L 19 B 38/07 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 9 AS 320/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 38/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 05.02.2007 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller erstrebt einstweiligen Rechtsschutz und Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Antragsverfahrens gegen eine Absenkung seiner Leistungen nach dem SGB II wegen Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II).

Mit Bescheid vom 06.07.2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller und seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau Leistungen nach dem SGB II vom 01.07. bis zum 31.12.2006 in Höhe von monatlich 706,49 EUR.

Mit Schreiben vom 27.02.2006 schlug die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Tätigkeit als Callcenter-Agent bei der Firma U , G H in Q vor und forderte ihn unter Hinweis auf die ansonsten eintretenden Rechtsfolgen auf, sich um diese Stelle zu bewerben. Mit Schreiben vom 06.03.2006 teilte der Antragsteller mit, er habe sich am 03.03. und 06.03.2006 beworben, sei jedoch nicht eingestellt worden, weil es sich um Telefonakquise für den Mobilfunkanbieter Arcor handele. Die Firma H suche eher weniger qualifizierte und branchenverwandte Mitarbeiter. Er sei an weiteren Stellenangeboten interessiert, die seiner Qualifikation und seinem Kompetenzprofil näher kämen (gerne auch Küche, da Hobbykoch). Herr H für die Firma U teilte der Antragsgegnerin mit, der Antragsteller habe sich auf Veranlassung der Arge Q in seinem Betrieb in Q vorgestellt, ihm sei das ausgeschriebene Arbeitsfeld erklärt worden. Der Bewerber habe jedoch eine Aufnahme des Arbeitsverhältnisses abgelehnt mit der Begründung, er könne nicht telefonieren und sei deshalb für ein Call-Center ungeeignet.

Mit Schreiben vom 30.03.2006 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Prüfung der Frage an, ob eine Absenkung nach § 31 SGB II vorzunehmen sei.

Mit Bescheid vom 16.11.2006 senkte die Antragsgegnerin die dem Antragsteller bewilligten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis 28.02.2007 in Höhe von 30 % der maßgeblichen Regelleistung ab. Sie bewilligte ihm und seiner in Bedarfsgemeinschaft mit ihm lebenden Ehefrau mit Bescheid vom 08.01.2007 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 619,03 EUR für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 28.02.2007 und in Höhe von 712,03 EUR für den Zeitraum vom 01.03.2007 bis um 30.06.2007.

Den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 16.11.2006 hat die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006 zurückgewiesen. Hierzu ist das Klageverfahren S 9 AS 321/06 SG Detmold anhängig. Auch gegen den Bewilligungsbescheid vom 08.01.2007 hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2007 zurückgewiesen worden ist. Hiergegen hat der Antragsteller im Verfahren S 9 AS 101/07 SG Detmold Klage erhoben.

Mit dem am 21.11.2006 gestellten Eil-Antrag hat der Antragsteller sich gegen eine Absenkung seiner Leistungen gewandt. Fa. U habe ihn nicht einstellen wollen. Die Absenkung durch Bescheid vom 16.11.2006 sei verfahrensfehlerhaft vorgenommen worden.

Mit Beschluss vom 05.02.2007 hat das Sozialgericht die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz und Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit seiner am 02.03.2007 erhobenen Beschwerde hält der Antragsteller das Arbeitsangebot bei Fa. Ul für unzumutbar und für ihn nicht geeignet. Er besitze nicht die erforderliche "Teppichhändlermentalität" für den Verkauf am Telefon sowie weder Vorerfahrung noch Eignung hierzu im Übrigen.

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 02.03.2007), ist unbegründet.

Dabei hat das Sozialgericht den gestellten Antrag für den Zeitraum bis 31.12.2006 zutreffend als Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 9 AS 321/06 gegen den Bescheid vom 16.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2006 angesehen. Denn für diesen Zeitraum konnte der Antragsteller sein Rechtsschutzziel, ungekürzte Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, vor dem Hintergrund der bis Jahresende 2006 reichenden Bewilligung durch den Bescheid vom 06.07.2005 nur durch Herstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den in diese Regelung eingreifenden Bescheid vom 22.08.2006 erreichen. Die Voraussetzungen der Herstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG für diesen Zeitraum liegen nicht vor. Der Senat schließt sich der Begründung des angefochtenen Beschlusses insoweit an und verweist hierauf, § 142 Abs. 2 Satz 2 SGG.

Für den Zeitraum ab 01.01.2007 jedoch richtet sich das einstweilige Rechtsschutzbegehren nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, weil die diesen Zeitraum betreffende Bewilligung durch Bescheid vom 08.01.2007 bis einschließlich Februar 2007 nur Leistungen in der durch Bescheid vom 16.11.2006 abgesenkten Höhe zuerkennt.

Der Erlass eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG für den Zeitraum ab 01.01.2007 setzt u.a. das Bestehen eines Anordnungsanspruches im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf die begehrte Leistung voraus. Dieser Anspruch besteht beim Antragsteller hinsichtlich der Differenz zwischen der mit und ohne Absenkung zustehenden Leistung gerade nicht, da die Absenkung selbst rechtmäßig ist. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss insoweit wird wiederum Bezug genommen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.

Der Beschwerdevortrag rechtfertigt zur Überzeugung des Senats keine andere Wertung: Entgegen der Beschwerdebegründung gibt es nach dem aktenkundigen Sachverhalt bislang keinen Hinweis darauf, dass die angebotene Tätigkeit ihrer Art nach oder nach den gesundheitlichen Befähigungen des Antragstellers unzumutbar gewesen sein könnte. Zumutbar im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 1c i.V.m. § 10 SGB II ist jede Arbeit, es sei denn, einer der Ausnahmefälle nach § 10 Abs. 1 Nrn. 1 - 5 SGB II läge vor oder es handelte sich um eine nicht rechtmäßige Tätigkeit (Berlit in LPK SGB II, 2. Auflage, § 31 Rdnr. 33). Einen Anhalt dafür, dass der Antragsteller im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage gewesen sein könnte, bietet der aktenkundige Sachverhalt nicht. Fehlendes Erwerbsstreben bzw. in der polemisierenden Diktion des Antragstellers fehlende "Teppichhändlermentalität" genügt insoweit jedenfalls nicht. Körperliche Defizite, die den Antragsteller an einer Tätigkeit im Telefonmarketing hindern könnten, sind nicht bekannt und werden von ihm auch nicht vorgetragen. Der in anderem Zusammenhang vorgetragene Hinweis auf ein bestehendes Bandscheibenleiden weckt zunächst keine Zweifel an der körperlichen Eignung zum Telefonieren, das auch in wechselnden Körperhaltungen möglich ist und schwere oder auch nur mittelschwere körperliche Belastungen nicht mit sich bringt. Geistige oder seelische Defizite, die den Antragsteller hindern könnten, eine Tätigkeit im Telefonmarketing aufzunehmen, sind nicht ersichtlich. Sein Ausbildungshintergrund und vergleichsweise gewandter Gebrauch der Schriftsprache in der umfangreichen Korrespondenz mit der Antragsgegnerin und den Gerichten sprechen vielmehr für eine grundsätzlich vorhandene Fähigkeit des Antragstellers Verkaufsgespräche zu führen bzw. zu Erwerbszwecken zu telefonieren. 0b der Inhalt der Tätigkeit Vorstellungen und Ansprüchen widerspricht, ist für die Zumutbarkeit i.S. von §§ 10, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II unerheblich. Eine nur empfundene Unzumutbarkeit führt nicht zur Unzumutbarkeit i.S. der genannten Vorschriften. Insoweit der Antragsteller annimmt, U verkaufe "auf sittenwidriger Lügenbasis", will er damit offensichtlich behaupten, die Antragsgegnerin habe ihm die Aufnahme einer rechtswidrigen Tätigkeit angesonnen. Diese Behauptung geht nach seinem eigenen Vortrag ins Leere: Telefonmarketing ist keineswegs per se sitten- bzw. rechtswidrig, sondern wird es erst dann, wenn - im Verhältnis zu privaten Verbrauchern - keine Einwilligung mit einer telefonischen Kontaktaufnahme besteht (z.B. Urteile des 0LG Düsseldorf vom 16.12.2003 - I-20 U 91/03, des LG Hamburg vom 23.11.2004 - 312 0 975/04 -) bzw. - bei der Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden und Freiberuflern - dann, wenn diese mit der telefonischen Kontaktaufnahme weder einverstanden sind noch ihr Einverständnis vermutet werden kann (BGH, Urteil vom 24.01.1991 - 1 ZR 133/89 - = BGHZ 113, 282ff). Dass es sich vorliegend um vergleichbare Telefonkontakte gehandelt hätte ist nicht bekannt. Entsprechende Behauptungen werden vom Antragsteller auch nicht aufgestellt. Anhaltspunkte für das Bestehen eines wichtigen Grundes, der im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II der Ausübung der angebotenen Tätigkeit entgegenstehen könnte, gibt es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.

Die mit dem angefochtenen Beschluss gleichfalls abgelehnte Prozesskostenhilfe steht dem Antragsteller nicht zu, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 73a SGG, § 114 ZPO aufweist.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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