L 2 B 291/07 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 1180/07 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 291/07 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Qualifikation von Leistungen nach dem BAföG als zweckbestimmte Einnahmen i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a) SGB II
I. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 30. Mai 2007 dahingehend abgeändert, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet wird, den Beschwerdegegnern vorläufig bis zur Entscheidung im Widerspruchsverfahren für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 1037,00 EUR/Monat zu bewilligen. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. II. Die Beschwerdeführerin trägt sechs Siebtel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegner.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007. Kern der streitigen Frage ist, ob bei der Berücksichtigung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) als Einkommen nach § 11 SGB II eine generelle Pauschalierung des Ausbildungsbedarfes ohne die Möglichkeit des Nachweises des konkreten Ausbildungsbedarfes rechtmäßig ist.

Die Beschwerdegegnerin zu 1) (Bg. zu 1) ist die Mutter der 1988 und 1994 geborenen Beschwerdegegner zu 2) und 3) (Bg. zu 2 und 3), welche gemeinsam in einer Wohnung le-ben. Die Bg. zu 1) bezieht ein monatliches Einkommen von 162,00 EUR. Für die Bg. zu 2) und 3) wird jeweils monatlich Kindergeld i.H.v. 154,00 EUR gezahlt.

Der volljährige Bg. zu 2) absolvierte vom 29.08.2005 bis 20.07.2007 eine Ausbildung beim Bildungszentrum für informationsverarbeitende Berufe gGmbH, einer staatlich aner-kannten Berufsfachschule für Informatik in D. , mit dem Ziel des Abschlusses als "Staat-lich geprüfter Assistent für Wirtschaftsinformatik". Er schloss mit dem Bildungszentrum eine Vereinbarung, wonach er Systemnutzungsgebühren i.H.v. 4.200,00 EUR (175,00 EUR/Monat) abführen musste. Darin war das Schulgeld enthalten. Er erhielt monat-lich 192,00 EUR Leistungen nach dem BAföG.

Die Bg. beantragten am 19.03.2007 die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 01.05.2007. Die Bf. bewilligte mit Bescheid vom 16.04.2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.05.2007 Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 30.06.2007 i.H.v. 883,22 EUR und für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 i.H.v. 889,22 EUR/Monat. Dabei wurden von den vom Bg. zu 2) bezogenen Leistungen nach dem BAföG 153,60 EUR monatlich als Einkommen berücksich-tigt. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Bg ...

Die Bg. haben am 30.04.2007 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Dresden (SG) gestellt. Die Leistungen nach dem BAföG könnten nicht als Einkom-men berücksichtigt werden. Sie würden ausschließlich verwendet, um die mit der Ausbildung verbundenen Kosten zu decken. So werde der Betrag fast vollständig für die Tilgung des Schulgelds verbraucht. Es handele sich damit um eine zweckgerichtete Einnahme, die gemäß § 11 Abs. 3 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Zudem seien Fahrtkosten in Abzug zu bringen.

Das SG hat mit Beschluss vom 30.05.2007 die Bf. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Bg. als Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 monatlich Leistungen nach dem SGB II i.H.v. insgesamt 1.063,00 EUR vorläufig zu zahlen und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Die Bg. hätten insgesamt einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1.063,00 EUR/Monat. Die monatliche Regelleistung für die Bg. zu 1) betrage 345,00 EUR, für den Bg. zu 2) 276,00 EUR und für den Bg. zu 3) 207,00 EUR. Zudem habe die Bg. zu 1) Anspruch auf Mehrbedarf wegen Alleinerziehung i.H.v. 41,00 EUR/Monat. Nach § 22 SGB II ergebe sich ein Bedarf für Unterkunft und Heizung i.H.v. 525,55 EUR. Daher sei ein Gesamtbedarf von 1.394,55 EUR zu berücksichtigen. Dieser Gesamtbedarf sei um das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gemäß § 19 Abs. 3 SGB II zu vermindern. Die Bg. zu 1) beziehe ein monatliches Einkommen von 162,00 EUR. Hiervon seien jedoch die Pauschale von 30,00 EUR und nach §§ 30, 11 SGB II 32,40 EUR und 76,67 EUR abzusetzen. Das anrechenbare Erwerbseinkommen der Bg. zu 1) betrage daher 22,93 EUR. Das Kindergeld sei den Bg. zu 2) und 3) zuzurechnen. Die Leistun-gen nach dem BAföG seien nicht als Einkommen des Bg. zu 2) zu berücksichtigen. Dies folge aus § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II. Danach seien vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Der Bg. zu 2) müsse Schulgeld i.H.v. 175,00 EUR zahlen und benötige eine Monatskarte. Bei der Zahlung der Systemnutzungsgebühr, in der das Schulgeld enthalten sei, handele es sich um notwendige Ausgaben, die mit der Erzielung des Einkommens verbunden seien. Die Systemnutzungs-gebühren würden dafür entrichtet, dass der Bg. zu 2) zum Zwecke der Ausbildung das Bil-dungszentrum besuche. Aufgrund des Besuchs dieser staatlich anerkannten Schule werde das Einkommen erzielt. Daher seien die Systemnutzungsgebühren und auch die Kosten der Monatskarte abzusetzen. Dies führe dazu, dass kein anrechenbares Einkommen verbleibe. Im Übrigen sei der Antrag zurückzuweisen, da derzeit nicht ersichtlich sei, dass für die Zeit ab 01.08.2007 die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in dieser Höhe vorlägen.

Gegen den der Bf. am 06.06.2007 zugestellten Beschluss hat sie am 27.06.2007 Beschwerde beim SG eingelegt, die dieses am 04.07.2007 an das Sächsische Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet hat. Mit dem angefochtenen Beschluss spreche das SG für die Zeit vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 monatlich um 179,65 EUR höhere Leistungen als von der Bf. bewilligt zu. Dieser Betrag setze sich aus 153,60 EUR Leistungen nach dem BAföG und einem Differenzbetrag von 26,05 EUR, den das SG nicht begründet habe, zusammen. Das Net-toerwerbseinkommen der Bg. zu 1) von 162,00 EUR sei gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II pauschal um 100,00 EUR sowie gemäß § 30 SGB II um 12,40 EUR (20 % von 62,00 EUR) zu berei-nigen. Damit seien vom Erwerbseinkommen 49,60 EUR anrechenbar. Zudem folge die Bf. der Auffassung des SG zur Anrechnung von Leistungen nach dem BAföG nicht. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Bf. hat mit Ausführungsbescheid vom 27.06.2007 vorläufig Leistungen in der im Beschluss des SG genannten Höhe bewilligt.

Die Bg. erachten die Entscheidung des SG für zutreffend.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens sowie die Verwaltungsakte der Bf. vor.

II.

Die zulässige Beschwerde der Bf. ist weitgehend unbegründet. Der Beschluss des SG vom 30.05.2007 war lediglich geringfügig dahingehend abzuändern, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet wird, den Beschwerdegegnern vorläufig bis zur Entscheidung im Wider-spruchsverfahren für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 1037,00 EUR/Monat zu bewilligen. Im Übrigen war die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

1. Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist lediglich, ob den Bg. die vom SG für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 zugesprochenen höheren Leistungen zustehen, weil lediglich die Bf. Beschwerde eingelegt hat. Seitens der Bg. ist keine Beschwerde ein-gelegt worden. Daher ist der Beschluss des SG, soweit der Antrag zurückgewiesen wurde, rechtskräftig geworden.

2. Den Bg. steht ein Anspruch auf vorläufige Bewilligung von Leistungen in Höhe von 1037 EUR/Monat zu. Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Haupt-sache – soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt – auf Antrag eine einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86 b Abs. 3 SGG sind Anträge nach Abs. 2 bereits vor Klageerhebung zulässig.

Ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des § 86 b Abs. 1 SGG in Ver-bindung mit § 86 a Abs. 1 bis 3 SGG sind (Anfechtungs-)Widersprüche und Anfechtungsklagen. Die Bg. begehren jedoch höhere Leistungen nach dem SGB II.

Weil sich das Begehren der Bg. in der Hauptsache auf die Bewilligung von höheren Leistungen richtet, ist das Verfahren auf eine Regelungsanordnung gerichtet. Eine solche setzt gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 1 ZPO einen Anord-nungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus.

Ein Anordnungsanspruch auf Bewilligung von höheren Leistungen als von der Bf. bewilligt besteht für den streitigen Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn die einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes bezüglich eines streitigen Rechtsverhältnisses nötig erscheint. Bei der Prüfung des Anordnungsanspruchs sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Soweit das Hauptsacheverfahren nach überschlägiger Prüfung voraussichtlich Aussicht auf Erfolg haben wird, wovon jedenfalls dann auszugehen ist, wenn die Erfolgsaussichten der Bg. in der Hauptsache deutlich überwiegen, liegt ein Anordnungsan-spruch vor.

Hieran gemessen war dem Antrag der Bg. auf einstweilige Anordnung im oben genannten Umfang stattzugeben, weil der Widerspruch der Bg. in diesem Umfang voraussichtlich Aussicht auf Erfolg haben wird. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 20.07.2006 (BGBl. I S.1706) erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Dabei gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nrn. 1 und 4 SGB II der erwerbsfähige Hilfebedürftige und die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in Nr. 1 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können, zur Bedarfsgemeinschaft, folglich vorlie-gend die Bg. zu 1), und deren Söhne, die Bg. zu 2) und 3).

Für die Bg. zu 1) beträgt die Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II 345,00 EUR/Monat. Für den 1988 geborenen Bg. zu 2) hat die Bf. gemäß § 22 Abs. 2 SGB II zutref-fend 276,00 EUR/Monat und für den 1994 geborenen Bg. zu 3) gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB II zutreffend einen Regelsatz von 207,00 EUR angenommen. Somit beträgt die Gesamtregelleistung für die Bedarfsgemeinschaft 828,00 EUR/Monat. Zudem hat die Bg. zu 1) einen An-spruch auf Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II i.H.v. 41,00 EUR/Monat. Hinzukommen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II die Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese betragen – wie von der Bf. und dem SG ebenfalls zutreffend ausgeführt – 525,55 EUR/Monat. Für den streitigen Zeitpunkt hat die Bf. somit einen Bedarf i.H.v. insgesamt 1.394,55 EUR zutreffend errechnet.

Der Bedarf ist gemäß § 19 Abs. 2 SGB II um das Erwerbseinkommen der Bg. zu 1) i.H.v. 162,00 EUR und das an die Bg. zu 2 und 3 gezahlte Kindergeld (308,00 EUR/Monat) zu mindern.

Die Leistungen nach dem BAföG, die an den Bg. zu 2) gezahlt werden, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a) SGB II sind Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Zweckbestimmte Einnahmen in diesem Sinne sind solche, die dazu bestimmt sind, der Finanzierung des laufenden Lebensunterhalts oder der Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit (vgl. § 1 Abs. 2 SGB II) zu dienen (vgl. Brühl, in: Münder, SGB II, 2. Aufl., Rn. 51 zu § 11; Hasske, in: Estelmann, SGB II, Stand: Mai 2007, Rn. 49 zu § 11). Die Zweckbestimmung muss nicht ausdrücklich im Gesetz benannt sein, sie kann sich auch aus der erkennbaren Zweckbestimmung des Gesetzes ergeben (LSG, Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.10.2006 – L 19 B 599/06 AS – zitiert nach juris, RdnN. 36; Brühl, a.a.O.; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Rn. 80 zu § 11).

Der 3. Senat des LSG hat im Beschluss vom 16.07.2007 – L 3 B 414/06 AS-ER - ausgeführt:

"In diesem Sinne ist die Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe des für die Ausbildung gewährten Betrages eine zweckbestimmte Leistung (ebenso: Hasske, a.a.O. so bereits zu § 77 Abs. 1 BSHG: Ham-bOVG, Urteil vom 09. Februar 1996 – Bf IV 5/92 – juris-Dokument RdNr. 30 ff.). Die Zweckbestimmung der Ausbildungsförderung ergibt sich aus § 11 Abs. 1 BA-föG. Danach wird sie für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet.

Die Qualifizierung der Ausbildungsförderung als zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II kann nicht mit der Begründung abge-lehnt werden, dass sie auch noch einem anderen Zweck als die Leistung nach dem SGB II dient. Soweit das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Auffassung vertritt, eine Leistung verfolge erst dann einen anderen Zweck im Sinne dieser Re-gelung, wenn bei mehreren Zwecken einer Leistung der Zweck, der der Leistung das Gepräge gebe und als vorherrschender, überwiegender Zweck anzusehen sei, mit dem Zweck einer Leistung nach dem SGB II nicht übereinstimmte (LSG Ber-lin-Brandenburg, Beschluss vom 23.10.2006 – L 19 B 599/06 AS – juris-Dokument RdNr. 36), findet diese einengende Auslegung im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Vielmehr macht das Wort "soweit" in § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II deutlich, dass auch Einnahmen zu berücksichtigen sind, bei deren Zweckbestimmung eine Teilidentität mit den Zwecken von Leistungen nach dem SGB II besteht, im Übrigen aber vom Gesetzgeber auch ein anderer Zweck verfolgt wird (so zu § 77 Abs. 1 BSHG: HambOVG, Urteil vom 09. Februar 1996 – Bf IV 5/92 – juris-Dokument RdNr. 31). Auch die Gesetzesmaterialien ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Ge-setzgeber die Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II in der beschriebe-nen einengenden Auslegung verstanden wissen wollte.

Soweit das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg weiter ausführt, dass von den typischen Kosten des Unterhalts und der Ausbildung an einer staatlichen Ausbil-dungsstätte der Anteil der Kosten für den Unterhalt größer sein dürfte als der für die Ausbildung, ist dies rein spekulativ. Unabhängig davon, dass in den beim erken-nenden Senat anhängigen Verfahren in einer nennenswerten Zahl die Ausbildungs-förderung in wesentlichen Teilen für die Kosten der Ausbildung, unter anderem für das Schulgeld, eingesetzt werden muss, kommt es im Zusammenhang mit § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II bei einer Leistung mit mehreren Zweckbestimmungen nicht auf die quotenmäßige Aufteilung der typischen Kosten an. Die Schwierigkei-ten, die im Einzelfall bei der Bestimmung des auf den jeweiligen Zweck entfallen-den Anteils der Ausbildungsförderung entstehen können, können nicht dadurch umgangen werden, dass § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II einengend ausgelegt wird.

Die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ist zudem insoweit nicht konsequent, als das Gericht im Ergebnis doch einen Anteil der Ausbildungs-förderung als der Ausbildung dienend behandelt und nicht als Einkommen berücksichtigt. Wenn aber die Ausbildungsförderung wegen der fehlenden Prägung durch den Ausbildungsanteil nicht als Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II angesehen wird, hätte kein quotenmäßiger Abzug bei der Einkommensermittlung erfolgen dürfen. Denn für eine solche Verfahrensweise findet sich weder in § 11 Abs. 3 SGB II noch in § 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslo-sengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung [Alg II-V]) eine Rechtsgrundlage.

Ausgehend von der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als teilweise zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II ist der Anteil zu bestimmen, der auf die Ausbildung entfällt und damit nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Für die generelle pauschalierende Quotelung, wie sie die Antragsgegnerin vorgenommen hat, bietet weder § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II noch § 11 Abs. 1 BAföG eine Stütze. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Bedarfe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als Pauschalen bemessen. Die Festlegung der Pauschalen erfolgte ungeachtet dessen, dass die Bedarfe bei den Auszubildenden jeweils abhängig vom Ausbildungsort, der Ausbildungsart und den verschiedenen Zeiträumen, wie Ausbildungszeiten und Ferien, unterschiedlich sind. Eine getrennte Festlegung der Bedarfe für Unterhalt und Ausbildung hat er nicht vorgenommen. Wenn aber der Gesetzgeber im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes von einer variablen Verteilung der Anteile ausgeht und vom Auszubildenden erwartet, dass er ggf. auch einen hohen Anteil an Ausbildungskosten von der Ausbildungspauschale abdeckt, kann im Rahmen des SGB II wegen der Einheit der Rechtsordnung nicht dem Auszubildenden unter-stellt werden, dass er generell einen von der Behörde festgelegten, überwiegenden Anteil der Ausbildungsförderung für den Unterhalt einsetzt. Dies entspricht auch dem Zweck des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II. Wie bereits die Vorläuferrege-lung des § 77 Abs. 1 BSHG (vgl. hierzu: HambOVG, Urteil vom 09. Februar 1996 – Bf IV 5/92 – juris-Dokument RdNr. 29, m.w.N.) soll zum einen eine Doppelleis-tung aus öffentlichen Kassen für einen Zweck vermieden werden. Zum anderen soll aber dem Empfänger einer Leistung, mit der ein besonderer Bedarf gedeckt werden soll, diese Bedarfsdeckung nicht dadurch unmöglich gemacht werden, dass er gezwungen wird, die Leistungen entgegen ihrer Zweckbestimmung zu verwenden.

Es ist somit im Einzelfall nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln eine Aufteilung der auf den Unterhalt und auf die Ausbildung entfallenden Anteile vorzunehmen (so zu § 77 Abs. 1 BSHG: HambOVG, Urteil vom 09. Februar 1996 – Bf IV 5/92 – juris-Dokument RdNr. 31). Als zweckbestimmte Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II ist der Anteil der Ausbildungsförderung zu berücksichtigen, der mit Nachweisen belegt und in angemessenem Umfang auf die Ausbildungsförderung entfällt. Erst wenn dies nicht möglich ist oder wenn der An-tragsteller im SGB II-Verfahren hierauf nicht besteht, kommt eine pauschalierende Festlegung des Ausbildungsanteils der Ausbildungsförderung durch die Behörde in Betracht.

Soweit die Antragsgegnerin für ihre gegenteilige Auffassung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 26 BSHG, der Vorläuferregelung zu § 7 Abs. 2 SGB II, verweist, ist diese Rechtsprechung nicht einschlägig. § 7 Abs. 5 SGB II betrifft den grundsätzlichen Ausschluss von Auszubildenden, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderfähig sind, vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Regelung enthält mithin eine Aussage zur An-spruchsberechtigung dieser Personengruppe. § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II hingegen behandelt die Frage, ob und in welchem Umfang Einnahmen desjenigen, der Leistungen nach dem SGB II beantragt, oder von Dritten, die bei der Einkommensberechnung nach den Regelungen des SGB II einzubeziehen sind, als Einkommen nicht zu berücksichtigen sind."

Dieser Rechtsprechung schließt sich der 2. Senat des LSG nach eigener Prüfung an.

Angewandt auf den vorliegenden Fall, bezieht der Bg. zu 2) Leistungen nach dem BAföG i.H.v. 192,00 EUR/Monat. Ausweislich des vorgelegten Schulvertrages hat der Bg. zu 2) für die Ausbildung zum "Staatlich geprüften Assistenten für Wirtschaftsinformatik" Schulgeld i.H.v. insgesamt 4.200,00 EUR (175,00 EUR/Monat) zu zahlen. Hinzukommen die Fahrtkosten zur Ausbildung. Die Kosten für die Monatskarte betrugen ausweislich der vorgelegten Belege 28,50 EUR/Monat. Damit ist kein Einkommen des Bg. zu 2) zu berücksichtigen.

Vom Einkommen der Bg. zu 1) sind die Freibeträge gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 (pauschal 100,00 EUR/Monat) und §§ 11 Abs. 1 Nr. 6, 30 Nr. 1 SGB II (20 % von 62,00 EUR), mithin insgesamt Freibeträge i.H.v. 112,40 EUR/Monat abzusetzen. Es sind daher bereinigte Einkünfte i.H.v. 357,60 EUR/Monat (162,00 EUR/Monat + 308,00 EUR/Monat – 112,40 EUR/Monat) vom Gesamtbedarf abzuziehen. Folglich haben die Bg. Anspruch auf eine monatliche Leistung i.H.v. 1036,95 EUR/Monat (1394,55 EUR/Monat – 357,60 EUR/Monat), die gem § 41 Abs. 2 SGB II auf 1037,00 EUR/Monat aufzurunden sind.

Bezüglich dieser Leistungen ist nach Auffassung des Senats ein Anordnungsgrund gegeben, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung beim SG der maßgebliche Zeitraum noch nicht abgelaufen war (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 04.05.2007 – L 13 AS 32/06 ER), die Bg. durch die Anrechnung der Leistungen nach dem BAföG in der Vergangenheit in besonderer Weise betroffen waren, und - vor allem - eine Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzgesuchs im Beschwerdeverfahren einen aktuellen schweren, unzumut-baren Nachteil für die Bg. zur Folge hätte, weil in diesem Falle die mit Ausführungsbescheid vom 27.06.2007 vorläufig in der vom SG ausgesprochenen Höhe bewilligten Leistungen zurückgefordert würden.

Nach alledem war der Beschluss des SG lediglich geringfügig abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Der Beschluss ist gemäß 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved