L 1 B 23/06 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 38/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 23/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 08.05.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die vollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Leistungen für Mehrbedarf beim Lebensunterhalt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die 55jährige, bei der Barmer Ersatzkasse pflichtversicherte Antragstellerin leidet insbesondere an Beschwerden der unteren Extremitäten mit der Notwendigkeit endoprothetischer Versorgungen. Sie ist mit einem Grad der Behinderung von 50 als Schwerbehinderte anerkannt. Am 01.10.2005 zog sie von L in die im ersten Geschoss des Hauses N Str. 00 in E gelegene Wohnung. Der Mietvertrag, den sie auf Mieterseite allein unterzeichnete, lautet auf sie und ihre Tochter T. Die Wohnung ist ca. 94 m2 groß und besteht aus drei Zimmern, Küche, Diele und Bad/WC. Der monatliche Mietzins beläuft sich auf insgesamt 690 EUR (495 EUR Grundmiete zuzüglich 195 EUR Betriebskostenvorauszahlung).

Am 01.10.2005 beantragte die Antragstellerin, u.a. unter Vorlage des Mietvertrages, bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Arbeitslosengeld II. Mit Schreiben vom 05.10.2005 forderte die Antragsgegnerin sie auf, sich kurzfristig um eine angemessene Wohnung zu bemühen bzw. anderweitig zur Reduzierung der Unterkunftskosten beizutragen. Ungeachtet dessen bewilligte sie der Antragstellerin Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 690 EUR , errechnet aus 345 EUR Regelleistung und 345 EUR anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung (Bescheid vom 05.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2006 sowie Bescheid vom 20.02.2006). Zur Begründung der nur anteiligen Übernahme der Unterkunftskosten führte sie aus, bei Haushaltsgemeinschaften seien diese Kosten nach der Kopfzahl der Wohnungsbewohner gleichmäßig aufzuteilen. Von ihrem Aufforderungsschreiben vom 05.10.2005 nahm die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 12.01.2006 im Verfahren S 31 AS 3/06 ER SG Duisburg vorerst Abstand.

Am 04.04.2006 hat die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der vollen Unterkunftskosten in Höhe von weiteren 345 EUR monatlich sowie die Zahlung eines monatlichen Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung beantragt. Zur Begründung hat sie insbesondere ausgeführt, es sei unangemessen, die Unterkunftskosten nach Kopfzahlen aufzuteilen. Ihre Tochter T habe bis zum 30.09.2005 in einem Studentenwohnheim gewohnt, wo monatliche Gesamtkosten von 175,50 EUR angefallen seien. Sie sei ausschließlich deshalb zu ihr, der Antragstellerin, gezogen, um sie im Hinblick auf die anstehenden Operationen und die anschließende Pflegedürftigkeit versorgen zu können. Tatsächlich habe ihre Tochter in der Wohnung auch nur einen Anteil von 20 m2 bewohnt. Dabei sei zwischen ihr, der Antragstellerin, und ihrer Tochter immer klar gewesen, dass die Tochter maximal im Rahmen ihrer bisherigen Aufwendungen für die Unterkunft in der neuen Wohnung herangezogen werde. In der Zeit vom 29.03. bis zum 31.12.2006 bewohne sie, die Antragstellerin, die Wohnung nunmehr allein, da sich ihre Tochter in dieser Zeit zur Ableistung des Praxissemesters im Rahmen ihres Studiums der Ostasienwissenschaft ein halbes Jahr in L und zwecks anschließenden dreimonatigen Praktikums beim deutschen Generalkonsulat in P befinde. Im Übrigen sei die Haltung der Antragsgegnerin auch deshalb unverständlich, weil die Gesamtkosten für sie bis zum 31.05.2006 im Hinblick auf den bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Krankengeldanspruch gegen die Barmer Ersatzkasse ohnehin nur einen durchlaufenden Posten darstellten.

Die Antragsgegnerin ist den Anträgen entgegengetreten und hat zur Begründung ausgeführt, die Haushaltsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihrer Tochter sei durch den Auslandsaufenthalt nicht beendet worden. Gegebenenfalls sei die Tochter der Antragstellerin auf die Inanspruchnahme von Wohngeld zu verweisen. Ein Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf wegen Behinderung bestehe nicht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 21 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Falle der Antragstellerin nicht erfüllt seien.

Das SG hat die Anträge abgelehnt (Beschluss vom 08.05.2006). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen rechtmäßig sei. Denn jedenfalls seien die Unterkunftskosten unangemessen hoch. Hinsichtlich des Anspruchs auf Mehrbedarf hat es sich der Auffassung der Antragsgegnerin angeschlossen.

Gegen diesen ihr am 10.05.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Email vom 09.06.2006 sowie mit Schriftsatz vom selben Tag, beim SG eingegangen am 12.06.2006, Beschwerde erhoben. Sie trägt vor, sie allein sei aus dem Mietvertrag zahlungsverpflichtet, weil nur sie ihn unterzeichnet habe. Ihre Tochter sei ausschließlich wegen ihres, der Antragstellerin, schlechten Gesundheitszustandes mit ihr zusammengezogen. Schon zum Zeitpunkt des Einzugs habe im Hinblick auf den bereits geplanten Japanaufenthalt festgestanden, dass sich die Tochter nur vorübergehend in der Wohnung aufhalten werde. Daher habe eine wirkliche Haushaltsgemeinschaft nie bestanden. Die Dringlichkeit ihres Zahlungsbegehren ergebe sich auch daraus, dass ihr der Vermieter am 15.05.2006 wegen rückständiger Mietzahlungen fristlos gekündigt habe. Der Anspruch auf Mehrbedarf rechtfertige sich daraus, dass sie laufend Aufwendungen für durch die Festbeträge nicht gedeckten Zuzahlungen für Medikamente, Kompressionsstrümpfe und Hilfsmittel aufbringen müsse.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 08.05.2006 zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, ihr

1. für die Zeit vom 01.04.2006 bis zum 31.12.2006 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von weiteren 345 EUR monatlich zu zahlen

2. Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend, verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, es könne nur auf die tatsächliche Wohnsituation und nicht darauf ankommen, wer den Mietvertrag unterzeichnet habe. Insofern sei von einem dauerhaften Aufenthalt der Tochter in der Mietwohnung und lediglich einer vorübergehenden Abwesenheit wegen des Auslandsaufenthaltes auszugehen.

II.

Die Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig, aber unbegründet.

Die Antragstellerin hat die Beschwerde gegen den ihr am 10.05.2006 zugestellten Beschluss des SG innerhalb der Monatsfrist des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Dies ist allerdings nicht durch die am 09.06.2006 an das SG abgesandte Email geschehen. Zwar sehen §§ 65a Abs. 1 Satz 1, 108a Abs. 1 Satz 1 SGG die Möglichkeit der Übermittlung von Verfahrensschriftsätzen durch elektronische Dokumente vor, für die Gerichte der Länder allerdings nur nach Maßgabe einer Rechtsverordnung der jeweiligen Landesregierung. Für die Sozialgerichtsbarkeit besteht in Nordrhein-Westfalen eine solche Rechtsverordnung bislang nicht. Fristwahrend ist jedoch der Eingang der Beschwerdeschrift am 12.06.2006 beim SG gewesen. Die Monatsfrist des § 173 SGG ist erst an diesem Tag abgelaufen, weil der 10.06.2006 ein Samstag gewesen ist (vgl. § 64 Abs. 3 SGG).

Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit können nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Im vorliegenden Fall fehlt es sowohl hinsichtlich des Anspruchs auf Übernahme der vollen Unterkunftskosten für die Zeit vom 01.04. bis zum 31.12.2006 als auch hinsichtlich der geltend gemachten Mehrbedarfe bereits an einem Anordnungsanspruch.

Der Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung richtet sich in erster Linie nach § 22 Abs. 1 SGB II. Danach sind Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Aufwendungen den angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Auf der Grundlage dieser Regelungen durfte das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht mit der Begründung ablehnen, die Unterkunftskosten der Antragstellerin seien unangemessen hoch. Unabhängig davon, ob die Antragstellerin die Zustimmung zum Umzug rechtzeitig eingeholt hat, ist nämlich ein vorläufiger Bestandsschutz zu ihren Gunsten dadurch eingetreten, dass die Antragsgegnerin von ihrer Aufforderung, die Unterkunftskosten zu senken, mit Schriftsatz vom 12.01.2006 zunächst Abstand genommen hat. Im Hinblick darauf ist der Antragstellerin jedenfalls bis zu einer weiteren Überprüfung der Angemessenheit durch die Antragsgegnerin (die diese sich ausdrücklich für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten hat) weder ein Wohnungswechsel noch eine Untervermietung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zuzumuten.

Die Entscheidung des SG erweist sich gleichwohl im Ergebnis als richtig, weil die Antragsgegnerin Leistungen für Unterkunft und Heizung gegenüber der Antragstellerin nur in Höhe von 345 EUR monatlich zu erbringen hat.

Leben Hilfebedürftige mit anderen Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, in Haushaltsgemeinschaft, so sind die Kosten für Unterkunft und Heizung der Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich anteilig pro Kopf zu ermitteln (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 07.04.2006, L 20 B 74/06; BayLSG, Urteil v. 04.04.2006, L 11 AS 81/05; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 23.03.2006, L 8 AS 307/05; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 08.12.2005, L 14 B 38/05 AS ER; Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 38 m.w.N. aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz).

Vom Bestehen einer solchen Haushaltsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihrer Tochter T ist jedenfalls im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz auf der Grundlage der Angaben der Antragstellerin auszugehen. Das SGB II definiert den Begriff der Haushaltsgemeinschaft nicht, sondern setzt ihn in § 9 Abs. 5 SGB II voraus. Aus der amtlichen Begründung ergibt sich, dass es darauf ankommt, ob die betreffenden Personen in einem gemeinsamen Haushalt leben und "aus einem Topf wirtschaften" (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 53).

Die Antragstellerin und ihre Tochter T leben seit dem 01.10.2005 in einem "gemeinsamen Haushalt". Maßgeblich hierfür ist in erster Linie der tatsächliche Aufenthalt (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.08.1985, 5 C 57/84, BVerwGE 72, 88). Insoweit ist unstreitig, dass die Tochter der Antragstellerin zum 01.10.2005 in die gemeinsame Wohnung gezogen ist. Ihr Auslandsaufenthalt für die Zeit vom 29.03. bis zum 31.12.2006 beseitigt den auf diese Weise entstandenen gemeinsamen Haushalt nicht. Nach dem Vortrag der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass ihre Tochter nach ihrer von vornherein zeitlich absehbaren Rückkehr aus Japan wieder in die gemeinsame Wohnung einziehen wird. Denn die Antragstellerin hat den Zeitraum, in dem sie die Miete allein aufbringen müsse, ausdrücklich auf den 31.12.2006 beschränkt. Für den Willen zu einer dauerhaften Wohngemeinschaft spricht zudem, dass die Tochter im Mietvertrag ausdrücklich als Mitmieterin aufgeführt ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Antragstellerin den Mietvertrag allein unterzeichnet hat, abgesehen davon, dass sie insoweit möglicherweise mit Vollmacht ihrer Tochter und jedenfalls konkludent auch in deren Namen gehandelt hat.

Es ist auch davon auszugehen, dass zwischen der Antragstellerin und ihrer Tochter eine Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Hierfür spricht insbesondere die nach den eigenen Angaben der Antragstellerin zwischen ihr und ihrer Tochter getroffene Vereinbarung, die Tochter nur im Rahmen ihrer bisherigen Aufwendungen, d.h. in Höhe der im Studentenwohnheim anfallenden Kosten, zu den Mietkosten in der gemeinsamen Wohnung heranzuziehen.

Hinreichende Gründe, von der danach gebotenen Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen abzusehen, sind nicht ersichtlich. Es steht zwar außer Zweifel, dass die Antragstellerin in erheblichem Maße behindert ist. Dass hieraus ein Wohnraumbedarf folgt, der den nach Kopfteilen auf sie entfallenden Wohnraumanteil von 47 m2 übersteigt, ist jedoch nicht erkennbar. Insbesondere braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sich die Notwendigkeit ständiger behinderungsbedingter Versorgung durch eine Pflegeperson auf den Wohnraumbedarf des Hilfebedürftigen auswirkt. Ungeachtet der anerkennenswerten Bereitschaft der Tochter der Antragstellerin, dieser nach Kräften zur Seite zu stehen, belegt nämlich schon die Möglichkeit ihrer Abwesenheit im Ausland über mehrere Monate, dass eine solche ständige Versorgung der Antragstellerin durch eine Hilfsperson nicht erforderlich ist. Ein Grund, von der Aufteilung nach Kopfteilen abzusehen, ist schließlich auch nicht die zwischen der Antragstellerin und ihrer Tochter ggf. getroffene Vereinbarung, wonach die Tochter sich maximal in Höhe von 175 EUR an den Kosten der gemeinsamen Unterkunft beteiligen soll. Die im Rahmen von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gebotene Aufteilung ist einer Abbedingung durch Vereinbarungen der Mitbewohner zu Lasten des Sozialleistungsträgers nicht zugänglich.

Soweit danach die Hälfte der Unterkunftskosten (345 EUR) nach Kopfteilen auf die Tochter der Antragstellerin entfällt, hat die Antragsgegnerin bereits zutreffend auf die Möglichkeit eines Anspruchs auf Wohngeld hingewiesen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht dem nicht entgegen, dass sie selbst als Bezieherin von Arbeitslosengeld II nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) von diesem Anspruch ausgeschlossen ist. Vielmehr ergibt sich aus § 7 Abs. 4 Satz 1 WoGG die Möglichkeit sog. Mischhaushalte aus Wohngeldberechtigten und vom Wohngeldbezug Ausgeschlossenen.

Da die Antragsgegnerin somit jedenfalls vorläufig keine höheren laufenden Leistungen erbringen muss als bewilligt und ggf. für die Dauer des Krankengeldanspruchs der Antragstellerin gegen die Barmer Ersatzkasse dieser gegenüber gemäß § 25 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch angemeldet, hat der Senat von der Beiladung der Krankenkasse im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens abgesehen.

Der Senat braucht nicht näher zu erörtern, ob sich eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der vollen Unterkunftskosten demgegenüber unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf Übernahme von Schulden zur Abwehr drohender Wohnungslosigkeit aus § 22 Abs. 5 SGB II in der seit dem 01.04.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.03.2006 (BGBl I, S. 558) ergibt. Für eine entsprechende einstweilige Anordnung fehlt es - soweit ein etwaiger Mietrückstand überhaupt von dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Zeitraum, d.h. ab dem 01.04.2006 umfasst ist - nämlich jedenfalls am erforderlichen Anordnungsgrund. Es gibt gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass die Übernahme von Mietschulden bislang gegenüber der Antragsgegnerin überhaupt geltend gemacht worden geschweige denn von ihr abgelehnt worden ist.

Ein Anordnungsanspruch besteht auch nicht hinsichtlich der Leistungen für Mehrbedarfe.

Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 21 Abs. 4 oder 5 SGB II. Die Antragsgegnerin hat in der Antragserwiderung bereits im Einzelnen zutreffend dargelegt, aus welchen Gründen ein Anspruch aus § 21 Abs. 4 SGB II für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige ausscheidet. Ein weitergehender Anspruch folgt auch nicht aus § 21 Abs. 5 SGB II. Hiernach besteht aus medizinischen Gründen ein Mehrbedarf nur für kostenaufwändige Ernährung. Darum geht es der Antragstellerin jedoch nicht.

Auch die Voraussetzungen eines unabweisbaren Bedarfs nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II, auf den sich die Antragstellerin unter Hinweis auf eine Entscheidung des SG Lüneburg (Beschluss v. 11.08.2005, S 30 AS 328/05 ER, info also 2005, 225) beruft, liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift erbringt der Träger der Grundsicherung den Bedarf bei entsprechendem Nachweis als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechenden Darlehn, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Zwar sind die Aufwendungen für Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung von der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 345 EUR umfasst (vgl. BayLSG, Beschluss v. 10.05.2006, L 7 B 236/06 AS ER; Lang a.a.O., § 20 Rdnr. 65). Die Antragstellerin hat bislang jedoch keine einzelfallbezogenen Nachweise für die von ihr zu erbringenden Zahlungen erbracht.

Es kommt hinzu, dass ein unabweisbarer Bedarf im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur dann vorliegt, wenn es im Falle seiner Deckung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bedarfe insgesamt kommt, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung beseitigt bzw. aufgefangen werden kann. Hiervon ist frühestens bei einer Bedarfsunterdeckung von 20 v.H. auszugehen (Hessisches LSG, Beschluss v. 11.04.2006, L 9 AS 43/06 ER; Lang a.a.O., § 23 Rdnr. 32 m.w.N. zum Meinungsstand). Diese Grenze kann jedenfalls von den im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Zuzahlungen nicht erreicht werden. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V haben gesetzlich Krankenversicherte, zu denen die Antragstellerin als Bezieherin von Arbeitslosengeld II gehört (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V), während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze in Höhe von 2 v.H., bei chronisch Kranken, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, in Höhe von 1 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zu erbringen. Zu den Bruttoeinnahmen zählt bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II gemäß § 62 Abs. 2 Satz 6 SGB V nur die Regelleistung nach § 20 SGB II. Selbst wenn man die Einnahmen der Tochter der Antragstellerin - die diese in der Antragsschrift auf 640 EUR monatlich beziffert hat - als im Haushalt lebender Angehöriger noch mit hinzu nimmt, ist eine Bedarfsunterdeckung von mindestens 20 v.H. durch die in der gesetzlichen Krankenversicherung zu leistenden Zuzahlungen ausgeschlossen. Hierzu kann es - wie in der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung des SG Lüneburg - allenfalls aufgrund eines Bedarfs an solchen medizinischen Leistungen kommen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Ein derartiger Bedarf ist von der Antragstellerin jedoch nicht dargelegt geschweige denn nachgewiesen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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