S 28 AY 9/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AY 9/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin E, F wird abgelehnt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von erhöhten Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Die Antragsteller sind türkische Staatsangehörige und ihr Aufenthalt im Bundesgebiet ist ausländerrechtlich geduldet. Sie stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG. Sie beziehen als Familie Grundleistungen in Höhe von ca. 1536,38 Euro monatlich (Leistungsbescheid vom 21.6.2006). Die Kosten für die von den Antragstellern bewohnte Unterkunft im städtischen Übergangsheim (Nutzungsgebühren inklusive Nebenkosten) werden von der Antragsgegnerin übernommen und direkt an das zuständige Ordnungsamt angewiesen. Die Antragsteller zu 1) bis 7) beziehen seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 1999 bzw. die Antragsteller zu 8) und 9) seit ihrer Geburt Asylbewerberleistungen von der Antragsgegnerin. Die ihnen gewährten Grundleistungen wurden von Anfang an um einen Anteil für Energiekosten gekürzt, wobei es sich hierbei ausweislich des Leistungsbescheides vom 21.6.2006 momentan um Beträge in Höhe von 20,45 Euro für den Antragsteller zu 1) und 10,23 Euro für die Antragstellerin zu 2) sowie 2,56 Euro für die übrigen Antragsteller handelt. Der von den Antragstellern zu 1) und 2) unter dem 29.10.1999 gestellte Asylantrag und der von den Antragstellern zu 1) bis 7) unter dem 23.10.2000 gestellten Asylfolgeantrag blieben erfolglos. Am 30.8.2000 bzw 18.4.2001 wurden die entsprechenden Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Seit dem 10.1.2001 sind die Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig. Für die im Bundesgebiet geborenen Antragsteller zu 8) und 9) wurden unter dem 22.8.2005 Asylanträge gestellt. Der Antrag des Antragstellers zu 8) ist rechtskräftig abgelehnt (8.10.2005).

Die Antragstellerin zu 2) leidet an einer Atemwegserkrankung (Sarkoidose der Lunge, Lungentuberkulose) und befand sich wegen dieser Erkrankung im Jahre 2000/Anfang 2001 längere Zeit und in der Folgezeit wiederholt in stationärer Krankenhausbehandlung. Der Antragsteller zu 5) leidet an einer Augenerkrankung (chron. Uvetitis und Sekundärglaukom) mit hochgradiger Sehschwäche und befand sich in den Jahren 2001, 2002 lange Zeiträume und in der Folgezeit wiederholt in stationärer Behandlung und muss sich einer regelmäßigen (ambulanten) augenärztlichen Behandlung unterziehen.

Die Antragstellerin zu 2) und der Antragsteller zu 5) stellten im Jahr 2002 einen Wiederaufnahmeantrag wegen gesundheitsbedingter Abschiebehindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 Ausländergesetz (AuslG). Das Verfahren blieb für die Antragsteller erfolglos und wurde unter dem 25.8.2006 rechtskräftig abgeschlossen. Es wurde festgestellt, dass die Krankheitsbilder der Antragsteller in der Türkei behandelbar seien (Schreiben des Bundesamtes vom 22.11.2002, Bl. 375 der Verwaltungsakten).

Nach Mitteilungen der Ausländerbehörde (11.10.2004 und 18.11.2004, Bl. 505, 511 der Verwaltungsakten) legten die Antragstellerin zu 2) und der Antragsteller zu 5) in der Vergangenheit der Ausländerbehörde wiederholt ärztliche Atteste vor. Bei einer darauf hin erfolgten amtsärztlichen Untersuchung im Jahr 2004 wurde bei den Antragstellern Reise- und Flugfähigkeit festgestellt.

Die Antragsteller erhoben am 27.9.2006 Widerspruch gegen die laufenden Zahlungen. Sie hätten seit langem einen Anspruch auf Leistungen gemäß § 2 AsylbLG, denn sie erfüllten die 36monatige Wartezeit und beeinflussten die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Antragsgegnerin hielt daraufhin Nachfrage ihrem Ausländeramt, ob die Dauer des Aufenthaltes durch die Antragsteller rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst worden sei. Mit Schreiben vom 24.10.2006 teilte die Ausländerbehörde mit, nach der ihr vorliegenden Informationen seien die Antragsteller nicht im Besitz von Nationalpässen. Aufgrund der Passlosigkeit bestehe ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Bereits mit Niederschrift vom 13.10.2000 sei der Antragsteller zu 1) aufgefordert worden, die Ausstellung eines Passes bei der Botschaft zu beantragen und der Behörde eine Bescheinigung über die Passbeschaffung vorzulegen. Es lägen keine Nachweise vor, dass die Antragsteller im Besitz gültiger Nationalpässe sind bzw. die Ausstellung derselben oder Passersatzpapiere beantragt hätten. Die Antragsteller zu 1) und 2) seien auf ihren Antrag am 26.3.2002 und 20.4.2004 dem türkischen Generalkonsulat Düsseldorf zwecks Ausstellung eines Heimreisedokuments vorgeführt worden. Die Ausländerbehörde hat die von dem Antragsteller zu 1) unterzeichnete Niederschrift vom 13.10.2000 zu den Verwaltungsakten gereicht.

Die Antragsteller haben am 19.10.2006 Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erhoben. Sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch lägen in ihrem Fall vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei die Gewährung der deutlich abgesenkten Leistungen nach § 3 AsylbLG nur für eine vorübergehende Zeit vorgesehen und nicht dauerhaft zumutbar. Eine Leistungseinschränkung sei nur insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG nicht vorlägen. Dies sei jedoch hier der Fall. Sie hätten einen erheblichen Nachholbedarf angesichts der weit über 36 Monate bezogenen gekürzten Leistungen. Ein weiteres Abwarten sei ihnen nicht zumutbar. Sie hätten auch einen Anspruch auf die Leistungen. Denn sie hätten über einen längeren Zeitraum als 36 Monate die nach § 3 AsylbLG , wenn nicht sogar nach § 1a AsylbLG gekürzten Leistungen bezogen. Die Dauer ihres Aufenthaltes hätten sie nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst, da noch nicht feststünde, ob die für eine Abschiebung erforderliche Reisefähigkeit bestünde. Soweit nicht feststünde, ob trotz Ausreisepflicht, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (Reiseunfähigkeit) vorlägen, könne ihnen eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung ihres Aufenthaltes nicht entgegengehalten werden.

Die Antragsteller beantragen,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihnen vorläufig ab Antragseingang Leistungen gemäß § 2 AsylbLG bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch vom 26.9.2006 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie macht im wesentlich geltend, zwar sei der Tatbestand des 36-monatigen Leistungsbezuges erfüllt. Die Antragsteller hätten jedoch die Dauer ihres Aufenthaltes durch die fehlende Mitwirkung bei der Beschaffung von Nationalpässen bzw. Passersatzpapieren rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Sie hätten gegen ihre Mitwirkungspflicht aus § 82 AufenthG in Verbindung mit § 3 AufenthG verstoßen. Wegen der Passlosigkeit der Antragsteller bestehe ein Abschiebehindernis nach § 60 a Abs. 2 AufenthG. Bis heute könne nicht festgestellt werden, dass die Antragsteller sich um Passpapiere bemüht hätten. Die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2) und des Antragstellers zu 5) würde überprüft.

Auf Nachfrage des Gerichtes hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14.12.2006 mitgeteilt, die durchgeführte amtsärztliche Untersuchungen der Antragstellerin zu 2) und des Antragstellers zu 5) habe ergeben, dass die Antragsteller prinzipiell reisefähig seien. Im Rahmen der Abschiebung bedürfe es Vorsorgemaßnahmen (z.B. ärztliche Begleitung).

Die Antragsteller haben mit Schreiben vom 14.12.2006 ergänzend mitgeteilt, sie fielen nunmehr unter die neue Bleiberechtsregelung und ihnen drohe auch aus diesem Grunde zunächst bis zum 30.9.2007 keine Abschiebung.

Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, die Antragsteller gehörten aufgrund der Tatsache, dass der Einreisestichtag erfüllt sei, zum potentiellen Personenkreis, der unter den Erlass des Innenministeriums NRW vom 20.11.2006 falle. Ihr Aufenthalt sei daher bis zum 30.9.2007 zu dulden. Der Ausländerbehörde liege jedoch noch kein Antrag der Antragsteller auf Erteilung einer Duldung oder Aufenthaltsgenehmigung vor. Grundvoraussetzung sei auch in diesem Fall, dass die Ausländer ihrer Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Pässen oder Ersatzpapieren nachkämen.

Mit Schreiben vom 23.1.2007 haben die Antragsteller ergänzend vorgetragen, von Seiten der zuständigen Ausländerbehörde musste vor Einleitung konkreter Vollstreckungsmaßnahmen ihre Reisefähigkeit überprüft werden. Der Verstoß gegen irgendwelche Mitwirkungspflichten bezüglich einer Passbeschaffung sei daher für ihren Verbleib während dieser Prüfungsphase nicht kausal und somit nicht rechtsmissbräuchlich (LSG NRW vom 8.5.2006 – L 20 B 9/06 AY ER -; SG Düsseldorf vom 19.7.2006 – S 29 AY 3/06 ER -).

Die Antragsgegnerin hat erwidert, es sei für die Frage der leistungsrechtlichen Besserstellung nach § 2 AsylbLG ohne rechtlichen Bedeutung, ob tatsächliche oder rechtliche Gründe einer Beendigung des Aufenthaltes des Ausländers im Bundesgebiet entgegenstünden. Maßgebend sei allein, ob die Dauer des Aufenthaltes von dem Leistungsberechtigten selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden sei. Erhöhte Leistungen seien daher ausgeschlossen, wenn eine Ausreise aus dem Bundesgebiet andernfalls zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, also ein kausaler Zusammenhang zwischen dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten und der Aufenthaltsbeendigung bestünde (LSG Niedersachsen Bremen vom 20.12.2005 – L 7 AY 40/05 -).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Streitakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

1.Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.

Prozesskostenhilfe ist nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 f Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag zu gewähren, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe scheidet -ungeachtet der Frage nach der Bedürftigkeit der Antragsteller- aus, da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg ist. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter 2. verwiesen.

2. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin liegen nicht vor.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der geltend gemachte Anspruch auf die begehrten Leistungen (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die einschränkte gerichtliche Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im einstweiligen Verfahren (LSG NRW Beschluss vom 14.6.2005 – L 1 B 2/05 AS ER -).

Sowohl Anordnungsanspruch (1) als auch Anordnungsgrund (2) liegen nach der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage im Fall der Antragsteller nicht vor.

(1)Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Gewährung von erhöhten Leistungen nach § 2 AsylbLG haben.

Nach § 2 AsylbLG ist das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (Sozialhilfe -SGB XII-) abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (Abs. 1). Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält (Abs. 3).

Die Antragsteller zu 1) und 2) als Eltern – auf die gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG maßgebend bei der rechtlichen Prüfung abzustellen ist - erfüllen unstreitig den gesetzlich geforderten 36-monatigen Bezug von Leistungen nach dem § 3 AsylbLG. An dieser Stelle weist das Gericht darauf hin, dass die Antragsteller nicht – wie ihre Bevollmächtigte vermutet - gekürzte Leistungen nach § 1a AsylbLG beziehen. Vielmehr sind die bewilligten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG offensichtlich um den Anteil der in der städtischen Unterkunft anfallenden Energiekosten gekürzt worden. Kosten für die Energielieferung sind von den Grundleistungen umfasst. Die Energiekosten werden von Seiten der Antragsgegnerin offensichtlich zusammen mit den Kosten der Unterkunft (Nutzungsgebühren für die städtische Unterkunft) von direkt an das zuständige Ordnungsamt abgeführt.

Nach dem bisherigen Akteninhalt spricht mehr dafür als dagegen, dass die Antragsteller zu 1) und 2) ihren Aufenthalt im Bundesgebiet selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben. Was unter rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 AsylbLG zu verstehen ist, ist weder in der Vorschrift selbst noch an anderer Stelle im AsylbLG definiert, ergibt sich jedoch aus den Gesetzesmaterialien (BR-Drucks. 22/03, Bl. 295ff). Die im Hinblick auf die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 (Amtsblatt der EU vom 6.2.2003 – L 31/18), die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten festlegt, erfolgte Neufassung des § 2 AsylbLG verfolgt die Zielsetzung, die Fälle missbräuchlicher Asylantragstellung weiter einzuschränken, was schließlich zur Reduzierung der Anträge und damit insgesamt zur einer Verfahrensbeschleunigung führen soll (BR-Drucks. aaO, Bl. 296). Vor diesem Hintergrund ist rechtsmissbräuchlich ein Verhalten des Leistungsberechtigten, welches generell geeignet ist, die Dauer des Aufenthaltes zu beeinflussen. Es muss sich um ein vorwerfbares, rechtlich zu missbilligendes Verhalten handeln, das Einfluss auf die Aufenthaltsdauer des Ausländers im Inland hat. Zu fordern ist ein Verhalten, dass erkennbar der Verfahrensverzögerung und damit der Aufenthaltsverlängerung dient (LSG NRW Beschluss vom 8.5.2006 – L 20 B 14/06 AY ER -).

Die Erwägungen zugrundegelegt, dürfte die Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet von den Antragsteller zu 1) und 2) selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden sein. Ob eine Rechtsmissbräuchlichkeit bereits aufgrund des erfolglos gebliebenen Asylfolgeantrages vom 23.10.2000 als erfüllt anzusehen ist (vgl. Bayerisches LSG 11. Senat, Beschluss vom 28.76.2005 – L 11 B 212/05 AY ER - im Fall von zwei erfolglosen Asylfolgeanträgen), lässt das Gericht dahinstehen. Die rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer folgt jedenfalls daraus, dass die seit dem 10.1.2001 vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller zu 1) und 2) ausweislich der Mitteilung des Ausländeramtes der Antragsgegnerin vom 24.10.2006 nicht im Besitz von Nationalpässen sind und trotz bereits unter dem 13.10.2000 erfolgter behördlicher Aufforderung bislang keine Nachweise über die Beantragung oder Erlangung von Pässen oder Passersatzpapieren vorgelegt haben. Aufgrund der Passlosigkeit besteht nach Auskunft der Ausländerbehörde ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 a Abs. 2 AufenthG. Die Antragsteller zu 1) und 2) kommen ihrer Mitwirkungspflicht zur Beschaffung der Reisedokumente nicht nach. Nach § 82 Abs. 1 AufenthG sind sie aber verpflichtet, die erforderlichen Bescheinigungen, die sie erbringen können, unverzüglich beizubringen. In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die fehlende Mitwirkung des ausreisepflichtigen Ausländer bei der Beschaffung der notwendigen Reisedokumente (Pass, Passersatz), um eine Duldung zu erzwingen, als rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer zu werten ist (LSG Niedersachsen- Bremen, Urteil vom 20.12.2005 - L 7 AY 40/05 -; SG Hannover, Beschluss vom 25.4.2005 – S 51 AY 42/05 ER -; SG Düsseldorf, Beschluss vom 4.10.2006 – S 24 AY 9/06 ER -). Die Antragsteller haben ihre fehlenden Bemühungen in Bezug auf das Erlangen von Passpapieren unbestritten gelassen. Gründe, weshalb sie bislang gehindert gewesen sein sollten, die Passpapiere bei der zuständigen Landesvertretung zu beantragen bzw. zu erlangen, haben sie nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Durch ihr Verhalten bezweckten und bezwecken die Antragsteller offensichtlich eine nicht gerechtfertigte Verlängerung ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet. Auch die bereits zweimalige, von der Ausländerbehörde veranlasste Vorführung der Antragsteller zu 1) und 2) im türkischen Generalkonsulat in den Jahren 2002 und 2004 zeigt, dass sie nicht gewillt sind, ihrer Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Passpapieren nachzukommen. Durch ihre Weigerungshaltung haben die Antragsteller zu 1) und 2) vorwerfbar und damit rechtsmissbräuchlich die Dauer ihres Aufenthaltes selbst beeinflusst. Eine andere Beurteilung ist auch nicht zu erwägen, weil andere tatsächliche oder rechtliche Gründe/Hindernisse der Ausreise bzw. der Abschiebung der Antragsteller entgegenstünden. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (9b. Senat) ist eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG (auch) gegeben, wenn ein ausreisepflichtiger Leistungsberechtigter nicht in sein Heimatland zurückkehrt, ohne einen wichtigen Grund hierfür zu haben (vgl. Terminbericht 1/07 des BSG vom 13.2.2007 über das Ergebnis der mündlichen Verhandlungen am 8.2.2007 in den Revisionsverfahren B 0b AY 0/00 R; B 0b AY 0/00 R; B 0b AY 0/00 R-; die Entscheidungen des BSG liegen bislang nicht in vollständiger Ausfertigung vor). Im Fall der vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller zu 1) und 2) können wichtige Gründe, die gegen eine Rückkehr in die Türkei sprechen könnten, nicht gesehen werden. Eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2) und des Antragstellers zu 5) (als zu betreuendes Kind) hat sich nicht bestätigt. Nach dem Ergebnis der kürzlich durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung besteht Reisefähigkeit der Antragsteller, es sind im Rahmen der Abschiebung Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Auch die in der Vergangenheit liegenden längeren stationären Krankenhausaufenthalte der Antragstellerin zu 2) in den Jahren 2000/2001 und des Antragstellers zu 5) in den Jahren 2001/2002 rechtfertigen keine andere Sichtweise, denn in den Folgejahren kam es nur noch zu kürzeren stationären Aufenthalten und eine Rückkehr der Antragsteller in die Türkei dürfte bei Vorlage der notwendigen Reisedokumente möglich gewesen sein. Dafür spricht das aktenkundige Ergebnis der im Jahr 2004 durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung, wonach bei der Antragstellerin zu 2) und dem Antragsteller zu 5) seinerzeit Reise- und Flugfähigkeit gegeben waren. Im von der Antragstellerin zu 2) und dem Antragsteller zu 5) erfolglos betriebenen Wiederaufnahmeverfahren wegen gesundheitlicher Abschiebehindernisse (§ 53 AuslG) ist zudem festgestellt worden, dass die Krankheitsbilder der Antragsteller auch in der Türkei behandelbar seien. Bei dieser Sachlage kann das Gericht nicht erkennen, dass die Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen an der Rückkehr in ihr Heimatland gehindert waren. Auch dürften die Regelungen des Erlasses des Innenministeriums (IM) NRW vom 11.12.2006 zur Umsetzung des Beschlusses zu TOP 6 der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 17.11.2006 (Anordnungen nach § 23 Abs. 1 und § 60 a Abs. 1 AufenthG), der den Erlass des IM NRW vom 20.11.2006 ersetzt hat, nicht als wichtiger (rechtlicher) Grund zu sehen sein, welcher die Antragsteller von der Pflicht entbindet, in ihr Heimatland zurückzukehren, auch nicht vorübergehend bis zum 30.9.2007. Soweit der Erlass vom 11.12.2006 in Ziffer 2 eine vorübergehende Aussetzung der Rückführung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer anordnet, dürften die Antragsteller die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllen. Nach Ziffer 2 des Erlasses vom 11.12.2006 ist gemäß § 60 a AufenthG die Rückführung der Ausländer, die zumindest die Integrationskriterien der Ziffern 1.1.1 (Aufenthaltsdauer) und ggf. 1.1.5 (Schulbesuch der Kinder) erfüllen und bei denen Ausschlusstatbestände der Ziffer 1.4 nicht vorliegen, bis zum 30.9.2007 ausgesetzt. Zwar erfüllen die Antragsteller die Voraussetzungen der Ziffer 1.1.1 des Erlasses, denn sie haben sich am Stichtag des 17.11.2006 mindestens sechs Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten und leben als Personensorgeberechtigte in Haushaltsgemeinschaft mit mindestens einem minderjährigen Kind, das den Kindergarten oder die Schule besucht. Bei ihnen dürfte jedoch ein Ausschlusstatbestand nach Ziffer 1.4.3 gegeben sein. Von der Privilegierung durch den Erlass sind Ausländer ausgeschlossen, die (u.a.) die behördlichen Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert haben. Erforderlich ist ein gezieltes und nachhaltiges Unterlaufen der Aufenthaltsbeendigung, z.B. durch die beharrliche Weigerung der Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Vor dem Hintergrund, dass die Antragsteller trotz ausdrücklicher schriftlicher Aufforderung von Seiten der Ausländerbehörde zur Beantragung von Passpapieren am 13.10.2000 in der Folgezeit ohne sachlichen Grund jegliche Bemühungen in dieser Hinsicht unterließen und angesichts des Umstandes, dass von Seiten der Ausländerbehörde bereits zweimal eine zwangsweise Vorführung der Antragsteller zu 1) und 2) im türkischen Generalkonsulat veranlasst werden musste, spricht mehr dafür als dagegen, dass die Antragsteller zu 1) und 2) sich nachhaltig, d.h. beharrlich weigern, an der Beschaffung von Passpapieren mitzuwirken und dadurch behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert bzw. behindert haben. Schließlich ergibt sich keine andere Einschätzung bei Berücksichtigung der Argumentation der Antragsteller, vor Einleitung von konkreten Vollstreckungsmaßnahmen habe ihre Reisefähigkeit überprüft werden müssen und der Verstoß irgendwelcher Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung sei für ihren Verbleib während der Prüfungsphase der Reisefähigkeit nicht kausal und daher nicht rechtsmissbräuchlich. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Allein die Stellung eines Antrages auf Feststellung eines Hindernisses an der Ausreise bzw. eines wichtigen Grundes für die Nichtrückkehr in das Heimatland und die anschließende Prüfung des Antrages durch die zuständige Behörde kann nicht die Feststellung einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes durch den Ausländer beseitigen, jedenfalls dann nicht , wenn der Antrag erfolglos bleibt. Andernfalls hätte es der ausreisepflichtige Ausländer selbst in der Hand, die rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer seines Aufenthaltes durch das bloße (und ggf. wiederholte) Stellen von (aussichtslosen) Anträgen auf Feststellung von Hindernissen an der Ausreise "zu heilen". Dies würde der Intention des Gesetzes, hinsichtlich der Gewährung von erhöhten Sozialleistungen zwischen denjenigen Ausländern zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen können und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen, zuwiderlaufen.

Liegen demnach die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG hinsichtlich der Antragsteller zu 1) und 2) nicht vor, besteht ein Anspruch auf erhöhte Leistungen gemäß § 2 Abs. 3 AsylbLG auch nicht für die minderjährigen Antragsteller zu 3) bis 9). (2) Auch ein Anordnungsgrund liegt nicht vor. Dass im Fall der Antragsteller eine akute, existenzielle Not besteht, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnte, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Die Grundversorgung der Familie ist gewährleistet. Besondere Härten haben die Antragsteller weder substantiiert vortragen noch glaubhaft gemacht. Sie erhalten seit Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem AsylbLG im Jahr 1999 zum Bestreiten des alltäglichen Lebensunterhaltes ausschließlich Barmittel, aktuell in Höhe von 1536,38 Euro monatlich. Aus diesen Barmitteln müssen von den Antragstellern keine Kosten für die Energieversorgung ihrer Unterkunft mehr aufgebracht werden. Die Kosten der Unterkunft werden zusätzlich von der Antragsgegnerin übernommen. Das gleiche gilt für Hilfen im Falle von Krankheit und der Notwendigkeit ärztlicher Behandlungen. Auch werden der Familie wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich weitergehende Hilfen zur Deckung besonderer Bedürfnisse (Kosten anlässlich der Einschulung der Kinder, Kosten für Schulfahrten der Kinder etc.) von Seiten der Antragsgegnerin gewährt, so dass für das Gericht nicht erkennbar ist, inwieweit der notwendige, unerlässliche Lebensunterhalt der Antragsteller nicht sichergestellt und ihnen ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar sein sollte. Der Vortrag der Antragsteller, sie hätten aufgrund der überlangen Gewährung von Leistungen nach dem § 3 AsylbLG einen Nachholbedarf, ist in dieser Allgemeinheit unsubstantiiert und daher unbeachtlich. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des LSG NRW (dort wohl insbesondere des 20. Senates) zu den Anforderungen an den Anordnungsgrund in Verfahren, in denen die vorläufige Gewährung von erhöhten Leistungen nach § 2 AsylbLG begehrt wird. Danach kann der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung in diesen Fällen dann nicht mit der Begründung des fehlenden Anordnungsgrundes versagt werden, wenn der Anordnungsanspruch nach dem Ergebnis der summarischen Prüfung nicht zweifelhaft ist (LSG NRW 8.5.2006 – L 20 B 9/06 AY ER - m.w.N.). Dies liegt hier nicht vor, denn ein Anordnungsanspruch für die Antragsteller kann nicht festgestellt werden. Angesichts dieser Erwägungen erscheint es gerechtfertigt und den Antragstellern zumutbar, sie einstweilen auf den Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu verweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG analog.
Rechtskraft
Aus
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