L 10 B 27/06 KA

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 51/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 B 27/06 KA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.07.2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Antragsteller die Abrechnung für die von der Antragsgegnerin zu vergütenden Leistungen, die im Rahmen der ambulanten Notfallbehandlung erbracht worden sind, über eine private Abrechnungsstelle vornehmen dürfen.

Die Antragsteller bedienen sich seit Februar 2002 für diese Abrechnungen der Firma PriA Dienstleistung Gesundheitswesen GmbH (PriA). Nach einer entsprechenden Änderung der Bestimmungen über die Abrechnungslegung in § 4 Abs. 1 ihres Honorarverteilungsvertrages (HVV) zum 01.01.2006, der vorsieht, dass die Rechnungslegung ohne Einschaltung von Dritten vorzunehmen ist, hat die Antragsgegnerin angekündigt, die Entgegennahme der über die Firma PriA erstellten Abrechnungen ab dem 1. Quartal 2006 abzulehnen. Auf Antrag der Antragsteller vom 15.02.2006 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit rechtskräftigem Beschluss vom 21.03.2006 die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet, bis zur rechtskräftigen Erledigung des Hauptsacheverfahrens die von der Firma PriA im Auftrag der Antragsteller eingereichten vertragsärztlichen Rechnungsunterlagen für ambulante vertragsärztliche Leistungen entgegenzunehmen und durch Honorarbescheide abzurechnen.

Mit Beschluss vom 14.07.2006 hat das SG den Streitwert auf 10.219,00 EUR festgesetzt. Dabei hat es darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin die Entgegennahme der unter Inanspruchnahme der PriA erstellten Abrechnung insgesamt verweigere. Das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller am Verfahren werde daher durch deren Honoraranspruch als solchen bestimmt. Bei der Streitwertberechnung hat das SG die von den Antragstellern (unwidersprochen) mitgeteilten durchschnittlichen Quartalsumsätze sowie einen Zeitraum von 2 Jahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zugrunde gelegt und für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen Anteil von 25 v. H. des so errechneten Betrages als Streitwert festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie meint, das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller bestimme sich nur nach den bei einer evtl. verspäteten Einreichung der Honorarabrechnung entstehenden Belastungen. Insoweit sehe § 4 Abs. 6 HVV einen Abzug von 10 v. H. (maximal 10.000,- EUR) des Honorars zur pauschalen Abgeltung des Aufwandes vor. Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei ein Anteil von 25 v.H. des so errechneten Betrages anzusetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Streitwert auf 25 % von 10 % des durchschnittlichen Honoraranspruchs der Antragstellerin pro Quartal festzusetzen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tragen vor: Die Antragsgegnerin verweigere die Entgegennahme der mittels der PiA erstellten Abrechnungen. Die hierdurch bedingten wirtschaftlichen Einbußen entsprächen der Höhe des im jeweiligen Quartal erwirtschafteten Honoraranspruchs. Ob sie - die Antragsteller - die hypothetische Möglichkeit hätten, diese Vermögenseinbußen zu begrenzen, indem sie die Abrechungen ohne Hilfe der PriA erstellen, könne dahinstehen. Es gehe allein um die Frage, ob die Antragsgegnerin die Entgegennahme der Abrechungen verweigern dürfe oder nicht. Demzufolge bemesse sich der Streitwert nach den Honorarausfällen.

II.

Die statthafte und im übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Streitwert im Ergebnis zutreffend festgesetzt.

Gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Zu Recht ist das SG insoweit davon ausgegangen, dass das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller darauf gerichtet ist, ihre Honoraransprüche zu realisieren. Die Antragsgegnerin verweigert die Entgegennahme von mit Hilfe der PriA erstellten Abrechnungen. Da sich die Antragsteller mangels geschulten Personals außer Stande sehen, die Abrechnungen selbst zu erstellen, sie ihren Honoraranspruch ohne Mitwirkung der PriA mithin nicht abrechnen können, geht es ihnen nicht nur um den evtl. Mehraufwand für persönliche Abrechnungen. Demzufolge realisiert sich das für die Bestimmung des Streitwerts maßgebliche wirtschaftliche Interesse durch den Honoraranspruch insgesamt.

Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, es dürfe nur der nach § 4 Abs. 6 lit. b HVV vorgesehene Pauschalabzug von 10 v.H.des zuerkannten Honoraranspruchs für verspätet eingereichte Abrechnungen zu Grunde gelegt werden, ist ihr nicht zu folgen. Ihre Ansicht wird dem sich aus dem Antrag ergebenden wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller nicht gerecht. Diese haben nicht (nur) geltend gemacht, sie könnten die Quartalsabrechnungen nicht fristgerecht erstellen, sie haben vielmehr dargelegt, diese ohne (unzumutbare) Umstellung ihrer Organisation überhaupt nicht selbst erstellen zu können. Es geht somit um den Honoraranspruch der Antragsteller insgesamt. Sofern sie die Abrechnungen erst nach Klärung der Rechtslage im Hauptsacheverfahren einreichen würden, dürften sie auch kaum die Jahresfrist des § 7 Abs. 5 Satz 6 HVV wahren können, so dass ihnen ein endgültiger Honorarverlust drohen würde.

Unabhängig davon ist der Pauschalabzug für verspätete Abrechnungen als Anknüpfungspunkt für die wirtschaftliche Bewertung des Begehrens der Antragsteller auch deshalb ungeeignet, weil sie ohne laufende Abrechnungen keine Abschlagszahlungen mehr erhalten würden (§ 4 Abs. 6 lit. a HVV), mithin bis zum Abschluss des Verfahrens ihre Kosten anderweitig finanzieren müssten. Demzufolge geht die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens für die Antragsteller über die Vermeidung des Pauschalabzugs hinaus.

Somit sind für die Streitwertfestsetzung die von den Antragstellern in der Vergangenheit erzielten Umsätze maßgebend.

Abweichend von der Rechtsauffassung des SG hält es der Senat aber für sachgerecht, nur den Umsatz für ein Jahr zugrunde zu legen. Zwar mag innerhalb dieses Zeitraumes das Hauptsacheverfahren nicht endgültig abgeschlossen sein. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass auch bei Honorarstreitigkeiten mit Auswirkungen für die Zukunft nur ein Zeitraum von einem Jahr zu Grunde zu legen ist (vgl. BSG SozR 4-1930 § 6 Nr. 1). Vor allem ist in den wesentlich bedeutsameren Zulassungsverfahren im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur von den Einnahmen für ein Jahr auszugehen (LSG NRW vom 09.10.2006 - L 11 B 52/05 KA ER -), nachdem in Hauptsacheverfahren dieser Art nach neuer Rechtsprechung des BSG für den Streitwert nur noch auf die Einnahmen innerhalb von drei Jahren abzustellen ist (BSG, Beschluss vom 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R -, vgl. auch Senatsbeschluss vom 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -). Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, auch in einem einstweiligen Anordnungsverfahren, in dem es um die Abrechnung des Honorars geht, als Zeitraum für die Wertermittlung ein Jahr zuGrunde zu legen.

Angesichts des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sieht es der Senat vorliegend als gerechtfertigt an, einen Abschlag von 50 v.H. zu machen. Dies ergibt sich wie folgt: Die den Antragstellern günstige Entscheidung des SG im Beschluss vom 20.03.2006 kommt in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen dem Hauptsacheverfahren nahe. Die getroffene Regelung steht zwar unter dem Vorbehalt der Entscheidung in der Hauptsache und ist damit für die Zukunft nur vorläufig. Jedoch erfolgt für die Geltungsdauer bis zur rechtskräftigen Erledigung des Hauptsacheverfahrens durch die einstweilige Anordnung eine endgültige Regelung des vorläufigen Zustandes, denn die Antragsgegnerin wird für diesen Zeitraum zur Entgegennahme der Abrechnungen über die PriA verpflichtet (vgl. zur Vorläufigkeit einer Maßnahme Krodel NZS 2002, 234, 239; ausführlich Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rn. 137 ff.). Allerdings kann eine Verpflichtung zur Rückzahlung empfangener Leistungen in Betracht kommen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die auf Grund der einstweiligen Anordnung erbrachten Leistungen dem Empfänger nicht zugestanden haben (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86b Rn. 49), wobei offen ist, ob sich ein Erstattungsanspruch aus allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (so Sächsisches LSG, Beschluss vom 27.07.2006 - L 3 B 300/05 AS ER -; Krodel, a.a.O., S. 240; s. auch BSG SozR 3-1500 § 97 Nr. 7), aus § 50 10. Buch Sozialgesetzbuch (vgl. OVG Hamburg NVwZ 1990, 686) oder aus einem Schadenersatzanspruch nach § 85b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 945 Zivilprozessordnung (so wohl HessVGH NVwZ-RR 1993,145) ergibt. Ob im vorliegenden Fall die durch die gerichtliche Anordnung vorläufig "ersetzte" Regelung des § 4 Abs. 1 HVV materiell-rechtliche Bedeutung für den Honoraranspruch der Antragsteller hat oder nur den Modus der Abrechnung regelt und ob die Antragsgegnerin berechtigt wäre, bei einem für die Antragsteller negativen Ausgang des Hauptsacheverfahrens das während der Dauer der einstweiligen Anordnung gezahlte Honorar zurückzufordern, ist hier nicht zu entscheiden. Da jedenfalls ein Rückforderungsanspruch der Antragsgegnerin nicht völlig ausgeschlossen werden kann, ist die wirtschaftliche Bedeutung der vorläufigen Regelung für die Antragsteller geringer als eine endgültige Feststellung im Hauptsacheverfahren, so dass dem durch einen Abschlag von dem Wert des Hauptsacheverfahrens Rechnung zu tragen ist. Da aber andererseits viel dafür spricht, dass die Antragsteller ihr materiell zustehende Honorare allein wegen der Abrechnung für die PriA nicht zurückzuzahlen haben, hält der Senat eine Quote von 50 v.H. für gerechtfertigt. Somit ergibt sich aus den mitgeteilten Quartalsumsätzen (unter Zugrundelegung der vollen EUR-Beträge) der vom Sozialgericht festgesetzte Streitwert.

Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 68 Abs. 3 GKG).

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nicht gegeben (§ 68 Abs. 2 S. 6 i. V. m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG, § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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