B 3 KR 16/05 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 3551/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4607/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 16/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Anspruch eines unter fortschreitender Einschränkung der Gehfähigkeit leidenden Versicherten auf Versorgung durch die Krankenkasse mit einem behinderungsgerecht ausgestatteten Liegedreirad anstelle eines Elektrorollstuhls.
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Februar 2005 und des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Juli 2004 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2003 wird teilweise aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 284 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin 1/8 der außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die 1961 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin leidet an multipler Sklerose und kann mit Gehhilfen noch etwa 200 m selbstständig gehen. Ein gewöhnliches Fahrrad kann sie wegen der Sturzgefahr nicht mehr benutzen. Einen Rollstuhl besitzt sie bisher nicht.

Im November 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Versorgung mit einem vertragsärztlich verordneten Liegedreirad. Sie hatte sich ein Liegedreirad der Marke "Kett Wiesel" ausgesucht, das einschließlich von ihr gewünschter behinderungsgerechter Anpassungen (abgesenkter Vorbau, Lenkerendschalter und Haltegriff an der Sitzlehne) 2.234 Euro kosten sollte. Da durch die Nutzung eines Liegedreirads die krankengymnastische Behandlung der Spastik unterstützt sowie die Muskulatur und der Kreislauf trainiert werde, sei es einem ansonsten benötigten Elektrorollstuhl vorzuziehen. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil ein Liegedreirad zu den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens zähle, die nach § 33 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen seien. Außerdem gehöre das Radfahren bei Erwachsenen nicht zu den Grundbedürfnissen, die von der GKV zu sichern seien (Bescheid vom 21. Januar 2003, Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2003).

Nachdem die Beklagte während des Widerspruchsverfahrens unter Hinweis auf eine erneute negative Stellungnahme des MDK eine Kostenübernahme abgelehnt und angefragt hatte, ob der Widerspruch aufrecht erhalten werde (Schreiben vom 15. April und 29. April 2003), was bejaht wurde (Schreiben vom 6. Mai 2003), kaufte sich die Klägerin im Juli 2003 das Liegedreirad für 2.200 Euro (Rechnung des Fahrradhandels R. vom 2. Juli 2003; Rabatt 34 Euro).

Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, das Liegedreirad erschließe ihr wegen ihrer nur noch eingeschränkten Gehfähigkeit wie ein Elektrorollstuhl den Nahbereich. Darüber hinaus biete es ihr die einzige Möglichkeit, sich mit Familienmitgliedern außerhalb der Wohnung gemeinsam zu bewegen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen (Urteil vom 29. Juli 2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15. Februar 2005). Es hat ausgeführt, für die Erschließung des Nahbereiches könne die Klägerin auf den von der Beklagten angebotenen Elektrorollstuhl zurückgreifen. Bei größeren Entfernungen ersetze das Liegedreirad lediglich ein Fahrrad und diene damit nicht mehr der Erfüllung von Grundbedürfnissen. Die Kräftigung von Kreislauf und Muskulatur lasse sich besser durch krankengymnastische Übungen erreichen.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 33 SGB V. Sie macht geltend, das Liegedreirad sei wesentlich kostengünstiger als ein Elektrorollstuhl. Dieser wäre auch deshalb weniger geeignet als ein Liegedreirad, weil durch die Schonung der Beine das restliche Gehvermögen noch schneller verloren gehe. Deshalb hätte die Beklagte das Liegedreirad auch unter Berücksichtigung ihres Wahlrechts nach § 33 Allgemeiner Teil Sozialgesetzbuch (SGB I) gewähren müssen.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 15. Februar 2005 und des SG Freiburg vom 29. Juli 2004 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.200 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Zwar hat die Beklagte zu Recht die Kostenübernahme für ein gewöhnliches Liegedreirad abgelehnt. Sie hätte aber die anteiligen Kosten für die behinderungsrechte Zusatzausstattung bzw Umrüstung übernehmen müssen (284 Euro).

Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V. Danach hat die Krankenkasse notwendige Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alternative) und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Hier geht es um die 2. Alternative. Deren Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Beklagte die in dem umfassenden Leistungsantrag vom 15. November 2002 enthaltene Teilleistung der behinderungsgerechten Anpassung eines konventionellen Liegedreirads zu Unrecht abgelehnt hatte und die Klägerin sich daraufhin die Leistung selbst beschafft hat. Es reichte dabei aus, dass die Klägerin erst tätig geworden ist, nachdem sie den Ablehnungsbescheid vom 21. Januar 2003 und zwei weitere ablehnende Mitteilungen der Beklagten (Schreiben vom 15. und 29. April 2003) erhalten hatte. Sie war nicht verpflichtet, auch noch den Widerspruchsbescheid abzuwarten (BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 und 22; BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37 und 45; stRspr).

Die Beklagte hat die ihr obliegende Sachleistung "behinderungsgerechte Ausstattung eines konventionellen Liegedreirads" zu Unrecht abgelehnt. Versicherte haben nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Art 5 Nr 9 iVm Art 67 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl I S 1046) Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Variante), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Variante) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Variante), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der GKV auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 SGB V).

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage eines Behinderungsausgleichs, der von der 3. Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V erfasst wird. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf das begehrte Hilfsmittel, wenn es erforderlich ist, um das Gebot eines möglichst weit gehenden Behinderungsausgleichs zu erfüllen. Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen dienen (BSGE 37, 138, 141 = SozR 2200 § 187 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 18 und 20). Der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs umfasst jedoch auch solche Hilfsmittel, die die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen. Ein Hilfsmittel ist von der GKV immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis betrifft. Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, jeweils RdNr 12 und BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 mwN; vgl auch Höfler in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2004, § 33 SGB V RdNr 11 ff mwN aus der Rspr) gehören zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46).

Im Falle der Klägerin ist das allgemeine Grundbedürfnis der "Bewegungsfreiheit" betroffen, das bei Gesunden durch die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens usw sichergestellt wird (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 - Rollstuhlboy). Ist diese Fähigkeit durch eine Behinderung beeinträchtigt, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Die Bewegung im Nahbereich der Wohnung ist der Klägerin wegen ihrer MS-Erkrankung auch mit Gehhilfen nur noch in sehr begrenztem Umfang möglich, weil sie nur noch etwa 200 m zu Fuß zurücklegen kann. Sie bedarf daher zur Erschließung ihres über einen Umkreis von 200 m hinausreichenden körperlichen Freiraums entweder eines Elektrorollstuhls oder eines - an die besonderen Bedürfnisse der Klägerin angepassten - Liegedreirads. Das Liegedreirad ist geeignet, weil es der Klägerin in ebenso bequemer und sicherer Weise wie ein Rollstuhl den Nahbereich der Wohnung erschließt und die Klägerin in der Lage ist, das Fahrzeug mit Muskelkraft zu bewegen. Sie benutzt das Liegedreirad nach den nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nunmehr seit drei Jahren und kommt damit zurecht, sodass sich seine Eignung auch aus nachträglicher Sicht bestätigt hat.

Der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, das Liegedreirad diene - wie das Radfahren - im Vergleich zum Rollstuhlfahren der schnelleren, bequemeren, sportlicheren und weiträumigeren Fortbewegung, und das Radfahren sei bei Erwachsenen nicht als Grundbedürfnis anerkannt. Das Liegedreirad dient hier nicht der Erschließung eines Bereichs, der über denjenigen hinausgeht, der üblicherweise zu Fuß erreicht wird. Es geht auch nicht um eine höhere Geschwindigkeit oder um eine bequemere, sportlichere Fortbewegung. Die Ermöglichung des Radfahrens ist vom Senat immer nur dort nicht als Grund für eine Hilfsmittelversorgung durch die GKV anerkannt worden, wo ein Versicherter schon mit einem zur Bewegung im Nahbereich und zum Erreichen von Ärzten und Therapeuten ausreichenden Hilfsmittel (zB Rollstuhl) versorgt war und es deshalb in erster Linie um eine dem Radfahren vergleichbare Art und Weise der Fortbewegung ging (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Handbike für den Rollstuhl eines Erwachsenen). Nur das Radfahren als spezielle Art der Fortbewegung ist vom Senat nicht als Grundbedürfnis anerkannt worden. Das schließt aber nicht aus, dass einem Versicherten ein Hilfsmittel, das eine dem Radfahren vergleichbare Art der Mobilität ermöglicht, zu gewähren ist, wenn damit zugleich auf andere Weise ein Grundbedürfnis erfüllt wird (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Handbike für den Rollstuhl eines Jugendlichen zur Integration in den Kreis von Gleichaltrigen). Das ist hier der Fall; denn es geht gerade darum, der Klägerin mit dem Liegedreirad anstatt des ansonsten erforderlichen Rollstuhls in erster Linie den körperlichen Freiraum im Nahbereich zu erschließen, nicht aber eine spezielle Form des Radfahrens zu ermöglichen.

Die Leistungspflicht der Beklagten gilt jedoch nur mit der Einschränkung, dass sie nicht zur Bereitstellung des Liegedreirads selbst, sondern nur zur Übernahme der Kosten für die behinderungsgerechte Zusatzausrüstung (284 Euro) verpflichtet war, weil das von der Klägerin ausgewählte Liegedreirad eine nicht speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konzipierte Konstruktion darstellt, die in der Grundausstattung zum Gebrauch durch nichtbehinderte Menschen bestimmt ist und daher einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens bildet, der von der Leistungspflicht der GKV nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht umfasst wird. Das Liegedreirad des Typs "Kett Wiesel" wird seit 1996 von dem Unternehmer Hase ("Hasebikes") für den Gebrauch durch Jedermann ("Trike-Fans") hergestellt und auch so beworben ("Der Favorit aller Trike-Fans", "Das leichte Dreirad zum Spaßhaben"). Zusätzlich wird zahlreiches "Reha-Zubehör" für dieses Liegedreirad angeboten, darunter insbesondere auch ein "abgesenkter Vorbau". Nur dieses Zubehör kann im Einzelfall in die Leistungspflicht der GKV fallen, nämlich dann, wenn es dazu dient, das konventionelle Liegedreirad "Kett Wiesel" so umzurüsten und anzupassen, dass es von einem behinderten Menschen sicher und möglichst ohne fremde Hilfe beim Auf- und Absitzen benutzt werden kann, und wenn die Benutzung - wie hier - in erster Linie dazu dient, dem Betroffenen den Nahbereich der Wohnung zu erschließen und nicht das Radfahren selbst zu ermöglichen. Mit der Aufspaltung in einen von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossenen Teil, der den allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens bildet (§ 33 Abs 1 Satz 1 letzter Satzteil SGB V), und einen dem Behinderungsausgleich dienenden Teil, der als Hilfsmittel einzustufen ist und von der Leistungspflicht der GKV umfasst wird, knüpft der Senat an frühere Entscheidungen an, in denen es um die behinderungsgerechte Umrüstung bzw Zusatzausstattung von Personalcomputern und Notebooks ging (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 22, 40 und BSGE 88, 204 = SozR aaO Nr 41). Den speziellen Bedürfnissen der Klägerin dienen hier der abgesenkte Vorbau (195 Euro) und der Lenkerendschalter (89 Euro). Der zusätzliche Haltegriff an der Sitzlehne ist nicht gesondert in Rechnung gestellt worden. Die Zusatzkosten von 284 Euro für das "Reha-Zubehör" hat die Beklagte zu erstatten.

Der Leistungspflicht der Beklagten steht nicht entgegen, dass die behinderungsgerechte Zusatzausstattung eines konventionellen Liegedreirads nicht im von den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellten Hilfsmittelverzeichnis (§ 128 SGB V) aufgeführt ist, weil es sich dabei nicht um eine abschließende, die Leistungspflicht der Krankenkassen im Sinne einer "Positivliste" beschränkende Regelung handelt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27; stRspr). Ein Ausschluss ergibt sich ferner nicht aus der auf der Grundlage von § 34 Abs 4 SGB V erlassenen Rechtsverordnung über Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der GKV, weil die behinderungsgerechte Zusatzausstattung eines Liegedreirads dort nicht aufgeführt ist.

Da hier nur die Zusatzausrüstung, nicht aber das Liegedreirad in seiner konventionellen Form zu gewähren war und deshalb von der Beklagten nur ein relativ geringer Betrag zu tragen ist, stellt sich nicht die von der Klägerin in den Vordergrund gerückte Frage eines Wahlrechts zwischen dem Liegedreirad und einem Rollstuhl (§ 33 SGB I), sondern allenfalls die Frage des Wahlrechts zwischen der behinderungsgerechten Zusatzausrüstung des Liegedreirads und dem Rollstuhl, den die Beklagte zu gewähren bereit war. Sind bei verschiedenartigen, aber gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln nach § 33 SGB I und § 2 Abs 2 iVm § 4 Abs 2 Nr 1 SGB I schon die Wünsche der Versicherten zu berücksichtigen, soweit sie angemessen sind (vgl BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1 zum Wahlrecht eines gehbehinderten Versicherten zwischen Elektromobil und Elektrorollstuhl), so gilt dies erst recht, wenn die gewählte Art der Versorgung - wie hier - für die Krankenkasse deutlich kostengünstiger ist als die im Raum stehende Alternative. Der Wunsch der Klägerin war angemessen und berechtigt, weil das Liegedreirad objektive gesundheitliche Vorteile bot (Unterstützung der Krankengymnastik durch Stärkung des Kreislaufs, Aktivierung der Beinmuskulatur und Lösung der Spasmen). Die umstrittene Frage einer größeren Wendigkeit des Rollstuhls berührt nicht die grundsätzliche Eignung des Liegedreirads; im Zweifel muss auch hier der Nutzer entscheiden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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