L 23 SO 269/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 SO 1017/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 269/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
zur Frage der Anrechnung von Ausbildungsgeld nach § 104 SGB III als Einkommen im Rahmen von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII
Die Berufung des Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 26. September 2006 wie folgt geändert wird: Der Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 wird geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die Zeit ab 01. Dezember 2005 bis 30. November 2006 als Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung weitere 67,00 Euro monatlich, insgesamt 804,00 Euro zu zahlen. Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist noch die Höhe der Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGB XII für den Zeitraum ab 01. Dezember 2005 bis einschließlich November 2006.

Der 1985 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung GdB von 90 und das Merkzeichen "G" festgestellt worden ist, beantragte am 19. Dezember 2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz GSiG. Aufgrund eines Ersuchens nach § 5 Abs. 2 GSiG wurde unter dem 15. September 2004 von der Landesversicherungsanstalt Berlin mitgeteilt, dass der Kläger seit 01. Januar 2003 unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch SGB VI – sei.

Der Kläger bewohnte im streitbefangenen Zeitraum eine Wohnung im Hause seiner Eltern. Die Miete betrug monatlich 300,00 EUR inklusive Kosten für Strom, Wasser, Gas, Abwasser und Müll. Offenbar hatte der Kläger ab November 2006 nur Kosten der Unterkunft in Höhe von 150, 00 EUR. Von seinem Vater bezog der der Kläger Barunterhalt in Höhe von 99,18 EUR monatlich bis einschließlich November 2006.

Ab dem 01. September 2004 befand sich der Kläger in der Werkstatt für behinderte Menschen WfbM der N für einen Grundkurs im Arbeitstrainingsbereich. Mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 21. September 2004 wurde dem Kläger Ausbildungsgeld zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit vom 01. September 2004 bis 31. August 2005 in Höhe von monatlich 57,00 EUR und für die Zeit vom 01. September 2005 bis 30. November 2005 in Höhe von monatlich 67,00 EUR bewilligt.

Mit Bescheid vom 24. November 2004 wurden dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 155,00 EUR bewilligt.

Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 09. Februar 2005 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz - GsiG - ab Dezember 2003 in Höhe von monatlich 229,62 EUR und ab dem Monat September 2004 172,62 EUR. Als Einkommen wurden Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich 99,18 EUR und für die Zeit ab 01. September 2004 Ausbildungsgeld in Höhe von 57,00 EUR monatlich berücksichtigt.

Mit weiterem Bescheid vom 09. Februar 2005 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 42 ff. SGB XII für die Zeit ab 01. Januar 2005 in Höhe von 301,47 EUR monatlich und für die Zeit ab September 2005 in Höhe von 291,74 EUR. Ausgeführt wurde, dass die Leistungen künftig monatlich im Voraus und unverändert zunächst bis einschließlich Dezember 2005 gezahlt würden. Als Bedarf der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wurde der Regelbedarf nach § 42 Nr. 1 SGB XII in Höhe von 276,00 EUR abzüglich 11,00 EUR Energiepauschale, insgesamt 265,00 EUR monatlich, ein Mehrbedarf wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 42 Nr. 3 SGB XII in Höhe von 46,92 EUR monatlich, Kosten der Unterkunft nach § 42 Nr. 2 SGB XII in Höhe von 300,00 EUR monatlich, insgesamt ein Bedarf an Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 611,92 EUR, anerkannt. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte das Ausbildungsgeld in Höhe von 57,00 EUR monatlich, die Unterhaltszahlungen von 99,18 EUR monatlich und das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich, insgesamt 310,18 EUR monatlich. Für die Zeit ab September 2005 stellte der Beklagte ein Einkommen aus Ausbildungsgeld in Höhe von 67,00 EUR in die Berechnung ein.

Gegen diese Bescheide erhob der Kläger keinen Widerspruch. Nachdem der Kläger einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Berlin Nord, vom 05. Oktober 2005 übersandt hatte, mit dem ihm für die Zeit vom 01. Dezember 2005 bis 30. November 2006 ein Ausbildungsgeld in Höhe von 57,00 EUR monatlich bewilligt worden war, setzte der Beklagte wegen Änderung der rechtlichen Verhältnisse die Grundsicherungsleistungen in Höhe von 301,74 EUR ab dem 01. Dezember 2005 fest und rechnete dabei neben dem Unterhalt und dem Kindergeld das Ausbildungsgeld in Höhe von 57,00 EUR monatlich als Einkommen auf den Bedarf an. Nachdem der Kläger unter dem 12. Dezember 2004 einen weiteren Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Berlin Nord, vom 05. Oktober 2005 beim Beklagten vorgelegt hatte, mit dem ihm ein Ausbildungsgeld für die Zeit vom 01. Dezember 2005 bis 30. November 2006 in Höhe von monatlich 67,00 EUR bewilligt worden war, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 die Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Januar 2005 bis auf weiteres in Höhe von 291,74 EUR fest und berücksichtige dabei für die Zeit ab Dezember 2005 das Ausbildungsgeld in Höhe von 67,00 EUR monatlich als Einkommen neben den Unterhalts- und Kindergeldzahlungen.

Am 16. Dezember 2005 beantragte der Kläger für die Zeit ab Januar 2006 weiterhin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. In dem Antrag gab er an, dass das Ausbildungsgeld nicht zum Einkommen zähle, und verwies auf diesbezüglich ergangene Rechtsprechung. Weiterhin machte er geltend, das Kindergeld sei nicht als Einkommen des Kindes anzurechnen.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 (Änderungsbescheid) setzte der Beklagte für die Zeit ab 01. Januar 2006 die Leistungen der Grundsicherung nach §§ 42 ff. SGB XII in Höhe von 291,74 EUR bis einschließlich November 2006 fest und berücksichtigte als Einkommen u. a. das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR sowie das Ausbildungsgeld in Höhe von 67,00 EUR monatlich.

Mit seinem Widerspruch vom 30. Dezember 2005 wandte sich der Kläger gegen die Bescheide vom 09. Dezember 2005 und 12. Dezember 2005 und machte geltend, das Ausbildungsgeld sei nicht als Einkommen zu berücksichtigen und sei daher auch für die Zeit ab 01. September 2004 bis 31. Dezember 2005 zurückzuzahlen. Mit einem weiteren Schreiben vom 30. Dezember 2005 erhob der Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 22. Dezember 2005 Widerspruch und machte weiter geltend, auch das staatliche Kindergeld zähle nicht zum Einkommen der Kinder, sondern als Einkommen der Eltern.

Nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass der Mutter des Klägers das Kindergeld ausgezahlt wurde, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Februar 2006 die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit ab Dezember 2005 bis Dezember 2006 in Höhe von 445,74 EUR monatlich ohne Anrechnung des Kindesgeldes als Einkommen neu fest und wies eine Nachzahlung für den Zeitraum von Dezember 2005 bis März 2006 in Höhe von 616,00 EUR aus. Für den Monat Dezember 2005 legte der Beklagte ein Einkommen in Höhe von 166,18 EUR der Berechnung zugrunde (67,00 EUR Ausbildungsgeld sowie 99,18 EUR Unterhalt). Dieses Einkommen legte der Beklagte auch für die Zeit ab 01. Januar 2006 zur Feststellung der Höhe der Leistungen zugrunde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 09. Dezember 2005 und 12. Dezember 2005 zurück und führte aus, nach § 45 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch SGB IX – sei das Ausbildungsgeld eindeutig zweckbestimmt für den Lebensunterhalt einzusetzen. Die Leistung sei im Sinne von § 83 Abs. 1 SGB XII zweckidentisch mit den Leistungen zum Lebensunterhalt und damit als Einkommen auf die Leistungen des Vierten Kapitels des SGB XII anzurechnen.

Mit der daraufhin am 20. April 2006 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger die "Rückforderung" des Ausbildungsgeldes sowie des Kindergeldes begehrt und u. a. geltend gemacht, das Ausbildungsgeld sei nicht als Einkommen anzurechnen. Dies sei bereits durch die Rechtsprechung entschieden. Weiter hat der Kläger die Nachzahlung des Kindergeldes rückwirkend ab Januar 2005 begehrt.

Mit Urteil vom 26. September 2006 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 verurteilt, dem Kläger Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung ab 01. Dezember 2005 ohne Berücksichtigung des Ausbildungsgeldes zu zahlen. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2006 den Widerspruch des Klägers vom 13. März 2006 gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2006 bezüglich der Anrechnung des Kindergeldes bis 30. November 2005 zurückgewiesen. Dieser Bescheid sei zwar nach entsprechender Anwendung von § 96 Sozialgerichtsgesetz SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden, sei aber nicht zu berücksichtigen gewesen, da er zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannt gewesen sei. Die Klage sei auch unzulässig, soweit der Kläger Ausbildungsgeld für die Zeit von September 2004 bis November 2005 begehre. Die Bescheide vom 09. Februar 2005, mit denen die Anrechnung des Ausbildungsgeldes auf den Grundsicherungsanspruch vorgenommen worden sei, seien bestandskräftig geworden. Ein Überprüfungsverfahren habe bisher nicht stattgefunden. Im Übrigen sei die Klage zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2006, der gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden und der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 einzig noch zu prüfen sei, sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei das nach § 104 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch SGB III i. V. m. § 107 SGB III gewährte Ausbildungsgeld nicht als Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen, da es einem anderen Zweck als die Sozialhilfe diene. Dem gewährten Ausbildungsgeld komme zweckgerichtet die Funktion einer Prämie für die Teilnahme an einem in einer Werkstatt für Behinderte durchgeführten Arbeitstraining zu.

Gegen das ihm am 23. November 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20. Dezember 2006 Berufung eingelegt.

Das Ausbildungsgeld diene der Bestreitung des Lebensunterhalts und damit demselben Zweck wie die Leistungen der Sozialhilfe. Aus der Höhe der Leistung könne kein Rückschluss auf den Zweck erfolgen. In § 45 Abs. 5 SGB IX werde das Ausbildungsgeld als Leistung der Sicherung des Lebensunterhalts aufgeführt. Der Beklagte habe in einer Arbeitsanweisung festgelegt, dass als Motivation zur Teilnahme an einer Maßnahme im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Behinderte ein Betrag in Höhe von 50 v. H. des Ausbildungsgeldes nach § 104 SGB III i. V. m. § 107 SGB III anrechnungsfrei sei. Diese Ausführungen bezögen sich jedoch nicht auf Grundsicherungsleistungen, sondern nur und ausschließlich auf die Beteiligung der Hilfesuchenden an den Kosten bei dauernder Unterbringung. Insofern könne eine Übertragung auf den Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht ohne weiteres erfolgen.

Der Beklagte hat einen Bescheid über die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 04. April 2007 für die Zeit vom 01. Mai 2007 bis 31. Dezember 2007 und Berechnungsbögen für Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit ab November 2006 bis 31. Dezember 2006 und ab 01. Januar 2007 zur Gerichtsakte gereicht.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. September 2006 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil für zutreffend. Er hat mitgeteilt, dass die Zahlung des Ausbildungsgeldes zum 30. November 2006 geendet habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Band Grundsicherungsakte) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Höhe der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab 01. Dezember 2005. Soweit der Kläger ursprünglich auch höhere Leistungen für die Zeit davor begehrt hat, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Mangels Berufung des Klägers ist für Zeiten vor dem 01. Dezember 2005 das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig geworden. Dies gilt auch, soweit der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2006 den Widerspruch des Klägers vom 13. März 2006 gegen den Bescheid vom 28. Februar 2006, mit dem er die rückwirkende Nichtanrechnung des Kindergeldes als Einkommen für die Zeit bis 01. Januar 2005 begehrt hat, zurückgewiesen hat. Auch diesbezüglich hat das Sozialgericht den geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen für die Zeit vor dem 01. Dezember 2005 mit dem Urteil abgewiesen.

Nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind weiter Leistungen ab 01. Dezember 2006. Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, ab 01. Dezember 2005 die Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung des Ausbildungsgeldes als Einkommen zu gewähren. Der Kläger hat das Ausbildungsgeld nur bis einschließlich November 2006 erhalten, so dass durch die Berufung des Beklagten nur noch der Zeitraum bis November 2006 Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.

Die Berufung ist indes unbegründet. Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, dem Kläger Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII ohne Berücksichtigung des Ausbildungsgeldes zu zahlen. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass das dem Kläger gewährte Ausbildungsgeld nicht als Einkommen anspruchsmindernd anzurechnen war.

Die Anrechnung des dem Kläger gemäß §§ 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 Drittes Buch Sozialgesetzbuch SGB III gewährten Ausbildungsgeldes auf die ihr vom Beklagten gewährten Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ist gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII ausgeschlossen. Der Kläger gehört aufgrund seiner Behinderung und der Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII) zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 41 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift haben dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen – wie der Kläger - Anspruch auf Leistungen, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen gemäß §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen können. In welchem Umfang Einkommen auf die Leistungen des Vierten Kapitels angerechnet wird, ist geregelt in §§ 82ff SGB XII. § 83 Abs. 1 SGB XII bestimmt, in welchen Fällen Einkommen nicht zu berücksichtigen ist.

Nach dieser Vorschrift setzt die Nichtberücksichtigung einer Leistung (Einkunft) als anrechenbares Einkommen voraus, dass sie aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gewährt wird - das trifft in Bezug auf das streitgegenständliche nach §§ 97 ff SGB III gewährte Ausbildungsgeld zu -, dass der Zweck, zu dem sie gewährt wird, ausdrücklich genannt ist und dass die im Einzelfall gewährte Sozialhilfe (hier: Leistungen der Grundsicherung) nicht demselben Zweck dient. Diese von ihrem Wortlaut her eindeutige und klare Vorschrift dient einerseits dem Schutz des Empfängers der anderen öffentlich-rechtlichen Leistung: Soll mit ihr ein ausdrücklich genannter besonderer Bedarf gedeckt werden, dann soll dem Empfänger der Leistung diese Bedarfsdeckung nicht dadurch unmöglich gemacht werden, dass er durch Versagung der Sozialhilfe (hier: der Hilfe zum Lebensunterhalt) gezwungen wird, die andere Leistung ihrer Zweckbestimmung zuwider zu verwenden. Andererseits dient die Vorschrift dazu, Doppelleistungen aus öffentlichen Kassen für e i n e n Zweck zu vermeiden (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des § 77 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz – BSHG - BVerwGE 45, 147, BVerwGE 69, 177).

Nach der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 12. April 1984 - 5 C 3/83 - BVerwGE 69, 177) ist bei der Anwendung des § 77 BSHG - dasselbe hat für die Anwendung des § 83 SGB XII zu gelten - daher in einem ersten Schritt zu prüfen, ob in dem anderen Leistungsgesetz der Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob in dem anderen Gesetz das Wort "Zweck" gebraucht wird (hierzu unter 1). Hat sich der Zweck der anderen Leistung so ausdrücklich genannt feststellen lassen, dann ist in einem zweiten Schritt der Zweck der konkret in Frage stehenden Fürsorge-/Sozialhilfeleistung festzustellen (hierzu unter 2). In einem dritten Schritt sind die so festgestellten Zwecke der Leistungen einander gegenüber zu stellen (hierzu unter 3). Fehlt es an der Identität der Zwecke, dann ist die andere öffentlich-rechtliche Leistung bei der Gewährung der Sozialhilfe nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen. Im anderen Fall ist sie zu berücksichtigen. Berücksichtigt werden muss sie aber auch dann, wenn die andere Leistung ohne ausdrückliche Nennung eines Zwecks, also "zweckneutral" gewährt wird. Dann bleibt es bei dem Grundsatz, dass eine Einkunft in Geld als Einkommen zu berücksichtigen ist.

(1) Eine den Anforderungen des § 83 Abs. 1 SGB XII genügende Zweckbestimmung der betreffenden Leistung ist dann gegeben, wenn sich dieser Zweck aus der jeweiligen gesetzlichen Vorschrift eindeutig ergibt. Hierbei ist nicht allein auf den Wortlaut abzustellen. Es ist ausreichend, dass die Zweckbestimmung aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung folgt, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 03. Dezember 2002 - B 2 U 12/02 R - BSGE 90, 172; W. Schellhorn in: Schellhorn/ Schellhorn/Hohm, SGB XII, Komm., 17. Aufl., 2007, § 83 Rn. 11; Decker in: Oestreicher, SGB XII, SGB II, Komm., Stand Sept. 2007, § 83 Rn. 11; Lücking in: Hauck/Noftz, SGB XII, Kommentar, 2007, § 83 Rn 7; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Aufl., § 83 Rn. 6; sowie die h. M. zu § 77 BSHG, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1984 - 5 C 8/81 - FEVS 34, 1 und BVerwGE 69, 177).

In Anwendung dieser Grundsätze, die auch im Rahmen des § 83 SGB XII gelten, ist von einer "ausdrücklichen" Zweckbestimmung des während einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer WfbM gemäß §§ 104, 107 SGB III gewährten Ausbildungsgeldes auszugehen. Es handelt sich nach der gesetzlichen Konzeption um eine zusätzliche Leistung, die auf eine Erhöhung der für den persönlichen Bedarf tatsächlich zur Verfügung stehenden Finanzmittel gerichtet ist, um die besonderen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Maßnahme im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer W zu decken und hierdurch die Durchführung dieser Maßnahme zu fördern (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1990 - 9 b/7 RAr 100/89 - FEVS 41, 468).

Bei dem nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 107 SGB III gewährten Ausbildungsgeld handelt es sich um eine sog. ergänzende Leistung zu den besonderen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, die zur Deckung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs als Leistung zum Lebensunterhalt geleistet wird. Die Leistung ist gesetzlich geregelt im Siebenten Abschnitt des SGB III "Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben". Gemäß § 97 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. § 98 SGB III bestimmt, dass für behinderte Menschen 1. allgemeine Leistungen sowie 2. besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen erbracht werden können. Die sog. besonderen und die sie ergänzenden Leistungen sind geregelt im Dritten Unterabschnitt (§§ 102 bis 115 SGB III). Die sog. ergänzenden Leistungen umfassen nach § 103 SGB III 1. das Übergangsgeld nach den §§ 160 bis 162, 2. das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann und 3. die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme. § 104 Abs. 1 Nr. 2 SGB III bestimmt, dass behinderte Menschen Anspruch auf Ausbildungsgeld während einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen haben, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann. § 107 SGB III setzt den Bedarf bei Maßnahmen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen im ersten Jahr auf 57,00 EUR und danach auf 67,00 EUR monatlich fest. § 108 Abs. 1 SGB III bestimmt, dass bei derartigen Maßnahmen auf den Bedarf Einkommen nicht angerechnet wird.

Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen werden gem. § 102 Abs. 2 SGB III nach § 40 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch SGB IX erbracht. § 40 SGB IX regelt die Voraussetzungen und Dauer der Leistungserbringung. Danach werden Leistungen im Eingangsverfahren zur Feststellung erbracht, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben ist, sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den behinderten Menschen in Betracht kommen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Leistungen im Berufsbildungsbereich werden erbracht, wenn sie erforderlich sind, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen soweit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, und erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen zu erbringen (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX). § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX bestimmt, dass die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben ergänzt werden durch unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, u. a. das Ausbildungsgeld (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). § 45 SGB IX "Leistungen zum Lebensunterhalt" regelt die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit für die Gewährung von Ausbildungsgeld nach Maßgabe der §§ 104 bis 108 SGB III (§ 45 Abs. 5 SGB IX).

Bei dem Ausbildungsgeld handelt es sich danach im Grundsatz um eine ergänzende Leistung zur Unterhaltssicherung (vgl. Majerski Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski Pahlen, SGB IX, Kommentar, 11. Auflage, 2004, § 44 Rdnr. 4). Dies folgt neben der gesetzlichen Bezeichnung des Ausbildungsgeldes als "Leistung zum Lebensunterhalt" in § 45 SGB IX und seiner systematischen Stellung in § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX als eine der "unterhaltssichernden" Leistungen neben "Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe" bereits aus den Regelungen des SGB III.

Denn nach der gesetzlichen Bestimmung in § 104 SGB III besteht ein Anspruch auf Ausbildungsgeld in den Fällen, in denen Übergangsgeld – mangels Vorbeschäftigungszeiten – nicht erbracht werden kann. Das Ausbildungsgeld tritt insoweit an die Stelle des Übergangsgeldes, dessen unterhaltssichernder Charakter anerkannt ist. Mit Urteil vom 19. Dezember 1995 5 c 27/93, FEVS 46, 309 – hat das Bundesverwaltungsgericht insoweit ausgeführt, Übergangsgeld sei eine ergänzende, unselbständige Rehabilitationsleistung mit Lohnersatzfunktion (vgl. auch die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung in § 50 SGB IX als "Entgeltersatzleistung"). Wörtlich heißt es: "Der an einer berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation teilnehmende Behinderte erhält kein Entgelt für eine Arbeitsleistung, sondern eine Sozialleistung aufgrund von öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Sie soll Erwerbseinkommen für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme ersetzen, um den Unterhalt des Behinderten und ggf. seiner Familienangehörigen während dieser Zeit sicherzustellen und ihm die berufliche Rehabilitation finanziell zu ermöglichen" (BVerwG, a.a.O.).

In dieser Funktion erschöpft sich der Zweck des Ausbildungsgeldes jedoch nicht. Zu beachten ist zunächst, dass der Gesetzgeber zwischen dem nach Maßgabe der §§ 105, 106, 108 Abs. 2 SGB III erbrachten Ausbildungsgeld i.S.d. § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme und dem vorliegend streitgegenständlichen nach Maßgabe der §§ 107, 108 Abs. 1 SGB III erbrachten Ausbildungsgeld i.S.d. § 104 Abs. 1 Nr. 2 SGB III während einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer WfbM differenziert.

Das Ausbildungsgeld i.S.d. § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III wird gem. §§ 105, 106, 108 Abs. 2 SGB III seiner Höhe nach gestaffelt in Abhängigkeit von der Art der Unterbringung des behinderten Menschen und abhängig von der Übernahme der Kosten für Unterbringung und Verpflegung durch die Agentur für Arbeit oder einen anderen Leistungsträger erbracht. Erfolgt keine anderweitige Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung werden die Bedarfssätze des Bundesausbildungsförderungsgesetzes – BAföG – (§§ 12, 13 BAföG) zugrunde gelegt (vgl. § 105 Abs. 1 Nr. 4, § 106 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB III). Erfolgt eine Kostenerstattung von dritter Seite wird Ausbildungsgeld in Höhe einer Pauschale gewährt (vgl. § 105 Abs. 1 Nr. 3, § 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Bereits aus dieser gesetzlichen Regelungssystematik wird deutlich, dass der Zweck des Ausbildungsgeldes i.S.d. § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III dem der Leistungen nach dem BAföG entspricht, nämlich für den Lebensunterhalt und die Ausbildung bestimmt zu sein (§ 11 BAföG). Diese Zweckbestimmung folgt auch aus der Regelung des § 104 Abs. 2 SGB III, demzufolge für das Ausbildungsgeld die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe (§§ 59 ff SGB III) entsprechend gelten, sofern nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Arbeitsförderungsgesetz (S. 174 zu § 104; zitiert nach Niesel in: Niesel, SGB III, Komm., 4. Aufl., 2007, § 104, Rn. 7) wurde hinsichtlich der Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausbildungsgeld deshalb auf die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) verwiesen, weil es sich um vergleichbare Leistungen handelt. Nach § 59 SGB III umfasst der durch die BAB zu deckende Bedarf (sog. Gesamtbedarf) aber sowohl die Kosten des Lebensunterhalts als auch die Ausbildungskosten. Der Bedarfsbegriff des § 65 SGB III "Bedarf für den Lebensunterhalt bei beruflicher Ausbildung" entspricht dem des § 11 BAföG (Stratmann in: Niesel, a.a.O., § 65 Rn. 2).

Wird demnach bereits das Ausbildungsgeld i.S.d. § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, unabhängig davon, welche Ausbildungsart abgesichert werden soll, nicht ausschließlich für den Lebensunterhalt geleistet, sondern dient auch der Befriedigung eines besonderen ausbildungsgeprägten Bedarfs, tritt die Funktion der Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts im Falle des hier streitgegenständlichen Ausbildungsgeldes nach § 104 Abs. 1 Nr. 2, § 107 SGB III bei Teilnahme an einer Maßnahme in einer WfbM vollständig hinter dem Zweck der Sicherung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs zurück. Bei diesem Ausbildungsgeld handelt es sich gleichsam um einen "pauschalierten Aufwendungsersatz" für die an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich der WfbM teilnehmenden behinderten Menschen, der nicht deren Unterhaltsbedarf, sondern die besonderen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme abdecken soll (ebenso Großmann in: Hauck/Noftz, SGB III, Komm., Stand 2006, § 107 Rdnr. 2 und 15).

Ausbildungsgeld i.S.d. § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III wird gemäß § 107 SGB III in Höhe einer Pauschale unabhängig von der Art der Unterbringung und unabhängig von den den behinderten Menschen treffenden Kosten für Unterbringung und Verpflegung und somit unabhängig von dessen allgemeinen Lebenshaltungskosten erbracht. Daraus folgt, dass diese Leistung nicht zur Deckung der allgemeinen Lebenshaltungskosten bestimmt ist. Der Vergleich der Höhe der in den §§ 105 und 106 SGB III festgelegten Pauschalen für Personen, deren Kosten für Unterbringung und Verpflegung von anderer Seite gedeckt sind (154 Euro bzw. 205 oder 236 Euro monatlich), mit der Höhe der Pauschalen nach § 107 SGB III (57 Euro monatlich bzw. 67 Euro monatlich) erhellt, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption mit der nach § 107 SGB III gewährten Pauschale auch kein sonstiger allgemeiner Bedarf befriedigt werden soll.

Vielmehr soll mit dem Ausbildungsgeld nach § 107 SGB III dem behinderten Menschen ein fester Geldbetrag nach Art eines Taschengeldes für kleinere Ausgaben im Zusammenhang mit der Bildungsmaßnahme (z. B. zusätzliche Verpflegungs- und Veranstaltungskosten) zur Verfügung gestellt und zugleich die Motivation für die Bildungsmaßnahme gefördert werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2001 B 1 KR 1/00 R, FEVS 53, 5 und Urteil vom 26. September 1990 - 9 b/7 RAr 100/89 - FEVS 41, 468). Als im Zusammenhang mit der Bildungsmaßnahme stehende Aufwendungen kommen u. a. in Betracht Kosten für sportliche und kulturelle Ausgleichsveranstaltungen, für Zwischenverpflegungen in den Pausen, für Kleidung und Kosmetik, Schreibmaterial und Porto, Zeitungen, Nahverkehrsmittel und dergleichen (Großmann a.a.O. Rn. 15). Das Ausbildungsgeld nach § 107 SGB III stellt somit eine Leistung zur Deckung der durch die Teilnahme an der Maßnahme bedingten Kosten des Lebensunterhalts dar, der auch nicht durch den im Eckregelsatz enthaltenen allgemeinen "Taschengeldanteil" (§ 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII) erfasst ist. Die eigentlichen, unabhängig von der Maßnahme bestehenden Lebenshaltungskosten der Teilnehmer sind daher auch anderweitig zu decken (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1990 – 9b/7 Rar 100/89, a.a.O. / Juris Rn. 17).

Dass die Bedarfssätze nach § 107 SGB III lediglich ergänzend bedarfssichernd sind, wird entsprechend der Systematik mit der Regelung des § 108 Abs. 1 SGB III (fehlende Einkommensanrechnung) verdeutlicht. § 108 Abs. 1 SGB III stellt sicher, dass das Ausbildungsgeld den in Maßnahmen einer WfbM eingebundenen behinderten Menschen unabhängig von den ihnen sonst zur Verfügung stehenden Finanzmitteln als besondere, d. h. zusätzliche, Leistung zur Verfügung steht, um ihren zusätzlichen durch die Teilnehme an der Maßnahme begründeten Bedarf zu decken.

(2) Der Zweck der im vorliegenden Fall in Frage stehenden Leistung der Grundsicherung nach § 41 Abs. 1 SGB XII hingegen ist auf die Deckung des sozialhilferechtlich notwendigen Bedarfs gerichtet. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfassen den für den Leistungsberechtigten maßgeblichen Regelsatz nach § 28 SGB XII (§ 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII), Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29 SGB XII (§ 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII), die Mehrbedarfe entsprechend § 30 SGB XII sowie die einmaligen Bedarfe nach § 31 SGB XII (§ 42 Satz 1 Nr. 3 SGB XII), die Übernahme von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen entsprechend § 32 SGB XII (§ 42 Satz 1 Nr. 4 SGB XII) und Hilfen nach § 34 SGB XII (§ 42 Satz 1 Nr. 5 SGB XII). Mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten wurden dem Kläger Leistungen nach § 42 Satz 1 Nr. 1) und 2) gewährt. Der dem Kläger danach gemäß § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 28 SGB XII gewährte Regelsatz umfasst den "notwendigen Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung".

(3) Die so festgestellten Zwecke der streitgegenständlichen Leistungen sind mithin nicht identisch. Das Ausbildungsgeld i.S.d. §§ 104, 107 SGB III als "pauschalierter Aufwendungsersatz" für die an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich der WfbM teilnehmenden behinderten Menschen ist zwar eine Leistung zum Lebensunterhalt (§ 44 SGB IX), jedoch keine solche zur Bestreitung des – notwendigen – Lebensunterhaltes. Sie soll vielmehr die besonderen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Maßnahme in der WfbM abdecken. Der Regelsatz nach §§ 42, 28 SGB XII dient mit der Deckung des "notwendigen Lebensunterhaltes" einem hiervon unterschiedenen Zweck. Folglich ist das Ausbildungsgeld nach §§ 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 SGB III mangels Zweckidentität bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff SGB XII nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen (im Ergebnis ebenso: OVG NRW, Urteil vom 22. Februar 2006 16 A 176/05, Juris; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2006 12 a 2320/05 – Juris; Nds. OVG, Urteil vom 22. Februar 2001 12 L 3923/00, FEVS 52, 508; Lauterbach in: Gagel, a.a.O. § 104 Rn. 4; W. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O. § 83 Rn. 12; Lücking in: Hauck/Noftz, a.a.O. § 83 Rn. 9; Decker in: Oestreicher a.a.O. SGB XII § 83 Rn. 13; Brühl in: LPK - SGB XII, Kommentar 8. Aufl., § 83 Rn. 16; Großmann a.a.O. § 107 Rn. 16; a.A. nur SG Karlsruhe, Urteil vom 20. September 2007, - S 4 SO 4758 -, Juris).

Das Sozialgericht hat nach alledem den Beklagten zu Recht verurteilt, die mit dem angefochtenen Bescheid bewilligten Leistungen der Grundsicherung ohne Anrechnung des Ausbildungsgeldes als Einkommen zu gewähren. Einer Verurteilung des Beklagten zur insoweit anrechnungsfreien Leistungsgewährung für den streitgegenständlichen Zeitraum steht auch nicht das vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelte sozialhilferechtliche Strukturprinzip "keine Hilfe für die Vergangenheit" (vgl. BVerwGE 68, 285, FEVS 55, 320), entgegen. Denn aufgrund der von den Regelungen des BSHG abweichenden gesetzlichen Struktur der Bestimmungen über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff SGB XII (hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 16. Oktober 2007 – B 8/9b SO 8/06 R, Juris, Rn. 20 mwN) ist die Rechtsprechung des BVerwG auf diese Vorschriften nicht übertragbar. Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII werden vielmehr unabhängig von einem aktuellen Bedarf gewährt (BSG a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision wird zur Klärung der Rechtsfrage, ob Ausbildungsgeld im Sinne der §§ 104 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, § 107 SGB III im Rahmen der Sozialhilfe als Einkommen anzurechnen ist, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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