S 2 AY 16/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 2 AY 16/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 25/06 AY
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B aus C wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab 23.04.2004 die Voraussetzungen für den Bezug von Sozialhilfeleistungen entsprechend SGB XII erfüllt, weil er im Sinne von § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) über eine Dauer von 36 Monaten die Grundleistungen nach § 3 dieses Gesetzes erhalten hat und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat.

Der 1957 geborene und 1994 in Deutschland eingereiste Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit. Der Asylantrag des Klägers wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15.12.1999 abgelehnt und gleichzeitig wurden bei ihm Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (jetzt 60 Abs.2 AufenthG) hinsichtlich des Herkunftsstaates festgestellt. Der Kläger ist vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und gehört damit zum Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 4 Asylbewerberleistungsgesetz. Der Kläger hat seit Juni 1997 bis 31.03.2005 insgesamt 51 Monate lang Grundleistungen bezogen (Ausrechnung auf Bl. 171 der Beklagtenakte). Seit dem 23.04.2004 bezieht er diese Leistungen fortdauernd. Der Bezug wurde unterbrochen durch Haftzeiten in der Zeit vom 27.04.1998 bis 17.12.1999 und 09.07.2001 bis zum 15.03.2004. Am 28. 02. 2005 beantragte der Kläger Leistungen analog SGB XII. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.04.2005 ab mit der Begründung, dass der Leistungsbezug länger als sechs Monate unterbrochen worden sei, so dass wegen der dem § 2 Abs. 1 AsylLG innewohnenden Integrationskomponente ein neuer Fristlauf begonnen habe.

Der dagegen eingelegte und mit der gesellschaftlichen Integration durch Resozialisierung während einer Haftverbüßung begründete Rechtsbehelf wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2005 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 14.10.2005 Klage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt. Seiner Auffassung nach ist die von der Beklagten vorgenommene einschränkende Interpretation des § 2 AsylbLG mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar.

II. Der Antrag war zurückzuweisen.

Gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Es bedarf keiner Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, weil es bereits an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg fehlt. Leistungen gemäß § 2 AsylbLG setzen u. a. voraus, dass seit dem Inkrafttreten der Vorschrift zum 01.06.1997 Leistungen gemäß § 3 AsylbLG über eine Dauer von 36 Monaten bezogen wurden. Ein zusammenhängender Zeitraum ist nicht zwingend erforderlich, so dass die Leistungsdauer addiert werden kann, wenn Unterbrechungen vorhanden sind. Dem Kläger ist zuzugeben, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Unterbrechung des Fristablaufs und ein Neubeginn der Frist wegen einer längeren Haft nicht vorgesehen ist. Das Sozialgericht Gelsenkirchen geht aber mit dem OVG Lüneburg (Beschluss vom 08.02.2001 – 4 M 3889/00-) und dem VG Hannover (Beschluss vom 15.06.2004 –7 B2809/04-) davon aus, dass Sinn und Zweck des AsylbLG eine Auslegung dahingehend erfordern, dass nachhaltige und tiefgreifende Unterbrechungen des Zeitraumes von 36 Monaten dazu führen, dass nach einer Unterbrechung die Fristberechnung erneut zu beginnen hat. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, dient die leistungsrechtliche Privilegierung der besseren Integration der Leistungsberechtigten in die deutsche Gesellschaft. Eine vereinfachte Integration durch höhere öffentliche Mittel erscheint aber dann nicht geboten, wenn der Ausländer sich längere Zeit der Integration entzogen hat, weil er sich in seinem Heimatland aufgehalten hat, untergetaucht ist oder, wie im vorliegenden Fall, wegen einer Straftat inhaftiert war. Dann ist es gerechtfertigt, die Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG erst mit dem Ende der letzten Haft erneut anlaufen zu lassen.

Der Auffassung des Klägers, dass ein Gefängnisaufenthalt der Resozialisierung und damit auch der Integration diene, vermochte sich das Sozialgericht nicht anzuschließen. Die Resozialisierung eines Straftäters mittels Wegsperren in einer Haftanstalt dient völlig anderen Zielen als einer Integration eines Ausländers in die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Bundesrepublik Deutschland. Diese wird während eines Gefängnisaufenthalts nicht gefördert, sondern gerade verhindert. Daher muss der Versuch einer Integration erst nach dem Ende der Haft erneut aufgenommen werden und dementsprechend beginnt auch die Frist des § 2 AsylbLG erneut zu laufen.
Rechtskraft
Aus
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