L 1 B 36/06 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AS 138/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 36/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G, F-str. 00, N, beigeordnet. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 16.08.2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin für den Monat August 2006 Kosten der Unterkunft in Höhe von 325,00 EUR, für die Monate September 2006 bis Januar 2007 Regelleistung und Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 385,00 EUR zu gewähren. Die weiter gehende Beschwerde der Antragstellerin und die Beschwerde der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen zu zwei Dritteln dem Grunde nach.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) II ab August 2006 sowie die Übersendung von Antragsunterlagen im Wege der einstweiligen Anordnung.

Die 1978 geborene, seit 1997 in Deutschland lebende Antragstellerin wohnte bis 2003 in F und zog dann nach N, um dort eine Anstellung als Zahnarzthelferin zu finden. Am 01.04.2004 bezog sie mit dem Zeugen N eine Mietwohnung in der T-str. 00 in N, wobei der Mietvertrag auf beider Namen lautete. Nach eigenen Angaben der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin erklärte sich der Vermieter mit der Vermietung der Wohnung auch an sie einverstanden, nachdem der Zeuge N erklärt hat, er werde für einen eventuellen Mietausfall der Antragstellerin einstehen. Bis zum 31.12.2004 erhielt die Antragstellerin Arbeitslosenhilfe und Wohngeld, anschließend bis zum 31.05.2006 Alg II in Höhe von monatlich 616,85 EUR (345,00 EUR Regelleistung zuzüglich 271,85 EUR anteiliger Kosten der Unterkunft). Im Frühjahr 2006 kaufte der Zeuge N für nach eigenen Angaben 30.000 EUR eine Eigentumswohnung in der D 00 in N. Mit Schreiben vom 15.03.2006 kündigte die Antragstellerin das Mietverhältnis zum 30.06.2006. Am 07.04.2006 ging sie zum 01.06.2006 ein Mietverhältnis mit dem Zeugen N in dessen Wohung in der D ein, wobei sich die Miete auf 330,00 EUR (Grundmiete 250,00 EUR zuzüglich Heiz- und Warmwasservorauszahlung von 20,00 EUR sowie Betriebskostenvorauszahlung von 60,00 EUR) beläuft. In dieser Wohnung bewohnt die Antragstellerin ein Zimmer von 18,67 m2, das der Zeuge N auf seine Kosten mit einem Doppelbett und einem dreitürigen Kleiderschrank eingerichtet hat. Des weiteren verfügt die Wohnung über ein Zimmer von 11,07 m2, das der Zeuge N als Arbeits- und Schlafzimmer nutzt, sowie Wohnraum und Küche zur gemeinsamen Nutzung. Ferner befinden sich in der Wohnung ein Bad (3,93 m2) und ein Gäste-WC (1,63 m2), in dem sich der Zeuge N nach eigenen Angaben wäscht und rasiert. Am 10.05.2006 meldeten sich sowohl die Antragstellerin als auch der Zeuge N beim Bürgeramt der Stadt N um. Für den Juni 2006 zahlte die Antragstellerin ihren Teil der Miete an den Vermieter der Wohnung in der T-straße. Zur Frage, ob sie im Juni 2006 auch an den Zeugen N Miete gezahlt hat, machen sie und der Zeuge unterschiedliche Angaben. Bis zum 31.07.2006 gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Alg II. Zum 08.08.2006 begann die Antragstellerin in der Zahnarztpraxis L ein bis zum 07.08.2008 laufenden Umschulungsvertrag, aus dem sie monatlich 216,00 EUR erhält (im August 2006 anteilig 162,00 EUR).

Auf ihren Antrag hin hat das Sozialgericht (SG) Münster die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verurteilt, der Antragstellerin die ihr nach dem SGB II zustehende Regelleistung unter Berücksichtigung ihrer Einkünfte für die Zeit vom 04.08. bis zum 31.08.2006 zu gewähren (Beschluss vom 16.08.2006). Innerhalb dieses Zeitraums könne die Antragsgegnerin die Umstände des Zusammenlebens zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen N näher aufklären. Auf diesen Beschluss hin hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin insgesamt 322,00 EUR in zwei Raten gezahlt.

Gegen den Beschluss des SG haben beide Beteiligten Beschwerden erhoben, denen das SG nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfeentscheidungen vom 12.09.2006).

Nach Erhebung der Beschwerden hat der Zeuge N am 06.09.2006 das Mietverhältnis mit der Antragstellerin wegen Nichtzahlung von zwei aufeinander folgenden Monatsmieten gekündigt und sofortigen Auszug verlangt. Unter dem 17.10.2006 hat er Räumungsklage beim Amtsgericht Münster erhoben.

Die Antragsgegnerin trägt vor: Durch die Neufassung des § 7 Abs. 3a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei die Beweislast für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen N umgekehrt worden. Die Antragstellerin habe jedoch das Nichtvorhandensein einer solchen Gemeinschaft insbesondere angesichts der Umstände, die zum gemeinsamen Umzug in die D geführt hätten, nicht bewiesen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 16.08.2006 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, 1.ihr Alg II ab August 2006 bis zum Ende des Monats zu zahlen, in dem über den Antrag endgültig entschieden wird, abzüglich 464,00 EUR für den Monat August sowie 216,00 EUR monatlich ab September 2006 2.sie für die Zeit ab dem 01.09.2006 bei der AOK Westfalen-Lippe gesetzlich weiter krankenzuversichern und die diesbezüglichen Versicherungsbeiträge an die AOK Westfalen-Lippe zu zahlen 3.sie bei der Wohnungssuche zu unterstützen, insbesondere ihr den Antrag auf Übernahme der Wohnungserstausstattung, den Antrag auf Kostenübernahme bezüglich der neuen Wohnung, den Antrag auf Kostenübernahme bezüglich der Wohnungssuche und den Antrag auf Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins zukommen zu lassen.

Die Antragstellerin trägt vor, sie lebe mit dem Zeugen N lediglich in einer Wohngemeinschaft. Aus dieser sei sie nur deshalb nicht ausgezogen, weil sie noch keine andere Wohnung gefunden habe. Sie habe sich bereits mit Schriftsatz vom 03.11.2006 an die Antragsgegnerin mit der Bitte um Hilfe gewandt, von dort aber außer einem Beratungsangebot vom 15.11.2006 keine zeitnahe Hilfe erhalten. Insbesondere habe die Antragsgegnerin ihr die mit anwaltlichem Schriftsatz vom 01.12.2006 erbetenen, in Ziff. 3 des Antrags näher bezeichneten Unterlagen bislang nicht zukommen lassen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen N. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 21.11.2006 Bezug genommen). Der Zeuge N hat anschließend eine "Steuerberechnung zur Einkommensteuererklärung 2005" zu den Akten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat teilweise Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Gerichte zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) einstweilige Anordnungen erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung ZPO). Soweit es um Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen bzw. - wenn dies nicht möglich ist - auf der Grundlage einer Folgenabwägung entscheiden (BVerfG, Beschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Breith 2005, 803 ff. m.w.N.).

1.

Auf dieser Grundlage besteht eine vorläufige Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin derzeit nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe und nur bis zum 31.01.2007.

Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Alg II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig im Sinne dieser Bestimmung ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören dabei nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst c) SGB II auch solche Personen, die mit dem Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird unter anderem dann vermutet, wenn die Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II).

Die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II greift nur ein, wenn zwischen den Mitbewohnern ein "gemeinsamer Haushalt" im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c) SGB II besteht. Denn sie betrifft nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift lediglich das Merkmal des wechselseitigen Willens zur Verantwortung und zum Einstehen füreinander. Da in § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c) SGB II nicht nur von "einem", sondern von "einem gemeinsamen" Haushalt die Rede ist, muss daher das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 5 SGB II zwischen den Mitbewohnern feststehen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen hat die Behörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] zu treffen. Im Rahmen dieser Amtsermittlung sind die Behörden und im Falle eines Rechtsstreits auch die Gerichte allerdings bei der Feststellung, ob eine Haushaltsgemeinschaft vorliegt, in besonderer Weise auf die gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung der Beteiligten (§§ 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X, 103 Satz 1 SGG) angewiesen. Denn die Verhältnisse unter Menschen, die in einer Wohnung zusammenleben, lassen sich von Dritten naturgemäß nur eingeschränkt beurteilen. Unklarheiten, die sich aus widersprüchlichen oder unwahren Angaben der Beteiligten ergeben, können sich daher im Einzelfall zu deren Lasten auswirken. Insbesondere sind die Gerichte nicht gehalten, einem in wesentlichen Punkten widersprüchlichen und unglaubhaften Vorbringen nachzugehen (Senat, Beschluss v. 06.01.2006, L 1 B 13/05 AS ER, sozialgerichtsbarkeit de m.w.N.).

Von diesen Grundsätzen ausgehend, ist anzuunehmen, dass eine Haushaltsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen N besteht.

Die Antragstellerin ist unmittelbar von ihrer vormaligen Wohnung in F aus mit dem Zeugen N zusammengezogen. Dabei ist ein gemeinsamer Mietvertrag geschlossen worden, mit dem sich der Vermieter nach den eigenen Angaben der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren nur einverstanden erklärt hat, weil der Zeuge N zugesagt hatte, für etwaige Zahlungsausfälle der Antragstellerin aufzukommen. Das spricht maßgeblich für eine Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne gegenseitiger Unterstützung, wie sie für die Haushaltsgemeinschaft kennzeichnend ist. Hierfür spricht auch, dass die Antragstellerin dem Zeugen N offenbar die Auswahl der gemeinsamen Wohnung weitestgehend überlassen hat. Zwar hat sie im Erörterungstermin am 21.11.2006 angegeben, sie habe sich mit dem Zeugen nach der Verabredung, eine Wohngemeinschaft einzugehen, mehrere Wohnungen angesehen. Demgegenüber hat jedoch der Zeuge N bekundet, er wisse nicht mehr, ob man gemeinsame Wohnungsbesichtigungen durchgeführt habe. Das sei aber eher nicht der Fall gewesen, weil die Antragstellerin seinerzeit in F gewohnt habe. Dieser Darstellung gebührt der Vorzug, weil sie derjenigen entspricht, die die Antragstellerin noch am 07.06.2006 gegenüber der Antragsgegnerin abgegeben hat. Seinerzeit hat sie erklärt, der Zeuge N habe "alles in die Hand genommen", weil sie selbst zu schüchtern und unsicher gewesen sei. Nachdem die Antragstellerin im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter nicht ansatzweise einen unsicheren, schüchternen oder auch nur zurückhaltenden Eindruck hinterlassen hat, ist die weitgehende Handlungsfreiheit, die sie dem Zeugen N eingeräumt hat, nur mit einem Vertrauensverhältnis erklärbar, das über das für eine bloße Wohngemeinschaft typische hinausgeht und zumindest demjenigen einer Haushaltsgemeinschaft entspricht.

Maßgeblich für das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft sprechen auch die Umstände im Zusammenhang mit dem Umzug in die Wohnung des Zeugen N in der D. Nach dessen Angaben im Erörterungstermin ist davon auszugehen, dass er seinen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung in der T-straße frühestens im März 2006 geplant hat. Bereits am 15.03.2006 hat die Antragstellerin daraufhin ihr Mietverhältnis gleichfalls gekündigt. Der Senat ist davon überzeugt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt der gemeinsame Umzug in die D geplant gewesen ist. Denn die Einlassung der Antragstellerin im Erörterungstermin, sie habe vor dem entsprechenden Angebot des Zeugen N mindestens drei Monate lang intensiv einen Nachmieter für ihn gesucht, ist angesichts der zeitlichen Abfolge völlig unglaubhaft und wird schon dadurch widerlegt, dass bereits am 07.04.2006 der Mietvertrag über die Wohnung in der D geschlossen worden ist.

Ein weiteres starkes Indiz für zumindest eine Haushaltsgemeinschaft ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin sich bereits am 10.05.2006 - zeitgleich mit dem Zeugen N - umgemeldet hat und schon am 01.06.2006 in dessen Wohnung in der D eingezogen ist, obwohl sie nach eigenen Angaben im Erörterungstermin für den Monat Juni (auch) an den Vermieter der Wohnung in der T-straße noch ihren Mietanteil gezahlt hat.

Nicht zuletzt wird der Eindruck einer Haushaltsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen N dadurch bestätigt, dass dieser für die Antragstellerin noch ein Doppelbett und einen Kleiderschrank angeschafft hat. Dies wiegt umso schwerer, als dem Zeugen nach eigenen Angaben kaum finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden haben. So will er im gesamten Jahr 2005 aus seiner selbstständigen Tätigkeit insgesamt nur Einkünfte von 1.750,00 EUR erzielt haben.

Vor diesem Hintergrund fällt es nicht entscheidend ins Gewicht, dass die Antragstellerin und der Zeuge nach eigenen Angaben Lebensmitteln und dergleichen getrennt angeschafft haben wollen. Die dahingehende Behauptung ist bislang durch nichts belegt worden. Im Übrigen setzt auch eine Haushaltsgemeinschaft nicht voraus, dass in allen Bereichen des Lebens aus einem gemeinsamen Topf gewirtschaftet wird.

Ist somit von einer seit dem 01.04.2004 bestehenden Haushaltsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen N auszugehen, so ist die danach begründete gesetzliche Vermutung des wechselseitigen Willens zur Verantwortung und zum Einstehen füreinander (§ 7 Abs. 3a SGB II) bislang nicht widerlegt.

Zwar hat der Zeuge N das Mietverhältnis mit der Antragstellerin fristlos gekündigt, sofortigen Auszug verlangt und Räumungsklage erhoben. Diese Umstände allein rechtfertigen die Annahme der Aufgabe des gegenseitigen Einstandswillens aber noch nicht, weil sie auch durch den Wunsch motiviert sein können, weiter in den Genuss von Leistungen der Antragsgegnerin zu kommen, und für sich genommen noch keine tatsächlichen Wirkungen nach sich ziehen. Von einer Auflösung der Einstandsgemeinschaft kann danach erst dann ausgegangen werden, wenn ernsthafte tatsächliche Anstrengungen zum Auszug der Antragstellerin unternommen werden. Zwar ergeben sich solche ansatzweise aus ihrer Meldung am 27.10.2006 als Mietinteressentin bei der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft und der von ihr für den 30.10.2006 gefertigten Liste von Anrufen bei mehreren gewerblichen Vermietern. Nachhaltige weitere Anstrengungen, die zur Überzeugung des Senates auch ohne die eingeforderte Unterstützung der Antragsgegnerin möglich wären und in einer permanenten Beobachtung des Mietmarktes und dem beständigen Versuch bestehen müssten, Kontakte zu Vermietern aufzunehmen, sind jedoch nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden. Vielmehr scheinen sich die Bemühungen der Antragstellerin gegenwärtig darauf zu beschränken, die Unterstützung der Antragsgegnerin bei der Wohnungssuche durch anwaltliche Schriftsätze einzufordern. Es ist für den Senat indessen nicht ersichtlich, was die Antragstellerin an der eigenverantwortlichen Suche nach einer neuen Wohnung hindern sollte. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Alg II einschließlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) gegeben sind, sobald die Haushaltsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen N beendet ist.

Im Hinblick darauf ist der Anordnungsanspruch der Antragstellerin lediglich deshalb glaubhaft gemacht, weil nicht erkennbar ist, ob und in welcher Höhe der Zeuge N Einkünfte hat, die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei der Antragstellerin zu berücksichtigen sind. Nach der im Anschluss an den Erörterungstermin eingereichten Berechnung sind jedenfalls keine Einkünfte ersichtlich, die den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft insgesamt zu decken in der Lage wären.

Allerdings ist einzuräumen, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Zeugen N in wesentlichen Punkten unklar sind. So liegen für das Jahr 2006 noch keinerlei Angaben vor. Die Einkommensberechnung für das Jahr 2005 weist negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus, die ungeachtet dessen jedoch für das Vorhandensein entsprechenden Eigentums sprechen. Trotz seiner nach eigenen Angaben schlechten finanziellen Verhältnisse ist es dem Zeugen möglich gewesen, im Jahr 2006 eine Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 30.000 EUR zu erwerben, über dessen Finanzierung bislang nichts bekannt ist.

Diese Fragen lassen sich im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz nicht klären, zumal die Antragsgegnerin hierzu bislang keinerlei Ermittlungen angestellt hat. Im Rahmen einer Folgenabwägung hat der Senat sich daher veranlasst gesehen, die Antragsgegnerin zur Zahlung von Alg II bis zum 31.01.2007 zu verurteilen. Dabei geht er davon aus, dass die erforderlichen Informationen auf der Grundlage des § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II bis zu diesem Datum beschafft werden können. Ebenso ist anzunehmen, dass es der Antragstellerin bei entsprechender Verstärkung ihrer Bemühungen bis zum 31.01.2007 gelingen wird, zumindest Eigenbemühungen um eine neue Mietwohnung in nennenswerter Zahl gegenüber der Antragsgegnerin zu belegen. Andernfalls wird die Antragsgegnerin dies als Indiz für den Willen zur Fortführung der Haushaltsgemeinschaft werten dürfen.

Bei der Höhe der von der Antragsgegnerin zu zahlenden Leistungen hat der Senat die vereinbarten Mietzahlungen (330,00 EUR) abzüglich eines angemessenen Abschlags für die darin enthaltenen Warmwasservorauszahlungen von 5,00 EUR zu Grunde gelegt, insgesamt also 325,00 EUR, außerdem 80 % der Regelleistung von 345,00 (nämlich 276,00 EUR) abzüglich der Zahlungen des Zahnarztes Kaiser von 216,00 EUR, also monatlich 60,00 EUR. Insoweit schließt sich der Senat der Rechtsprechung des 19. Senats des Landessozialgerichts an, wonach eine Reduzierung des Zahlbetrages der Regelleistung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse - wie hier - zumindest noch nicht vollständig geklärt sind (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.12.2006, L 19 B 121/06 AS ER).

2.

Für die Dauer des Bezuges von Alg II ist die Antragstellerin in der gesetzlichen Krankenversicherung mit den sich daraus ergebenden Leistungsansprüchen pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). Einer gesonderten Anordnung bedarf es zur Gewährleistung des Krankenversicherungsschutzes der Antragstellerin daher nicht.

3.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg, soweit die Antragstellerin die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Übersendung der im Antrag näher bezeichneten Antragsformulare begehrt. Insoweit bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Hilfebedürftige, die - wie die Klägerin - nicht behindert sind, ausnahmsweise Übersendung der zur Wahrung ihrer sozialen Rechte erforderlichen Antragsformulare verlangen können. Für den Antrag fehlt der Antragstellerin nämlich bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist ihr völlig unbenommen, die Antragsgegnerin aufzusuchen und die erforderlichen Formulare dort auszufüllen. Die Sprechzeiten der Antragsgegnerin sind ausweislich ihres Internetauftritts von Montag bis Mittwoch von 8 bis 16 Uhr, donnerstags von 8 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr. Die gut 2 km entfernte Praxis des Zahnarztes Kaiser beginnt mit ihren Sprechstunden um 9 Uhr, mittwochs um 14 Uhr (www.g-f-kaiser.de). Es sind daher keinerlei Hindernisse ersichtlich, die Antragsgegnerin vor Beginn der Sprechstunde aufzusuchen. Für eine umfangreichere Beratung ist es der Antragstellerin auch unbedenklich zuzumuten, beispielsweise einen Tag Urlaub zu nehmen.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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