L 27 P 48/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 11 P 71/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 48/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 24. August 2007 geändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 4. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2003 verpflichtet, den Kläger hinsichtlich eines Zuschusses für eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu 1/3 zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Deckenlifter-Anlage.

Der am 1993 geborene Kläger leidet an mehrfachen schweren körperlichen und geistigen Behinderungen in Folge unter anderem einer spastischen Cerebralparese und Epilepsie. Ihm wurde durch die beklagte Pflegekasse die Pflegestufe III zuerkannt. Mit Bescheid vom 30. Juli 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß einen Zuschuss in Höhe von maximal 5.000,- DM zum Einbau eines so genannten Etagenfahrstuhls (Treppenlift). Am 8. Januar 2003 bestätigte die Beklagte, dass diese Bewilligung weiterhin Gültigkeit habe. Daraufhin wurde in dem von dem Kläger und seinen Eltern bewohnten zweietagigen Einfamilienhaus ein Treppenlift eingebaut; die Gesamtrechnung belief sich auf etwa 16.000,- EUR, die Beklagte leistete unmittelbar an das mit dem Einbau beauftragte Unternehmen einen Zuschuss von 2.557,- EUR.

Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung vom 25./27. Juni 2003 der behandelnden Kinderärztin M beantragte der Kläger die Gewährung einer Decken-Liftanlage 20270 mit umhängbarem Deckenlifter für drei Räume (Bad, Toilette und Kinderzimmer) nach Aufmaß mit Deckenschienen und Zubehör sowie inklusive Montage, einen Spezialsitz 52419, einteilig, mit integrierter Kopfstütze, leicht im Sitzen anlegbar und einem Spezialsitz 79219, einteilig, mit integrierter Kopfstütze, leicht im Sitzen anlegbar.

Mit Bescheid vom 4. August 2003 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, es handele sich insoweit um eine Maßnahme der Wohnumfeldverbesserung. Weil aber bereits eine solche Maßnahme mit dem Höchstbetrag von 2.557,- Euro bezuschusst worden sei und weil der Einbau des Deckenlifters als Bestandteil derselben Maßnahme anzusehen sei, sei eine weitere Erstattung nicht möglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Deckenlifter sei nicht als Pflegehilfsmittel zu gewähren, da seine Aufhängevorrichtung mit dem Baukörper des Hauses fest verbunden sein müsse. Es handele sich deshalb um eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme, die jedoch als einheitliche Maßnahme zu sehen und bereits mit dem Höchstbetrag bezuschusst worden sei.

Am 28. November 2003 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Frankfurt/Oder erhoben und darin zunächst die Kostenübernahme für den Einbau eines Deckenlifters beantragt. Der Sache nach hat er geltend gemacht, es sei beabsichtigt, in sechs Räumen (Bad, Toilette, Kinderzimmer, Wohnzimmer, untere und obere Diele) Deckenschienen zu montieren, zu denen dann zwei Spezialsitze geliefert würden, die jeweils in den Räumen umgehängt werden könnten. Es solle dabei pro Stockwerk einer der Sitze eingesetzt werden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. August 2007 vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder ist dann allerdings nur der Antrag gestellt worden, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, dem Kläger einen Deckenlifter zur Verfügung zu stellen.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht eine Auskunft des Unternehmens UKMT vom 11. April 2007 eingeholt. Außerdem ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. August 2007 der Inhaber dieses Unternehmens, UK, als Zeuge vernommen worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der schriftlichen Auskunft und der Zeugenvernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift bzw. die den Beteiligten vorliegende schriftliche Auskunft Bezug genommen.

Mit Urteil vom 24. August 2007 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger einen Deckenlifter zur Verfügung zu stellen: Bei dem Deckenlifter handele es sich um ein Pflegehilfsmittel, da die Schienen nicht dauerhaft fest mit dem Körper des Hauses verbunden würden, sondern leicht an- und abzumontieren seien. Der Deckenlifter könne auch bei einem Wechsel der Wohnung leicht mitgenommen werden.

Gegen dieses ihr am 5. September 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. September 2007 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie macht geltend, es handele sich um eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme, nicht jedoch um ein Pflegehilfsmittel. Der Einbau des Treppenlifters und der Einbau des Deckenlifters seien als einheitliche Maßnahme zu werten und könnten deshalb nicht erneut und gesondert bezuschusst werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 24. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Zuschuss in Höhe von 2.557,- EUR zu gewähren, weiter hilfsweise, den Kläger diesbezüglich unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zumindest stehe ihm aber der höchstmögliche Zuschussbetrag zu, den er auch während des gesamten Verfahrens stets subsidiär geltend gemacht habe. Deckenlifter und Treppenlift seien nicht als einheitliche Maßnahme anzusehen, weil sich eine wesentliche Veränderung der Pflegesituation ergeben habe. Insoweit sei hinsichtlich des Treppenlifts auf den Bescheidzeitpunkt (30. Juli 1997) abzustellen. Gemessen daran habe bereits bei der Beantragung des Deckenlifters im Jahre 2003 eine wesentlich veränderte Pflegesituation vorgelegen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die eingehende Anhörung der Mutter des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. April 2008, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und zum überwiegenden Teil auch begründet. Das angefochtene Urteil war zu ändern und neu zu fassen. Es war aufzuheben, soweit das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hatte, den Kläger mit einem Deckenlifter zu versorgen; diesbezüglich war die Klage abzuweisen. Die weitergehende Berufung der Beklagten war indessen zurückzuweisen, weil die Beklagte – entsprechend dem wieder aufgelebten zweiten Hilfsantrag des Klägers – zu der aus dem Tenor ersichtlichen Neubescheidung des Klägers zu verpflichten war.

1. Zunächst war das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt worden ist, den Kläger mit einem Deckenlifter im Sachleistungswege zu versorgen. Denn die Voraussetzungen des für einen solchen Sachleistungsanspruch allein als Grundlage in Betracht kommenden § 40 Abs. 1 bis 3 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI) sind vorliegend nicht erfüllt. Nach diesen Vorschriften besteht für Pflegebedürftige ein Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen. Diese Hilfsmittel sind als Sachleistung zu gewähren. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen solchen, die zum Verbrauch bestimmt sind, und technischen Hilfsmitteln, die vorrangig leihweise überlassen werden sollen (§ 40 Abs. 3 Satz 1 SGB XI).

Die vorliegend streitbefangene Deckenlifter-Anlage ist hiernach kein technisches Hilfsmittel. Technische Hilfsmittel sind jedenfalls keine Umbaumaßnahmen in der Wohnung und der dauerhafte Einbau von Geräten, die ein weitgehend selbständiges Wohnen des Behinderten ermöglichen sollen, wie sich aus der Abgrenzung zu Abs. 4 herleiten lässt (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 03. 11. 1999, B 3 P 6/99 R, SozR 3-3300 § 40 Nr. 2). Eine solche Abgrenzung ist wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Ansprüche geboten und sinnvoll nur in der Weise durchzuführen, dass wie im Bereich der Krankenversicherung grundsätzlich zwischen beweglichen Gegenständen und solchen, die fest eingebaut werden, unterschieden wird. Maßnahmen, die mit wesentlichen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden sind, sind keine Hilfsmittel, sondern können als Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nur bezuschusst werden (BSG a. a. O.).

Zur Überzeugung des Senats, die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere der Vernehmung des sachverständigen Zeugen K durch das Sozialgericht und der eingehenden Anhörung der Mutter des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung durch den Senat gewonnen worden ist (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), steht fest, dass die vorliegend streitbefangene Deckenlifter-Anlage im Sinne der vorgenannten Kriterien fest eingebaut und eine mit wesentlichen Eingriffen in die Bausubstanz verbundene Maßnahme ist. Zwar ist der eigentliche elektrische Deckenlifter ein vergleichsweise kleines Gerät, das je nach Gerätetyp zwischen 6 und 10 Kilogramm wiegt und ohne nähere Montagearbeiten lose in die jeweiligen Schienen eingehängt wird. Jedoch stellen dieses Gerät und die dazu gehörenden Schienen zur Überzeugung des Senats eine Einheit dar, weil das Gerät ohne die jeweils benötigten Schienen nicht an der Decke befestigt und damit auch nicht benutzt werden kann. Die Schienen wiederum sind im Sinne der vorgenannten Kriterien dauerhaft mit dem Wohngebäude verbunden. Dabei ist für den Senat nicht von Bedeutung, dass möglicherweise fachkundige Kräfte in der Lage sind, die Montage in relativ kurzer Zeit durchzuführen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass diese Schienen – die ein hohes Tragegewicht aushalten müssen – durch verdübelte Schrauben an der Wohnungsdecke befestigt werden müssen. Dies stellt eine derartig dauerhafte Verbindung mit dem Decken-Mauerwerk dar, dass schon aus diesem Grund die Eigenschaft als technisches Hilfsmittel verneint werden muss. Darüber hinaus steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch fest, dass die Schienen sowohl hinsichtlich ihrer Länge als auch hinsichtlich ihrer Biegung bzw. Führung an die jeweiligen Räume individuell – nach Aufmaß – angepasst und schon aus diesem Grunde nicht ohne weiteres in ein anderes Wohnumfeld mitgenommen werden können.

2. Allerdings konnte die Berufung der Beklagten nicht in vollem Umfange Erfolg haben, denn es war nunmehr eine Verurteilung der Beklagten zu der hilfsweise beantragten Neubescheidung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auszusprechen.

a) Der diesbezügliche, erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich formulierte Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Er stellt insbesondere keine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG dar. Denn der Sache nach hat der Kläger dieses nunmehr auf Anraten des Senats ausdrücklich in einen Hilfsantrag gekleidete Begehren während des gesamten Verfahrens verfolgt, es ist auch stets im prozessualen Sinne Verfahrensgegenstand gewesen. So haben die angefochtenen Bescheide – insbesondere der Widerspruchsbescheid – sowohl einen Sachleistungs- als auch einen Bezuschussungsantrag des Klägers beschieden. Die zunächst auf Kostenübernahme gerichtete Klage hat sich umfassend auf alle wirtschaftlich zum Erfolg führenden Ansprüche und damit zumindest in schlüssiger Form auch auf einen Zuschuss zum Einbau der Deckenlifter-Anlage bezogen. Zwar ist der ausdrücklich zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte Antrag nur auf die Gewährung des Deckenlifters im Sachleistungswege bezogen worden, doch erklärt sich dies vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen richterlichen Hinweise bezüglich der durch das Sozialgericht auch schließlich ausgesprochenen Verurteilung der Beklagten zur Leistung im Sachleistungswege. Eine Klagerücknahme, bezogen auf einen (hilfsweise) begehrten Zuschuss kann hierin nicht liegen, zumal es angesichts des insgesamt deutlichen Prozessstoffes zur Überzeugung des Senats dann auch einer ausdrücklichen Teilrücknahme der Klage bedurft hätte, die nicht erfolgt ist und die auch erkennbar nicht beabsichtigt war.

b) Die Klage ist im Sinne des aus dem Tenor ersichtlichen Ausspruches zur Neubescheidung auch begründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 4 SGB XI liegen vor, der Kläger hat Anspruch auf eine fehlerfreie Ausübung des Ermessens durch die Beklagte. Nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI können die Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Nach den obigen Ausführungen steht fest, dass der Einbau der Deckenlifter-Anlage in das von dem Kläger mit seinen Eltern bewohnte Haus eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des pflegebedürftigen Klägers darstellt; es handelt sich insoweit um eine technische Hilfe im Haushalt. Durch diese Maßnahme wird die häusliche Pflege des Klägers auch erheblich erleichtert. Dies ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats wiederum aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) unter besonderer Berücksichtigung der eingehenden Befragung der Mutter des Klägers durch den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung und der hierdurch gewonnenen umfassenden und eingehenden Einschätzung der Pflegesituation des Klägers. So bedarf es derzeit bereits zweier erwachsener und kräftiger Pflegepersonen, um den mehr als 60 Kilogramm schweren und mehr als 160 cm großen Kläger von seiner Bodenmatte aufzunehmen, ihn in den Rollstuhl zu setzen und ihn aus dem Rollstuhl herauszunehmen und ihn von dort etwa auf den Toilettensitz zu befördern. Nicht nur das beträchtliche Körpergewicht des Klägers und seine Körpergröße, sondern darüber hinaus auch sein gänzlich fehlendes Körpergefühl und die weitgehende Unfähigkeit zur Kontrolle der – auch plötzlich einsetzenden – Körperbewegungen schließen es aus, dass der Kläger ohne weiteres gepflegt werden kann. Vielmehr bedarf es hierzu des Deckenlifters, weil der Kläger hierbei von einer einzelnen Pflegeperson aufgenommen und schonend in ein speziell angepasstes Körpertuch gesetzt werden kann, welches sodann an dem Deckenlifter befestigt und ohne körperlichen Kraftaufwand allein durch den Deckenlifter angehoben und auch wieder abgesetzt werden kann.

Für den Senat bestehen vor diesem Hintergrund keine Zweifel, dass die häusliche Pflege des Klägers hierdurch erheblich erleichtert wird. Prognostisch spricht im Übrigen auch alles dafür, dass angesichts des noch zu erwartenden weiteren Wachstums des jetzt fünfzehnjährigen Klägers in naher Zukunft die häusliche Pflege sogar nur noch ermöglicht werden kann, wenn eine technische Hilfe in Gestalt des Deckenlifters zur Verfügung gestellt wird.

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch die Vorschrift des § 40 Abs. 4 Satz 3 SGB XI ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift dürfen die Zuschüsse zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen einen Betrag in Höhe von 2.557,- EUR je Maßnahme nicht übersteigen. Die Beklagte beruft sich insoweit darauf, sie habe den maßnahmebezogenen Höchstbetrag bereits im Jahre 2003 für den Einbau des Treppenlifts geleistet und sei schon aus diesem Grunde an einer weiteren Leistung gehindert. Dem kann der Senat nicht folgen. Eine "Maßnahme" im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI umfasst sämtliche Umbauten und technischen Hilfen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen objektiv erforderlich sind (BSG, Urteil vom 19. 04. 2007, B 3 P 8/06 R, SozR 4-3300 § 40 Nr. 4 m. W. N.). Maßgebend ist insoweit der Zeitpunkt der Durchführung der Umbauarbeiten, wenn der Zuschuss nachträglich beantragt wird, bzw. der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn die Umbauarbeiten erst danach durchgeführt worden sind oder werden sollen (BSG a. a. O. Randnummer 19 nach juris). Die Zusammenfassung mehrerer Einzelmaßnahmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Umfeldes eines Pflegebedürftigen notwendig sind, zu einer Gesamtmaßnahme im Rechtssinne gilt auch dann, wenn die Einzelmaßnahmen nicht in einem Auftrag gemeinsam vergeben oder zeitlich nacheinander durchgeführt werden. Die Gewährung eines zweiten Zuschusses kommt danach also erst in Betracht, wenn sich die Pflegesituation objektiv ändert und dadurch im Lauf der Zeit Schritte zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes erforderlich werden, die im Zuge der ersten Umbaumaßnahme noch nicht notwendig waren (BSG a. a. O.).

Nach diesen Kriterien ist der Einbau des Deckenlifters eine gegenüber dem Einbau des Treppenlifts rechtlich zu trennende, selbständige Maßnahme, die erneut bezuschusst werden kann. Denn die vom Zeitpunkt her maßgeblichen Anträge wurden für den Treppenlift im Jahre 1997 (als der Kläger vier Jahre alte war) und für den Deckenlifter im Jahre 2003 (als der Kläger das zehnte Lebensjahr vollendet hatte) gestellt. Es bestehen für den Senat keine Zweifel daran, dass die Pflegesituation des Klägers zwischen seinem vierten und seinem zehnten Lebensjahr sich so grundlegend geändert hat, dass im Sinne der vorgenannten Kriterien eine objektive Änderung der Pflegesituation bejaht werden muss, die zu weiteren Schritten zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes führen muss, die im Jahre 1997 noch nicht notwendig waren. Dem Kläger kann dabei auch nicht zum Nachteil gereichen, dass er den im Jahre 1997 beantragten und bewilligten Treppenlift tatsächlich erst im Jahre 2003 hat einbauen lassen, weil dies allein auf das Fehlen von Geldmitteln zurückzuführen war, weshalb der Kläger vor dem tatsächlichen Einbau des bereits bewilligten Treppenlifts einen Rechtsstreit mit dem Sozialhilfeträger hatte führen müssen.

Aber selbst dann, wenn entgegen den vorgenannten Kriterien nicht auf die Antragstellung, sondern auf die tatsächliche Durchführung der Maßnahmen abzustellen sein sollte, ergibt sich keine andere Entscheidung. Maßgebend wären dann die Situation im Jahre 2003 bei Einbau des Treppenlifts einerseits und die in der Zukunft noch zu erfolgende Installation der Deckenlifter-Anlage. Auch hier hat das Gesamtergebnis des Verfahrens unter besonderer Berücksichtigung der insgesamt überzeugenden und schlüssigen Angaben der Mutter des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung dazu geführt, dass auch im Vergleich der Jahre 2003 und 2008 als dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine objektive und wesentliche Veränderung des Pflegebedarfs eingetreten ist. Denn im Jahre 2003 konnte die Pflege des Klägers immerhin noch – wenn auch unter erheblichen Schwierigkeiten – durch eine einzelne erwachsene Pflegeperson gewährleistet werden, während dies im Jahre 2008 jedenfalls nicht mehr möglich ist. Der Senat sieht sich insoweit auch nicht prozessrechtlich daran gehindert, während des Rechtsstreits eingetretene Änderungen im Pflegebedarf des Klägers zu berücksichtigen. Zwar können etwa im Recht der medizinischen Rehabilitation der gesetzlichen Krankenversicherung während eines Rechtsstreits eingetretene Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers zu einer Erledigung des Rechtsstreits führen, wenn sich aufgrund der qualitativen Veränderungen im Gesundheitszustand der durch die Verwaltungsentscheidung festgelegte Streitgegenstand ändert (BSG, Urteil vom 25. 03. 2003, B 1 KR 33/01 R, SozR 4-1500 § 54 Nr. 1). Hierbei kann offen bleiben, ob diese Grundsätze auch auf Ermessensentscheidungen nach § 40 Abs. 4 SGB XI übertragbar sind, denn jedenfalls haben sich im Falle des Klägers während des Rechtsstreits keine qualitativen Veränderungen im Gesundheitszustand und im Pflegebedarf, sondern vielmehr – wenn auch gewichtige - quantitative Veränderungen ergeben, die den durch die Verwaltungsentscheidung bestimmten verfahrensrechtlichen Streitgegenstand in seinem Kern nicht verändern. c) Bei der nunmehr zu erfolgenden Ermessensausübung ist die Beklagte an die Rechtsauffassung des Senats gebunden. Sie hat vor diesem Hintergrund die Deckenlifter-Anlage als geeignete und auch notwendige, erneut zu bezuschussende Maßnahme zur Erleichterung der häuslichen Pflege des Klägers einzustufen und ist auch nicht berechtigt, den Kläger etwa auf andere technische Hilfen oder Hilfsmittel innerhalb oder außerhalb der gesetzlichen Pflegeversicherung zu verweisen. Hierbei ist mit einer Deckenlifter-Anlage der gesamte hier streitbefangene Bereich der geplanten Deckenlifter-Konstruktion gemeint, also nicht nur die erforderlichen elektrischen Hebegeräte mitsamt den nötigen Sitzen bzw. Sitztüchern, sondern auch die zur Aufhängung dienenden Schienen an allen Punkten der Wohnung, an denen der Deckenlifter zum Einsatz kommen soll. Dies betrifft Schienen jeweils nach Aufmaß in den beiden Badezimmern, an den beiden Anfangs- bzw. Endpunkten des Treppenlifts sowie im Therapiezimmer und im Schlafzimmer des Klägers sowie im Essbereich und im Wohnzimmerbereich, denn an allen diesen Punkten wird der Deckenlifter benötigt, um das oben beschriebene Umsetzen des Klägers durchzuführen.

3. Im Übrigen jedoch waren die Klage abzuweisen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

a) Die Klageabweisung bezieht sich einerseits auf den primär geltend gemachten Sachleistungsanspruch, der nicht besteht, weil die Deckenlifter-Anlage kein Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs. 1 bis 3 SGB XI darstellt, und andererseits auf die Abweisung des ersten Hilfsantrages des Klägers, der eine unmittelbare Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Zuschusses in Höhe von 2.557,- EUR begehrt hat. Eine solche Verurteilung war nicht auszusprechen, weil der Beklagten noch der in § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB XI umschriebene Ermessensspielraum zusteht. Hiernach ist die Höhe des Zuschusses unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen. Die Beklagte hat – unter Bindung an die oben genannte Rechtsauffassung des Senats – nunmehr dieses Ermessen nach § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB XI auszuüben.

b) Die Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen ergibt sich daraus, dass der Kläger mit seinem zweiten Hilfsantrag Erfolgt hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das wechselseitige Unterliegen der Prozessbeteiligten.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung besitzt.

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Rechtskraft
Aus
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