L 9 AS 284/06 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 26 AS 620/06 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 284/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Arbeitseinkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (§ 15 SGB IV) ist grundsätzlich für das Kalenderjahr zu ermitteln und gleichmäßig auf 12 Kalendermonate zu verteilen (§ 2a Abs. 2 S. 1 Alg II-V i.d.F. ab 1.10.2005 - Alg II-V 2005). Nach § 2a Abs. 2 S. 2 Alg II-V 2005 sind Jahresabschnitte ohne Arbeitseinkommen nicht zu berücksichtigen, wenn das fehlende Einkommen nicht auf die typischerweise mit Einkommensschwankungen verbundene selbstständige Tätigkeit zurückzuführen ist, sondern auf einem davon abweichenden Umstand beruht.

2. Der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB III ist im Gegensatz zum Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III grundsätzlich nicht als Einkommen bei Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 Nr. 1.a SGB II). Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn mit der geförderten selbstständigen Tätigkeit bereits ein Einkommen erzielt wird, dessen Höhe auch unterhalb der Fördergrenze von 25.000,00 € jährlich es sachgerecht erscheinen lässt, jedenfalls eine Teilanrechnung vorzunehmen, um eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung gegenüber anderen zu vermeiden.
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 23. Oktober 2006 geändert und der Antragsgegner vorläufig verpflichtet, an die Antragsteller Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines einzusetzenden Einkommens in Höhe von 659,24 EUR monatlich für den Zeitraum vom 14. September 2006 bis zum 31. Mai 2007 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Beschwerde der Antragsteller und die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.

III. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts C., C-Stadt, ohne Ratenzahlung ab Antragstellung bewilligt.

Gründe:

I.

Hintergrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens über Grund und Höhe des zu zahlenden Arbeitslosengeldes II bilden die Fragen, in welcher Höhe Einkommen (Existenzgründungszuschuss und Arbeitseinkommen) bei der Bedürftigkeitsprüfung für die Gewährung der Regelleistung nach dem SGB II sowie ein Abzug für die Warmwasseraufbereitung bei dem Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen ist.

Die 1982 geborene Antragstellerin und der 1977 geborene Antragsteller wohnen als eheähnliche Lebensgemeinschaft in einer gemeinsamen Unterkunft.

Der Antragsteller übte zunächst jedenfalls ab Anfang 2006 ein Fuhrgewerbe mit eigenen Fahrzeugen und eigenen angestellten Fahrern unter dem Namen "G." (Gewerbe zu 1) aus. Da er das Gewerbe nicht Gewinn bringend ausüben konnte, verrichtete er ab Mitte Mai 2006 die Dienstleistungen als Fahrer bzw. Frachtführer ohne eigenen Fuhrpark und angestellte Fahrer unter dem Namen "www.I.de" (Gewerbe zu 2). Er meldete hierfür ein neues Gewerbe mit Sitz in A-Stadt am 15. Mai 2006 an. Den ersten Leistungsantrag der Antragsteller vom 12. April 2006 auf Zahlung von Arbeitslosengeld II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 22. Mai 2006 mangels Mitwirkung der Antragsteller gemäß § 66 SGB I mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen ab. Die Antragstellerin meldete am 26. Juni 2006 das Gewerbe "K. etc." an und übte es als selbstständige Tätigkeit aus. Deswegen schied sie aus dem Arbeitslosengeld-Bezug bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) aus. Zugleich bewilligte die BA ihr mit Bescheid vom 16. August 2006 für den Zeitraum vom 26. Juni 2006 bis zum 25. Juni 2007 einen Existenzgründungszuschuss in Höhe von 600,00 EUR monatlich.

Die Antragstellerin stellte am 27. Juli 2006 einen weiteren Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld II für sich und den Antragsteller. Dabei legte sie einen Mietvertrag vom 12. Oktober 2005 vor, in dem unter § 4 formularmäßig festgelegt ist, die Warmwasseraufbereitung gehöre zu den umlagefähigen Betriebskosten. Der Mietbescheinigung des Vermieters vom 13. August 2006 ist hingegen zu entnehmen, eine Warmwasseraufbereitung erfolge durch die Heizungsanlage nicht. Weiter legten sie eine Bescheinigung des Unternehmensberaters vom 12. August 2006 vor, nach der das Betriebsergebnis des Gewerbes des Antragstellers für den Zeitraum von Mai 2006 bis Juli 2006 2.797,59 EUR vor Steuern betrage. Als Jahres-Betriebsergebnis ergebe sich danach vor Steuern ein Gesamtbetrag von 11.190,36 EUR und damit ein monatlich verfügbares Einkommen in Höhe von rund 880,00 EUR. Für das Jahr 2006 sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in den ersten vier Monaten des Jahres kein Einkommen erzielt habe. Auf das Jahr hochgerechnet ergebe sich für 12 Monate deshalb nur ein monatlich verfügbares Einkommen in Höhe von rund 625,00 EUR.

Am 14. September 2006 haben sich die Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens wegen der Zahlung vorläufiger Leistungen an das Sozialgericht Gießen gewandt. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II stünden ihnen zu. Dem Bedarf in Höhe von 622,00 EUR zuzüglich KdU in Höhe von 500,00 EUR monatlich stünden nur ein Einkommen des Antragstellers in Höhe von 625,00 EUR monatlich gegenüber. Der Existenzgründungszuschuss sei nicht anzurechnen. Jedenfalls seien insoweit die Betriebsausgaben, der Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 SGB II und der Erwerbsfähigenfreibetrag nach § 30 SGB II abzuziehen. Weiter Berücksichtigung zu finden habe die Versicherungspauschale für Erwerbstätige in Höhe von 30,00 EUR monatlich. Ebenso dürfe kein Abzug für die Warmwasseraufbereitung erfolgen, weil aus der Vermieterbescheinigung ersichtlich sei, dass die Warmwasseraufbereitung nicht aus der Heizungsanlage erfolge. Aufgrund der weiteren Einnahmenüberschussrechnung des Antragstellers für den Monat August 2006 ergebe sich nunmehr ein Einkommen in Höhe von 3.425,87 EUR. Dieses Einkommen sei auf die gesamten 12 Monate des Jahres nach einer Hochrechnung verteilt in Höhe von 570,98 EUR monatlich zu Grunde zu legen. Die Antragsgegnerin hat hiergegen eingewandt, das Betriebsergebnis des Antragstellers dürfe nur für die Monate berücksichtigt werden, indem es tatsächlich erwirtschaftet sei. Eine Verteilung könne daher nur den Zeitraum von Mitte Mai 2006 bis einschließlich August 2006 erfolgen. Die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses und der Abzug für die Warmwasseraufbereitung seien rechtmäßig. Ein Anordnungsanspruch sei danach zu verneinen. Das Sozialgericht Gießen hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2006 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, den Antragstellern monatlich 104,84 EUR darlehensweise vom 14. September 2006 bis zum 31. Dezember 2006 zu gewähren. Es hat dabei den von den Antragstellern geltend gemachten Bedarf abzüglich Kosten der Warmwasseraufbereitung in Höhe von 14,49 EUR berücksichtigt. Dem so ermittelten Bedarf in Höhe von 1.107,51 EUR monatlich sei ein monatliches Einkommen in Höhe von insgesamt 1.002,67 EUR gegenüberzustellen. Bei der Antragstellerin sei der Existenzgründungszuschuss in Höhe von 600,00 EUR monatlich als Einkommen zu berücksichtigen. Abzuziehen seien ihre Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 178,24 EUR gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB II. Zwar sei grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Beiträge entfielen, wenn eine endgültige Leistungsberechnung im Hauptsacheverfahren oder durch den Antragsgegner nach dem SGB II festgestellt würde. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in welchen Leistungen nur als Darlehen gewährt werden könnten, trete jedoch Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nicht ein. Weiter Berücksichtigung finden könne die Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2.a Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Alg II-V. Weitere Verluste bzw. Ausgaben der Antragstellerin seien hingegen nicht zu berücksichtigen, weil es sich dabei nicht um Werbungskosten zur Erzielung des Existenzgründungzuschusses handele. Der Existenzgründungszuschuss sei selber nicht Teil der Einnahmen aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit, sondern stehe damit nur in einem Zusammenhang. Deshalb dürfe auch der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II und nach § 30 SGB II keine Berücksichtigung finden. Das vom Antragsteller im Zeitraum vom 15. Mai 2006 bis 31. August 2006 erzielte Einkommen in Höhe von 3.425,87 EUR sei in Höhe von 856,47 EUR monatlich zu berücksichtigen. Die Berechnung folge aus § 2 Alg II-V. Nach Abs. 2 der Vorschrift sei das Einkommen für das Kalenderjahr zu berechnen, in dem der Bedarfszeitraum liege. Dabei sei das erzielte Arbeitseinkommen durch die Anzahl der Monate zu teilen, in welchen es erwirtschaftet worden sei, um den Betrag in monatlichen Einnahmen zu berechnen. Nach Auffassung des Gerichts könne dabei nicht der von dem Antragsgegner geltend gemachte Zeitraum von 3 1/2 Monaten zugrunde gelegt werden, sondern nur von vier Monaten. Maßgeblich seien ausschließlich die in den genannten Zeitraum fallenden Monate. Abzuziehen sei weiter der Grundfreibetrag in Höhe von 100,00 EUR monatlich sowie der weitere Freibetrag nach § 30 SGB II in Höhe von 145,56 EUR monatlich.

Mit Bescheiden vom 10. November 2006 hat der Antragsgegner den Antragstellern darlehensweise Arbeitslosengeld II in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts GG. vom 23. Oktober 2006 für den Zeitraum vom 27. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 bewilligt. Hiergegen haben die Antragsteller am 11. Dezember 2006 Widerspruch eingelegt.

Gegen den am 26. Oktober 2006 den Antragstellern zugestellten Beschluss haben sie am Montag, dem 27. November 2006 Beschwerde eingelegt. Der Antragsgegner hat sich der Beschwerde gegen den ihm am 27. Oktober 2006 zugestellten Beschluss am 13. Dezember 2006 angeschlossen. Mit weiterem Bescheid vom 21. Februar 2007 hat der Antragsgegner den Antragstellern für Januar 2007 Alg II in Höhe von 56,00 EUR bewilligt. Hiergegen haben die Antragsteller am 8. März 2007 Widerspruch eingelegt. Der Steuerberater der Antragsteller hat einen vorläufigen Jahresabschluss für das Gewerbe zu 2 des Antragstellers vorgelegt, aus dem sich ein Jahresüberschuss in Höhe von 7.282,18 EUR für das Jahr 2006 ergibt. Des Weiteren hat er einen vorläufigen Jahresabschluss für das Gewerbe der Antragstellerin vorgelegt, aus dem sich ein Jahresverlust in Höhe von 1.595,13 EUR für das Jahr 2006 ergibt.

Die Antragsteller weisen darauf hin, ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung des Antragstellers für das Jahr 2006 ergebe sich für das Gewerbe zu 2 ein Jahresarbeitseinkommen ab Mai 2006 in Höhe von 7.282,18 EUR. Abzuziehen sei jedoch der Verlust aus den Vormonaten Januar bis April 2006 in Höhe von 1.517,26 EUR. Daraus ergebe sich für den Antragsteller zu 2 ein anrechenbares Arbeitseinkommen in Höhe von 480,41 EUR monatlich. Der Existenzgründungszuschuss der Antragstellerin sei nicht als Einkommen anzurechnen; hilfsweise sei ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung der Antragstellerin ein monatlicher Verlust in Höhe von 265,86 EUR ebenso zu berücksichtigen, wie die Freibeträge nach § 11 Abs. 2 S. 2 und § 30 SGB II. Der Warmwasseranteil dürfe von den Kosten der Unterkunft nicht in Abzug gebracht werden, weil die Angaben in der Mietbescheinigung des Vermieters den Angaben im standardisierten Mietvertrag vorgehen müssten. In jedem Fall sei er zu hoch angesetzt worden, weil nach der Rechtsprechung des Rechtsmittelsenats nur 18 % der maßgeblichen Heizkosten in Ansatz gebracht werden dürften.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 23. Oktober 2006 zu ändern und den Antragsgegner vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, an sie ab dem 14. September 2006

1. höhere Regelleistungen zu zahlen sowie
2. die Kosten der Unterkunft ohne Abzug für die Warmwasseraufbereitung zu übernehmen sowie

die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 23. Oktober 2006 zu ändern, die Beschwerde der Antragsteller zurückzuweisen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vollständig abzulehnen.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Verluste aus dem Gewerbe zu 1 dürften bei der Berechnung des maßgeblichen Arbeitseinkommens keine Berücksichtigung finden. Das folge schon daraus, dass es sich um ein anderes Gewerbe als das ab Mitte Mai 2006 aufgenommene handeln würde. Außerdem sei der Leistungsantrag erst ab dem 27. Juli 2006 gestellt worden. Maßgeblich sei daher ausschließlich das Einkommen des Antragstellers ab Juni 2006. Hiernach und unter Berücksichtigung des weiteren Einkommens der Antragstellerin sei ein Anspruch nicht gegeben. Auf die Berücksichtigung des Abzugs für Warmwasseraufbereitung komme es daher nicht an.

Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte des Antragsgegners, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller hat hinsichtlich des Antrags zu 1 im tenorierten Umfang in der Sache Erfolg. Im Übrigen sind sie und die zulässige Anschlussbeschwerde des Antragsgegners als unbegründet zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen im tenorierten Umfang vor.

Ist einstweiliger Rechtsschutz weder durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt noch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes (§ 86b Abs. 1 SGG) zu gewährleisten, kann nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung – vorläufige Sicherung eines bestehenden Zustandes -). Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung – vorläufige Regelung zur Nachteilsabwehr -). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache – möglicherweise - zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Beschluss des Senats vom 22. September 2005 – L 9 AS 47/05 ER -; Konradis in LPK – SGB II, 1. Aufl., Anhang Verfahren Rn. 117). Eine solche Notlage ist vor allem bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86b Rn. 28).

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (HLSG vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 86b Rn. 27 und 29 m.w.N.): Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, 12.5.2005 – 1 BvR 569/05 (juris)).

Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG, a.a.O unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60 (80)). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (Hess. Landessozialgericht, 27.7.2005 – L 7 AS 18/05 ER).

Ein Anordnungsanspruch ist hinsichtlich des Antrags zu 1 der Antragsteller gegeben. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II liegen vor. Das bedarf näherer Ausführungen nur hinsichtlich der Höhe des bei der Bedürftigkeitsprüfung einzusetzenden Einkommens gemäß § 11 Abs. 1 SGB II vor Abzug der Absetzungsbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II, weil im Übrigen die Leistungsvoraussetzungen und Berechnungsregeln zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig sind.

Anzurechnen ist das Einkommen des Antragstellers im tenorierten Umfang.

Das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ist gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen. Näheres regelt hierzu die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 SGB II gestützte Alg II-V v. 20.10.2004 (BGBl I S. 2622) i.d.F. der Ersten Verordnung zur Änderung der Alg II-V v. 22.8.2005 (BGBl I S. 2499) - 1. Änderungs-VO -, mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2005 (Art. 2 der 1. Änderungs-VO) - Alg II-V 2005 -.

Bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft ist vom Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 SGB IV auszugehen. Welche Einnahmen zum Einkommen gehören bestimmt sich nach § 13 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 EStG; (§ 2a Abs. 1 Alg II-V 2005).

Gemäß § 2a Abs. 2 Alg II-V 2005 ist das Arbeitseinkommen für das Kalenderjahr zu berechnen, in dem der Bedarfszeitraum liegt (Berechnungsjahr). Für jeden Bedarfszeitraum ist ein Zwölftel des Einkommens im Bedarfszeitraum als Einkommen zu berücksichtigen (Satz 1). Ist Arbeitseinkommen nur während eines Teils des Jahres vorhanden, so ist das Einkommen nur für diesen Zeitraum zu berechnen; für ihn gilt als monatliches Einkommen derjenige Teil des Arbeitseinkommens, der der Anzahl der in den genannten Zeitraum fallenden Monate entspricht (Satz 2).

Als Einkommen ist ein Betrag anzusetzen, der auf der Grundlage früherer Betriebsergebnisse und unter Berücksichtigung der im Rahmen des Betriebes im Berechnungsjahr bereits erzielten Einnahmen und geleisteten notwendigen Ausgaben sowie der im Rahmen des Betriebes im Berechnungsjahr noch zu erwartenden Einnahmen und notwendigen Ausgaben zu errechnen ist (§ 2a Abs. 3 Alg II-V 2005).

Zugrunde zu legen ist hiernach bei der Bestimmung des Arbeitseinkommens des Antragstellers sein im Kalenderjahr 2006 erzielter Gewinn (§ 2a Abs. 1 S. 1 Alg II-V 2005 i.V.m. § 15 Abs. 1 SGB IV). Jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, der stets nur zur Gewährung einer vorläufigen Verpflichtung führen kann, ist davon auszugehen, dass sich das hieraus ergebende monatliche Durchschnittseinkommen mangels Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung auch für den Zeitraum von Januar 2007 bis Mai 2007 heranzuziehen ist. Zu berücksichtigen ist dabei ausschließlich der Gewinn, den der Antragsteller ab 15. Mai 2006 durch seine Gewerbe zu 2 erwirtschaftet hat. Das folgt aus § 2a Abs. 2 S. 2 Alg II-V 2005. Die Regelung ist im Zusammenhang mit der Änderung zu verstehen, die sie durch die Änderungs-VO ab dem 1. Oktober 2005 erfahren hat. Während zunächst auch die Anrechnung des Arbeitseinkommens aus selbstständiger Tätigkeit nach denselben Regeln monatsweise erfolgen sollte, wie die Anrechnung sonstigen Einkommens (vgl. § 2 Alg II-V a.F.), hat sich das bei Berücksichtigung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit als unpraktikabel erwiesen (Begründung zur 1. Änderungs-VO, zu I). Hintergrund hierfür bildet der Umstand, dass das im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erzielte Einkommen Schwankungen unterworfen sein kann, die sich mit der grundsätzlich monatsweise zu bestimmenden Bedürftigkeit aus praktischen Erwägungen nur schwer in Einklang bringen lässt; zumal zeitweise Monate mit ausschließlich Einnahmen oder Ausgaben auftreten können (Begründung, a.a.O., zu II.3). Der Einkommensbegriff im Rahmen des SGB II folgt dem sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff (BT-Drucks. 15/1516, S. 53, zu § 11), der darüber hinausgehend allgemein für das Sozialleistungsrecht maßgeblich ist (hierzu: BSG SozR 4100 § 138 Nr. 7, 15 und 26; Bay. LSG, 14.6.2005 - L 11 B 218/05 AS ER m.w.N.). Danach sind Einnahmen als Einkommen in dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem sie tatsächlich oder normativ zufließen; mithin den Bedarf des Betroffenen faktisch decken können (BVerwGE 120, 339; Begründung zu Alg II-V a.F., zu § 2 Abs. 2). Die monatliche Betrachtungsweise führte insbesondere dazu, dass Monate mit Einnahmen bei der Einkommensanrechnung voll zu berücksichtigen waren, ohne dass in anderen Monaten hierfür angefallene Ausgaben in Abzug gebracht werden konnten. Der Anrechnungsmodus ließ sich mit den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen einer selbstständigen Tätigkeit nur schwer in Einklang bringen. Deshalb stellt § 2a Abs. 2 S. 1 Alg II-V 2005 gleichermaßen wie im Sozialhilferecht (§ 11 DVO zu § 76 BSHG und § 11 DVO zu § 82 SGB XII) nunmehr auf den während eines Kalenderjahres erzielten oder voraussichtlich erzielbaren Gewinn ab. Als Ausnahme hiervon sieht wiederum § 2a Abs. 2 S. 2 Alg II-V 2005 eine abschnittsweise Betrachtung innerhalb des Kalenderjahres vor, wenn Einkommen nur im Teil des Jahres vorhanden ist. Das soll eine ausreichende Bedarfsdeckung in späteren Monaten sicherstellen, wenn das Einkommen auf einer guten Ertragslage nur in den ersten Monaten des Jahres beruht. Andererseits soll tatsächlich verfügbares Einkommen in späteren Monaten vollständig einzusetzen sein, wenn Einkommen erst im Laufe des Jahres erzielt worden ist (Begründung zu Nr. 3 der Änderungsverordnung). Das Zusammenspiel von der Regelbestimmung des § 2a Abs. 2 S. 1 Alg II-V 2005 und des Ausnahmetatbestandes in § 2a Abs. 2 S. 2 Alg II-V lässt erkennen, dass die innerhalb einer selbstständigen Tätigkeit typischerweise auftretenden Einkommensschwankungen bei der Berechnung des zu berücksichtigenden monatlichen Einkommens keinen Ausschlag geben sollen. Gleichzeitig verdeutlicht der vorbenannte Ausnahmetatbestand, dass von einer durchschnittlichen Betrachtungsweise Abstand zu nehmen ist, wenn das Einkommen nur in bestimmten Abschnitten des Jahres erzielt worden und das nicht allein auf die Eigenheiten einer selbstständigen Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl. Oestreicher SGB XII/SGB II, Stand 11/2006, § 11 SGB II Rn. 169.), um eine zielgenaue Bedarfsdeckung und Einkommensanrechnung zu gewährleisten. Die bei dem Antragsteller vorliegende zeitliche Zäsur ab dem 15. Mai 2006 hat ihren Grund nicht in den typischen Einkommensschwankungen bei einer selbstständigen Tätigkeit, sondern in seiner unternehmerischen Entscheidung, ab diesem Zeitpunkt das vorherige Gewerbe zu 1 mangels Ertragsfähigkeit aufzugeben und mit einer deutlich reduzierten Kostenstruktur ohne eigene Fahrzeuge und Fahrer in wesentlich geänderter Form als Gewerbe zu 2 fortzuführen. Zutreffend hat dabei das Sozialgericht gegenüber dem Antragsgegner darauf hingewiesen, dass der nach § 2a Abs. 2 S. 2 Alg II-V 2005 maßgebliche Zeitraum kalendermonatlich zu erfassen ist, der eine Berücksichtigung erst ab dem 15. Mai 2006 ausschließt. Nicht zu folgen ist dabei der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, das negative Betriebsergebnis des Gewerbes zu 1 sei schon bei der Gewinnermittlung einzubeziehen, um den einkommenssteuerrechtlich vorgesehenen horizontalen Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart berücksichtigen zu können. Einen solchen Verlustausgleich sieht der sozialrechtliche Einkommensbegriff nicht vor (ausdrücklich: Begründung zur Alg II-V a.F., zu § 2 Abs. 1; zur Arbeitslosenhilfe und allgemein zum Sozialrecht: BSG SozR 4100 § 138 Nr. 7, 15 und 26; zu § 11 SGB II: Bay. LSG, a.a.O. m.w.N.; Sozialhilfe: § 10 DVO zu § 82 SGB XII und § 10 DVO zu § 76 BSHG). Auch deshalb verweisen § 11 Abs. 1 SGB II und § 2a Abs. 1 S. 2 Alg II-V 2005 insoweit nicht auf die einkommenssteuerrechtlichen Vorschriften. Eine damit verbundene unzumutbare Härte, die allenfalls im Einzelfall es in Anlehnung an die sozialhilferechtlichen Vorschriften erlauben könnte, ausnahmsweise eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung zu Grunde zu legen, ist nicht ersichtlich. Allein die durch das Gewerbe zu 1 verbliebenen Verbindlichkeiten rechtfertigen das ohne weiteres nicht.

Damit ist für das Jahr 2006 das ab Mai 2006 nach Maßgabe des vorläufigen Jahresabschlusses erzielte Arbeitseinkommen in Höhe von 7.282,18 EUR nach Abzug der Steuern (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2006 mit einem monatlichen Arbeitseinkommen in Höhe von 910,27 EUR anzurechnen (7.282,18: 8 = 910,27).

Abzuziehen vom monatlichen Einkommen des Antragstellers sind weiter der Grundfreibetrag von 100,00 EUR nach § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II sowie der Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 30 S. 1 SGB II in Höhe von 151,03 EUR, was zu einem monatlich einzusetzenden Einkommen in Höhe von 659,24 EUR führt.

Weiteres Einkommen ist hingegen bei den Antragstellern nicht zu berücksichtigen. Der der Antragstellerin gewährte Existenzgründungszuschuss (ExGZ) ist nicht gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II als Einkommen auf die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II anzurechnen. Es greift für den ExGZ in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation der Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 3 Nr. 1.a SGB II, nach dem eine Anrechnung nicht zu erfolgen hat, soweit zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck dienen als Leistungen nach dem SGB II und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären (HLSG, 4.12.2006 - L 7 AS 168/06 ER m.w.N.).

Bei der Gegenüberstellung der Zweckrichtung von Einnahmen einerseits und den Leistungen nach dem SGB II andererseits kommt es nicht auf einen allgemeinen übergeordneten Zweck der unterschiedlichen Leistungen nach dem SGB II an (so aber: SG Dresden, 31. März 2006 - S 35 AS 70/05 (juris)). Die Leistungen nach dem SGB II unterscheiden sich in ihrer Zweckrichtung von einander. Auf der einen Seite sind Leistungen vorgesehen, die Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit beenden oder verringern sollen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1; Leistungen nach dem 1. Abschnitt des 3. Kapitels und § 29) und auf der anderen Seite gibt es Leistungen, welche allein den Lebensunterhalt sichern sollen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2; Leistungen nach dem 2. Abschnitt des 3. Kapitels). Die Zweckrichtungen weichen so erheblich voneinander ab, dass sie nicht unterschiedslos mit dem Zweck der jeweiligen Einnahmeart zu vergleichen sind. Nur eine solche konkrete Betrachtung wird der Intention des Anrechnungsverbots gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1.a SGB II gerecht, den besonderen Zweck einer Einnahmeart durch die Ablehnung der Leistungsberechtigung nach dem SGB II nicht zu vereiteln.

Die hiernach geforderte Zweckabweichung zwischen dem Alg II einerseits und dem ExGZ andererseits liegt zur Überzeugung des Senats vor.

Derweil das Alg II eine Leistung ist, die der Sicherung des Lebensunterhalts dient (§§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 19 SGB II), stellt der ExGZ eine Leistung eigener Art dar, die die mit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oftmals verbundenen Verluste in den ersten Jahren - teilweise - auffangen soll, um die Folgen der in der Gründungsphase - noch - verringerten Umsatzerlöse zu mildern und damit die Bereitschaft zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zu erleichtern.

Für das Alg II folgt das bereits aus der Einordnung in die Leistungen nach dem 2. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB II sowie allenfalls mit Ausnahme des Zuschlags nach § 24 SGB II der ausdrücklichen Bestimmung in § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Der abweichende Zweck des ExGZ erschließt sich hingegen nicht aus dem hierzu schweigenden Gesetzeswortlaut des § 421l SGB III, ergibt sich jedoch aus dem Aufbau der Anspruchsnorm, der systematischen Einbettung ins Leistungssystem des Arbeitsförderungsrechts und der Gesetzesbegründung.

Nach § 421l Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Der Zuschuss wird geleistet, wenn der Existenzgründer in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist (Nr. 1), nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 SGB IV erzielen wird, das voraussichtlich 25.000,00 EUR im Jahr nicht überschreiten wird (Nr. 2), und eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat; (Nr. 3). Der Zuschuss wird bis zu drei Jahre erbracht. Er wird jeweils längstens für ein Jahr bewilligt. Er beträgt im ersten Jahr nach Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600,00 EUR, im zweiten Jahr monatlich 360,00 EUR und im dritten Jahr monatlich 240,00 EUR (§ 421l Abs. 2 SGB III).

Der Gesetzgeber hat den ExGZ auf Vorschläge der Hartz-Kommission zur "Ich-AG" bzw. "Familien-AG "(vergleiche dazu: Bericht der Hartz-Kommission in: SozSich 2002, S. 254, 259) durch Art. 1 Nr. 15 des Zweiten Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4621) in das SGB III mit Wirkung vom 1. Januar 2003 (Art. 17 des Gesetzes) eingeführt. Dem Bericht der Hartz-Kommission (a.a.O.) und der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/26, S. 19, 22 zu § 421m Entwurf) ist zu entnehmen, dass er einerseits die Bereitschaft zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit fördern solle und andererseits verhindern soll, dass Personen neben einer nicht angezeigten selbstständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistung beziehen, welche potenziell den Charakter einer Subvention von Schwarzarbeit aufweisen.

Schon daraus wird ersichtlich, dass sich der Gesetzeszweck nur schwer damit vereinbaren lässt, den ExGZ auf das Alg II anzurechnen. Denn die Anrechnung führte einmal dazu, dass jedenfalls bei Personen, die auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II angewiesen sind, die Bereitschaft zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht erhöht würde. Weiter könnte die Anrechnung sie dazu veranlassen, die Tätigkeit im Wege der Schwarzarbeit auszuüben, die mit Zahlung des ExGZ gerade vermieden werden soll. Soweit beispielhaft in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen wird, der ExGZ könne für die Beiträge zur Sozialversicherung verwandt werden (Gesetzesbegründung, a.a.O.), deutet das nicht darauf hin, er solle zur Sicherung des Lebensunterhalts dienen. Es handelt sich nur um eine beispielhafte Aufzählung, die keinerlei Vorgabe für die tatsächliche Verwendung des ExGZ enthält. Außerdem dient das Alg II gemäß § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II allein der Sicherung des Lebensunterhalts im Wege der Bedarfsdeckung, während die Beiträge zur Sozialversicherung (Rentenversicherung: §§ 3 S. 1 Nr. 3.a, 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, Krankenversicherung: §§ 5 Abs. 1 Nr. 2.a, 251 Abs. 4 SGB, Pflegeversicherung: §§ 20 Abs. 1 Nr. 2.a, 59 SGB XI) nicht die Leistungsträger nach dem SGB II (§ 6 SGB II) zu übernehmen haben, sondern der Bund zu tragen hat. Es handelt sich insoweit daher nicht um Leistungen nach dem SGB II (LSG Niedersachsen-Bremen, FEVS 57, 253).

Weiter zu beachten sind die Unterschiede, welche der ExGZ gegenüber dem ebenfalls zur Förderung einer selbstständigen Tätigkeit zu gewährenden Überbrückungsgeld gemäß § 57 SGB III aufweist, welches allein nach Wortlaut und Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf gerichtet ist, im ersten halben Jahr den Lebensunterhalt zu sichern (BT-Drucks. 13/4941, S. 163). Neben den vorbenannten Unterschieden ist die Förderung nach dem ExGZ im Gegensatz zum Überbrückungsgeld degressiv ausgestaltet und kann selbst für bis zu 3 Jahre gewährt werden, wenn mit der selbstständigen Tätigkeit ein Arbeitseinkommen gemäß § 15 SGB IV bis unter 25.000,00 EUR jährlich erzielt wird (insbesondere § 421l Abs. 3 SGB III); eine Höhe bei der es regelmäßig einer Sicherung des Lebensunterhalts nicht bedarf. Das Überbrückungsgeld hingegen sieht, wenn auch in pauschalierter Form ohne Bedürftigkeitsprüfung, gleichbleibende Leistungen nur für die kurze Anschubphase von höchstens 6 Monaten vor. Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht damit begründen, der Gesetzgeber habe in der Gesetzesbegründung ausdrücklich angegeben, die gleichzeitige Bewilligung von Überbrückungsgeld für eine selbstständige Tätigkeit nach § 57 SGB III auszuschließen, um eine weitere, dem Zweck nach gleichgerichtete Leistung und damit eine Doppelförderung zu verhindern (BT Drucks. 15/26 S. 23). Denn insoweit ist zu beachten, dass übergeordneter und unmittelbarer Zweck des Überbrückungsgeldes und des ExGZ zu unterscheiden sind. Beide sollen die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit fördern. Sie bedienen sich hierzu aber unterschiedlicher Instrumente, die in den vorgenannten unterschiedlichen Zwecken ihren Ausdruck finden.

Dasselbe gilt für den Umstand, dass entgegen der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundestags (BT-Drucks. 15/1728, S. 177 f.) im Vermittlungsausschuss der Existenzgründungszuschuss nicht als Eingliederungsleistung nach dem SGB II in §§ 16, 29 SGB II aufgenommen ist, die nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen wäre (BT-Drucks. 15/2259). Insoweit hat der Gesetzgeber nur bestimmt, den ExGZ nicht in den Katalog der Eingliederungsleistung aufzunehmen, die die Träger nach dem SGB II zu gewähren haben, ohne eine Entscheidung über seine Anrechnung als Einkommen zu treffen. Systematisch kommt das darin zum Ausdruck, dass der Anrechnungsausschluss nach § 11 Abs. 3 Nr. 1.a SGB II sachlogisch voraussetzt, dass ein solcher nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht vorgesehen ist.

Die Nichtanrechnung des ExGZ ist in der vorliegenden Fallkonstellation auch gerechtfertigt. Etwas anderes könnte gelten, wenn mit der geförderten selbstbeständigen Tätigkeit bereits ein Arbeitseinkommen erzielt würde, dessen Höhe auch unterhalb der Fördergrenze von 25.000,00 EUR jährlich, es sachgerecht erscheinen ließe, den ExGZ jedenfalls teilweise anzurechnen, um eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung gegenüber anderen zu vermeiden. Das ist hier ausgeschlossen, weil die Antragstellerin das Berechnungsjahr 2006 mit einem negativen Betriebsergebnis abgeschlossen hat.

Hinsichtlich des Antrages zu 2 wegen der Höhe der KdU fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Die Antragsteller sind gehalten den geringfügigen Betrag im Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Hilfreich wäre es dabei wohl, wenn sie eine ausdrückliche Erklärung ihres Vermieters zur Warmwasseraufbereitung in ihrer Unterkunft vorlegten. An Hand derer könnte entschieden werden, ob die Angabe im Formularmietvertrag fehlerhaft ist oder die anders lautende Bescheinigung des Vermieters auf einem Missverständnis beruht. Richtig ist allerdings die Rüge, dass der Abzug der Höhe nach nur 18 % der tatsächlichen Heizkosten ausmachen darf (HLSG, 24.4.2006 - L 9 AS 39/06 ER).

Die einstweilige Anordnung ist auf den Folgemonat der Bekanntgabe der Entscheidung beschränkt, weil im einstweiligen Rechtsschutz nur eine gegenwärtige dringliche Notlage beseitigt werden soll. Der Antragsgegner ist aber gehalten, über den Zeitraum hinaus Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, solange eine Änderung der Tatsachen- oder Rechtslage nicht eintritt, um weitere Folgeverfahren zu vermeiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

Den Antragstellern ist Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung zu gewähren, weil die Voraussetzungen gemäß § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 S. 1, 121 Abs. 2 ZPO erfüllt sind.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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