L 5 KR 115/06

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 13 KR 89/04
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 115/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für einen Anspruch auf eine mobile Rampe als Hilfsmittel nach § 97 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 33 SGB IX genügt es, dass der behinderte Mensch die Rampe benötigt, um den Weg zur Ausbildungsstätte zurückzulegen. Dass die Rampe gleichzeitig für andere Fahrten verwendet wird, ist unschädlich.
1. Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24.2.2006 wird die Beigeladene zu 1) verurteilt, dem Kläger die Kosten der selbst beschafften mobilen Rampe in Höhe von 570,71 EUR zu erstatten. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beigeladene zu 1) hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung für eine mobile Rampe zum Transport seines Elektrorollstuhls in Höhe von 570,71 EUR.

Der am 1986 geborene Kläger ist an einer Duchenne´schen Muskeldystrophie erkrankt und bedarf zur Fortbewegung eines Elektrorollstuhls. Unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der Firma S und B und einer ärztlichen Verordnung des Allgemeinmediziners W beantragte er Ende 2003 die Neuversorgung mit einem Elektrorollstuhl Permobil Chairman SS nebst Zubehör. Die Beklagte gewährte ihm dieses Hilfsmittel, lehnte aber ua eine mobile Auffahrhilfe ab, da eine derartige Leistung in den eigenverantwortlichen Bereich des Klägers falle (Bescheid vom 28.1.2004).

Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend: Nur mit Hilfe der mobilen Rampe könne er im Kleinbus seiner Eltern transportiert werden. Die Teilnahme an Familienfahrten, der Besuch von Freunden und Verwandten sowie Kinobesuche stellten ein Grundbedürfnis für einen behinderten Menschen dar. Angesichts des Gewichts des Rollstuhls von 145 kg könne er ohne die Rampe nicht in ein Auto verladen werden. Erst durch den Einsatz der mobilen Rampe werde es ihm ermöglicht, notwendige Termine im Zusammenhang mit Besuchen bei Ärzten und Krankengymnasten, Maßnahmen der Rehabilitation, dem Besuch der Berufsschule sowie der Teilnahme an überbetrieblichen Ausbildungsveranstaltungen in den Handwerkskammern Landau und Kaiserslautern wahrzunehmen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 1.4.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es: Die Rollstuhlauffahrrampe stehe dem Kläger nicht zu. Das Autofahren zähle nicht zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Die Krankenkasse habe keine Hilfsmittel zu gewähren, die dazu dienten, die Bewegungsfreiheit eines gehbehinderten Versicherten über den Nahbereich hinaus zu erweitern.

Der Kläger, der sich die mobile Rampe im März 2004 selbst beschafft hatte (Bestellung am 7.3.2004), hat mit seiner am 20.4.2004 erhobenen Klage Kostenerstattung in Höhe von 570,71 EUR begehrt. Durch Urteil vom 24.2.2006 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Rampe scheide aus, weil der Kläger vor deren Selbstbeschaffung keinen Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte gehabt habe.

Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 23.5.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 2.6.2006 eingelegte Berufung des Klägers. Der Senat hat die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 1) und den Landkreis S W als zuständigen Sozialhilfeträger (Beigeladener zu 2) gemäß § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene zu 1) hat eine Stellungnahme ihres Technischen Beratungsdienstes vom August 2007 vorgelegt. Darin heißt es: Der Kläger habe die Auffahrhilfe, nachdem er sie selbst beschafft habe, täglich benutzt, um am Alltagsleben teilnehmen zu können. Bis zum Ende seiner Ausbildung habe er sie auch verwendet, um in die Berufsschule und zur überbetrieblichen Ausbildung zu gelangen. Der Zeitraum von März 2004 (Beschaffung der Rampe) bis Oktober 2006 (Ausbildungsende) erfasse ca. 930 Tage. Wie aus der vom Kläger angefertigten Liste hervorgehe, habe er die Rampe in dieser Zeit nur an 72 Tagen beruflich genutzt.

Der Kläger trägt vor: Die Kosten für einen Fahrdienst, um Ärzte aufzusuchen, hätten sich in kürzester Zeit auf einen deutlich höheren Betrag belaufen als die mobile Rampe. Unabhängig davon habe die Rampe dem Behinderungsausgleich gedient, weil bei ihm, dem Kläger, individuelle Besonderheiten gegeben seien. Er benötige die Rampe ua für Arztbesuche, vorwiegend in A (10 km vom Wohnort E entfernt), aber auch 3-4 x jährlich in die Universitätsklinik M. Sofern sich die Leistungspflicht aus den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) oder aus den sozialhilferechtlichen Bestimmungen ergebe, sei die Beklagte nach § 14 Neuntes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) leistungspflichtig, da sie es versäumt habe, den Antrag auf Gewährung eines Hilfsmittels an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterzuleiten.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Speyer vom 24.2.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.4.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kostenerstattung in Höhe von 570,71 EUR zu gewähren,
hilfsweise, die Beigeladene zu 1) zu verurteilen, Kosten in dieser Höhe zu erstatten,
äußerst hilfsweise, den Beigeladenen zu 2) zu verurteilen, Kosten in dieser Höhe zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Ihre Leistungspflicht ergebe sich nicht aus § 14 SGB IX. Diese Vorschrift beinhalte eine reine Zuständigkeitsregelung, begründe also keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Der materiell-rechtlich zuständige Rehabilitationsträger – die Beigeladene zu 1) oder der Beigeladene zu 2) – könne nach der erfolgten Beiladung zur Kostenerstattung verurteilt werden (Hinweis auf BSG 26.10.2004 – B 7 AL 16/04 R).

Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage, soweit sie sich gegen sie richtet, abzuweisen.

Sie trägt vor: Für den Kläger habe sie im Zusammenhang mit dessen Ausbildung bereits Leistungen erbracht, ua die Arbeitsplatzausstattung übernommen und Fahrkosten für überbetriebliche Lehrgänge geleistet. Wegen der überwiegenden Nutzung zum Alltagsleben sei der Beigeladene zu 2) als Sozialhilfeträger der zuständige Rehabilitationsträger, der sich allerdings darauf berufen könne, dass die Beklagte die entsprechenden Anträge nicht an ihn weitergeleitet habe.

Der Beigeladene zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen ihn richtet.

Er trägt vor: Die Anschaffung der Rampe habe unabhängig von einer darüber hinausgehenden Nutzung vorrangig dem Zweck der Sicherstellung der medizinischen Rehabilitation sowie der Sicherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben gedient. Eine daneben eventuell existierende untergeordnete Nutzung zu Zwecken der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft könne keine vorrangige Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers begründen. Im Übrigen sei die Beklagte nach § 33 SGB V leistungspflichtig und unabhängig davon als erstangegangener Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 SGG zulässige Berufung gegen die Beklagte ist nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen diese zu Recht abgewiesen. Die Beigeladene zu 1) ist jedoch auf den Hilfsantrag zu 1) des Klägers zu verurteilen, ihm die Kosten der selbst beschafften mobilen Rampe zu erstatten.

Der Kläger hat keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V. Denn er hatte vor der Selbstbeschaffung der mobilen Rampe keinen entsprechenden Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte nach dem SGB V. Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.

Eine mobile Rampe kann grundsätzlich ein Hilfsmittel iSd § 33 SGB V sein. Bei ihr handelt es sich nicht um einen Bestandteil der Wohnung und sie dient auch nicht der Anpassung des individuellen Wohnumfeldes an die Bedürfnisse des Klägers (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 30). Ein Anspruch gegen die Beklagte war aber im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung nicht gegeben, weil die Rampe nicht für die in § 33 1. – 3. Alternative genannten Zwecke notwendig war.

Die mobile Rampe war nicht erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Nicht ausreichend ist es insoweit, dass das Hilfsmittel die Behandlung erst ermöglichen soll, etwa durch Transporte zu Ärzten (BSG 16.9.2004 – B 3 KR 19/03 R Rn 18) oder Krankengymnasten. Die Voraussetzungen der 2. Alternative ("einer drohenden Behinderung vorzubeugen") sind ersichtlich nicht erfüllt.

Letztlich liegen auch die Anforderungen der 3. Alternative ("eine Behinderung auszugleichen") nicht vor. Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen dienen (BSG 16.9.2004 aaO, Rn 19). Der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs umfasst ferner solche Hilfsmittel, welche die direkten und indirekten Folgen der Behinderung ausgleichen. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis betrifft (BSG 16.9.2004 aaO mwN). Zu den Grundbedürfnissen gehören das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Aufnehmen von Nahrung, Ausscheiden, (elementare) Körperpflegen, selbstständige Wohnen und Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Hierzu zählt auch das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums einschließlich des Bedürfnisses, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen (BSG aaO). Das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums ist jedoch nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne eines vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines Gesunden zu verstehen. Abzustellen ist auf die Entfernungen, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt, um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG 26.3.2003 – B 3 KR 26/02 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 2). Solche Entfernungen vermag der Kläger mit seinem Elektrorollstuhl zurückzulegen.

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die mobile Auffahrrampe sei erforderlich, um die Teilnahme an Familienfahrten, den Besuch von Freunden und Verwandten sowie Kinobesuche zu ermöglichen. Freizeitbeschäftigungen, welcher Art auch immer, werden vom Begriff des allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens nicht erfasst; die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und Kommunikation ist nur im Sinne einer Grundversorgung oder bei Kindern und Jugendlichen zu diesen zählt der Kläger nicht in der Entwicklungs- oder Ausbildungsphase als Grundbedürfnis anerkannt (BSG 8.11.2006 – B 3 KR 17/06 B mwN, juris). Hiernach vermögen die genannten Aktivitäten eine Gewährung der mobilen Rampe nach dem SGB V nicht zu begründen. Der Kläger ist auch ohne die mobile Rampe nicht völlig vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.

Ohne Erfolg verweist der Kläger auf das Erfordernis von Arztbesuchen. Das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, wird in aller Regel durch die Erschließung des Nahbereichs erfüllt (BSG 19.4.2007 B 3 KR 9/06 R Rn 14). Dem Umstand, dass es möglicherweise im unmittelbaren Nahbereich des Wohnorts des Klägers (E ) keine geeigneten Ärzte und Therapeuten gibt, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Denn ein Ausgleich für die individuell gestalteten Wohn- und Lebensverhältnisse eines Versicherten wird von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht geschuldet (BSG 19.4.2007 aaO Rn 17).

Auch der Besuch der Berufsschule sowie die Teilnahme an der überbetrieblichen Ausbildung in den Handwerkskammern L und K vermögen den Anspruch gegen die Beklagte nicht zu begründen. Die Ausbildung in einem qualifizierten Beruf ist kein Grundbedürfnis im Sinne der Rechtsprechung zu § 33 SGB V (vgl BSG 30.1.2001 – B 3 KR 10/00 R, SozR 3-2500 § 33 Nr 40).

Die Beklagte ist letztlich auch nicht wegen der Nichtweiterleitung des Antrages (vgl § 14 SGB IX) zur Kostenerstattung an den Kläger verpflichtet. § 14 SGB IX bestimmt nur eine vorläufige Leistungspflicht, schließt jedoch eine Verurteilung des "eigentlich" zuständigen Rehabilitationsträgers nach dessen – notwendiger – Beiladung nicht aus (BSG 26.10.2004 – B 7 AL 16/04 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 1).

Der Kläger hat aber einen Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX gegen die Beigeladene zu 1. In derartigen Fällen, in denen die Krankenkasse über ein Hilfsmittel entschieden hat, ist die Prüfung, ob die Beiladung eines anderen Rehabilitationsträgers wegen der Vorschrift des § 14 SGB IX erforderlich ist, dann – aber auch nur dann – notwendig, wenn sich, wie vorliegend, aus dem Akteninhalt (vgl Bl 28 VA der Beklagten) konkrete Anhaltspunkte für einen Leistungsanspruch auf anderer (rehabilitationsrechtlicher) Grundlage als dem SGB V ergeben. Die rein theoretische Möglichkeit eines derartigen Leistungsanspruchs ohne konkrete Anhaltspunkte hierfür macht demgegenüber eine Beiladung nicht notwendig.

Nach § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX hat der behinderte Mensch einen Anspruch auf Kostenerstattung im Falle der Selbstbeschaffung der Leistung, wenn der Rehabilitationsträger diese zu Unrecht abgelehnt hat. Die Beigeladene zu 1) war für die Gewährung der mobilen Rampe der (eigentlich) zuständige Rehabilitationsträger und muss sich nach der gesetzlichen Konzeption des § 14 SGB IX die unzutreffende Leistungsablehnung der Beklagten zurechnen lassen. § 14 SGB IX greift ein, weil die Beklagte als Rehabilitationsträger (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX) verpflichtet war, sofern sie den Antrag auf die Rampe nicht an den zuständigen Leistungsträger weiterleitete, umfassend über eine Leistungsgewährung unter dem Gesichtspunkt der Leistungen zur Rehabilitation zu entscheiden.

Die Beklagte hat die Gewährung der mobilen Rampe als Sachleistung vor der Selbstbeschaffung durch den Kläger zu Unrecht abgelehnt, weil der Kläger nach den für einen Leistungsanspruch gegen die Beigeladene zu 1) maßgebenden Rechtsvorschriften des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB III) iVm dem SGB IX einen Anspruch auf die Rampe hatte.

Der Anspruch folgt aus § 97 Abs 1 SGB III iVm § 33 SGB IX, der für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsplatz anwendbar ist (vgl Luik in Eicher/Schlegel, SGB III, § 97 Rn 62). Die seit dem Gesetz vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) – in Kraft getreten am 1.8.2006 – bestehende Leistungszuständigkeit des SGB II-Trägers anstelle des SGB III-Trägers (§ 22 Abs 4 Satz 1 SGB III; § 16 Abs 1 Satz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -) für solche Leistungen an erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige iSd SGB II greift vorliegend nicht ein, da sich der Kläger die Rampe vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 20.7.2006 selbst beschafft hat. Deshalb muss nicht geprüft werden, ob der Kläger dem Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen iSd SGB II zuzurechnen ist. Nach § 97 Abs 1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden nach § 33 Abs 1 SGB IX die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Nach Abs 3 Nr 6 dieser Vorschrift umfassen die Leistungen ua sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen oder zu erhalten. Zu den Leistungen gehören nach § 33 Abs 8 Satz 1 Nr 4 SGB IX ua Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können. Ein Ermessensspielraum ist insoweit nicht gegeben, da die Leistungen der Arbeitsverwaltung nach § 33 SGB IX, nicht nur, soweit sie im Rahmen der Teilnahme an einer Maßnahme gewährt werden (vgl § 109 Abs 1 Satz 1 SGB III), besondere Leistungen (§ 103 SGB III) sind (Luik in Eicher/Schlegel aaO § 98 Rn 19; Keller in PK-SGB III, 2. Auflage, § 103 Rn 3) und bei diesen kein Ermessen besteht (§ 3 Abs 5 SGB III).

Die mobile Rampe stellt ein Hilfsmittel iSd § 33 Abs 8 Nr 4 SGB IX dar. Denn sie war wegen Art und Schwere der Behinderung "zur Berufsausübung" des Klägers erforderlich. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestand nicht und die Leistung konnte, wie dargelegt, auch nicht als medizinische Leistung erbracht werden. Zur "Berufsausübung" iSd § 33 Abs 8 Satz 1 Nr 4 SGB IX gehört auch der Besuch der Berufsschule einschließlich überbetrieblicher Ausbildungen und der damit im Zusammenhang stehenden Fahrten. Notwendige Tätigkeiten im Rahmen einer beruflichen Ausbildung sind "Berufsausübung" iSd § 33 Abs 8 Satz 1 Nr 4 SGB IX. Bei einem Auszubildenden ist der Besuch der Berufsschule sowie notwendiger überbetrieblicher Ausbildungen integrierter Bestandteil der Ausbildung und zählt deshalb (einschließlich der insoweit notwendigen Wege) zur Berufsausübung.

Der Kläger konnte die Wege zur Berufsschule und zu den überbetrieblichen Ausbildungen nicht ohne die Rampe zurücklegen, wie die Beigeladene zu 1) zu Recht nicht in Abrede stellt. Allein wegen der Entfernung von seinem Wohnort zur Berufsschule und den Orten der überbetrieblichen Ausbildung kam eine Fahrt mit dem Elektrorollstuhl dorthin nicht in Betracht. Busse konnte der Kläger bereits deshalb nicht nutzen, weil diese nicht mit einer Rampe ausgerüstet sind. Ohne die Rampe hätte der Kläger mit dem Rollstuhl in den VW-Bus seiner Eltern, mit dem ihn seine Mutter zur Berufsschule und zu den Orten der überbetrieblichen Ausbildungen fuhr, gehoben werden müssen. Dies war seiner Mutter jedoch nicht zumutbar, wie auch daraus ersichtlich ist, dass sie sich bei der Pflege des Klägers im Mai 2006 einen Bandscheibenvorfall zuzog. Der Rollstuhl wog ohne Inhalt ca 145 kg und mit dem Kläger 205 kg.

Der Anspruch gegen die Beigeladene zu 1) wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Rampe auch für andere Fahrten als im Zusammenhang mit der Ausbildung Verwendung fand. Einen Grundsatz, dass ein Hilfsmittel vom Träger der Arbeitsverwaltung nicht zu gewähren wäre, wenn es nicht ausschließlich beruflich genutzt wird, gibt es nicht (aA ohne Begründung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des SGB IX Lauterbach in Gagel, SGB III § 109 Rn 40). Ein solcher ist nämlich weder dem Gesetz, insbesondere § 33 SGB IX, zu entnehmen noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herzuleiten. Auch die Beigeladene zu 1) hat eine solch restriktive Auffassung nicht vertreten.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1) fällt die Gewährung der Rampe nicht in die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2), der als Sozialhilfeträger im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) nach § 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) – das am 1.1.2005 in Kraft getretene Zwölfte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) ist für den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sich der Kläger die Rampe bereits im März 2004 selbst beschafft hat – nur nachrangig verpflichtet war. Soweit es um die soziale Rehabilitation geht, kommt allerdings nur die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2) als Sozialhilfeträger in Betracht. Der Meinung der Beigeladenen zu 1), nicht sie, sondern der Beigeladene zu 2) sei zuständig, weil die Rampe in einem Zeitraum von insgesamt 930 Tagen nur an insgesamt 72 Tagen im Zusammenhang mit der Ausbildung dienenden Zwecken genutzt wurde, kann jedoch nicht gefolgt werden.

Entscheidend und für die Leistungspflicht der Beigeladenen zu 1) ausreichend ist, dass im Zeitpunkt der Leistungsablehnung durch die Beklagte und der Selbstbeschaffung durch den Kläger die Rampe aus beruflichen Gründen notwendig war. Unter diesen Voraussetzungen wird die Leistungspflicht nicht dadurch tangiert, dass die Rampe auch der Durchführung anderer Fahrten diente und dient, auch wenn diese anderen Zwecke ebenfalls für die Anschaffung der Rampe ursächlich waren. Die Gegenüberstellung der beruflich und der nicht beruflich bedingten Nutzung kann in solchen Fällen, abgesehen davon, dass sie auf einer ex-post-Betrachtung beruht, auch deshalb zu falschen Schlüssen führen, weil es nicht allein auf die Zahl der Fahrten, sondern auch – und entscheidend – auf deren Bedeutung ankommt. In Fällen, in denen es um den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung geht, kommt aber dem beruflichen Sektor regelmäßig ein besonderes und damit wesentliches Gewicht zu.

Die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten und aktenkundigen Rechnungen, die er gegenüber der Firma S und B beglichen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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