L 2 AS 43/07

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 22 AS 1305/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 43/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Als zweckbestimmte Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a)SGB II ist der Anteil der Ausbildungsförderung zu berücksichtigen, der mit Nachweisen belegt und in angemessenem Umfang auf die Ausbildungsförderung entfällt.
2. Beim Ansatz für Fahrtkosten ist für Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug die Pauschale gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3b Alg II-V in der ab 01.10.2005 geltenden Fassung (0,20 € für jeden Entfernungskilometer) anwendbar.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 22.03.2007 insoweit abgeändert, als 1. im Monat Januar 2005 zusätzlich 106,00 EUR statt 146,60 EUR, 2. im Monat Februar 2005 zusätzlich 106,00 EUR statt 146,60 EUR und 3. im Monat Mai 2005 zusätzlich 146,00 EUR statt 146,60 EUR zu bewilligen sind.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005.

Die am ...1988 geborene Klägerin lebte im streitbefangenen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft. Dieser Bedarfsgemeinschaft gehörten die Mutter der Klägerin, K. , deren weitere Kinder F. , geb. am ...1991, sowie H. , geb. am.1993, an, ferner der mit der Mutter in eheähnlicher Gemeinschaft lebende J ...

Am 21.10.2004 beantragte die Mutter der Klägerin für die gesamte Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Unterkunft, wobei die Bedarfsgemeinschaft in einem Eigenheim mit Ölheizung lebte.

Die Klägerin ist seit dem 18.08.2004 bei der "Euro-Schulen Gemeinnützige Gesellschaft für Bildung und Beschäftigung", Berufsfachschule für Diätetik, mit dem Ausbildungsziel "staatlich geprüfte Diätassistentin" angemeldet. Vom Landratsamt Mittweida – Amt für Ausbildungsförderung – bezog sie aufgrund des Bescheides vom 30.09.2004 Ausbildungsförderung ab August 2004 bis einschließlich Juli 2005 in Höhe von monatlich 192,00 EUR nach dem BAföG. Den Weg zu den jeweiligen Ausbildungsstätten bewältigte die Klägerin mit einem Moped. Parallel hierzu erhielt die Klägerin Kindergeld in Höhe von monatlich 154,00 EUR.

Mit Bescheid vom 10.01.2005 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Monat Januar 2005 einen Betrag in Höhe von 914,19 EUR, für Februar 2005 1.490,89 EUR, für März 2005 1.412,79 EUR und für die Monate April bis Juni 2005 jeweils 1.277,89 EUR. Hierbei legte die Beklagte Kosten für Unterkunft und Heizung für die gesamte Bedarfsgemein-schaft in Höhe von 538,42 EUR zugrunde und berücksichtigte bei der Klägerin Einkommen, nämlich Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR und BAföG-Leistungen in Höhe von 192,00 EUR. Die der Klägerin zustehenden Leistungen bezifferte die Beklagte für den Monat Januar 2005 auf 12,23 EUR und für Februar 2005 bis Juni 2005 auf monatlich 26,68 EUR.

Diesen Bescheid griff die Mutter der Klägerin mit Widerspruch vom 09.02.2005 an. Von dem BAföG müsse die Klägerin ihr Schuldgeld in Höhe von 115,00 EUR bestreiten, das Geld stehe ihr somit nicht in voller Höhe zur Verfügung. Ausweislich des beigefügten Schulvertrages war die Klägerin verpflichtet, im ersten Schul-jahr (01.08.2004 bis 31.07.2005) Gebühren in Höhe von 660,00 EUR zu bezahlen. Zusätzlich musste die Klägerin in diesem Zeitraum eine monatliche Aufwandspauschale in Höhe von 60,00 EUR für Zusatzleistungen des Schulträgers zahlen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Leistungen nach dem BAföG stellten Einkommen dar. Ein Abzug des Schulgeldes könne nicht nach § 11 Abs. 2 SGB II erfolgen, da insbesondere die Absetzungsmöglichkei-ten nach Nr. 5 auf Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzielten, die im Falle der Klägerin nicht gegeben seien.

In der am 28.10.2005 zum Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage hat die Klägerin auf neben dem zu zahlenden Schulgeld aufzubringende weitere ausbildungsbedingte Aufwen-dungen zur Absicherung des Schulbetriebes hingewiesen; hierzu zählten arbeitstägliche Fahrtaufwendungen, Arbeitsmittel wie Fachbücher, Schreibblöcke, Schreibutensilien, Hef-ter und Aktenordner sowie Berufsbekleidung in einer durchschnittlichen monatlichen Höhe von 70,00 EUR.

Mit Änderungsbescheid vom 17.10.2005 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Monate Januar und Februar 2005 monatlich 1.490,89 EUR, für den Monat März 2005 1.412,79 EUR und für die Monate April bis Juni 2005 jeweils 1.277,98 EUR. Der Klägerin bewil-ligte die Beklagte hierbei anteilig monatlich 26,68 EUR.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 31.01.2006 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Monate Januar und Februar 2005 jeweils 1.529,29 EUR, für den Monat März 2005 1.451,29 EUR und für die Monate April bis Juni 2005 jeweils 1.316,29 EUR. Den der Klägerin hierbei zustehenden Betrag bezifferte die Beklagte auf monatlich 65,08 EUR. Hintergrund dieser Änderung war die Anrechnung der von der Klägerin bezogenen Leistungen nach dem BAföG nur zu 80 %. Anrechnungsfrei seien 20 % der BAföG-Leistungen.

Im Rahmen des Klageverfahrens hat die Beklagte ausgeführt, dass 20 % der BAföG-Leistungen als zweckbestimmte Einnahmen nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II abgezogen worden seien.

Die Klägerin hat ergänzend ausgeführt, dass der pauschale Abzug von 20 % im Gesetz keine Stütze finde, zumindest der notwendige Bedarf zur existenziellen Absicherung der Ausbildung sei in Ansatz zu bringen. Zum Nachweis ausbildungsbezogener Ausgaben hat die Klägerin Quittungen über Berufsbekleidung und Literatur aus den Jahren 2004 und 2006 sowie Angebote hinsichtlich Berufsbekleidung von Internetanbietern beigefügt.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.03.2007 hat das SG den Bescheid vom 10.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2005 in der Fassung der Änderungsbe-scheide vom 10.10.2005 und vom 31.01.2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich weiteren 146,60 EUR zu bewilligen. Der Bedarf der Klägerin belaufe sich auf ins-gesamt 372,68 EUR (265,00 EUR Regelleistung, 107,68 EUR anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung.) Diesem stünde Einkommen in Form von Kindergeld (154,00 EUR) sowie Ausbildungsförderung nach dem BAföG (192,00 EUR) gegenüber. Von der gewährten Ausbildungs-förderung (hier 192,00 EUR) seien jedoch die mit der Ausbildung im Zusammenhang stehenden Ausgaben in Höhe von 115,00 EUR Schulgeld sowie weiteren 70,00 EUR für die täglichen Fahrten zur Ausbildungsstätte, für Fachliteratur, für Berufsbekleidung und für sonstige Arbeitsmittel abzuziehen. Die ausbildungsbedingten Aufwendungen würden von der Beklagten nicht bestritten. Es verbleibe ein anzurechnender Betrag von 7,00 EUR zuzüglich 154,00 EUR Kindergeld. Die Klägerin habe Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Höhe von 211,68 EUR. Angesichts des von der Beklagten bewilligten Betrages in Höhe von 65,08 EUR (Änderungsbescheid vom 31.01.2006) ergebe sich ein weitergehender Anspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 in Höhe von monatlich 146,60 EUR. Das SG hat die Anrechnung der ausbildungsbedingten Ausgaben damit begründet, dass einerseits die Ausbildungsförderung in dem Umfang als zweckbestimmte Einnahme zu behandeln sei, in dem sie nachweisbar und in angemessener Weise zu Ausbildungszwecken verwandt werde (§ 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II). Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werde, müssten die ausbildungsbedingten Ausgaben nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II abgesetzt werden, da die ausbildungsbedingten Aufwendungen als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben anzusehen seien.

Gegen den der Beklagten am 28.03.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 12.04.2007 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Bei der Ausbildungsförderung handele es sich um eine Einnahme in Geld und damit um Einkommen. Diese zähle nicht zu den in § 11 SGB II genannten Ausnahmen und diene auch nicht einem anderen Zweck im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Die Ausbildungsförderung diene, wie die Leistungen nach dem SGB II, der Sicherung des Lebensunterhalts und daneben der Ausbildung. Dem Umstand, dass mit der Ausbildungsförderung nach dem BAföG nicht nur Leistungen für den Unterhalt sondern auch für die Ausbildung erbracht würden, werde ausreichend Rechnung getragen, wenn von der Ausbildungsförderung 20 % als Anteil für die Kosten der Ausbildung abgezogen würden und dieser Teil keine Berücksichtigung als Einkommen finde.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 22.03.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die zur Sicherung der Berufsausbildung notwendigen Aufwendungen, die das monatlich bewilligte BAföG einkommensneutral verbrauchten, seien nicht als Einkommen berücksichtigungsfähig. Da das so genannte Schüler-BAföG in Höhe von 192,00 EUR Auszubildenden in einheitlicher Höhe gewährt werde und unabhängig davon sei, ob ein Schulgeld bzw. Schulgebühren und weitere ausbildungsbedingte notwendige Aufwendungen entrichtet werden müssten, finde bei einem Abzug dieser Aufwendungen vom BAföG als Einkom-men keine Verlagerung zum SGB II statt, denn alle ausbildungsbedingten Aufwendungen stünden nicht für die Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung. BAföG-Leistungen, die in der nachgewiesenen oder in angemessener und vertretbarer Weise zu Ausbildungszwecken verwertet würden, müssten als zweckbestimmte Einnahme berücksichtigt werden und dürften nicht als Einkommen nach dem SGB II angerechnet werden. Die Klägerin hat ergänzend aufgelistet, in welchen Zeiträumen sie jeweils welche Ausbil-dungsorte aufzusuchen hatte.

Dem Senat liegen die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Zu Recht hat das SG die nachweislich mit der Ausbildung im Zusammenhang stehenden Ausgaben bei Anrechnung von Leistungen nach dem BAföG als Einkommen nach dem SGB II außer Acht gelassen.

1. Die auf die Klägerin bezogene Klage hat die Individualansprüche der Klägerin nach dem SGB II zum Gegenstand. Da die BAföG-Leistungen als Einkommen der Klägerin nicht auf die Ansprüche der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet wer-den können, wirkt sich – entsprechend den Darlegungen des SG im angefochtenen Ge-richtsbescheid – die begehrte Nichtberücksichtigung der Ausbildungsförderung der Klägerin nicht auf die Ansprüche der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das SG die Beklagte verurteilt, Leistungen nach dem BAföG insoweit nicht als Einkommen bei Leistungen nach dem SGB II zu berücksichti-gen, als nachweislich und in angemessenem Umfang für die Wahrnehmung der Ausbil-dung Aufwendungen gemacht werden.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bewilligung von Leistungen in Höhe von jeweils 171,08 Euro für die Monate Januar und Februar, in Höhe von jeweils 211,68 Euro für die Monate März, April und Juni sowie in Höhe von 211,08 Euro für den Monat Mai zu.

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes vom 19.11.2004 – BGBl. I, S. 2902) erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfä-hige Hilfebedürftige). Dabei gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nrn. 1, 3 b) und 4 SGB II der er-werbsfähige Hilfebedürftige, die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt und die dem Haushalt angehörenden minderjährigen un-verheirateten Kinder der in Nr. 1 genannten Personen, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können, zur Bedarfsgemeinschaft, folglich vorliegend die Klägerin und ihre Mutter, ferner die beiden Geschwister der Klägerin sowie der in diesem Bewilligungsabschnitt im gemein-samen Haushalt lebende J ...

Für die Klägerin beträgt die Regelleistung gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 SGB II 265,00 EUR/Monat. Hinzu kommen gemäß §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 22 SGB II die Kosten für Unterkunft und Heizung. Der die Klägerin betreffende Anteil beträgt – wie von der Beklagten und dem SG zutreffend ausgeführt – 107,68 EUR/Monat. Im streitigen Zeitraum hat die Klägerin somit einen Bedarf i.H.v. insgesamt 372,68 EUR.

Der Bedarf ist gemäß § 19 Abs. 2 SGB II um das für die Klägerin bewilligte Kindergeld i.H.v. 154,00 EUR zu mindern.

Die Leistungen nach dem BAföG, die an die Klägerin gezahlt werden, sind nur anteilig als Einkommen zu berücksichtigen. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a) SGB II sind Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Zweckbestimmte Einnahmen in diesem Sinne sind solche, die dazu be-stimmt sind, der Finanzierung des laufenden Lebensunterhalts oder der Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit (vgl. § 1 Abs. 2 SGB II) zu dienen (vgl. Brühl, in: Münder, SGB II, 2. Aufl., Rn. 51 zu § 11; Hasske, in: Estelmann, SGB II, Stand: Mai 2007, Rn. 49 zu § 11). Die Zweckbestimmung muss nicht ausdrücklich im Gesetz benannt sein, sie kann sich auch aus der erkennbaren Zweckbestimmung des Gesetzes ergeben (LSG, Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.10.2006 – L 19 B 599/06 AS – zitiert nach juris, RdnN. 36; Brühl, a.a.O.; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Rn. 80 zu § 11).

Der 3. Senat des LSG hat im Beschluss vom 16.07.2007 – L 3 B 414/06 AS-ER – ausge-führt:

"In diesem Sinne ist die Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe des für die Ausbildung gewährten Betrages eine zweckbestimmte Leistung (ebenso: Hasske, a.a.O. so bereits zu § 77 Abs. 1 BSHG: Ham-bOVG, Urteil vom 09. Februar 1996 – Bf IV 5/92 – juris-Dokument RdNr. 30 ff.). Die Zweckbestimmung der Ausbildungsförderung ergibt sich aus § 11 Abs. 1 BA-föG. Danach wird sie für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet.

Die Qualifizierung der Ausbildungsförderung als zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass sie auch noch einem anderen Zweck als die Leistung nach dem SGB II dient. Soweit das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Auffassung vertritt, eine Leistung verfolge erst dann einen anderen Zweck im Sinne dieser Re-gelung, wenn bei mehreren Zwecken einer Leistung der Zweck, der der Leistung das Gepräge gebe und als vorherrschender, überwiegender Zweck anzusehen sei, mit dem Zweck einer Leistung nach dem SGB II nicht übereinstimmte (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.10.2006 – L 19 B 599/06 AS – juris-Dokument RdNr. 36), findet diese einengende Auslegung im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Vielmehr macht das Wort "soweit" in § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II deutlich, dass auch Einnahmen zu berücksichtigen sind, bei deren Zweckbestimmung eine Teilidentität mit den Zwecken von Leistungen nach dem SGB II besteht, im Übrigen aber vom Gesetzgeber auch ein anderer Zweck verfolgt wird (so zu § 77 Abs. 1 BSHG: HambOVG, Urteil vom 09. Februar 1996 – Bf IV 5/92 – juris-Dokument RdNr. 31). Auch die Gesetzesmaterialien ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Ge-setzgeber die Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II in der beschriebe-nen einengenden Auslegung verstanden wissen wollte.

Soweit das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg weiter ausführt, dass von den typischen Kosten des Unterhalts und der Ausbildung an einer staatlichen Ausbildungsstätte der Anteil der Kosten für den Unterhalt größer sein dürfte als der für die Ausbildung, ist dies rein spekulativ. Unabhängig davon, dass in den beim erkennenden Senat anhängigen Verfahren in einer nennenswerten Zahl die Ausbildungs-förderung in wesentlichen Teilen für die Kosten der Ausbildung, unter anderem für das Schulgeld, eingesetzt werden muss, kommt es im Zusammenhang mit § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II bei einer Leistung mit mehreren Zweckbestimmungen nicht auf die quotenmäßige Aufteilung der typischen Kosten an. Die Schwierigkei-ten, die im Einzelfall bei der Bestimmung des auf den jeweiligen Zweck entfallen-den Anteils der Ausbildungsförderung entstehen können, können nicht dadurch umgangen werden, dass § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II einengend ausgelegt wird.

Die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ist zudem insoweit nicht konsequent, als das Gericht im Ergebnis doch einen Anteil der Ausbildungsförderung als der Ausbildung dienend behandelt und nicht als Einkommen berücksichtigt. Wenn aber die Ausbildungsförderung wegen der fehlenden Prägung durch den Ausbildungsanteil nicht als Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II angesehen wird, hätte kein quotenmäßiger Abzug bei der Einkommenser-mittlung erfolgen dürfen. Denn für eine solche Verfahrensweise findet sich weder in § 11 Abs. 3 SGB II noch in § 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslo-sengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung [Alg II-V]) eine Rechtsgrundlage.

Ausgehend von der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als teilweise zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II ist der Anteil zu bestimmen, der auf die Ausbildung entfällt und damit nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Für die generelle pauschalierende Quotelung, wie sie die Antragsgegnerin vorgenommen hat, bietet weder § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II noch § 11 Abs. 1 BAföG eine Stütze. Der Gesetz-geber hat vielmehr die Bedarfe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als Pauschalen bemessen. Die Festlegung der Pauschalen erfolgte ungeachtet dessen, dass die Bedarfe bei den Auszubildenden jeweils abhängig vom Ausbildungsort, der Ausbildungsart und den verschiedenen Zeiträumen, wie Ausbildungszeiten und Ferien, unterschiedlich sind. Eine getrennte Festlegung der Bedarfe für Unterhalt und Ausbildung hat er nicht vorgenommen. Wenn aber der Gesetzgeber im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes von einer variablen Verteilung der An-teile ausgeht und vom Auszubildenden erwartet, dass er ggf. auch einen hohen Anteil an Ausbildungskosten von der Ausbildungspauschale abdeckt, kann im Rahmen des SGB II wegen der Einheit der Rechtsordnung nicht dem Auszubildenden unter-stellt werden, dass er generell einen von der Behörde festgelegten, überwiegenden Anteil der Ausbildungsförderung für den Unterhalt einsetzt. Dies entspricht auch dem Zweck des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II. Wie bereits die Vorläuferregelung des § 77 Abs. 1 BSHG (vgl. hierzu: HambOVG, Urteil vom 09. Februar 1996 – Bf IV 5/92 – juris-Dokument RdNr. 29, m.w.N.) soll zum einen eine Doppelleis-tung aus öffentlichen Kassen für einen Zweck vermieden werden. Zum anderen soll aber dem Empfänger einer Leistung, mit der ein besonderer Bedarf gedeckt werden soll, diese Bedarfsdeckung nicht dadurch unmöglich gemacht werden, dass er gezwungen wird, die Leistungen entgegen ihrer Zweckbestimmung zu verwenden.

Es ist somit im Einzelfall nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln eine Aufteilung der auf den Unterhalt und auf die Ausbildung entfallenden Anteile vor-zunehmen (so zu § 77 Abs. 1 BSHG: HambOVG, Urteil vom 09. Februar 1996 – Bf IV 5/92 – juris-Dokument RdNr. 31). Als zweckbestimmte Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II ist der Anteil der Ausbildungsförderung zu berücksichtigen, der mit Nachweisen belegt und in angemessenem Umfang auf die Ausbildungsförderung entfällt. Erst wenn dies nicht möglich ist oder wenn der Antragsteller im SGB II-Verfahren hierauf nicht besteht, kommt eine pauschalierende Festlegung des Ausbildungsanteils der Ausbildungsförderung durch die Behörde in Betracht.

Soweit die Antragsgegnerin für ihre gegenteilige Auffassung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 26 BSHG, der Vorläuferregelung zu § 7 Abs. 2 SGB II, verweist, ist diese Rechtsprechung nicht einschlägig. § 7 Abs. 5 SGB II betrifft den grundsätzlichen Ausschluss von Auszubildenden, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderfähig sind, vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Regelung enthält mithin eine Aussage zur An-spruchsberechtigung dieser Personengruppe. § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II hingegen behandelt die Frage, ob und in welchem Umfang Einnahmen desjenigen, der Leistungen nach dem SGB II beantragt, oder von Dritten, die bei der Einkommensberechnung nach den Regelungen des SGB II einzubeziehen sind, als Einkommen nicht zu berücksichtigen sind."

Dieser Rechtsprechung hat sich der 2. Senat des LSG nach eigener Prüfung angeschlossen (Beschluss vom 17.09.2007, Az.: L 2 B 291/07 AS-ER).

Auf den vorliegenden Fall bezogen ist zum einen nachgewiesen, dass die Klägerin Leistungen nach dem BAföG i.H.v. 192,00 EUR/Monat bezieht. Dem stehen in den Monaten Janu-ar bis Juni 2005 monatlich 115,00 EUR dem ausbildenden Schulträger zu Ausbildungszwecken gezahlte Beträge gegenüber. Dieser Betrag für Schulgeld und Aufwandspauschale für Zusatzleistungen der Schule ist eine solche ausbildungsbedingte Ausgabe und von der Klägerin durch Vorlage des Schulvertrages (Ausbildung zur "Staatlich geprüften Diätassis-tentin") nachgewiesen.

Soweit das SG darüber hinaus einen von der Klägerin lediglich dargelegten Betrag in Höhe von monatlich 70,00 EUR zugrunde gelegt hat und dies mit täglichen Fahrten zur Ausbil-dungsstätte, Fachliteratur, Berufsbekleidung und sonstigen Arbeitsmitteln begründet, konnte diesbezüglich auch im Berufungsverfahren von der Klägerin ein Nachweis für diese Ausgaben nicht erbracht werden. Der Hinweis auf notwendige Arbeitsbekleidung und Literatur genügt den Anforderungen – auch wenn auf entsprechende Verkaufsangebote gleich-artiger Artikel hingewiesen wurde – nicht. Es ist völlig offen, welche konkreten Ausgaben innerhalb des im Streit stehenden Bewilligungszeitraumes angefallen sind. Insbesondere hinsichtlich Fachliteratur, Berufsbekleidung und sonstiger Arbeitsmittel sieht der Senat angesichts der dargelegten rechtlichen Umstände, die eine Nichtanrechnung von Leistungen nach dem BAföG auf Leistungen nach dem SGB II rechtfertigen, keine Möglichkeit ohne entsprechende Nachweise ausbildungsbedingte Aufwendungen anzusetzen.

Zu rechtfertigen ist jedoch der Ansatz von Fahrtkosten. Für den Senat nachvollziehbar musste die Klägerin zum Besuch der Ausbildungsstätte tägliche Fahrten dorthin mit dem eigenen Moped vornehmen. Dabei belaufen sich diese auf 7 bis 18 km (einfache Strecke). Der Senat sieht vorliegend keine Ansatzpunkte dafür, an den Angaben der Klägerin zu zweifeln. Die Klägerin hat die Ausbildung über den 30.06.2005 hinaus fortgesetzt; Aspekte dafür, dass sie ihre Ausbildung nicht in der Ausbildungsstätte, sondern zu Hause durchgeführt hat, bestehen nicht. Auszugsweise hat sie entsprechende Praktikumsbelege vorgelegt.

Die mit den täglichen Fahrten zur Ausbildungsstätte verbundenen Aufwendungen bedürfen nicht des konkreten Nachweises. Hier ist ein Rückgriff auf eine gesetzlich geregelte Fahrtkostenpauschale zuzulassen. Da insbesondere bei Nutzung eigener Kraftfahrzeuge, die gleichzeitig auch privat genutzt werden, eine konkrete Berechnung der tatsächlichen Fahrtkosten sowohl in der Verwaltungs- als auch in der gerichtlichen Praxis nahezu un-möglich ist, erachtet der Senat die Anwendung einer normierten Entfernungspauschale als gerechtfertigt.

Zugrunde zu legen ist die Berechnung der Entfernungspauschale in Anlehnung an § 3 Abs. 1 Nr. 3 b der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichti-gung von Einkommen und Vermögen bei dem Arbeitslosengeld II/Sozialgeld in der ab 01.10.2005 geltenden Fassung (BGBl. 2005, S. 2499) – Alg II-V n.F. –. Danach sind bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,20 EUR für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist, in Ansatz zu bringen. Für die Anwendung dieser Pauschale spricht, dass diese dem System der Leistungen nach dem SGB II entspringt und als eine im Wesentlichen kostendeckende Pauschale angesehen werden kann, die dem Gedanken der Grundsicherung entspricht. Nicht anwendbar sind die Entfernungspauschalen des Einkommensteuerrechts gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) oder des Arbeitsförderungsrechts gemäß § 81 SGB III bzw. diejenige gemäß § 3 Alg II-V in der Fassung vom 20.10.2004 (Alg II-V a.F.). Gemäß § 3 Nr. 3 a) bb) Alg II-V a.F. ist für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbs-fähigkeit für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung ein Betrag in Höhe von 0,06 EUR in Abzug zu bringen. Dieser Betrag spiegelt keine Aufwandsentschädigung, also die tatsächlich entstandenen (pauschalierten) Kosten, wider. Vielmehr handelt es sich um 20 % der Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, was der durch den Werbungskostenabzug bedingten Steuerersparnis unter Annahme eines Steuersatzes von 20 % unter Anwendung der jährlichen Werbungskosten- und Entfernungspauschale des Einkommensteuerrechts entspricht (Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rn. 68). Da bei der Beurteilung ausbildungsbezogener Ausgaben nicht vorrangig steuerliche Auswirkungen sondern tatsächliche (pauschalierte) Aufwendungen – wie auch der volle Ansatz des Schulgeldes – relevant sind, kann die in § 3 Alg II-V a.F. dargelegte Entfer-nungspauschale keine Anwendung finden. Gegen die Anwendung der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG spricht, dass bei deren Bemessung Aufwendungen eingestellt wurden, die für die Bemessung des notwendigen Lebensunterhalts i. S. einer Grundsicherung keine Relevanz haben, z.B. Gara-genmiete und Finanzierungskosten (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.02.2007, Az.: L 9 AS 67/07 ER). Unter diesen Umständen konnte es der Senat erst recht nicht als geboten erachten, die noch über dem einkommensteuerrechtlichen Wert liegende Pauschale gemäß § 81 SGB III in Ansatz zu bringen.

Danach ergeben sich für die Klägerin nach ihren vom Senat nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen im Schriftsatz vom 02.10.2007 für die einzelnen Monate folgende pauschalierten Fahrtkosten: Januar 2005: 21 Arbeitstage á 7 km = 147 km; pauschalierte Kosten: 29,40 EUR Februar 2005: 9 Arbeitstage á 7 km 6 Arbeitstage á 17 km = 147 km; pauschalierte Kosten: 29,40 EUR März 2005: 21 Arbeitstage á 17 km = 357 km; pauschalierte Kosten: 71,40 EUR April 2005: 1 Arbeitstag á 17 km 20 Arbeitstage á 18 km = 377 km; pauschalierte Kosten: 75,40 EUR Mai 2005: 7 Arbeitstage á 18 km 13 Arbeitstage á 17 km = 347 km; pauschalierte Kosten: 69,40 EUR Juni 2005: 22 Arbeitstage á 17 km = 374 km; pauschalierte Kosten: 74,80 EUR

Ansatzpunkte für die pauschalen Kosten übersteigende Ausgaben für Fahrtkosten waren für den Senat nicht ersichtlich und wurden von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 25.10.2007 auch auf Nachfrage nicht geltend gemacht.

Angesichts dieser Umstände waren unter Abweichung der Berechnungen des SG nicht monatlich pauschal 70,00 EUR als zweckbestimmte Ausgabe zu berücksichtigen, sondern in den Monaten Januar und Februar 2005 nur jeweils 29,40 EUR und im Monat Mai 2005 nur 69,40 EUR. Soweit die Fahrtkosten nach der oben dargelegten Berechnung die vom SG heran-gezogenen 70,00 EUR übersteigen, ist mangels Anschlussberufung der Klägerin eine gesonderte Berücksichtigung nicht möglich.

Unter Bezugnahme auf die weiteren Berechnungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid, die sich der Senat zu Eigen macht, reduziert sich der vom SG mit monatlich 146,60 EUR ermittelte zusätzliche Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten daher im Januar 2005 und im Februar 2005 auf jeweils 106,00 EUR und im Mai 2005 auf 146,00 EUR.

Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage der Anrechnung von Leistungen nach dem BAföG hat über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, ist klärungsbedürftig und bisher höchstrichterlich nicht geklärt.
Rechtskraft
Aus
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