L 7 AS 3/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 27/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 3/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7b AS 40/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. April 2005 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 27. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2005 insoweit rechtswidrig ist, als die Übernahme der Kosten für das Befüllen des Heiztanks abgelehnt und stattdessen eine monatliche Pauschale bewilligt wurde.
III. Die Beklagte wird verpflichtet, zukünftig die Kosten für das Befüllen des Heiztanks zu übernehmen.
IV. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
V. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für die Befüllung des Heiztankes des Klägers streitig.

Der 1965 geborene Kläger bezog bis 28.11.2002 Arbeitslosengeld und anschließend Arbeitslosenhilfe. Am 17.12.2004 beantragte er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Alg II -. Nach den vorgelegten Unterlagen betrug die Grundmiete seiner Wohnung 163,53 EUR monatlich; zusätzlich legte er eine Rechnung vom 11.11.2004 über die Beschaffung von 239 Liter Heizöl zu einem Gesamtpreis von 172,40 EUR vor.

Mit Bescheid vom 27.01.2005 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 Alg II in Höhe von monatlich 528,66 EUR. Neben dem Regelsatz von 345,00 EUR legte sie Kosten für Unterkunft und Heizung von 183,66 EUR zugrunde. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, er habe seit einigen Tagen kein Heizöl mehr für seine Wohnung. Er beantrage eine Kostenübernahmeerklärung für die Beschaffung von 400 Liter Heizöl, die bis Mitte April ausreichen würden. Die Beschaffung einer geringeren Menge sei unwirtschaftlich. Nach einem Vermerk ging die Beklagte davon aus, dass die Beschaffung von 500 Liter Heizöl gegenwärtig 280,00 EUR koste. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2005 half sie dem Widerspruch teilweise dahingehend ab, dass sie monatliche Leistungen von 551,93 EUR bewilligte. Hierbei ging sie davon aus, dass der Heizaufwand für das gesamte Jahr auf 452,40 EUR zu beziffern sei, woraus sich ein monatlicher Betrag von 37,70 EUR ergebe. Zur Begründung führte sie aus, mit den laufend zur Verfügung stehenden Leistungen könne der Kläger die monatlich anfallende Teilmenge an Heizmaterial beschaffen. Eine Bevorratung von Heizöl für zukünftige Zeiträume würde im Ergebnis eine Hilfe bedeuten, obwohl unter Umständen ein zukünftiger Anspruch nicht mehr gegeben sein könnte. Vielmehr könne der Kläger durch die monatliche Zur-Verfügung-Stellung entsprechender Teilbeträge und deren Ansammlung über das Jahr hinweg den gesamten Heizbedarf im Ergebnis decken.

Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und beantragt, ihm statt der monatlichen Pauschale von 37,70 EUR eine einmalige Geldleistung in Höhe der Kosten für die Beschaffung von 750 Liter Heizöl zu gewähren.

Mit Urteil vom 13.04.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. § 22 SGB II sei nach seinem Gesetzeszweck so auszulegen, dass die Unterkunftskosten laufend zu erbringen seien. Dem Kläger sei es zuzumuten, den monatlichen Anteil für die Heizkosten selbständig zu sparen.

Die Berufung hat das SG zugelassen.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, § 22 SGB II enthalte keine ausdrückliche Regelung dahingehend, dass die Heizkosten lediglich als monatliche Leistung und nicht im Zeitpunkt der Entstehung zu gewähren seien. Bei einer ganzjährigen Brennstofflieferung seien daher auch die insoweit entstehenden Kosten zu erstatten. Dem SG sei zu widersprechen, soweit es ihm zumute, den monatlichen Anteil für die Heizkosten selbständig anzusparen. Dies würde dazu führen, dass die erstmalige Befüllung des Heizöltanks erst dann möglich wäre, wenn ein entsprechender Betrag aus den gewährten laufenden Leistungen angespart worden sei.

In der mündlichen Verhandlung am 17.03.2006 hat der Kläger erklärt, er habe im vergangenen Jahr die Wohnung mangels ausreichendem Heizöl mit einem elektrischen Radiator beheizt. Er beziehe nach Ausübung einer Saisonbeschäftigung von Ende Mai bis Ende Oktober 2005 seit 01.11.2005 wieder Alg II und erhalte eine monatliche Heizpauschale; auch gegenwärtig habe er wieder das Problem, dass das Heiztank leer sei.

Er beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.04.2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 27.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2005 rechtswidrig war, soweit die Übernahme der Kosten für die Befüllung des Tankes abgelehnt wurde, und für die Zukunft die Kosten für die Befüllung des Tankes zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das SGB II könne aufgrund der Tatsache, dass der Gesetzgeber in die gegenüber der Sozialhilfe deutlich erhöhten Regelleistungen die einmaligen Bedarfslagen "eingepreist" habe, keine einmaligen Leistungen mehr erbringen mit Ausnahme der Erstausstattung einer Wohnung, der Erstausstattung mit Bekleidung und bei mehrtägigen Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. Da in Bezug auf die Heizkosten nicht mehr zwischen einmaligen und laufenden Leistungen unterschieden werde, sei ein gegebener Jahresbedarf an selbst zu beschaffenden Brennstoffen auf den Monat umzulegen. Letztlich werde daher bei selbst zu beschaffendem Heizmaterial ähnlich verfahren wie bei Hilfesuchenden, die in regelmäßigen Abständen an den Vermieter oder ein Energieversorgungsunternehmen Pauschalen zu entrichten hätten. Zudem solle mit dem SGB II die Eigenverantwortung des Hilfesuchenden gestärkt und die Verwaltung von zeit- und kostenaufwendigen Einzelfallermittlungen entlastet werden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom SG zugelassene Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, sie ist auch in der Sache begründet.

Die Beklagte hat es mit dem Bescheid vom 27.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2005 zu Unrecht abgelehnt, die Kosten für die Befüllung des Heiztankes zu übernehmen. Dadurch war es dem Kläger unmöglich, sich die entsprechende Heizölmenge zu besorgen und die Wohnung mit Öl zu beheizen, weshalb er nach seinen Angaben gezwungen war, die Wohnung mit einem elektrischen Radiator zu beheizen. Die Beklagte wäre aber verpflichtet gewesen, die Kosten für die Befüllung des Heiztankes zu übernehmen. Durch Ablauf des Zeitraumes, über den im angefochtenen Bescheid entschieden wurde - 01.01. bis 30.06.2005 -, ist bezüglich des Anspruches des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Befüllung des Heiztankes Erledigung eingetreten, weshalb gemäß § 131 Abs.1 Satz 3 SGG auszusprechen war, dass der Bescheid vom 27.01.2005 insoweit rechtswidrig war. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung, da sich der Sachverhalt bereits wiederholt hat. Nach seinen glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist auch gegenwärtig der Heiztank leer.

Gemäß § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Im Falle des Klägers bedingt eine sinnvolle und wirtschaftliche Beheizung der Wohnung eine Befüllung des Heizöltankes mit einer größeren Menge, die jedenfalls das Beheizen der Wohnung über mehrere Monate ermöglicht. Die monatliche Beschaffung des für den jeweiligen Monat benötigten Heizöls ist unwirtschaftlich, da sie gegenüber einer vorratsweisen Beschaffung des Brennmaterials zu Mehrkosten führt.

Da im vorliegenden Fall die "tatsächlichen Aufwendungen" für die Heizung im Sinne des § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II sinnvollerweise in dem Kauf des den Bedarf für mehrere Monate abdeckenden Brennmaterials bestehen, hat die Beklagte diese Kosten zu übernehmen. Denn mit den von der Beklagten gezahlten monatlichen Pauschalen ist es dem Kläger nicht möglich, sich die erforderliche Heizölmenge zu beschaffen. Gerade in dem hier vorliegenden Fall der erstmaligen Bewilligung von Alg II geht der Hinweis der Beklagten ins Leere, dem Kläger sei es zuzumuten, mit den Pauschalen Geld für eine spätere Beschaffung einer größeren Heizölmenge anzusparen, da dies voraussetzt, dass der Kläger bereits über entsprechende angesparte Mittel verfügt. Dafür, dass dies im vorliegenden Fall gegeben war, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Der Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II generell eine pauschale Abgeltung auch der Heizkosten vorsieht. Hiergegen spricht bereits der Wortlaut der Bestimmung, der von den "tatsächlichen Aufwendungen" spricht. Dies wird bekräftigt durch einen Vergleich mit § 29 Abs.3 SGB XII. Diese Vorschrift regelt in Satz 1, dass die Leistungen für die Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht werden, soweit sie angemessen sind. Nach Satz 2 können die Leistungen durch eine monatliche Pauschale abgegolten werden. Gemäß Satz 3 sind bei der Bemessung der Pauschale die persönlichen und familiären Verhältnisse, die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, die vorhandenen Heizmöglichkeiten und die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Somit geht auch die Regelung in § 29 Abs.3 SGB XII von der Übernahme der tatsächlichen Kosten aus und sieht lediglich die Möglichkeit einer Pauschalierung vor, wobei allerdings unter anderem "die vorhandenen Heizmöglichkeiten" zu berücksichtigen sind. Letzteres bedeutet für den Bereich des SGB XII, dass in dem Fall, dass nur eine Brennstoffbevorratung sinnvoll ist, eine Pauschalierung nicht ermessensgerecht ist. Somit zeigt dieser Vergleich, dass nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II eine Pauschalierung der Heizkosten in einem Fall wie dem Vorliegenden, in dem die Beschaffung einer größeren Menge erforderlich ist, nicht rechtmäßig ist.

Soweit die Beklagte und das SG darauf verweisen, dass das SGB II die Eigenverantwortlichkeit der Leistungsbezieher fördern und sie auch zur Bevorratung veranlassen solle, so gilt dies für die Regelleistung nach § 20 SGB II, und zwar für die Aufwendungen, für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben; insoweit ist den Leistungsbeziehern aufgegeben, mit den monatlich zur Verfügung gestellten Mitteln diese Bereiche sozusagen zu "bewirtschaften". Bezüglich der Leistungen für Unterkunft und Heizung gilt hingegen der Grundsatz, dass die Kosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erstatten sind.

Es ist nicht systemwidrig, dass mit der Erstattung der Kosten für die Befüllung des Heiztankes der Bedarf für mehrere Monate, unter Umständen für das ganze Jahr abgegolten wird. Gemäß § 41 Abs.1 Satz 4 SGB II soll die Leistung jeweils für sechs Monate bewilligt und monatlich im Voraus erbracht werden. Dies schließt es nicht aus, den Heizkostenbedarf durch eine Zahlung für mehrere Monate zu decken. Es handelt sich hierbei nicht um eine "einmalige" Leistung im eigentlichen Sinn, da hierunter eine Leistung zu verstehen ist, die einen einmaligen Bedarf deckt und sich nicht auf einen laufenden Bedarf bezieht. Die Übernahme der Kosten für die Befüllung des Heiztankes und die Deckung des Bedarfes für mehrere Monate stellt insoweit einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X dar, da die Bewilligung in ihrer Wirkung, nämlich der Bedarfsdeckung für mehrere Monate, in die Zukunft reicht und über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw. Bestandskraft hinaus Wirkungen hat (vgl. Wiesner in von Wulfen, SGB X, 5. Auflage, Rdnr.4 m.w.N.). Diese Art von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung ist gerade im Arbeitsförderungsrecht nicht unüblich, etwa bei der Förderung der beruflichen Bildung durch Übernahme der Lehrgangskosten, die häufig dem Maßnahmeträger in einer Summe überwiesen werden, jedoch in ihrer Wirkung die für einen mehrmonatigen Zeitraum anfallenden Kosten abdecken. Die von der Beklagten geäußerten Bedenken, mit der Übernahme der Kosten für die Befüllung des Heizöltankes werde der Bedarf für künftige Monate und damit unter Umständen für einen Zeitraum gedeckt, in dem eventuell kein Hilfebedarf, etwa nach Aufnahme einer Beschäftigung, mehr besteht, sind unbegründet. Denn in diesem Fall wäre der als Dauerverwaltungsakt ergangene Bewilligungsbescheid, mit dem die Kosten für die Befüllung des Heizöltankes übernommen werden, für die Zeit ab Wegfall der Hilfebedürftigkeit wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gemäß § 48 Abs.1 SGB X aufzuheben. Der Beklagten obliegt es, in einem solchen Bewilligungsbescheid die Bedarfsdeckung für mehrere Monate hervorzuheben und auf eine eventuelle Aufhebung ab Änderung der Verhältnisse hinzuweisen.

Aus den dargelegten Gründen kann dahinstehen, ob in entsprchender Anwendung von § 42 SGB I die Übernahme der Heizkosten für mehrere Monate als Vorschuss anzusehen und zu behandeln ist (so Berlit in NDV Januar 2006 S.21, 22).

Somit war unter Aufhebung des Urteils des SG vom 13.04.2005 festzustellen, dass der Bescheid vom 27.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2005 insoweit rechtswidrig ist, als die Übernahme der Kosten für das Befüllen des Heizöltankes abgelehnt und stattdessen eine monatliche Pauschale bewilligt wurde. Es war festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, zukünftig die Kosten für das Befüllen des Heizöltanks zu übernehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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