L 1 KR 124/05

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 21 KR 16/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 124/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 16. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhle von insgesamt 15.281,02 DM (= 7.813,06 EUR) zzgl. Säumniszuschlägen.

Die Klägerin betreibt eine Werbeagentur. Die Beklagte führte vom 4. November 1999 bis 19. Dezember 2001 eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1999 durch. Dabei stellte sie fest, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Mai 1996 Zeitungszusteller als freie Mitarbeiter beschäftigt hatte, für die keine Versicherungsbeiträge abgeführt worden waren. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2000 forderte die Beklagte von der Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz in Höhe von 15.281,02 DM nach.

Mit ihrem Widerspruch vom 17. Januar 2001 machte die Klägerin geltend, die Zeitungsausträger seien selbständig tätig geworden und weder wirtschaftlich noch persönlich von ihr abhängig gewesen. Im Übrigen sei eine rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht nicht zulässig. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach der Gesamtbetrachtung sprächen zwar einige Indizien für eine selbständige Tätigkeit, es überwögen jedoch die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Zeitungszusteller seien in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen und hätten einem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsausführung unterlegen. Ein Unternehmerrisiko hätten sie nicht getragen, da sie nach dem Zustellervertrag ein bestimmtes Entgelt pro Zeitung erhalten hätten. Auf freiwilliger Basis hätten sie in der Regel Urlaubsgeld und eine Jahressonderleistung erhalten und im Falle von Krankheit sei Lohnfortzahlung gewährt worden. Nach der Gesamtbetrachtung liege daher eine abhängige Beschäftigung vor. Die Höhe der nachgeforderten Beiträge sei nicht zu beanstanden, ebenso wenig die Erhebung von Säumniszuschlägen.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. November 2003 bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2005 hat das Sozialgericht die Klage, die von der Klägerin nicht begründet worden ist, abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 gestützt.

Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 1. August 2005 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt, ohne diese näher zu begründen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 16. Juni 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. bis 8. im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Sozialgerichtsgesetz SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 16. Juni 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 sind nicht zu beanstanden. Die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen besteht zu Recht. Die von der Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 31. Mai 1996 beschäftigten Zeitungszusteller waren nicht selbständig tätig, sondern arbeiteten in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.

In dem hier streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) sowie in der Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) der Versicherungspflicht. Die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) versicherungspflichtig in der Sozialen Pflegeversicherung.

Nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) ist unter Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis zu verstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung dem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit kennzeichnend. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSG, Urteile vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R -, vom 19. Juni 2001 - B 12 KR 44/00 und vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 m.w.N.).

In der Rechtsprechung sind Zeitungszusteller beziehungsweise Zeitungsausträger überwiegend als abhängig beschäftigt angesehen worden. Zeitungszusteller, die Zeitungen eines Verlags zu bestimmten Zeiten in einem bestimmten Ortsbezirk oder Ort austragen und die Bezugsgebühren erheben, unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Dies gilt auch dann, wenn sie beim Austragen der Zeitungen Hilfskräfte verwenden dürfen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Januar 1957 - Kr 25/54; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. März 1959 - L 6 Kr 24/58; BSG, Urteile vom 26. Februar 1960 - 3 RK 41/57; vom 19. Januar 1968 - 3 RK 101/64; vom 15. März 1979 - 2 RU 80/78; vom 15. Februar 1989 - 12 RK 34/87; Marburger, Zur Abgrenzung von Arbeitnehmern zu Selbstständigen in: WzS 1992, 262 ff.).

Zwar sprechen einige Punkte für eine selbständige Tätigkeit (wie z.B. Rechnungsstellung mit Ausweisung der Mehrwertsteuer, Stellen einer Ersatzkraft bei Verhinderung). Die Merkmale, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen, überwiegen jedoch bei weitem. Die Prüffeststellungen der Beklagten (vgl. Verwaltungsakte, Blatt 34 bis 36 sowie Zusteller-Vertrag, Verwaltungsakte Blatt 4), die im Einzelnen in den Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 eingeflossen sind, sind von der Klägerin nicht bestritten worden. Danach unterlagen die Zeitungszusteller einem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Art und Ort der Arbeitsausführung. Ihnen wurde ein bestimmter Zustellbezirk zugeteilt. Die Klägerin beschäftigte Zusteller sowohl als Arbeitnehmer als auch als selbständig Tätige. Die Zusteller erhielten eine konkrete Vergütung pro Exemplar. Es wurden Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, ebenso Beiträge zur Unfallversicherung an die Berufsgenossenschaft. Mit den Zustellern wurde eine Probezeit vereinbart. Nebentätigkeiten waren anzuzeigen, der Klägerin waren die Arbeitspapiere vorzulegen. Des Weiteren existierten Vereinbarungen über Jahresurlaub mit Weiterzahlung der Vergütung. Die Zusteller hatten auch kein Unternehmerrisiko zu tragen. Sie hatten weder eigenes Kapital oder eigene Betriebsmittel einzusetzen und verfügten auch über keine eigene Betriebsstätte; Eigenwerbung wurde von ihnen nicht betrieben. Nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung sind die Zeitungszusteller als abhängig Beschäftigte anzusehen.

Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Nachforderung einschließlich der Erhebung der Säumniszuschläge unzutreffend ist, sind nicht ersichtlich und sind von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved