L 5 KR 115/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 59/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 115/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.07.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Kostenerstattung und Kostenübernahme für das Fertigarzneimittel Maliasin.

Die 1959 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen das Risiko Krankheit versichert. Von ihrem Wahlrecht nach § 13 Abs. 2 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB V) hat sie keinen Gebrauch gemacht. Die Klägerin leidet auf nervenärztlichem Fachgebiet unter Epilepsie, Angstzuständen sowie Depressionen. Die bei ihr vorhandene Epilepsie wurde seit etwa 1978 mit dem Arzneimittel Maliasin behandelt. Die fiktive Zulassung für Maliasin endete zum 31.12.2004, nachdem der Hersteller - die Firma BC-Biochemie - einen Antrag auf Verlängerung der bestehenden Fiktivzulassung (§ 105 Arzneimittelgesetz (AMG)) zurückgenommen hatte. Der Hersteller teilte der Ärzteschaft mit, dass der Vertrieb von Maliasin eingestellt werde und die Firma in einigen Monaten nicht mehr lieferfähig sei. Die betroffenen Patienten sollten unter sorgfältiger fachärztlicher Kontrolle umgehend auf andere Medikamente umgestellt werden. Eine Zulassung für Maliasin besteht gegenwärtig in Österreich und in der Schweiz. Die Versorgung von Patienten ist über den Einzelimport nach Maßgabe des § 73 Abs. 3 AMG möglich. Die Klägerin hat sich Maliasin nach Beendigung der Fiktivzulassung auf Privatrezept verordnen lassen.

Am 08.07.2005 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine weitere Versorgung mit Maliasin. In einem beigefügten Attest des Nervenarztes Dr. T vom 31.05.2005 führte dieser aus, dass die Klägerin unter der Medikation mit Maliasin anfallsfrei geblieben sei und er eine Fortführung der Medikation als sinnvoll erachte. Die Nervenärztin X (Gesundheitsamt des Kreises Viersen) legte in einer Bescheinigung vom 21.06.2005 u.a. dar, dass bei der Klägerin erhebliche Ängste in Zusammenhang mit der Neueinstellung aufgetreten seien und eine solche eine erhebliche Belastung darstelle.

In einer von der Beklagten veranlassten und nach Aktenlage verfassten Stellungnahme vom 25.07.2005 führte Dr. U vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) u.a. aus, dass mit Blick auf die epileptische Erkrankung der Klägerin in Deutschland zugelassene alternative Antiepileptika zur Verfügung stünden. Die mit der Umstellung der vorhandenen Medikation verbundenen Bedenken seien durchaus nachvollziehbar. Eine Ausnahmeregelung lasse sich damit aber nicht begründen. Es sei im Einzelfall nicht belegt, dass eine Medikamentenumstellung unmöglich oder unzumutbar sei. Zunächst sei zu prüfen, inwiefern grundsätzlich die Fortführung einer antiepileptischen Behandlung notwendig sei und - falls dies zu bejahen sei - welche Umstellungsversuche in der Vergangenheit erfolgt seien. Dabei seien Angaben zu den eingesetzten Arzneimitteln und möglichen Nebenwirkungen zu machen. Sofern ambulante Umstellungsversuche misslängen, komme im Einzelfall auch die stationäre Behandlung in Betracht. Im Falle grundsätzlicher Bedenken der behandelnden Ärzte sei die Vorstellung in einem entsprechenden Schwerpunktkrankenhaus mit dem Ziel der medikamentösen Neueinstellung sinnvoll.

Auf eine Anfrage der Beklagten an den Allgemeinmediziner Dr. G teilte dieser unter dem 16.08.2005 mit, dass er nicht in die unmittelbare antikonvulsive Therapie eingebunden sei und Umstellungsversuche nicht vorgenommen habe. Die Klägerin führte in einem Schreiben vom 30.08.2005 u.a. aus, dass Dr. T die an ihn gerichtete Anfrage der Beklagten nicht beantworten werde, da er aus der Vergangenheit keinerlei ärztliche Unterlagen habe. Bei dem - zwischenzeitlich verstorbenen - Nervenarzt Dr. Q seien verschiedene Medikamente erprobt worden. Die mit dem Anfallsleiden verbundenen medizinischen Schwierigkeiten habe man aber erst im Jahr 1978 mit dem Medikament Maliasin bewältigen können.

Die Beklagte lehnte den Kostenübernahmeantrag ab und führte aus, dass nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Kostenübernahme für lediglich im Ausland zugelassene Arzneimittel durch die gesetzliche Krankenversicherung nur dann möglich sei, wenn die zu behandelnde Erkrankung so selten sei, dass eine systematische Erforschung ausscheide und keine Behandlungsalternative zur Verfügung stehe. Da es sich bei einer Epilepsie nicht um eine besonders seltene Erkrankung handele und auch andere Arzneimittel als Alternative zur Verfügung stünden, sei eine Kostenübernahme des Arzneimittels Maliasin nicht möglich (Bescheid vom 21.09.2005).

Ihren Widerspruch begründete die Klägerin mit einem Attest des Dr. G vom 29.09.2005. Dr. G teilte mit, dass die Klägerin ihm berichtet habe, dass sie bei medikamentösen Umstellungsversuchen immer wieder kollabiert und für 30 Minuten bewusstlos gewesen sei. Anfallsfreiheit sei ausschließlich mit dem Arzneimittel Maliasin zu erzielen gewesen. Ihm erscheine der Widerspruch der Klägerin als begründet.

Den Widerspruch wies die Beklagte zurück und stützte sich dabei sowohl auf die bereits in dem angefochtenen Bescheid zitierte Rechtsprechung des BSG als auch auf den Inhalt der Stellungnahme des Dr. U vom 25.07.2005 (Widerspruchsbescheid vom 20.03.2006).

Mit der am 18.04.2006 erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass Dr. Q nach Erprobung verschiedenster Arzneimittel erst mit dem Medikament Maliasin Beschwerdefreiheit habe erzielen können. Eine Umstellung auf ein anderes Medikament würde eine Gefährdung dieses Therapieerfolgs herbeiführen und unvorher-sehbare, möglicherweise sogar lebensbedrohliche Folgen nach sich ziehen. Diese bereits jetzt absehbaren Folgen könnten durch die Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung für die Beschaffung von Maliasin vermieden werden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2006 zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung mit dem Arzneimittel Maliasin ab 01.01.2005 zu erstatten und für die Zukunft hin zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide gestützt und ferner zu bedenken gegeben, dass der Hersteller vor der Marktentfernung des Arzneimittels Maliasin eine ausreichende Vorlaufzeit zur Umstellung auf andere Medikationen eingeräumt habe. Ein Umstellungsversuch sei bei der Klägerin jedoch offensichtlich nicht durchgeführt worden.

Während des Klageverfahrens hat die Klägerin der Beklagten ein Attest des Dr. G vom 01.06.2006 übersandt, in dem dieser mitgeteilt hat, dass eine wirkstoffidentische Alternative zu dem Medikament Maliasin zur Zeit in Deutschland nicht verfügbar sei.

In einem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht hat die Nervenärztin X unter dem 25.07.2006 ausgeführt, dass sie die Klägerin wiederholt untersucht, jedoch als für das Gesundheitsamt tätige Ärztin keine Behandlung durchgeführt habe. Im Beobachtungszeitraum habe allerdings Anfallsfreiheit vorgelegen, wenngleich die psychische Situation im Vordergrund gestanden habe. Die Anfallsfreiheit sei von der Klägerin auf das Arzneimittel Maliasin zurückgeführt worden.

Der Allgemeinmediziner Dr. G hat in einem Befundbericht vom 14.08.2006 mitgeteilt, dass die Klägerin ihm berichtet habe, dass sie seit 1978 erfolgreich mit dem Medikament Maliasin eingestellt sei. Sie habe ferner angegeben, dass Behandlungsversuche mit anderen Medikamenten wirkungslos gewesen seien oder sie diese nicht vertragen habe. Zum Behandlungserfolg könne er keine Angaben machen, da die Behandlung fachärztlich von den Nervenärzten Dr. O und später Dr. T durchgeführt und kontrolliert worden sei. Fragen der Eignung anderer Behandlungsmethoden könne er nicht beantworten, weil die Beantwortung dieser Fragen in den Zuständigkeitsbereich der Fachärzte für Neurologie falle und seine Kompetenzen als Allgemeinmediziner überschreite. Soweit ihm bekannt sei, sei bislang von einer Umstellung auf ein anderes Medikament abgesehen worden, da die Klägerin stets glaubhaft versichert habe, dass sämtliche vorherigen Behandlungsversuche mit anderen Antiepileptika erfolglos gewesen seien und es unter diesen Behandlungen erneut zu Krampfanfällen gekommen sei.

Der Nervenarzt Dr. T, bei dem sich die Klägerin seit dem 27.02.2004 in neurologisch-psychiatrischer Behandlung befindet, hat in einem vom Sozialgericht veranlassten Befundbericht vom 25.10.2006 ausgeführt, dass bislang eine Medikation mit dem Arzneimittel Maliasin durchgeführt worden und die Klägerin unter dieser Medikation anfallsfrei geblieben sei. Als Behandlungsmethoden seien andere, auf dem deutschen Markt zugelassene Antiepileptika geeignet. Von der Anwendung sei jedoch aus persönlichen Gründen der Klägerin abgesehen worden. Aus neurologischer Sicht erscheine die Medikation mit anderen Arzneimitteln als Alternative möglich. Prinzipiell bestehe die Gefahr von epileptischen Anfällen in der Umstellungsphase. Von einer Umstellung sei bislang abgesehen worden, da die Klägerin keine andere Medikation akzeptiere.

In einem von der Klägerin zu den Akten gereichten Attest vom 06.02.2007 hat Dr. T ergänzend ausgeführt, dass weitere modernere Antiepileptika im Laufe der Jahre auf den Markt gelangt seien, die Klägerin jedoch neue Anfälle fürchte. Die Klägerin sei stabil eingestellt; die Umstellung auf ein anderes Antikonvulsivum biete nicht die Gewähr, dass dieses auch helfe. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wäre eine solche Umstellung auch teurer.

Mit Urteil vom 20.07.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kostenerstattungsanspruch für die Zeit bis zum 21.09.2005 (Erlass des angefochtenen Bescheides) bereits daran scheitere, dass die Klägerin die Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet, sondern sich das Arzneimittel vorab beschafft und mithin den erforderlichen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Für den Zeitraum vom 22.09.2005 bis zum Entscheidungszeitpunkt komme ein Kostenerstattungsanspruch deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass ihr bislang tatsächlich Kosten entstanden seien. Entsprechende Rechnungen habe die Klägerin bis zur Entscheidung nicht vorgelegt. Abgesehen davon sei die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte nicht rechtswidrig. Denn die Klägerin habe weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft einen Sachleistungsanspruch, da das Arzneimittel weder in Deutschland zugelassen sei noch eine für sämtliche Mitgliedsstaaten der EU geltende Zulassung bestehe. Ein Sachleistungsanspruch komme auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. "Off-Label-Use" oder zu den sog. "Seltenheitsfällen" in Betracht. Einen Leistungsanspruch könne die Klägerin schließlich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur verfassungskonformen erweiternden Auslegung des Leistungsanspruchs zur Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung herleiten.

Gegen das ihr am 27.08.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.09.2007 Berufung erhoben. Sie hält daran fest, dass das Arzneimittel Maliasin bei ihr mit größtem und bestem Erfolg angewandt worden und es seitdem zu einer Stabilisierung ihres Gesundheitszustandes gekommen sei. Durch die Versagung der Kostenübernahme sei sie nicht nur beunruhigt, sondern leide in höchstem Maße unter Angstzuständen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.07.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2006 zu verurteilen,

1. ihr 2.076,44 Euro zu erstatten,

2. sie künftig mit dem Arzneimittel Maliasin nach jeweiliger ärztlicher Verordnung zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt sowohl das angefochtene Urteil als auch ihre Verwaltungsentscheidungen.

In einem vom Senat eingeholten Befund- und Behandlungsbericht vom 29.11.2007 hat der Nervenarzt Dr. O, bei dem sich die Klägerin von 1982 bis zum 05.02.2004 in Behandlung befunden hat, u.a. ausgeführt, dass sich die Klägerin unter der Behandlung mit Maliasin anfallsfrei gezeigt habe. Die von ihr berichteten Entäußerungen hätten nicht immer cerebralen Anfällen zugeordnet werden können, da die depressive Symptomatik und die Angststörung immer mehr in den Vordergrund getreten seien. Dies habe zur Einleitung einer psychologischen Psychotherapie ab Herbst 1997 geführt. In der Folge sei das psychopathologische Bild weiter durch Angst und Depressionen geprägt gewesen, so dass ab Sommer 2003 eine erneute psychologische Psychotherapie durchgeführt worden sei. Den Unterlagen aus 1982 lasse sich nicht entnehmen, ob und eventuell mit welchen Medikamenten die Klägerin vor der Einstellung auf Maliasin durch den Nervenarzt Dr. Q behandelt worden sei.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G hat in einem von der Klägerin zu den Akten gereichten Attest vom 07.01.2008 u.a. ausgeführt, dass das Risiko einer Gefährdung der Klägerin unter Inkaufnahme weiterer Grand-mal-Anfälle aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten sei.

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung eines Betrages von 2.076,44 Euro, den sie für die Beschaffung des Arzneimittels Maliasin aufgewandt hat. Auch ein Anspruch auf künftige Versorgung mit dem Medikament besteht nicht.

Nachdem sich die Klägerin die begehrte Leistung selbst beschafft hat, bestimmt sich der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung - der Antrag zu 1) - nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V. Hat danach die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. nur Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02.11.2007 - Az.: B 1 KR 11/07 R, Juris, m.w.N).

Soweit sich der Antrag zu 1) auf die Zeit vom 01.01.2005 bis zur Bekanntgabe des die Kostenübernahme ablehnenden Bescheides vom 21.09.2005 bezieht, ist er bereits deshalb nicht begründet, weil der angefochtene Bescheid insoweit für die Entstehung von Kosten nicht ursächlich war. An dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen Ablehnung und Kostenlast des Versicherten fehlt es nämlich, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme von Leistungen mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist. Die Klägerin hat sich Maliasin bereits nach Beendigung der Fiktivzulassung beschafft, ohne vorab die Kostenübernahme zu beantragen und die Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Angesichts des Umstandes, dass die Ärzteschaft durch den Hersteller zeitig über das Ende der Fiktivzulassung von Maliasin unterrichtet worden ist, bestehen für das Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Auch im Übrigen - die Zeit ab Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides betreffend - besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung, da Maliasin nicht zu den Leistungen gehört, die Krankenkassen ihren Versicherten als Sachleistung zu erbringen haben. Maliasin ist als Fertigarzneimittel weder in Deutschland noch EU-weit zugelassen (vgl. § 21 Abs. 1 AMG). Arzneimittelrechtliche Zulassungen bestehen lediglich in Österreich und in der Schweiz. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl. nur BSG, Urteil vom 27.03.2007 - Az.: B 1 KR 30/06 R -, m.w.N. - sozialgerichtsbarkeit.de).

Auch die in Österreich und der Schweiz bestehenden Zulassungen führen nicht zu einer Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn Arzneimittelzulassungen im Ausland entfalten nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkungen für Deutschland. Weder das deutsche Recht noch das Europarecht sehen eine derartige Erweiterung der Rechtswirkungen der nur von nationalen Behörden erteilten Zulassungen ohne ein entsprechendes vom Hersteller eingeleitetes und positiv beschiedenes Antragsverfahren vor (BSG, Urteil vom 27.03.2007, a.a.O.).

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass eine Leistungspflicht der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt des sog. "Off-Label-Use" ausscheidet. Voraussetzung für die Anwendung der genannten Grundsätze ist u.a., dass überhaupt eine Zulassung des streitigen Arzneimittels in der Bundesrepublik oder EU-weit besteht. Daran fehlt es jedoch hier.

Eine Verordnungsfähigkeit von Maliasin kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. "Seltenheitsfalles" in Betracht. Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit, die so selten auftritt, dass ihre systematische Erforschung praktisch ausscheidet, sind vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Gemeinsame Bundesausschuss dafür keine Empfehlung abgegeben hat oder weil das dabei verwendete Arzneimittel nicht in Deutschland oder EU-weit zugelassen ist und daher im Einzelfall eine Beschaffung aus dem Ausland erforderlich ist (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - Az.: B 1 KR 27/02 KR, BSGE 93, 236 ff. - Visudyne). Bei einer Epilepsie handelt es sich jedoch nicht um eine seltene Erkrankung i.S.d. vorbezeichneten Rechtsprechung. Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass dies schon daraus folgt, dass grundsätzlich zahlreiche zugelassene Arzneimittel zur Behandlung einer Epilepsie zur Verfügung stehen.

Ein für die Klägerin günstiges Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Ausführungen des BVerfG in dem Beschluss vom 06.12.2005 (- Az.: 1 BvR 347/98 -, Juris). Danach besteht die Möglichkeit, unter verfassungskonformer Auslegung derjenigen Regelungen des SGB V, die einem verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf Arzneimittelversorgung entgegenstehen, zu einer Verordnungsfähigkeit zu gelangen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt, eine andere Therapie nicht verfügbar ist (Alternativlosigkeit der konkreten Behandlung) und eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Nicht erforderlich ist, dass bereits das Stadium einer akuten Lebensgefahr erreicht ist. Eine Krankheit ist vielmehr auch dann als regelmäßig tödlich zu qualifizieren, wenn sie "erst" in einigen Jahren zum Tod des Betroffenen führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007 - Az.: 1 BvR 3101/06 -, Juris). Ausreichend für den Anspruch auf Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung ist demgegenüber nicht, dass sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs erst in ganz ferner, noch nicht genau absehbarer Zeit zu realisieren droht (BSG, Urteil vom 27.03.2007, a.a.O.).

Auch wenn man davon ausginge, dass die Epilepsie der Klägerin unter Berücksichtigung der damit verbundenen Anfallsneigung eine lebensbedrohliche Erkrankung darstellte, wären die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung der Leistungsvorschriften des SGB V nicht gegeben. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das Arzneimittel Maliasin grundsätzlich durch andere Medikamente ersetzt werden kann und der Klägerin ein Umstellungsversuch zuzumuten ist. Denn der die Klägerin gegenwärtig behandelnde Nervenarzt Dr. T hat in dem Befundbericht vom 25.10.2006 bestätigt, dass andere in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Antiepileptika zur Behandlung der Klägerin geeignet seien und dass er eine Umstellung bisher nur aus persönlichen Gründen der Klägerin nicht durchgeführt habe. Zwar hat Dr. T außerdem ausgeführt, dass in der Umstellungsphase die Gefahr von Anfällen bestehe. Mit Blick auf ein etwaiges Scheitern ambulanter Umstellungsversuche hat jedoch Dr. U in seiner Stellungnahme vom 25.07.2005 nachvollziehbar dargelegt, dass im Einzelfall auch eine stationär durchzuführende medikamentöse Neueinstellung in Betracht komme. Soweit Dr. G in seinem Bericht vom 07.01.2008 nunmehr attestiert, dass das Risiko einer Gefährdung der Klägerin durch die Inkaufnahme erneuter Grand-mal-Anfälle aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Dr. G noch in seiner Stellungnahme vom 16.08.2005 gegenüber der Beklagten mitgeteilt hat, dass er nicht in die unmittelbare antikonvulsive Therapie der Klägerin eingebunden sei. In seinem Befundbericht vom 14.08.2006 hat er überdies die Frage des Sozialgerichts nach weiteren geeigneten Behandlungsmaßnahmen damit beantwortet, dass die Beantwortung dieser Frage seine Kompetenzen als Allgemeinmediziner überschreite. Angesichts dessen misst der Senat den Ausführungen des Dr. T einen höheren Beweiswert bei. Soweit Umstellungsversuche für die Klägerin (verständlicherweise) angstbesetzt sind, ist dem ggf. mit den Mitteln der Psychotherapie zu begegnen.

Da die Versorgung mit dem Arzneimittel Maliasin nicht den zu den Leistungen gehört, die die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten gegenüber als Sachleistung zu erbringen hat, ist auch der Antrag zu 2) unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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