L 16 B 438/08 AS PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 92/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 B 438/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 14. April 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

In dem Klageverfahren des Sozialgerichts Landshut, Az. S 7 AS 92/08 ist die Anrechnung des im September 2007 zugeflossenen Gehaltes der Beschwerdeführerin (Bf) für den Monat August 2007 durch die Beschwerdegegnerin (Bg) auf die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für September 2007 streitig.

Die Bf bewohnt allein eine 50 Quadratmeter große 1-Zimmer-Wohnung im Haus ihres Vaters und zahlt ihrem Vater hierfür monatlich einen Mietzins in Höhe von EUR 220,- sowie EUR 40,- für Warmwasser und Heizung. Nach dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II war sie von März bis August 2007 in einer Gärtnerei für 32 h wöchentlich beschäftigt gegen ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von netto EUR 861,33. Dieses Entgelt war vom Arbeitgeber zumindest in den Monaten Mai bis August 2007 jeweils im Folgemonat auf das Konto der Bf überwiesen worden. Der Arbeitslohn für August 2007 wurde am 03.09.2007 auf dem Konto der Bf gutgeschrieben.

Die Bg gewährte der Bf auf ihren Antrag vom 03.09.2007 mit Bescheid vom 19.10.2007 für die Zeit vom 03. bis 30.09.2007 lediglich Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 12,84. Dabei ging sie von einem monatlichen Gesamtbedarf der Bf in Höhe von EUR 560,32 aus, der sich aus dem Regelsatz in Höhe von EUR 323,87 und Kosten der Unterkunft in Höhe von EUR 236,45 (Grundmiete in Höhe von EUR 205,33 und Heizkosten in Höhe von EUR 31,12, die wegen der Kosten für Warmwasser um ein Sechstel gekürzt worden) zusammensetze. Von diesem Gesamtbedarf sei ein zu berücksichtigendes Einkommen der Bf in Höhe von EUR 547,48 abzuziehen, das sich aus einem zugrundeliegenden Nettoeinkommen der Bf in Höhe von EUR 803,91 abzüglich EUR 256,43 für Freibeträge nach §§ 11,30 SGB II etc. errechne. Für den Zeitraum von Oktober 2007 bis Februar 2008 bewilligte die Bg der Bf Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich EUR 600,34 (Regelleistung in Höhe von EUR 347,- und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 253,34).

Der dagegen erhobene Widerspruch der Bf, dass der bereits am 31.08.2007 von ihrem Arbeitgeber angewiesene und erst - ohne ihr Verschulden - im September 2007 auf ihrem Konto eingegangene Arbeitslohn für die bereits im August 2007 erbrachte Arbeitsleistung gelte und daher nicht als Einkommen bedarfsmindernd angerechnet werden dürfe, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008 unter Hinweis auf das bei der Anrechnung von Einkommen geltende Prinzip des tatsächlichen Zuflusses als unbegründet zurückgewiesen. Es komme nicht darauf an, dass der Arbeitgeber gegebenenfalls den Lohn zu spät ausgezahlt habe, oder wann der Lohn vom Konto abgehoben worden sei.

Im anschließenden Klageverfahren beantragte die Bf unter Wiederholung ihres Vorbringen mit Schriftsatz vom 15.02.2008, eingegangen beim Sozialgericht Landshut am 18.02.2008, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung. Diesen Antrag lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 14. April 2008 mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage ab. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Arbeitslosengeld II / Sozialgeld - Verordnung (Alg II-V) seien laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen würden. Eine Berücksichtigung in den Monaten, in denen sie erzielt worden seien, sei daher ausgeschlossen. Da der Lohn der Bf für den Monat August 2007 erst im September 2007 auf ihrem Konto eingegangen sei, sei er auch in diesem Monat anzurechnen. Gegen den streitgegenständlichen Beschluss hat die Bf Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass laufende Einnahmen nur im dem Monat angerechnet werden dürften, in dem diese erarbeitet worden seien. Es müsse außer Betracht bleiben, wann die Einnahmen zugeflossen seien. Das Zuflussprinzip sei hier nicht anwendbar, weil es zu unerträglichen Verzögerungen und zu einer äußersten Ungerechtigkeit führen würde; es sei willkürlich. Oft werde der Arbeitslohn - zB insbesondere bei Zeitarbeitnehmern - erst später abgerechnet und gezahlt, so dass die Personen, die den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II erst nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses stellen würden, in dem Monat, in dem sie gearbeitet hätten, keinen Arbeitslohn und im Folgemonat keine Leistungen nach dem SGB II erhalten würden, weil der Lohn für das vorausgegangen Monat verspätet gezahlt und beim Arbeitslosengeld II angerechnet werden würde.

Beigezogen wurden die Akten des Sozialgerichts und der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) Beschwerde der Bf ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag der Bf auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 114 f. ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Klage hat nach Auffassung des Senats keine hinreichende Erfolgsaussicht, weil nach § 11 Abs.1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 2 Abs.2 Satz 1 Alg II-V laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen. Das Arbeitsentgelt der Bf aus ihrem Beschäftigungsverhältnis im August 2007, das erst im September 2007 auf deren Konto gutgeschrieben worden ist, ist daher im Monat September bedarfsmindernd zu berücksichtigen.

Dieses Abstellen auf den jeweiligen Kalendermonat des Zuflusses entspricht der bisherigen Übung bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe und Leistungen nach dem BSHG. Auch im Schrifttum und in der Rechtsprechung zu § 11 Abs.1 Satz 1 SGB II wird - zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen - einheitlich auf die vom BVerwG in seinen Urteilen vom 18.02.1999 entwickelte "Zuflusstheorie" abgestellt. Die Regelung des § 11 Abs.1 Satz 1 SGB II, die nahezu wortgleich mit § 82 Abs.1 Satz 1 SGB XII übereinstimmt, entspricht dem früheren § 76 Abs. 1 BSHG. Nach der Gesetzesbegründung zu § 11 SGB II war die Anknüpfung an das Recht der Sozialhilfe (BSHG) beabsichtigt (BT-Drucks 15/1516 S. 53). Auch § 2 Abs.2 Satz 1 Alg II-V stellt nach seinem Wortlaut eindeutig auf den Zeitpunkt des Zuflusses ab. In der Begründung zu dieser Vorschrift wird ebenfalls ausgeführt, dass hinsichtlich des Einkommens an die Rechtslage bei der Sozialhilfe angeknüpft werde; dabei werde die jüngste Rechtsprechung des BVerwG hinsichtlich der Fälligkeit und der Zurechnung von Einnahmen berücksichtigt (Öestreicher, SGB II, § 11 Rdnr. 13). Nach dieser wertenden Betrachtungsweise steht bei Geldforderungen der tatsächliche Zufluss gegenüber dem zugrundeliegenden Anspruch im Vordergrund (s. hierzu ausführlich etwa Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 11 Rdnr. 11 ff. m.w.N.; vgl. auch BayLSG, Urteil vom 19.03.08, L 16 AS 270/07).

Da die Leistungen nach dem SGB II nur "vorläufig bewilligt" (Seite 2 des angefochtenen Bescheid der Bg vom 19.10.2007) wurden, und von der Bf die Höhe der Kosten der Unterkunft und der Heizung, die isoliert anfechtbar sind (eigenständige abgrenzbare Verfügung der Entscheidung über die Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinn des § 31 SGB X: BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R), nicht explizit angegriffen wurde, hat die Bg hinsichtlich dieser Kosten noch in einem endgültigen Bescheid mit der gebotenen Begründung zu entscheiden. Es ist nach derzeitiger Aktenlage und der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise nicht nachvollziehbar, warum die tatsächlichen Mietkosten der Bf nicht in Höhe von EUR 220,- in Ansatz gebracht wurden. Auch sind bei den Heizkosten der Bf in Höhe von EUR 40,- für die Warmwasserversorgung lediglich EUR 6,22 in Abzug zu bringen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 127 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 73a, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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