L 29 B 314/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 2603/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 B 314/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. April 2006 aufgehoben.

Der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin zu 2) bezog seit dem 01. Januar 2005 von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Einen von der Antragstellerin zu 2) am 02. Februar 2006 gestellten weiteren Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 02. Februar 2006 ab. Den hiergegen von den Antragstellern zu 1) und 2) eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 07. März 2006 als unbegründet zurück. Zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) bestehe eine Bedarfsgemeinschaft; den Zuzug des Partners in die Wohnung habe die Antragstellerin zu 2) am 02. Februar 2006 angezeigt und eine Meldebestätigung ab 31. Januar 2006 vorgelegt. Das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft sei jedoch bereits am 26. Oktober 2005 durch die Feststellungen bei einer Außenprüfung bekannt geworden.

Am 23. März 2006 haben die Antragsteller zu 1) und 2) bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, der Antragstellerin zu 2) Arbeitslosengeld II ab dem 02. Februar 2006 zu gewähren.

Mit Beschluss vom 07. April 2006 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin (richtig wohl: Antragstellerin zu 2) für den Zeitraum März 2006 bis August 2006 476,00 Euro Arbeitslosengeld II monatlich zu bewilligen. Eine eheähnliche Gemeinschaft liege nach dem bisher ermittelten Sachverhalt bei der glaubhaft vorgebrachten Lebensgemeinschaft seit Februar 2006 nicht vor. Doch selbst wenn man eine eheähnliche Gemeinschaft unterstellte, ergäbe sich bei der zulässigen Einkommensbereinigung um den Ratenkredit in den Grenzen der Pfändungstabelle zu § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) und die Belastung um Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung der Antragstellerin (zu 2) ein Zahlbetrag von 215,00 Euro monatlich, der den Kranken- und Pflegeversicherungsschutz der Antragstellerin zu 2) gewährleiste.

Gegen den dem Antragsgegner am 19. April 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 24. April 2006 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht Berlin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.

Mit der Beschwerde vertritt der Antragsgegner weiterhin die Auffassung, der Hausbesuch des Prüfdienstes habe ergeben, dass die Antragsteller mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine eheähnliche Lebensgemeinschaft führten. Im Übrigen spielten die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bzw. Schulden bei der Einkommensanrechnung keine Rolle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht verpflichtet, der Antragstellerin (zu 2) für den Zeitraum März 2006 bis August 2006 Arbeitslosengeld II zu bewilligen.

Eine einstweilige Anordnung darf nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den so genannten Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, den so genannten Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -, § 920 Abs. 2 ZPO).

Maßgebend sind – auch im Beschwerdeverfahren – die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

In Bezug auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit ab dem 23. März 2006, dem Antragszeitpunkt, bis zur Entscheidung des erkennenden Senats steht den Antragstellern kein Anordnungsgrund zur Seite. Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens anerkannt werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtigen drohenden Nachteils erforderlich ist. Diesbezüglich ist jedoch von den Antragstellern nichts glaubhaft gemacht worden.

Soweit die Antragsteller die Verpflichtung des Antraggegners begehren, im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen für die Zeit ab der Entscheidung des Senats zu erhalten, ist zumindest ein Anordnungsanspruch im Hinblick auf die zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) bestehende eheähnliche Gemeinschaft nicht glaubhaft gemacht worden.

Eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b SGB II liegt nur dann vor, wenn sie als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus geht und sich – im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft – durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner für einander begründen (vgl. zu § 122 BSHG: BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995, Az. 5 C 16/93, BVerwGE 98, 195 ff.). Ob eine solche Lebensgemeinschaft auf der Grundlage entsprechender innerer Bindungen auf Dauer angelegt ist, kann letztlich nur anhand von Indizien festgestellt werden. Grundsätzlich ist hierzu die Wohngemeinschaft der Partner erforderlich. Als weitere Hinweistatsachen dienen die lange Dauer des Zusammenlebens, bekannte intime Beziehungen, eine Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt, die Befugnis, über Einkommens und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Diese Aufzählung ist dabei weder abschließend, noch müssen diese Indizien kumulativ vorliegen, um die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft zu rechtfertigen. Entscheidend ist stets das Gesamtbild der für den streitgegenständlichen Zeitraum festgestellten Indizien (BVerwG, a. a. O.; vgl. auch BSG in SozR 3-4100 § 119 Nr. 15). Dabei ist es gegenwärtig Sache der Behörde, das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b SGB II im Hauptsacheverfahren nachzuweisen und dementsprechend in einem einstweiligen Rechtschutzverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen (vgl. aber die vorgesehenen Änderungen durch Einfügung eines § 7 Abs. 3 a SGB II durch das geplante Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende – Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in BT-Drucksache 16/1410). Die Beweislast der Behörde für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II zwingt allerdings nicht dazu, nur dann vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen, wenn dies von den Betroffenen zugestanden wird. Unerheblich ist auch, dass die Antragsteller die rechtlichen Folgen, welche der Gesetzgeber an das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Rahmen des SGB II geknüpft hat, offensichtlich nicht zu tragen gewillt sind. Vielmehr beurteilt sich die Frage nach allen äußeren, objektiv erkennbaren Umständen. Entgegenstehenden Erklärungen der Partner kommt in der Regel keine durchgreifende Bedeutung zu. Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Erklärungen der Beteiligten, die mehr und mehr erfahren haben, worauf es ankommt, um die Voraussetzungen für eine eheähnliche Gemeinschaft auszuschließen, immer weniger glaubhaft werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 1998 – 12 M 345/98 -, FEVS 48, S. 545 m. w. N.).

Die vom Bundessozialgericht (B 7 AL 96/00 R in SozR 3 3-4100 § 119 Nr. 26) in einem rechtlich anderem Zusammenhang (Sperrzeit) genannten Fristen sind dabei für die Prüfung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II vorliegt, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Der Senat folgt diesbezüglich auch nicht der vom 5. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vertretenen Auffassung (Beschluss vom 18. Januar 2006 – L 5 B 1362/05 AS ER), nach dem im Regelfall jedenfalls bei einer Dauer des Zusammenlebens von bis zu einem Jahr – von besonderen Umständen (etwa der gemeinsamen Sorge um Kinder) abgesehen – regelmäßig kein Grund für die Annahme eine eheähnlichen Gemeinschaft als Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestehe, denn eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II kann vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen auch vom ersten Tag des Zusammenlebens bestehen, soweit diese nur auf Dauer angelegt ist. Daran ändert auch die im Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in BT-Drucksache 16/1410) vorgesehene Einfügung eines neuen Absatzes 3a in § 7 SGB II nichts. Nach dieser vorgesehenen Regelung wird zwar künftig ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

In der Gesetzesbegründung wird hierzu jedoch ausgeführt (BT-Drucksache 16/1410 Seite 19 zu Nr. 7 Buchst. b):

" Mit der Einfügung eines neuen Absatzes 3a erfolgt eine Änderung bezüglich der Frage, wer das Vorliegen einer ehe- ähnlichen Gemeinschaft bzw. einer nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft zu beweisen hat. Grundsätzlich gilt nach § 20 SGB X der Untersuchungsgrundsatz, nach dem die zuständige Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt und dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen hat. Zukünftig wird vermutet, dass eine Bedarfsgemeinschaft besteht, wenn nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille der Partner anzunehmen ist, dass sie Verantwortung füreinander tragen und füreinander einstehen (Beweislastumkehr). Auf diese Weise soll auch Leistungsmissbrauch durch falsche Angaben zu den häuslichen Verhältnissen entgegengewirkt werden. Die Kriterien, bei deren Vorliegen das Bestehen einer Einstehensgemeinschaft vermutet wird, greifen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und daran anschließend des Bundessozialgerichtes – dazu gehören Dauerhaftigkeit und Kontinuität der Beziehung, das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftgemeinschaft, die gemeinsame Versorgung von Angehörigen, gemeinsame Kinder – auf (vgl. dazu zu Buchstabe a). Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Beziehung hat das Bundessozialgericht zunächst einen Dreijahreszeitraum für das Zusammenleben (Urteil vom 29. April 1998, B 7 AL 56/97 R, SozR 3-4100 § 119 Nr. 15) angesetzt, in einem späteren Urteil aber ausgeführt, dieser sei nicht im Sinne einer absoluten zeitlichen Mindestvoraussetzung zu verstehen, jedoch sei die bisherige Dauer des Zusammenlebens ein wesentliches Indiz für die Ernsthaftigkeit der Beziehung (Urteil vom 17. Oktober 2002, s. o. zu Buchstabe a). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat sich in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angeschlossen und zusätzlich ausgeführt, dass jedenfalls bei einer Dauer des Zusammenlebens von bis zu einem Jahr – von besonderen Umständen wie z. B. der gemeinsamen Sorge für Kinder abgesehen – regelmäßig keine Einstehensgemeinschaft vorliegen werde (Beschluss vom 18. Januar 2006 – L 5 B 1362/05 AS ER). Im Anschluss an diese Ausführungen wird der Zeitraum des Zusammenlebens, der die Vermutung für das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft begründet, auf ein Jahr festgelegt.

Die Vermutung kann vom Betroffenen widerlegt werden. Ausreichend ist nicht die Behauptung, dass der Vermutenstatbestand nicht erfüllt sei; erforderlich ist, dass der Betroffene darlegt und nachweist, dass alle Kriterien des § 7 Abs. 3a nicht erfüllt werden bzw. die Vermutung durch andere Umstände entkräftet wird.

Die Kriterien, anhand derer der innere Wille, in den Not- und Wechselfällen des Lebens füreinander einzustehen, nach außen in Erscheinung tritt, sind nur in Bezug auf die Vermutensregelung abschließend. Trotz der Vermutensregelung ist es aber nicht ausgeschlossen, dass auch andere äußere Tatsachen das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft begründen können; dies ist vom zuständigen Leistungsträger unter Würdigung aller Umstände von Amts wegen zu prüfen und zu entscheiden."

Nach der vorgesehenen gesetzlichen Neuregelung wird künftig somit zwar bei einem längeren als 1-jährigem Zusammenleben widerleglich vermutet, dass eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei einem kürzeren als 1-jährigem Zusammenleben der Partner eine eheähnliche Gemeinschaft nicht bestehen kann, sondern nach wie vor ist das Bestehen einer eheähnliche Gemeinschaft auch vom ersten Tage des Zusammenlebens der Partner möglich (vgl. a. Ausführungen o.).

Das Sozialgericht hätte daher nicht allein daraus, dass hier kein Zusammenleben von 12 Monaten vorliegt, auf das Nichtbestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft schließen dürfen. Vielmehr hätte es das Vorliegen einer solchen eheähnlichen Gemeinschaft anhand der oben genannten Kriterien unabhängig davon überprüfen müssen. Nach diesen Maßstäben liegt aber angesichts der derzeit vorhandenen Erkenntnisse mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) vor. Dabei ist davon auszugehen, dass zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) zumindestens seit dem 1. Februar 2006 eine Wohngemeinschaft besteht. Die Antragstellerin zu 2) hat diesbezüglich selbst in ihrem Antrag vom 2. Februar 2006 unter "II. Änderungen in den persönlichen Verhältnissen" ausgeführt: " z. 1.2.06 Einzug von Hr. G, ". Das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft auch schon vor diesem Zeitpunkt ist im Übrigen überwiegend wahrscheinlich nach dem bereits im Oktober 2005 durch den Sozialhilfeträger durchgeführten Hausbesuchs, dem zu entnehmen ist, dass an der Außenklingel die Namen des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) standen und die Wohnung auch von beiden Antragstellern gemeinsam genutzt wurde, ohne dass es irgendwelche Anhaltspunkte dafür gab, dass die anfallenden hauswirtschaftlichen Verrichtungen getrennt für die einzelnen Bewohner erledigt würden. Schon die gemeinsame Nutzung der gesamten Wohnung begründet aber eine Wirtschaftsgemeinschaft. Denn sie führt zu einer Mitnutzung der dem jeweils anderen Partner gehörenden Gegenstände und begründet insoweit eine Verfügungsbefugnis, die unabhängig davon ist, wer die Hausratsgegenstände angeschafft hat und in wessen Eigentum sie stehen.

Die konkrete Höhe des gegenwärtigen Gesamtbedarfes errechnet sich entsprechend der von dem Antragsgegner im Bescheid vom 2. Februar 2006 vorgenommenen Berechnung aus jeweils 311,- Euro als Regelleistung für den Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) und jeweils 130, 93 Euro für den Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) an Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Berechnung nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden ist, insgesamt für den Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) 883, 89 Euro.

Die Antragsteller haben unter Berücksichtigung dieses Gesamtbedarfes einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht glaubhaft gemacht. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind nämlich bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zu berücksichtigendes Einkommen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen (Abs. 1 Satz 2). Dies gilt auch für das Kindergeld für minderjährige Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (Abs. 1 Satz 3).

Das von dem Antragsteller zu 1) erzielte Arbeitsentgelt ist eine Einnahme in Geld und deswegen ebenso zu berücksichtigen.

Nach § 11 Abs. 2 SGB II sind vom Einkommen (nur) abzusetzen: 1. auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden, 4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, 5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach § 30 SGB II.

In dem vorstehend aufgezählten Katalog von § 11 Abs. 2 SGB II sind Schulden, die von dem Einkommen abgesetzt werden dürfen, nicht genannt. Es fehlt insoweit an einer gesetzlichen Grundlage für das Begehren der Antragsteller. Andere weitere Absetzungen von Kosten als diejenigen, die der Antragsgegner von den Einnahmen bereits abgesetzt hat, lassen die Vorschriften des SGB II nicht zu. Von dem Einkommen des Antragstellers zu 1) sind somit die von ihm freiwillig erbrachten (Raten-)Zahlungen an die G Bank als nicht titulierte Schulden nicht in Abzug zu bringen.

Bei der Einkommensberechnung der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2), ist zumindest seit Februar 2006 das gesamte Arbeitsentgelt des Antragstellers zu 1) ohne die Berücksichtigung der zur Tilgung von Schulden erfolgten Ratenzahlungen an die G Bank zu berücksichtigen und auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entsprechend ihres Bedarfes anzurechnen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II).

Der Antragsteller zu 1) muss sein Einkommen als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II) für deren Mitglieder einsetzen (§ 9 Abs. 2 SGB II), auch wenn er sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. zum Sozialhilferecht: BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1965, V C 32.64, BVerwGE 20, 188). Dieses Einkommen ist auch nicht etwa deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es sich nicht um "bereite Mittel" handelt. Der Antragsteller zu 1), als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, erhält das Einkommen in voller Höhe ausgezahlt und trifft die Entscheidung über die Verwendung selbst (auch das BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1977, V C 35.77, BVerwGE 55, 148 ff. stellte zum BSHG darauf ab, ob der Schuldner die Mittel "von Anfang an ungeschmälert in der Hand hatte"). Die vom Sozialgericht genannten Entscheidungen der Landessozialgerichte Hamburg und Niedersachsen-Bremen führen zu keinem anderen Ergebnis, da diese Entscheidungen entweder bereits gepfändetes Erwerbseinkommen (LSG Hamburg – L 5 B 346/05 AS ER) oder freiwillige Tilgungsleistungen auf bereits vorliegende Titel (LSG Niedersachsen-Bremen – L 8 AS 48/05 ER) betrafen, was vorliegend nach dem Vorbringen der Antragsteller bei den Ratenzahlungen des Antragstellers zu 1) an die G Bank nicht glaubhaft gemacht worden ist.

Andere weitere Absetzungen, etwa – wie vom Sozialgericht vorgenommen - diejenigen für eine freiwillige Weiterversicherung der Antragstellerin zu 2) in der gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegeversicherung, die die Antragsgegnerin von den Einnahmen bereits abgesetzt hat, lassen die Vorschriften des SGB II nicht zu, da bei der Antragstellerin zu 2) ein Fall des § 26 SGB II nicht vorliegt (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II).

Andere Berechnungselemente in den Berechnungsbögen werden von den Antragstellern nicht beanstandet und sind im Rahmen der summarischen Prüfung auch nicht offensichtlich rechtsfehlerhaft, so dass sich auch hieraus kein Anordnungsanspruch der Antragsteller zu 1) und 2) ergibt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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