeichnen war, hat das SG durch Beschluss vom 21. Dezember 2005 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, es fehle bereits ein Anordnungsgrund, weil wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht worden seien. Es sei nicht erkennbar, dass überhaupt eine Verpflichtung der Antragstellerin zum Durchführen der Gartenarbeiten in den Wintermonaten bestehe. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, welche Nachteile ihr zum Zeitpunkt der Entscheidung konkret drohten, wenn Gartenarbeiten im Dezember nicht durchgeführt würden. Es sei gerichtsbekannt, dass die Durchführung von solchen Arbeiten im Winter für die betroffenen Pflanzen eher schädlich sei. Ein Rückschnitt in Zeiten des Frostes den Pflanzen schaden könne. Demnach sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin derzeit gegen die von ihr behauptete mietvertragliche Verpflichtung verstoßen könne, wenn sie keine Gartenpflegearbeiten durchführe bzw. durchführen lasse. Unabhängig davon habe sie auch keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten der Gartenpflege, weil es insoweit schon an einer Rechtsgrundlage im SGB XII fehle. Kosten für die Bewältigung von Gartenarbeiten gehörten weder zum Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt, noch könnten diese Kosten als Leistungen im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 42 SGB XII übernommen werden. Auch die Regelungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sehen eine solche Form der Hilfe nicht vor. Schließlich ergebe sich ein Anspruch der Antragstellerin auch nicht aus § 73 SGB XII, wonach Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht würden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigten. Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Erbringung von Leistungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine spätere Leistungserbringung in höheren Umfang verhindert werden könne, seien vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere sei nicht zu erkennen, dass der Antragstellerin die Kündigung des Mietverhältnisses drohen würde, wenn sie die Gartenarbeiten nicht ausführe. Einmal davon abgesehen, dass schon fraglich sein dürfte, ob ein solcher Vertragsverstoß im Mietrecht überhaupt die Kündigung eines Wohnraummietvertrages rechtfertigen könne, sei es gegenüber der Erbringung von Leistungen nach § 73 SGB XII auch vorrangig, dass sich die Antragstellerin um die Herausnahme dieser Leistungspflicht aus dem Vertragsverhältnis bemühe. Solche Bemühungen würden dem Gericht aufgrund der gesundheitlichen Situation der Antragstellerin und des Umstandes, dass es sich beim Vermieter der Antragstellerin um den Bauverein handele, auch nicht aussichtslos und damit zumutbar. Im Übrigen handele es sich bei § 73 SGB XII um eine Ermessensvorschrift, die der Antragstellerin einen Anspruch nicht vermittele. Eine Ermessensreduzierung "auf Null" sei nicht erkennbar. Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer Beihilfe zur Finanzierung einer Küchenhilfe. Ein solcher ergebe sich nicht aus § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nach Regelsätzen ermittelte Bedarf abweichend festgelegt werde, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt sei oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Zwar bestünden keine Zweifel, dass die Kosten einer Haushaltshilfe vom § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII vorgesehenen Regelsatz nicht umfasst sei. Das Gericht sei jedoch nicht davon überzeugt, dass die Antragstellerin tatsächlich einer Haushaltshilfe bedürfe. Nach dem Attest des Dr. K. werde der Antragstellerin zwar – neben einer Tumorerkrankung im Jahre 1986 – eine "Depression sowie Ohren- und Hals-Rachen-Zahn-Kieferproblemen mit Ernährungsstörungen" und weitere Erkrankungen attestiert. Es sei aber nicht im erforderlichen Umfang erkennbar, wie dies die für eine einfache Haushaltsführung erforderliche Leistungsfähigkeit der Antragstellerin soweit beeinträchtige, dass sie der Unterstützung durch eine Haushaltshilfe bedürfe. Dabei werde der Gesundheitszustand der Antragstellerin und die bei ihr anerkannte Schwerbehinderung nicht verkannt. Es fehle jedoch an einem auch nur ansatzweise substantiierten Vortrag der Antragstellerin, wie genau sich die Einschränkungen in der täglichen Haushaltsführung darstellten. Insoweit sehe das Gericht aufgrund der Hinweisverfügung vom 24. Oktober 2005 auch die Grenzen seiner Amtsermittlung erreicht. Das Gericht könne nicht die aus dem höchstpersönlichen Bereich der Antragstellerin stammenden Umstände weiter ermitteln, wenn diese – trotz entsprechenden Hinweises – es nicht für nötig erachte, ihre Angaben gegenüber dem Gericht zu präzisieren.

Gegen diesen ihr am 24. Dezember 2005 zugestellten Beschluss hat sich die Antragstellerin mit ihrer am 16. Januar 2006 eingegangenen Beschwerde gewandt, der das SG nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 17. Januar 2006). Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, sie könne gar nicht adäquat reagieren, sie sei "dem nicht gewachsen". Die Gartenarbeitsrechnungen spare sie sich noch von dem Wenigen "vom Munde ab". Sie sei von der Gesellschaft völlig ausgegrenzt. Dabei solle doch nur der Küchenherd angeschlossen werden. Keine Hausfrau würde, ohne zu klagen, drei Jahre mit einem nicht funktionierenden Elektroherd zufrieden sein. Mit weiterem Schreiben vom 23. Februar 2006 stellt die Antragstellerin ausführlich Vorgänge aus dem Jahre 2003 dar, die mit dem – nach Meinung der Antragstellerin – nicht ordnungsgemäßen Ein- oder Umbau ihrer Küche zusammenhängen. Schließlich hat die Antragstellerin eine Bescheinigung der Bauverein AG vom 17. Februar 2006 und des Dr. K. vom 16. Februar 2006 sowie Rechnungen der Gärtnerei M. B. vom 4. Mai 2005 über 48,00 Euro für Gartenarbeit und Beetsäuberung und vom 11. November 2005 über 112,52 Euro für Rückschnitt und "Garten winterfest" vorgelegt.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts A-Stadt vom 21. Dezember 2005 die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für Gartenarbeiten in Höhe von insgesamt 160,52 Euro zu übernehmen sowie Leistungen für eine Haushaltshilfe zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akten der Antragsgegnerin (2 Bände) und der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Die Antragsgegnerin ist vorläufig verpflichtet, die Kosten der Gartenpflege, die ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten Rechnung der Gärtnerei M. B. vom 11. November 2005 in Höhe von insgesamt 112,52 Euro entstanden sind, zu übernehmen. Im Übrigen – hinsichtlich der geltend gemachten Leistungen für eine Haushaltshilfe sowie die Gartenpflegekosten in Höhe von 48,00 Euro (Rechnung vom 4. Mai 2005) – ist die Beschwerde unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Beschluss des erkennenden Senats vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86 b, Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).

Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40; Berlit, info also 2005, 3, 8).

Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdnr. 42, s. auch Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr. 165 ff.). Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag der Antragstellerin teilweise zu entsprechen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für Gartenpflege in Höhe von 112,52 Euro hinreichend glaubhaft gemacht. Im Falle der Antragstellerin geht der Senat davon aus, dass insoweit eine Klage im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich vorliegend, was das SG übersehen hat, aus § 29 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach umfasst der notwendige Lebensunterhalt, für den Leistungen zu erbringen sind, insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Leistungen für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Zu den von § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erfassten Unterkunftskosten gehören auch die Aufwendungen, die die Antragstellerin für die Pflege ihres Gartenanteils gemacht hat. Dass sie hierzu mietvertraglich verpflichtet ist, hat auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt, denn gerade aus diesem Grunde hat sie – noch unter der Geltung des BSHG – von der Antragstellerin geltend gemachte Kosten der Gartenpflege übernommen.

Dass zu den Kosten der Unterkunft auch die Kosten der Gartenpflege gehören, erscheint nicht zweifelhaft. Zu diesen Kosten gehören nicht nur die Hauptkosten, nämlich die (Kalt )Miete, sondern auch die Nebenkosten, vor allem diejenigen Betriebskosten, die nach dem Mietrecht, der Betriebskostenverordnung 2004 vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346) vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden können (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – L 8 AS 427/05 ER). Dazu rechnen nicht nur die Kosten für die laufenden öffentlichen Lasten des Grundstücks (Grundsteuer), Wasserversorgung, Kanal, Fahrstuhl, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Hausreinigung und Ungezieferbekämpfung, die Hausbeleuchtung, Schornsteinreinigung, Sach- und Haftpflichtversicherungen (des Vermieters), Gemeinschaftsantenne. Zu den umlagefähigen Betriebskosten gehören nach § 2 Nr. 10 der Betriebskostenverordnung vor allem auch die Kosten der Gartenpflege, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter die Gartenfläche nutzt oder nutzen kann (s. BGH, Urteil vom 26. Mai 2004 – VIII ZR 135/03WuM 2004, 399, 400). Wenn, wie das vorliegend der Fall ist, die Vermieterin der Wohnung die Kosten der Gartenpflege nicht unmittelbar auf die Antragstellerin umgelegt hat, sondern dieser im Mietvertrag die Pflicht auferlegt hat, selbst die Pflege des Gartens vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, so vermag dies nichts am Charakter der dafür entstehenden Kosten als Unterkunftskosten im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu ändern.

Hinsichtlich der Kosten der Gartenpflege ist auch ein Anordnungsgrund zu bejahen. Vor dem Hintergrund, dass ein für die Antragstellerin erfolgreiches Hauptsacheverfahren zu erwarten ist, sind an den Anordnungsgrund – wie ausgeführt – keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Die Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, mithin der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates, aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaat folgt (vgl. BVerfG a.a.0.). Der zu befürchtenden Beeinträchtigung der Menschenwürde durch die Vorenthaltung von Leistungen zur Existenzsicherung steht lediglich die Möglichkeit ungerechtfertigter Geldzahlungen seitens der Antragsgegnerin gegenüber. Diese Möglichkeit ist indes von geringerem Gewicht und in Kauf zu nehmen.

Der Senat hat die Antragsgegnerin dementsprechend vorliegend verpflichtet, die Kosten der Gartenpflege zu übernehmen, nachdem auch deren Angemessenheit vor dem Hintergrund der im Jahre 2004 von der Antragsgegnerin übernommenen Gartenpflegekosten nicht fraglich erscheint. Allerdings hat er die vorläufige Leistungspflicht der Antragsgegnerin auf die Übernahme der Rechnung vom 11. November 2005 über 112,52 Euro beschränkt. Einen Anordnungsgrund erkennt der Senat in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig nicht für die Vergangenheit an, weil sich die aktuelle Notlage, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen vermag, erst zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht dokumentiert. Dies war vorliegend der 7. September 2005. Für die Rechnung vom 4. Mai 2005 kommt dementsprechend eine vorläufige Leistungspflicht der Antragsgegnerin nicht in Betracht.

Hinsichtlich des von der Antragstellerin geltend gemachten Antrags, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung von Leistungen für eine Haushaltshilfe zu bewilligen, ist die Beschwerde unbegründet. Insoweit wird, da die Entscheidungsgründe im angefochtenen Beschluss ausführlich und überzeugend sind, auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 2 SGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch nach der von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigung des Dr. K. vom 16. Februar 2006 die Erforderlichkeit einer Haushaltshilfe zur Unterstützung der Antragstellerin nicht ersichtlich ist. Im Übrigen hat die Klägerin auch nicht in ihren umfangreichen Schriftsätzen dargelegt, aufgrund welcher konkreten Beeinträchtigungen sie der Hilfe im Haushalt bedarf. Der von ihr in erster Linie angesprochene Vorgang aus dem Jahre 2003 sowie der monierte fehlende Herdanschluss in ihrer Wohnung sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Allerdings wird die Antragsgegnerin zu ermitteln haben, ob die Antragstellerin tatsächlich ohne Herdanschluss ist, weil das Bestehen einer Kochmöglichkeit zur Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendig ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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