L 18 B 941/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 AS 494/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 941/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 14. September 2006 aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. September 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten für Un- terkunft und Heizung in Höhe von monatlich 449,26 EUR unter Anrechnung der für diesen Zeitraum bereits erbrachten Leistungen zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im gesamten Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er bei verständiger Würdigung seines Begehrens (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) den erstinstanzlich gestellten Antrag weiter verfolgt, den Antragsgegner im Wege einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2006 bis zum 30. September 2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Höhe des vollen Regelsatzes zuzüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren, ist begründet. Seinen in der Antragsschrift vom 17. Juli 2006 darüber hinaus gestellten Antrag, einen "nachprüfbaren Bescheid" über seine SGB II-Leistungen zu erteilen, hat der Antragsteller mit seiner Beschwerdeschrift nicht aufrecht erhalten; ein Anordnungsgrund hierfür wäre im Übrigen auch nicht ersichtlich.

Dem Antragsteller sind für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. September 2006 Leistungen nach dem SGB II ohne Kürzung nach § 31 SGB II zu gewähren, und zwar in Höhe von monatlich 449,26 EUR (Regelsatz von 345,- EUR - § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II – zzgl. Kosten der Unterkunft einschließlich Heizkosten von 114,23 EUR abzüglich Warmwasserpauschale von 9,97 EUR). Die Absenkungsentscheidungen des Antragsgegners sind ungeachtet dessen, ob eine derartige Absenkung auch bei einer Fortzahlungsbewilligung für einen neuen Bewilligungszeitraum bereits von dessen Beginn an zum Tragen kommen kann, rechtswidrig. Für die auf der Grundlage des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a bzw. Nr. 1c SGB II verlautbarte Absenkung um 30 v.H., die der Antragsgegner mit Bescheid vom 11. Juli 2006 um 20 v.H. zurückgenommen, d.h. in Höhe von 10 v.H. aufrecht erhalten hat, fehlt es – wie der Antragsgegner hinsichtlich der Absenkung um 30 v.H. selbst eingeräumt hat - an der nach § 31 Abs.1 Satz 1, Abs. 6 SGB II erforderlichen Rechtsfolgenbelehrung bzw. ist – für die Absenkung um 10 v.H. - eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. In den Fällen des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird in der ersten Sanktionierungsstufe das Arbeitslosengeld (Alg) II um 30 v.H. der maßgebenden Regelleistung abgesenkt. Dem Antragsgegner war somit bundesrechtlich kein Ermessen eingeräumt, das Alg II nur um einen geringeren Vomhundertsatz abzusenken. Auch eine geltungserhaltende Reduktion kommt insoweit schon deshalb nicht in Betracht, weil der Bundesgesetzgeber zwischen den Rechtsfolgen der Sanktionierungstatbestände des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II (30 v.H.) und denen des § 31 Abs. 2 SGB II (10 v.H.) erkennbar unterschieden hat. Ein Tatbestand des § 31 Abs. 2 SGB II liegt aber bei dem Antragsteller ersichtlich nicht vor. Keiner Beurteilung bedarf bei dieser Sach –und Rechtslage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Person des Klägers überhaupt vorlagen.

Die auf der "zweiten" Sanktionierungsstufe von dem Antragsgegner geregelte Minderung des Alg II um 30 v.H. erweist sich hingegen als rechtswidrig, weil gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II das Alg II bei wiederholter Pflichtverletzung zusätzlich um jeweils den Vomhundertsatz gemindert wird, um den es in der ersten Stufe gemindert wurde. Im Falle des Antragstellers hätte daher ohnehin nur eine weitere Absenkung um 10 v.H. erfolgen dürfen, die aber auch insoweit jedenfalls deshalb rechtswidrig war, weil es bereits an einer rechtmäßigen Kürzung auf der ersten Stufe fehlt. Schließlich ist die letztlich verlautbarte Verwaltungsentscheidung des Antragsgegners über eine Absenkung um insgesamt 40 v.H. auch im Hinblick auf § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II rechtsfehlerhaft ergangen. Denn der Antragsgegner hätte wegen der Absenkung der Regelleistung um mehr als 30 v.H. zugleich nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden müssen, ob in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen an den Antragsteller zu erbringen sind.

Der zu fordernde Anordnungsgrund folgt aus dem existenzsichernden Charakter der SGB II-Leistungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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