L 28 B 837/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 8420/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 837/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Mai 2007 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig, ab Zustellung dieses Beschlusses bis zum 30. September 2007, längstens jedoch bis zur Zustellung der Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. März 2007, weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 392,53 EUR, für Juni 2007 jeweils anteilig für die verbleibenden Tage vom Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses an, zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 172 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsteller, der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Einer Entscheidung des Senats steht zunächst einmal nicht eine bestandskräftige Entscheidung des Antragsgegners über den streitbefangenen Anspruch entgegen. Soweit der Antragsgegner vorträgt, dass der Bewilligungsbescheid vom 1. März 2007, mit dem er den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Bewilligungsabschnitt vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2007 in Höhe von monatlich 613,10 EUR bewilligt und hierbei lediglich monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 444,- EUR anerkannt hat, bestandskräftig geworden ist, trifft dies nicht zu. Denn ausweislich der Verwaltungsakte des Antragsgegners hat der Antragsteller zu 1) am 20. März 2007 persönlich bei dem Antragsgegner vorgesprochen und sich wegen der "Reduzierung der Kosten der KdU ab 3/07" beschwert. Dies kann bei sachdienlicher und vernünftiger Auslegung des Vorbringens nur als Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. März 2007 verstanden werden.

Für die Gewährung von Leistungen für vor dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren liegende Zeiträume fehlt es allerdings an einem nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG notwendigen Anordnungsgrund. Es besteht insoweit keine besondere Dringlichkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich machen würde. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. Derartige Umstände haben die Antragsteller nicht vorgetragen, sie sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich.

Für die Zeit nach Zustellung des Beschlusses ist die beantragte einstweilige Anordnung aufgrund einer Folgenabwägung zu treffen. Hierbei sind die Grundsätze anzuwenden, die das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zum Zweiten Buch des Sozialgesetzbuch (SGB II) entwickelt hat (Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005,927 ff.). Die danach zu treffende Entscheidung kann sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden, wobei Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens stellt. Soll die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert werden, ist das erkennende Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand der Folgenabwägung zu entscheiden, die daran ausgerichtet ist, eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert. Die Sicherung des Existenzminimums (verwirklicht durch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende) ist eine grundgesetzliche Gewährleistung in diesem Sinne (vgl. auch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 2006 - L 10 B 1052/06 AS ER -).

Im vorliegenden Fall entscheidet der Senat aufgrund einer Folgenabwägung, weil eine abschließende Feststellung der Leistungsansprüche in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich ist und dies dem Hauptsachverfahren vorbehalten bleiben muss. Soweit die Antragsteller ihr Begehren allerdings auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stützen, dürfte dies nicht erfolgreich sein. Hiernach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dass eine Wohnung mit vier Zimmern und einer Wohnfläche von 96,85 m² sowie einer Miete von 849,43 EUR (Bescheinigung der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg vom 18. Oktober 2004) für zwei Personen nicht angemessen ist, bestreiten die Antragsteller im Kern auch nicht. Denn diese Kosten liegen jedenfalls erheblich über den in Ziffer 4 Abs. 2 der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II vom 7. Juni 2005 in der Fassung der Änderungsvorschriften vom 30. Juni 2006 (AV-Wohnen; veröffentlicht im Amtsblatt für Berlin 2005 3743 und 2006, 2062) genannten und von dem Antragsgegner hiefür herangezogenen Maßstab. Danach gilt als Richtwert für einen 2-Personen-Haushalt eine angemessene Brutto-Warmmiete in Höhe von 444,- EUR.

Die Antragsgegner berufen sich hingegen darauf, dass es ihnen nicht zumutbar sei, Teile der Wohnung zu vermieten, weil diese zusätzlichen Räume von der Antragstellerin zu 2), die als Fotodesignerin selbständig tätig ist, als Gewerberäume genutzt werden. Die Wohnung sei für diese Tätigkeit besonders geeignet, weil sie ebenerdig liege und so einerseits die empfindlichen Arbeitsgeräte und Objekte der Antragstellerin zu 2) außerhalb des eigentlichen Arbeitszimmers (10,6 m²) gelagert und transportiert werden sowie andererseits Präsentationen durchgeführt werden könnten. Auch sei die Lage der Wohnung im Ortsteil P zu berücksichtigen. In diesem Gebiet seien wichtige Kunden aus Werbeagenturen ansässig, die ihre Aufträge auch danach verteilten, wie gut und schnell die Auftragnehmer zu erreichen seien. Nach den Angaben der Antragstellerin zu 2) bedrohe der Verlust der Wohnung deshalb ihre Existenzgrundlage.

Dies zeigt, dass die von den Antragstellern angemieteten Räumlichkeiten nicht nur als Unterkunft, sondern im Wesentlichen auch als Gewerberäume genutzt werden. Die Kosten dieser gewerblichen Nutzung können indes nicht im Rahmen des § 22 SGB II übernommen werden. Denn danach können ausschließlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Unterkunft und Heizung, d. h. für Leistungen für Wohnraum und nicht für Geschäftsräume übernommen werden (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. November 2006 - L 11 b AS 3/05 R -, abrufbar unter: www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Da die Antragstellerin nach Aktenlage bereits seit mehreren Jahren als Fotodesignerin arbeitet, dürfte auch eine Übernahme weiterer Kosten im Rahmen der Gewährung eines Einstiegsgeldes nach § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausscheiden. Denn der Anspruch auf Einstiegsgeld setzt voraus, dass das Einstiegsgeld und die Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang gegeben stehen. Eine Bewilligung scheidet aus, wenn - wie wohl hier - die Förderung einer bereits ausgeübten Erwerbstätigkeit beantragt wird (BSG, a. a. O.).

Denkbar ist aber eine vollständige oder anteilige Übernahme weiterer Kosten der auch gewerblich genutzten Wohnung der Antragsteller auf der Grundlage des § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Hiernach können über die in § 16 Abs. 1 SGB II genannten Leistungen hinausgehend weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Dazu gehören nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB II insbesondere Beratungs-, Betreuungs- und Pflegeleistungen, das Einstiegsgeld und die Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz. Die dort genannten Leistungen haben indes lediglich exemplarischen Charakter, wie schon der Wortlaut der Vorschrift ("insbesondere") deutlich macht. § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II enthält damit eine Generalklausel für ergänzende Eingliederungsleistungen aller Art, für die die nicht abschließend in Satz 2 der Vorschrift aufgeführten Einzelleistungen die Rolle von Hauptbeispielen übernehmen (BSG, a. a. O.). In Betracht kommen damit neben dem Einstiegsgeld zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 29 SGB II) weitere davon zu unterscheidende und insoweit vom Aufstockungsverbot (jetzt gesetzlich klargestellt in § 16 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II) nicht erfasste Leistungen zur Fortsetzung selbständiger Erwerbstätigkeit, welche schon im Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes nach Maßgabe der Regelung des § 30 BSHG als Hilfe zur Sicherung der Lebensgrundlage durch eigene Tätigkeit möglich waren (BSG, a. a. O.)

Dem Gesetz sind allerdings die näheren Modalitäten, beispielsweise hinsichtlich Art, Dauer und Höhe einer weiteren Eingliederungsleistung zur Fortsetzung selbständiger Erwerbstätigkeit nicht zu entnehmen. Diese steht grundsätzlich im Ermessen der Verwaltung. Voraussetzung der Ermessensentscheidung ist aber zum einen die Hilfebedürftigkeit des erwerbsfähigen Leistungsempfängers und zum anderen die Erforderlichkeit der Leistung für die Eingliederung in das Erwerbsleben (BSG, a. a. O.).

Die Bewilligung einer derartigen Eingliederungsleistung setzt somit zunächst voraus, dass die Antragsteller insoweit hilfebedürftig sind, also ihren Hilfebedarf nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern können (§§ 9 Abs. 1 Nr.2, 11 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB II). Soweit der Antragsgegner hieran im Hinblick auf die von der Antragstellerin zu 2) in dem Zusatzblatt 2. 1. des Fortzahlungsantrages vom 27. Februar 2007 angegebenen voraussichtlichen Einnahmen aus selbständigen Tätigkeit im Jahre 2007 in Höhe von monatlich 650,00 EUR zweifelt, verkennt er, dass die Antragstellerin zwar die in dem genannten Zusatzblatt ebenfalls gestellte Frage nach den Betriebsausgaben nicht beantwortet, sie aber gleichzeitig darauf hingewiesen hat, dass sie den Einkommensteuerbescheid 2006 nachreichen werde. Zudem hat sie laufend auf die anfallenden Betriebsausgaben hingewiesen. Eine weitere Abklärung dieser Frage ist aber zur Feststellung der Hilfebdürftigkeit der Antragsteller unabdingbar, weil nach § 2 a Abs. 2 der gemäß § 13 SGB II anzuwendenden Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 20. Oktober 2004 (BGBl. I S. 262 2) bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit die notwendigen Ausgaben von den Einnahmen abzusetzen sind. Ausweislich des Einkommensteuerbescheides der Antragstellerin zu2) für das Jahr 2005 erzielte sie jedenfalls Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von lediglich 4008,- EUR, also im Monat 334,- EUR.

Sollte nach den noch zu treffenden Feststellungen Hilfebedürftigkeit zu bejahen sein, sind noch weitere Feststellungen hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Eingliederungsleistung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu treffen. Diese beurteilen sich nach den Zielvorgaben der §§ 1, 3 SGB II. Diese sind zwar für sich nicht anspruchsbegründend, stecken aber als programmatische Kernaussagen und Grundsätze den Leistungsrahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab. Hierzu gehört auch die Unterstützung zur Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit (§ 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sind. Die Erforderlichkeit in diesem Sinn kann jedoch nur vorliegen, wenn ein Eingliederungserfolg mit hinreichender Sicherheit vorhergesagt werden kann. Diese Prognose wiederum setzt eine Plausibilitätsprüfung voraus und deshalb ein schlüssiges Konzept, wie aus der in Aussicht genommenen Tätigkeit der Lebensunterhalt bestritten werden soll An diesen Maßstäben wird sich auch die von der Antragstellerin zu 2) beabsichtigte Fortsetzung ihrer selbständigen Tätigkeit messen lassen müssen mit der Konsequenz, dass gerade diese die Aussicht auf einen entsprechenden wirtschaftlichen Erfolg bieten muss. Es ist nicht Anliegen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, eine Persönlichkeitsentfaltung ohne Rücksicht auf die Sicherung der Lebensgrundlage zu ermöglichen (BSG a. a. O.).

Da über den streitbefangenen Anspruch der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen dieser fehlenden Feststellungen nicht abschließend entschieden werden kann, muss hierüber nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts aufgrund einer Folgenabwägung entschieden werden, die sich an einer Verhinderung einer auch nur zeitweiligen Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen, wie die Sicherung des Existenzminimums, zu orientieren hat. Die danach zu treffende Folgenabwägung führt zu der von den Antragstellern begehrten Entscheidung. Hierbei waren die Folgen gegeneinander abzuwägen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht eine einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Verfahren der Hauptsache herausstellte, dass der Anspruch doch bestanden hätte, und auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die beantragte einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch nicht bestand. Sollte die erstgenannte Alternative erfüllt sein, d. h. sollte eine einstweilige Anordnung im Ergebnis zu Unrecht abgelehnt werden, so entstünden den Antragstellern schwerwiegende Nachteile. Die Antragsteller müssten die auch gewerblich genutzte Wohnung verlassen und es stünde zu befürchten, dass die Antragstellerin zu 2) ihre selbständige Tätigkeit aufgeben müsste und sie somit möglicherweise eine realistische Chance verliert, aus dieser Tätigkeit einmal ihren Lebensunterhalt vollständig bestreiten zu können.

Demgegenüber wiegen die Folgen, die bei einer zu Unrecht ergangenen einstweiligen Anordnung zum Nachteil des Antragsgegners einträten, weniger schwer. Zwar entstünde ihm in diesem Falle ein finanzieller Schaden. Diesen könnte er aber nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 945 Zivilprozessordnung von den Antragstellerin ersetzt verlangen, wenn sich im anschließenden Verfahren der Hauptsache herausstellte, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis nicht begründet war. Die Abwägung eines bloßen finanziellen Schadens des Antraggegners auf der einen Seite, die grundgesetzliche Gewährleistung der Existenzsicherung der Antragsteller, verwirklicht durch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf der anderen Seite, führt zu der von den Antragstellern begehrten Anordnung.

Vor diesem Hintergrund waren den Antragstellern jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuzusprechen, um dem Antragsgegner Gelegenheit zu geben die notwendigen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nachzuholen. Der Senat hat sich insoweit - ausgehend von dem Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senats - an § 88 Abs. 2 SGG orientiert. Danach gilt ein Zeitraum von drei Monaten als angemessene Frist für eine Entscheidung über einen Widerspruch. Dieser Zeitraum deckt sich im Wesentlichen mit dem Ende des im Bescheid vom 1. März 2007 ausgewiesenen Bewilligungsabschnittes, der am 30. September 2007 endet. Hinsichtlich der Höhe der Leistung hat sich der Senat an dem Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 12. September 2006 orientiert. Danach hat der Antragsgegner den Antragstellern für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. März 2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 836,53 EUR statt 444,- EUR gewährt. Der Senat hat den Antragsgegner einstweilen verpflichtet, den Differenzbetrag in Höhe von 392,53 EUR an die Antragsteller zu zahlen.

Soweit die Antragsteller ihr Begehren zeitlich nicht befristet haben, sie also im Kern eine zeitlich unbeschränkte Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung des streitbefangenen Betrages begehren, kann der Antrag mangels Rechtsschutzinteresse keinen Erfolg haben. Nach Aktenlage ist noch kein Bescheid über die Leistungsansprüche der Antragsteller für die Zeit vom 1. Oktober 2007 an ergangen. Die Antragsteller müssen zunächst den Erlass diese Entscheidung abwarten und ggf. dann um gesonderten einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen. Sollte der Antragsgegner hierüber aber bereits entschieden haben, dürfte der entsprechende Bewilligungsbescheid nicht in analoger Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des genannten Widerspruchsverfahrens geworden sein. Denn im Rahmen des SGB II ist eine analoge Anwendung dieser Regelung auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume wegen der Besonderheiten dieses Rechtsgebietes nicht gerechtfertigt (Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 - B 7 b AS 14/06 R -, zitiert nach Juris, für die das Klageverfahren entsprechende Regelung des § 96 SGG). Auch in diesem Fall müssten die Antragsteller um gesonderten einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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