S 30 SO 2/07 ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
30
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 30 SO 2/07 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird nach teilweiser Abhilfe der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Gründe:

Der am 19.01.2007 beim Sozialgericht Lübeck gestellte Antrag des Antragstellers, der sich nach Übernahme der Sozialhilfeleistung ab dem 01.10.2006 und der Leistungen der Erstausstattung sinngemäß darauf reduziert hat,

1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Mietkaution in voller Höhe für den Umzug des Antragstellers wegen vorheriger Kündigung der bisherigen Unterkunft durch die Vermieterin zu übernehmen sowie 2. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bereits ab dem 27.09.2006 zu gewähren und 3. dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen

ist zulässig aber nicht begründet. Die statthafte Antragsart richtet sich nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da der Antragsteller die Bewilligung von Leistungen begehrt. Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, d.h. ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich dabei auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im so genannten summarischen Verfahren (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 8. Auflage 2005, § 86 b Rn. 16 b, c). In einem Anordnungsverfahren einstweilen zugesprochene Mittel werden in aller Regel verbraucht und können, abgesehen von Ausnahmefällen, nach einer etwaigen Aufhebung der Anordnung oder gegenteiligen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr zurückgezahlt werden. Rein faktisch – wenn auch nicht rechtlich – werden somit im Eilverfahren regelmäßig vollendete Tatsachen geschaffen; daher muss die Wahrscheinlichkeit eines Anspruchs auf die begehrte Leistung sehr hoch sein. Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Antragsteller weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft machen können.

Hinsichtlich der Regelleistung für die Zeit vom 27.09.2006 bis zum 30.09.2006 fehlt es an einem Anordnungsgrund. Die Antragsgegnerin hat die Leistung mit Bescheid vom 30.01.2007 abgelehnt, da der Antragsteller anders als ab dem 01.10.2006 bis zum 06.10.2006 über hinreichendes Einkommen verfügte, um seinen Lebensunterhalt sicher zu stellen. Da das einstweilige Anordnungsverfahren lediglich dazu dient, eine gegenwärtige Notsituation zu beseitigen, können vergangene Leistungszeiträume wie hier grundsätzlich mangels Eilbedürftigkeit nicht Gegenstand eines Eilverfahrens sein.

Auch hinsichtlich der Mietkaution ist bereits zweifelhaft, ob die erforderliche Eilbedürftigkeit vorliegt. Zwar trägt der Antragsteller nachweislich der eingereichten Darlehensvereinbarung vom 31.08.2006 vor, monatlich 30,00 EUR an Frau C H zur Rückzahlung der von Frau H ausgezahlten Mietkaution in Höhe von 550,00 EUR begleichen zu müssen. Es ist allerdings anzumerken, dass dem Antragsteller diese Begleichung in den letzten Monaten offensichtlich auch möglich war. Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch eine Übernahme der Mietkaution durch den Sozialhilfeträger lediglich darlehensweise erfolgt. Zwar wird in einem solchen Fall von einer monatlichen ratenweise Zurückbehaltung der Sozialhilfeleistungen abgesehen und vielmehr eine Abtretung des Anspruchs auf Rückzahlung der Mietkaution vereinbart. Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass eine solche vergleichbare Abtretungsvereinbarung nicht auch zwischen Frau H und dem Antragsteller getroffen werden könnte.

Ungeachtet dieser Zweifel an dem Anordnungsgrund hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Übernahme der Mietkaution durch die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 7 und 8 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) können Wohnungsbeschaffungskosten und Mietkautionen bei vorheriger Zustimmung übernommen werden. Eine Zustimmung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

Zum einen ist anzumerken, dass einer vorläufigen Entscheidung durch das Gericht bereits eine ablehnende bestandskräftige Entscheidung der Antragsgegnerin entgegensteht. Den Antrag des Antragstellers durch seine Prozessbevollmächtigte vom 10.07.2006 hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 01.08.2006 abgelehnt. Der Bescheid enthält eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung. Da kein fristgerechter Widerspruch eingelegt worden ist, ist dieser Bescheid bestandskräftig und lässt für eine vorläufige Eilentscheidung durch das Gericht keinen Raum mehr.

Darüber hinaus besteht vor dem Hintergrund der sich auf den Grundsatz der Gegenwärtigkeit der Sozialhilfeleistungen beruhenden Regelung der örtlichen Zuständigkeit kein materiell rechtlicher Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin. Der Antragsgegner wandte sich erstmals am 27.09.2006 an die Arbeitsgemeinschaft der Hansestadt Lübeck. Diesen Zeitpunkt rechnet sich die Antragsgegnerin gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu. Den Mietvertrag hatte der Antragsteller jedoch bereits am 12.09.2006 mit Beginn des Mietverhältnisses zum 01.10.2006 unterschrieben. Laut Bestätigung von Frau C H vom 31.08.2006 übernahm diese zu diesem Zeitpunkt "leihweise" die Mietkaution des Antragstellers. Der vom Antragsteller eingereichte Überweisungsträger bestätigt eine Überweisung der Mietkaution an die Vermieterin am 12.09.2006. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Sozialhilfe der Träger örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Im Zeitpunkt der Überweisung der Mietkaution und damit des bestehenden gegenwärtigen Bedarfes hielt sich der Antragsteller noch in Lingen (Ems) auf. Ferner wird vertreten, dass bei Umzugskosten grundsätzlich der Träger des Wegzugsortes für die entstehenden Auslagen zuständig ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 05.03.1998, Az.: 5 C 12/97, in FEVS 48, 433). Erst ab dem Umzug soll dann der für den neuen Aufenthaltsort zuständige Sozialhilfeträger zuständig sein (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz SGB XII-Kommentar, § 29 RdNr. 24). Auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung, dass bei Mietkautionen hinsichtlich der Zuständigkeit des Leistungsträgers auf die Fälligkeit der Kaution abzustellen ist, besteht kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin. Zwar ist § 4 des Mietvertrages vom 12.09.2006 mit der W W GmbH nicht zu entnehmen, wann die Mietkaution in Höhe von 555,00 EUR fällig wird. Die frühzeitige Zahlung durch den Antragsteller spricht jedoch dafür, dass die Vermieterin bereits vor Einzug die Mietkaution mit der Folge verlangte, dass die örtliche Zuständigkeit in Lingen bestand.

Schließlich bestehen die bereits beim erforderlichen Anordnungsgrund diskutierten Zweifel an einer gegenwärtigen Bedarfslage. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Selbsthilfegrundsatz nach § 2 Abs. 1 SGB XII. Sozialhilfe erhält danach nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistungen von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dem Antragsteller ist es zuzumuten und anzuraten, sich darum zu bemühen, die monatliche Ratenzahlung im Rahmen einer Abtretungsvereinbarung mit Frau H hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs der Mietkaution einzustellen.

Nach alledem hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach der Abhilfe der Antragsgegnerin hinsichtlich des Leistungsbeginns sowie der Erstausstattung der Wohnung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass die Abhilfe durch die Antragsgegnerin hinsichtlich der Erstausstattung erst mit Bescheid vom 30.01.2007 und damit nach Antragstellung bei Gericht erfolgte.

Da nach der umgehenden Abhilfe durch die Antragsgegnerin die weitere Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg mehr hatte, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ungeachtet der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers abzulehnen, vgl. § 73 a SGG i. V. m. § 114 ZPO.
Rechtskraft
Aus
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