L 3 U 109/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 538/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 109/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.02.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung einer Verletztenrente.

Der 1955 geborene Kläger ist als selbständiger Malermeister bei der Beklagten freiwillig versichert.

Am 23.10.2000 stand der noch nicht angeschnallte Kläger mit seinem Firmenwagen in I. in der Ausfahrt des Caritas-Kinderdorfes und wollte nach rechts in die M. Straße abbiegen. Ein von rechts kommender Taxifahrer, der in die Einfahrt zum Kinderdorf einbiegen wollte, missachtete hierbei die Vorfahrt eines entgegenkommenden Fahrzeuges. Aus Schreck und um dem Taxi auszuweichen zog der Fahrer dieses PKW sein Fahrzeug nach rechts und kam hierbei auf den Fußgängerweg. In der Ausfahrt des Kinderdorfes rammte er das dort stehende Fahrzeug des Klägers am linken Kotflügel. Durch den Zusammenstoß prallte er zuerst mit der linken Schulter und der linken Schädelseite gegen die Fahrertür und wurde anschließend mit der rechten Schulter auf den Beifahrersitz geworfen.

Am Unfalltag wurde im Krankenhaus A. in H. (Prof. Dr. B.) festgestellt, dass der Kläger unter Schulterschmerzen links und rechts bei Kopfbewegungen nach vorne und seitlich litt, wobei er angab, ein Kribbeln im rechten Unterarm bis in die Fingerspitzen zu verspüren. Auch bei Bewegung des linken Armes schmerzte die linke Schulter. Im Übrigen waren jedoch kein Schwindel, keine Amnesie, keine Kopfschmerzen und keine Übelkeit feststellbar.

Es wurden Röntgenbilder der rechten und der linken Schulter, der Halswirbelsäule (HWS) und des Schädels in 2 Ebenen gefertigt. Prof. Dr. B. diagnostizierte eine HWS-Distorsion.

Dem Kläger wurde für die Zeit vom 23.10.2000 bis 11.03.2001 Arbeitsunfähigkeit wegen eines Cervico-Brachial-Syndroms nach HWS-Schleudertrauma bescheinigt.

Die Beklagte zog Berichte des behandelnden Arztes Dr. H. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie; vom 07.11.2000, 20.11.2000 und 27.11.2000) des Krankenhauses A. (vom 04.12.2000 und 19.12.2000) und der Berufgenossenschaftlichen Unfallklinik M. (vom 18.12.2000 und 06.03.2001) bei.

In dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten vom 30.03.2001 kam Dr. J. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) zu dem Ergebnis, dass es beim Kläger aufgrund des Unfalles zu einer Schädelprellung links, einer Prellung der linken Schulter und einer Verletzung der Wirbelsäule gekommen sei, die eine Wurzelschädigung im Bereich der siebten Halsnervenwurzel rechts nach sich gezogen habe. Aufgrund dieser Verletzungen beständen auf neurologischem Fachgebiet leichte motorische und sensible Störungen im Bereich des rechten Armes und der rechten Hand. Darüber hinaus lägen beim Kläger unfallunabhängig degenerative Veränderungen der HWS vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach Ende der Arbeitsunfähigkeit schätzte Dr. J. mit 20 v.H. ein.

Nach Eingang weiterer ärztlicher Unterlagen der Berufsgenos-senschaftlichen Unfallklinik M. vom 25.04.2001, des Krankenhauses A. vom 09.05.2001, des Dr. K. (Facharzt für Orthopädie) vom 26.07.2001 und der Radiologischen Gemeinschaftspraxis A. vom 27.11.2000 und 02.05.2001 beauftragte die Beklagte den Neurochirurgen Dr. J. mit der Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens.

Dr. J. vertrat in seinem Gutachten vom 05.12.2001 die Auffassung, dass es zu einer geringen Schädigung der siebten Halsnervenwurzel gekommen sei, die zu leichten motorischen und sensiblen Störungen im Bereich des rechten Armes und der rechten Hand führen würde. Ernsthaftere Verletzungen des Rückenmarkes seien jedoch auszuschließen. Wegen des Unfalles sei es auch zu einer Verschlimmerung des vorbestehenden degenerativen Wirbelsäulenleidens gekommen, wobei die unfallbedingten Gesundheitsstörungen über den 30.03.2001 hinaus keine Arbeitsunfähigkeit und für die Zeit danach lediglich eine MdE von 10 v.H. begründen würden.

In einem von der Beklagten veranlassten ersten Rentengutachten vom 14.05.2002 bestätigte der beauftragte Gutachter Prof. Dr. B. unter Berücksichtigung eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens der Dres. N. und S. die Einschätzung, dass beim Kläger für die Zeit ab dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit auf chirurgischem Gebiet eine MdE von unter 10 v.H. und auf neurologischem Gebiet eine MdE von 10 v.H. verblieben sei. Beim Kläger habe eine - zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilte - HWS-Distorsion vorgelegen. Verblieben seien auf neurologischem Fachgebiet lediglich elektromyographische Resterscheinungen nach einer rechtsseitigen C7-Wurzelschädigung sowie ein subjektives Schwächegefühl im Trizepsmuskel ohne eine objektivierbare Kraftminderung und eine Sensibilitätsstörung ohne nachweisbare Funktionsminderung.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 01.10.2002 das Vorliegen eines Arbeitsunfalls an, lehnte jedoch die Bewilligung einer Verletztenrente ab, weil die als Unfallfolgen verbliebenen Gesundheitsstörungen keine MdE von mindestens 20 v.H. bedingen würden.

Im Widerspruchsverfahren brachte der Kläger vor, dass die schwere körperliche Arbeit, insbesondere das Überkopfarbeiten, die Rücken-, Hals-, Arm- und Schultermuskulatur sowie die gesamte Wirbelsäule besonders belasten und ihn in seiner Tätigkeit als Malermeister erheblich einschränken würde, so dass eine MdE von 20 bis 30 v.H. gerechtfertigt sei. Die Beklagte verkenne auch, dass die degenerativen Veränderungen an der HWS des Klägers bis zum Unfall latent und ohne Symptomatik gewesen wären, so dass die nunmehr bestehenden Gesundheitsstörungen im Sinne einer richtungsweisenden Verschlimmerung als Unfallfolgen anzuerkennen und zu entschädigen seien.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2003 als unbegründet zurück.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu bewilligen. Zur Begründung hat er in Ergänzung des Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren ausgeführt, dass ohne den Unfall seine vorbestehendenden Gesundheitsstörungen weiterhin latent geblieben wären und er, der Kläger, noch immer beschwerdefrei wäre. Sein Wirbelsäulenleiden sei daher nicht verschlimmert worden, sondern sei erst durch den Unfall entstanden.

Mit Urteil vom 20.02.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, dass nach den von der Beklagten eingeholten Gutachten zwar Unfallfolgen anzuerkennen seien. Jedoch habe auf chirurgischem Fachgebiet die erlittene HWS-Distorsion keine messbare MdE verursacht und auf neurologischem Gebiet seien die Unfallfolgen, die durch die Schädigung der siebten Halsnervenwurzel zu leichten sensiblen und motorischen Störungen geführt haben, mit einer MdE von 10 v.H. hinreichend bewertet. Auch käme eine Erhöhung der MdE nicht in Betracht, weil nicht belegt sei, dass der Kläger in seinem Beruf als Malermeister durch den Unfall in der Weise betroffen wäre, dass er bestimmte von ihm erworbene besondere Kenntnisse nicht mehr nutzen könnte.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der Senat hat die durch die Unfallklinik M. und das Krankenhaus A. gefertigten Röntgenaufnahmen, die Unterlagen der AOK Bayern sowie die Akten der Staatsanwaltschaft M. beigezogen.

Zur Klärung der Frage, welche Unfallfolgen verblieben sind und welche MdE des Klägers hieraus resultiert, hat der Senat ein orthopädisches (Prof. Dr. P.), ein neurologisches (Prof. Dr. P.) und ein unfallchirurgisches Gutachten (Dr. L.) eingeholt.

Prof. Dr. P. hat in seinem Gutachten vom 06.12.2004 die Auffassung vertreten, dass die neurologischen Ausfälle - in Übereinstimmung mit der Begutachtung durch die Beklagte - mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten seien, da das vom Kläger dargestellte Beschwerdebild zwar erstmals in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis aufgetreten war, dies sich jedoch im Wesentlichen auf die unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen der HWS zurückführen ließe. Mit seinem Gutachten vom 23.02.2006 hat Dr. L. diese Einschätzung bestätigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die glaubhaft geschilderten subjektiven Beschwerden die Folgen anlagebedingter degenerativer Veränderungen seien.

Demgegenüber hat Prof. Dr. P. die Auffassung vertreten, dass beim Kläger zwar eine Vorschädigung der HWS degenerativer Natur vor dem Unfallereignis vorgelegen hatte, jedoch sei das Beschwerdebild, das sich nach dem Unfall entwickelt hat, im Wesentlichen auf die unfallbedingte Traumatisierung der vorgeschädigten HWS zurückzuführen. Die unfallbedingte MdE bewertete er mit 20 v.H ...

Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat vorgebracht, dass die subjektive Schmerzsymptomatik ohne pathomorphologisches Korrelat nicht objektivierbar sei. Auch sei unfallnah eine Kraftminderung nicht objektivierbar gewesen. Auf unfallchirurgischem Fachgebiet sei daher von einer HWS-Beschleunigungsverletzung Typ I oder II nach Quebec-Task-Force (QTF) auszugehen, die folgenlos ausheilt und eine MdE nicht nach sich ziehe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils der Sozialgerichtes München vom 20.02.2004 und unter Abänderung des Bescheides vom 01.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2003 zu verurteilen, ihm aufgrund des Arbeitsunfalls vom 23.10.2000 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes München vom 20.02.2004 zurückzuweisen.

Zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogene Beklagtenakte, die Akten der Staatsanwaltschaft M. , des Sozialgerichtes München und des Bayerischen Landessozialgerichtes sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichtes München vom 20.02.2004 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 25.06.2003 sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 23.10.2000 keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente hat.

Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII.

Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 01.10.2002 anerkannt, dass der Kläger am 23.10.2000 einen Arbeitsunfall erlitten hat und als Unfallfolgen "elektromyographische Resterscheinungen nach rechtsseitiger Wurzelschädigung am siebten Halswirbelkörper mit einem Schwächegefühl des dreiköpfigen Armstreckermuskels rechts ohne objektivierbare Kraftminderung, Sensibilitätsstörung und Funktionsminderung" verblieben sind, die eine MdE von 10 v.H. bedingen. Darüber hinausgehend sind weder weitere, beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anzuerkennen noch die MdE aufgrund der bestehenden Unfallfolgen höher zu bewerten. Voraussetzung hierfür wäre, dass zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden ein ursächlicher Zusammenhang (haftungsausfüllende Kausalität) dergestalt bestände, dass die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Störungen - die Schmerzen der unteren HWS mit Schmerzausstrahlungen in den Hinterkopf und in beide Arme, sowie das Pelzigkeitsgefühl und die Kraftminderung in beiden Händen - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Verletzungen zurückzuführen sind, die der Kläger bei dem Verkehrsunfall am 23.10.2000 erlitten hat.

Nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung sind insoweit sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn ursächlich für das Entstehen einer Schadenslage sein können, um anschließend zu bewerten, welche Bedingung so wesentlich war, dass sie als alleinige Ursache oder Teilursache die Schadenslage herbeigeführt hat. Geschützt ist der Versicherte zwar in dem Gesundheitszustand, in dem er sich im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses befunden hat, und es werden alle im Schädigungszeitpunkt bestehenden Schadensanlagen und konstitutionellen Schwächen, die selbst noch keinen Krankheitswert aufweisen in den Schutzbereich der Unfallversicherung einbezogen. Allerdings ist im Rahmen der Kausalitätsprüfung festzustellen, ob eine bestehende Krankheitsanlage bzw. ein Vorschaden oder das Unfallereignis wesentliche Ursache für einen feststellbaren Gesundheitsschaden sind. (Vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin: Arbeitsunfall und Berufskrankheit 7.Auflage S. 78f).

Unzweifelhaft haben beim Kläger - wie der gerichtsärztliche Sachverständige Dr. L. überzeugend darlegt - bereits vor dem Unfall am 23.10.2000 degenerative Veränderungen der HWS in Form von Bandscheibenvorwölbungen und -vorfällen vorgelegen. Bereits die Kernspintomographie der HWS vom 27.11.2000 belegt, dass beim Kläger ein intraforaminaler Bandscheibenvorfall bei HWK 3/4 links, rechtsbetonte Bandscheibenvorfälle bei HWK 5/6 und HWK 6/7, eine Spinalkanalstenose rechts mit Kompression der Nervenwurzel C6 rechts und der Nervenwurzel C7 rechts bei Streckfehlhaltung der HWS sowie eine Retrospondylose beginnend ab HWK 6/7 vorgelegen haben. Dies beschreibt ausschließlich anlagebedingte Veränderungen, insbesondere da über keine Verletzungen - auch nicht mikrostruktureller Natur - der umgebenden Band,- Sehnen- und Knochenstruktur berichtet wird.

Sämtliche Gutachter die durch die Beklagte oder das Gericht gehört wurden, haben - mit Ausnahme von Prof. Dr. P. - die Auffassung vertreten, dass die vom Kläger vorgetragenen Beschwerden im Wesentlichen auf die vorbestehenden degenerativen Veränderungen zurückzuführen sind, auch wenn diese bis zum Unfallereignis beim Kläger keine klinische Symptomatik gezeigt haben. Diese Auffassung ist auch nachvollziehbar, da einerseits die beim Kläger nachgewiesenen Vorschäden grundsätzlich geeignet sind, die von ihm geklagten Beschwerden, d.h. die Schmerzen der unteren HWS mit Schmerzausstrahlungen in den Hinterkopf und in beide Arme, sowie das Pelzigkeitsgefühl und die Kraftminderung in beiden Händen, zu verursachen. Darüber hinaus leidet der Kläger - wie Prof. Dr. P. ausführt - unfallunabhängig unter einem Carpaltunnelsyndrom rechts stärker als links, das ebenfalls geeignet ist Sensibilitätsstörungen, in den Händen zu verursachen. Andererseits war der angeschuldigte Unfallmechanismus - der Kläger ist nach einem Seitenanstoß auf der linken Fahrzeugseite zuerst mit der linken Schulter und der linken Schädelseite gegen die Fahrertür geprallt und anschließend mit der rechten Schulter auf den Beifahrersitz geworfen worden - nicht geeignet, eine gravierende Halswirbelsäulenverletzung herbeizuführen, insbesondere da es sich nicht um einen Frontal- oder Heckzusammenstoß handelte, die zu Hyperflexions- oder Hyperextensionsverletzungen führen können. Die Verletzung der HWS bei einem Seitenaufprall ist demgegenüber selten, da diese über eine gute innere Abstützung gegen seitliche Überlastungen verfügt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin: a.a.O. S. 554). Dementsprechend sind - in zeitlicher Nähe zum Unfallereignis - beim Kläger keine strukturellen Verletzungen der HWS oder der umgebenden Bänder- und Sehnenstruktur (z.B. in Form von Blutungen oder deren Begleitödeme in Bindegewebs-schichten, im Bandapparat oder der Muskulatur) festzustellen gewesen, so dass der Kläger nachweislich allenfalls eine HWS-Beschleunigungsverletzung Typ I erlitten hat. Eine derartige Verletzung heilt jedoch in aller Regel folgenlos aus, so dass unfallchirurgisch - allein durch die unfallbedingten Gesundheitsstörungen - allenfalls für die Dauer von zwei bis sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit und keine MdE für die Zeit ab der 26. Woche nach dem Unfall vorgelegen hat. (Vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin: a.a.O. S. 562).

Auf neurologischem Fachgebiet hat die Beklagte eine rechtsseitige Wurzelschädigung am siebten Halswirbelkörper festgestellt, die sie ursächlich mit dem Unfallgeschehen in Zusammenhang gebracht, als Unfallfolge anerkannt hat und für die sie eine MdE von 10 v.H. festgestellt hat. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Darüber hinausgehend lassen sich - im Hinblick auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. P. - keine weiteren neurologischen Gesundheitsstörungen mit dem Unfallgeschehen in einen ursächlichen Zusammenhang bringen.

Soweit im Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis A. ein intraforaminaler Bandscheibenvorfall HWK 3/4 mit möglicher Affektion der Nervenwurzel C4 links, rechtsbetonte Bandscheibenvorfälle HWK 5/6 und 6/7, mit knöcherner Einengung der Foramina rechts und des Spinalkanales rechts sowie eine Kompression der Nervenwurzel C6 im Foramen beschrieben werden, beruhen diese neurologisch bedeutsamen Gesundheitsstörungen auf den degenerativen - und damit unfallunabhängigen - Veränderungen der Zwischenwirbelkörper.

Darüber hinaus bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das beim Kläger beginnende Carpaltunnelsyndrom mit dem Unfallereignis in Zusammenhang gebracht werden kann. Auch wenn der behandelnde Neurologe der Klägers, Dr. H. , vermutet, dass beim Kläger ein Carpaltunnelsyndrom rechts im Rahmen des Abstützvorganges angenommen werden könnte, lässt sich dies nicht bestätigen. Zum einen ist ein geeigneter Unfallmechanismus, der ein traumatisch bedingtes Carpaltunnelsyndrom herbeiführen könnte, nicht belegt. Zum anderen spricht die Symptomatik und der Krankheitsverlauf für eine anlagebedingte Ursache. Als Unfallmechanismus wäre zumindest ein stumpfes Handgelenkstrauma oder eine Weichteilquetschung des körperfernen Vorderarmes erforderlich. Zum anderen müsste eine normale Nervenleitung auf der nicht verletzten Gegenseite festzustellen sein. (Vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin: a.a.O. S. 638). Beide Voraussetzzungen sind nicht erfüllt, da der Kläger nach seinen Angaben auf die rechte Schulter und nicht auf den rechten Vorderarm geworfen wurde. Auch hat sich beim Kläger - wenn auch in geringerem Umfang - ein Carpaltunnelsyndrom auf der linken Seite entwickelt, so dass mehr für eine anlagebedingte degenerative Erkrankung, als für eine traumatische Entwicklung spricht. Nicht gefolgt werden kann der Einschätzung des Prof. Dr. P. , der die Auffassung vertritt, dass die subjektiv geklagten Beschwerden des Klägers zwar im Wesentlichen auf die degenerativen Veränderungen der HWS zurückzuführen sind, diese Beschwerden aber durch die unfallursächliche Traumatisierung hervorgerufen wurden und ohne das Unfallereignis stumm geblieben wären. Eine derartige unfallbedingte Entstehung des Krankheitsbildes, wie sie Prof. Dr. P. wohl unterstellt, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Von einer Verschlimmerung im Rechtssinne - wie sie Prof. Dr. P. in seinem Gutachten zugrundelegt - kann ohnehin nicht gesprochen werden, da ein verschlimmerungsfähiges Krankheitsbild nicht vorgelegen hat, nachdem der Kläger nach eigenen Angaben vor dem Unfall beschwerdefrei war.

Prof. Dr. P. hat sich im Übrigen in keiner Weise mit der Problematik auseinandergesetzt, dass der Unfall vom 23.10.2000 als unersetzliches Ereignis für das Auftreten der weitergehenden Beschwerden angesehen werden müsste, um ihn als wesentliche Teilursache berücksichtigen zu können. Der Gutachter selbst führt hierzu nur aus, dass sich Bandscheibenschädigungen im Halswirbelsäulenbereich ohne entsprechende Traumatisierung über Jahrzehnte stumm verhalten können und keinen Anlass zu Beschwerden geben.

Auf welcher Grundlage Prof. Dr. P. den Schluss zieht, dass das Unfallgeschehen vom 23.10.2000 eine solche (unersetzliche) Traumatisierung darstellt, die nicht mehr als "Gelegenheitsursache" angesehen werden kann, und damit als wesentliche Teilursache in Betracht käme, führt er jedoch nicht aus. Ins-besondere äußert er sich nicht dazu, welche strukturellen morphologischen bzw. funktionellen Befunde für eine wesentliche Teilursache sprechen, die er - im Rechtssinne unzutreffend - als "richtungsgebende Verschlimmerung" bezeichnet, so dass seine Einschätzung nicht nachvollzogen werden kann.

Es kommt auch keine Höherbewertung der MdE nach § 56 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) VII in Betracht. In diesem Zusammenhang werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger jedoch nicht vor, worauf bereits das SG hingewiesen hat. Der Kläger ist nach den Feststellungen aller Gutachter nach wie vor in der Lage, seine selbständige Tätigkeit als Malermeister auszuüben, so dass es keiner weiteren Begründung bedarf, dass besondere berufliche Kenntnisse nicht schon dann beeinträchtigt sind, wenn ein Lehrberuf nicht mehr ausgeübt werden kann, worauf die Beklagte in zutreffender Weise abgestellt hat.

Nachdem im Ergebnis die Berufung zurückzuweisen ist, hat der Kläger mangels Erfolges in der Hauptsache auch keinen Anspruch auf die Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved