S 18 KR 298/06

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 298/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Indikationsbezogene Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses für die ärztliche Anwendung bestimmter Fertigarzneimittel in Richtlinien nach § 135 Abs. 1 SGB V sind nur in Bezug auf die Applikationsweise und die Qualifikation des behandelnden Arztes s
I. Der Bescheid vom 29.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2006 und der Bescheid vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2007 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die für die Photodynamische Therapie mit Visudyne® (Verteporfin) am 30.09.2005 und am 28.12.2005 in Höhe von insgesamt 3.960,00 EUR aufgewandten Kosten zu erstatten.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Photodynamischen Therapie (PDT) mit dem Arzneimittel Visudyne® (Wirkstoff: Verteporfin) zur Behandlung einer okkulten subfovealen chorioidalen Neovaskularisation (CNV) bei altersbedingter Makuladegeneration (AMD).

Der 1920 geborene Kläger leidet an einer okkulten subfovealen CNV (ICD-10 Nr. H35.3) des rechten Auges, in dem er bereits eine künstliche Linse wegen grauen Stares trägt, sowie an einem Weitwinkelglaukom mit ausgeprägter Optikusatrophie (ICD-10 Nr. H40.1) beider Augen. Kennzeichnend für die CNV sind Blutgefäßwucherungen mit Blutungen und Vernarbungen, auf Grund derer der Verlust des zentralen Sehvermögens innerhalb weniger Monate droht.

In einer zur Vorlage bei der Beklagten angefertigten Befundmitteilung vom 21.09.2005 gab die Augenärztin Dr. med. P. den Visus am rechten Auge des Klägers ohne Korrektion mit 0,1 und das Nahsehvermögen bei Addition +3,0 mit Nd 10 sowie den Visus am linken Auge ohne Korrektion mit 0,08 bei aufgehobenem Lesevermögen nach Nieden an. Die Größe der Läsion am rechten Auge belaufe sich auf weniger als 4 Papillenflächen. Blutungen zeigten die Progression der Erkrankung an. Zur Behandlung sei eine PDT angezeigt, bei der es sich aber nicht um eine Kassenleistung handele. Hierfür stehe ein Zeitfenster von 8 Tagen zur Verfügung.

Ziel der PDT ist es, Gefäßneubildungen im Augenhintergrund zu beseitigen, ohne die darüber liegende Netzhaut zu zerstören, indem der Arzneimittelwirkstoff in die Blutbahn injiziert und anschließend mittels nichtthermischen Laserlichts gezielt im Auge aktiviert wird. Das hierfür eingesetzte Arzneimittel Visudyne® mit dem Wirkstoff Verteporfin ist auf Grund einer Genehmigung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) vom 27.07.2000 unter der Zulassungsnummer EU/1/00/140/001 für den Arzneimittelverkehr in der Europäischen Union zugelassen. Die Genehmigung erstreckt sich auf die Anwendung bei AMD mit vorwiegend klassischer subfovealer CNV, okkulter subfovealer CNV mit Beleg eines neu aufgetretenen oder fortschreitenden Krankheitsverlaufs sowie bei subfovealer CNV in Folge pathologischer Myopie. Anhang I Abschnitt 5.1 "Pharmakodynamische Eigenschaften" der Genehmigung und Abschnitt 5.1 der gleichlautenden Fachinformationen der N. GmbH für Visudyne® stützen sich unter Anderem auf die Ergebnisse einer 24-monatigen, randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden, multizentrischen Studie (BPD OCR 003 AMD - "Verteporfin in photodynamischer AMD-Therapie" - VIP -), in die Patienten mit subfovealer, okkulter CNV ohne klassische Anteile und einem Visus von ) 0,2 eingeschlossen waren (Verteporfin In Photodynamic Therapy Study Group, Am J Ophthalmol 131 [2001] Nr. 5 S. 541-560).

Am 22.09.2005 reichte der Kläger unter Hinweis auf das von Dr. med. P. angegebene Zeitfenster den Antrag vom 21.09.2005 auf Kostenübernahme für die PDT bei der Beklagten ein.

In einer Stellungnahme vom 26.09.2005 sprach sich die Gutachterärztin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung M., Fachärztin für Augenheilkunde, gegen die beantragte Kostenübernahme aus. Für das Arzneimittel Visudyne® liege zwar eine Zulassung vor, weil in der VIP-Studie Patienten mit kleinen Läsionen und einem Visus von mindestens 0,2 bei einer Visusverringerung innerhalb der letzten 12 Wochen von der Therapie profitiert hätten. Die Sehschärfe des Klägers von 0,1 entspreche jedoch nicht diesen Voraussetzungen. Eine alternative Behandlungsmethode stehe nicht zur Verfügung. Eine weitere irreversible Sehverschlechterung sei nicht auszuschließen.

Am 27.09.2005 wurde 1 Ampulle 15 mg des Arzneimittels Visudyne® zu Händen des Arztes in der Apotheke Friedrichstadt bestellt, wofür diese dem Kläger einen Betrag von 1.587,67 EUR berechnete. Das Arzneimittel wurde gegen Vorlage eines Privatrezepts der Augenärztin Dr. med. P. vom 28.09.2005 abgegeben. Der Kläger hat den Rechnungsbetrag bezahlt.

Mit Bescheid vom 29.09.2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Übernahme der Behandlungskosten ab. Für die Therapie liege noch keine Beurteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses vor. Ein Wirksamkeitsnachweis sei nicht erbracht. Es handele sich deshalb nicht um eine Kassenleistung.

Am 30.09.2005 führte Dr. med. P. den Eingriff beim Kläger durch. Für die ärztlichen Leistungen stellte sie dem Kläger am 11.10.2005 einen Betrag von 374,08 EUR in Rechnung.

Gegen den Bescheid vom 29.09.2005 erhob der Kläger am 25.10.2005 mit Schreiben vom 22.10.2005 Widerspruch. Wegen der ständigen Verschlechterung des Sehvermögens sei keine Zeit gewesen, die Anerkennung der Behandlung abzuwarten. Alle Behandlungsalternativen seien ausgeschöpft gewesen. Ihm stehe nur noch das rechte Auge zur Verfügung. Das linke sei schon nicht mehr reparabel.

Am 21.12.2005 stellte sich der Kläger erneut Dr. med. P. vor. Bei dieser Untersuchung stellte die Augenärztin bei stabilisiertem Visus eine Restleckage am rechten Auge fest. Das Sehvermögen des Klägers bezifferte sie mit einem Visus von 0,1 und Nd 10 rechts sowie einem Visus von 0,05 und Nd 0 links. Zur Behandlung der CNV sei eine zweite PDT innerhalb eines Zeitfensters von 8 Tagen angezeigt.

Der Kläger beschaffte das hierzu benötigte Arzneimittel Visudyne® 15 mg am 22.12.2005 zum Preis von 1.587,67 EUR wiederum auf eigene Rechnung in der Apotheke Friedrichstadt.

In einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 28.12.2005 erläuterte Dr. med. P., die Wirksamkeit der PDT zur Behandlung der okkulten CNV sei in der VIP-Studie beim Vorliegen von Progressionszeichen und Läsionen ( 4 DA und/oder einem Visus von ( 0,4 nachgewiesen. Jedoch sei auch bei einem Visus von ( 0,2 noch eine Wirkung zu erwarten. Nach Meinung der Expertenkommission der augenärztlichen Fachgesellschaften sei die PDT bis zu einem Visus von 0,05 zur Stabilisierung sinnvoll. Beim Visus des Klägers von rechts 0,1 und links 0,05 mit erheblicher Einschränkung der Lebensqualität und ohne andere Therapiemöglichkeit seien die Voraussetzungen für eine Übernahme auch außervertraglicher Leistungen erfüllt.

Am 28.12.2005 unterzog sich der Kläger der zweiten PDT-Behandlung. Für die ärztlichen Leistungen berechnete Dr. med. P. dem Kläger unter dem 31.01.2006 einen Betrag von 410,58 EUR. In einem Schreiben vom selben Tag befürwortete Dr. med. P. die Übernahme der Therapiekosten durch die Beklagte unter Hinweis darauf, dass es sich bei dem behandelten Auge um das funktionelle einzige handele.

Die Gutachterärztin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung M., Fachärztin für Augenheilkunde, bestätigte in einer Stellungnahme vom 01.01.2006 ihre Auffassung, die medizinischen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme seien nicht erfüllt. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe die PDT lediglich für die klassische Verlaufsform der CNV bei AMD anerkannt.

Zwar entsprächen beim Kläger Größe, Lage und Progressionszeichen der Läsionen den Kriterien der VIP-Studie, welche der Zulassung des Medikaments durch die EMEA zu Grunde liege, nicht aber der Visus von 0,1. Die von Dr. med. P. erwähnte Empfehlung der PDT-Kommission der augenärztlichen Fachgesellschaften vom 10.02.2004, wonach die Sehschärfe nur mindestens 0,05 betragen müsse, sei eine Expertenmeinung ohne hohe Evidenz.

Am 13.01.2006 reichte der Kläger seinen Antrag vom 12.01.2006 auf Erstattung der Kosten der zweiten PDT vom 28.12.2005 bei der Beklagten ein.

Mit Beschluss vom 21.02.2006 (BAnz Nr. 98 vom 24.05.2006 S. 3866), in Kraft getreten am 25.05.2006, nahm der Gemeinsame Bundesausschusses, die PDT mit Verteporfin bei okkulter subfovealer CNV ohne klassischen Anteil bei AMD in Anlage A "Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden" der Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinie, jetzt Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) auf. Als Voraussetzung für die Anerkennung der Behandlungsmethode als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung bei dieser Indikation sieht der Beschluss einen Mindestvisus von 0,2, Läsionen von max. 5.400 µm und ein näher bestimmtes Ausmaß der Befundverschlechterung vor.

In dem der Beschlussfassung zu Grunde liegenden zusammenfassenden Bericht des Unterausschusses "Ärztliche Behandlung" des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bewertung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V vom 22.02.2007 heißt es hierzu:

"Die arzneimittelrechtliche Zulassung erfolgte seitens der EMEA in Kenntnis dieser Studie ohne Einschränkung für das Kollektiv der Patienten mit okkulter CNV infolge AMD.

In der VIP 2-Studie wurde als Einschlusskriterium - entgegen der Festlegung in der VIP 1-Studie von 0,1 - eine Visusgrenze von 0,2 verwendet. Für die Patienten mit einem Visus unterhalb von 0,2 liegen daher keine Studienergebnisse vor. In diesem Zusammenhang wurden auch noch einmal die Einschlusskriterien für die PDT-Behandlung überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass beim Visus das Eingangskriterium &8805;0,2 zu Recht festzuhalten ist, da nur hierfür valide wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen."

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2006, Az. 708/2006, der am 21.04.2006 abgesandt wurde, gestützt auf die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zurück. Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass die Sehschärfe des Klägers nicht den Kriterien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Anerkennung der Behandlungsmethode entspreche. Eine Kostenerstattung sei deshalb nicht möglich.

Hiergegen richtet sich die am 23.05.2006 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage Az. S 18 KR 298/06.

Mit Bescheid vom 11.01.2007 lehnte die Beklagte auch die Erstattung der Kosten der zweiten Behandlung vom 28.12.2005 ab, weil die Indikationsvoraussetzungen nach den BUB-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht erfüllt seien.

Mit seinem am 12.02.2007 hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die PDT sei auch bei einem Visus von 0,1 noch indiziert. Es gebe keine Behandlungsalternative. Da er schulmedizinisch austherapiert sei, müsse die Beklagte im Einzelfall auch die Kosten einer nicht anerkannten Behandlungsmethode übernehmen. Ein Behandlungserfolg sei aus medizinischer Sicht wahrscheinlich. Die Erprobungsphase des Medikaments sei abgeschlossen. Nach den Empfehlungen der PDT-Kommission vom 10.02.2004 betrage der Mindestvisus für die Behandlung 0,05. Diese Expertenmeinung weise durchaus eine hohe Evidenz auf. Die gemeinsame Leitlinie Nr. 21 "Altersabhängige Makuladegeneration" des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands e.V. und der Deutschen Ophthalmologische Gesellschaft e.V. (DOG) gehe von einem Mindestvisus von 0,1 aus.

Die Beklagte wies auch diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2007, Az. 1102/2007, der am 15.03.2007 abgesandt wurde, zurück. Die Anerkennung der Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erst ab einem Visus von 0,2 unterliege als in einem ordnungsgemäßen Verfahren getroffener Beschluss keiner inhaltlichen Prüfung durch Verwaltung und Gerichte (Bundessozialgericht, Urteil vom 19.02.2003, Az. B 1 KR 18/01 R).

Hiergegen richtet sich die am 13.04.2007 beim Sozialgericht Dresden eingegangene weitere Klage Az. S 18 KR 188/07, welche das Gericht mit Beschluss vom 12.12.2007 zum Verfahren Az. S 18 KR 298/06 hinzuverbunden hat.

Die Vertreterin des Klägers macht geltend, die PDT mit Verteporfin sei bereits auf Grund des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16.10.2000 (BAnz. Nr. 12 vom 18.01.2001 S. 685) zur Behandlung der AMD mit subfovealer klassischer CNV und durch die Aufnahme in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (Nr. 1250 EBM-Ä bzw. Nr. 06332 EBM 2000plus) als Kassenleistung anerkannt. Soweit die Sehschärfe des Klägers den vom Gemeinsamen Bundesausschuss im Beschluss vom 21.02.2006 genannten Mindestvisus unterschreite, komme es darauf nicht an. Es gebe keine Behandlungsalternative. Ein Behandlungserfolg erscheine möglich. Die Qualität der ärztlichen Leistungserbringung sei bereits durch die Qualitätssicherungsvereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur PDT am Augenhintergrund gewährleistet. Dass der größte Nutzen der Therapie bei Sehschärfewerten ab 0,2 gefunden wurde, bedeute nicht, dass eine Behandlung außerhalb dieses Bereichs nutzlos wäre. Nach Meinung der PDT-Expertenkommission der augenärztlichen Fachgesellschaften sei das Gegenteil der Fall. Mit einer Verschlechterung des einzig noch verbliebenen rechten Auges drohe dem Kläger die völlige Erblindung. In dieser notstandsähnlichen Extremsituation habe das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit den Eingriff notwendig gemacht (Verweis auf Sozialgericht Dresden, Urteil vom 31.01.2007, Az. S 25 KR 595/05). Darüber hinaus legt der Kläger einen Kurzbefund der behandelnden Augenärztin Dr. med. D. vom 14.08.2008 vor, demzufolge der Visus im Ergebnis der Behandlungen habe stabilisiert werden können.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 29.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2006 und den Bescheid vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die für die Photodynamische Therapie mit Visudyne® (Verteporfin) am 30.09.2005 und am 28.12.2005 in Höhe von insgesamt 3.960,00 EUR aufgewandten Kosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Zeitpunkt der Behandlung habe kein durch Studien belegter Wirksamkeitsnachweis für Patienten mit einem geringeren Visus als 0,2 vorgelegen. Der Wirksamkeitsnachweis könne nicht allein auf die arzneimittelrechtliche Zulassung gestützt werden. Die Prüfungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses erstrecke sich auch auf die Anwendung des Arzneimittels im Rahmen der PDT.

Das Gericht hat eine Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses zu den Gründen für die Beschränkung der Indikation auf einen Mindestvisus von 0,2 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, das Fehlen valider Aussagen zur Behandlung von Patienten mit einem Visus von weniger als 0,2 beruhe ausschließlich auf den Einschlusskriterien der Arzneimittelstudie, welche eine klinisch relevante Größe des zu untersuchenden Effekts verlangen, ohne dass die konkreten Gründe für die Wahl der Einschlusskriterien bekannt wären. Eine getrennte Betrachtung der Wirkung des Arzneimittels einerseits und der ärztlichen Behandlung andererseits sei nicht möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss sei berechtigt, bei Fertigarzneimitteln, die integraler Bestandteil einer ärztlichen Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V sind, auch die arzneimittelrechtliche Zulassung einzuschränken. Mit der Einführung des § 35b Abs. 2 Satz 1 SGB V habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Bindung des Bundesausschusses an die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ausnahmslos gelte.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die PDT am 30.09.2005 und am 28.12.2005 auf Grundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung -. Danach sind, wenn eine Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Beide Behandlungen sind dabei, da die PDT je nach Ergebnis der Erstbehandlung regelmäßig eine oder mehrere weitere Behandlungen nach sich zieht, hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch einheitlich zu beurteilen. Es handelt sich bei der Behandlung vom 28.12.2005 nicht um eine selbständige, von der ersten Behandlung am 30.09.2005 trennbare Leistung, sondern um eine Folgebehandlung innerhalb eines typischerweise auf mehrere Eingriffe angelegten Behandlungszyklus. Mit der ersten PDT waren zugleich die Weichen für die sich bedarfsweise anschließenden Folgebehandlungen gestellt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2005, Az. B 1 KR 3/04 R, Urteil vom 19.06.2001, Az. B 1 KR 23/00 R, Urteil vom 19.02.2003, Az. B 1 KR 18/01 R).

Bei der PDT handelte es sich um eine unaufschiebbare Behandlung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 20.05.2003, Az. B 1 KR 9/03 R, Urteil vom 25.09.2000, Az. B 1 KR 5/99 R). Dem Kläger war nicht zuzumuten, mit dem Beginn der Behandlung bis zur Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten zu warten. Nach Angabe von Dr. med. P. drohte dem Kläger angesichts der - zu den Indikationsvoraussetzungen des Eingriffs gehörenden - dramatischen Befundverschlechterung eine weitere irreversible Visusreduktion, weshalb sie den Eingriff innerhalb eines Zeitfensters von acht Tagen als erforderlich ansah. Diesen Zeitrahmen hatte der Kläger, als die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 29.09.2005 erst versandte, bereits ausgeschöpft. Da es sich bei dem zu behandelnden Auge zudem um das funktionell einzige handelte, ist es ohne Weiteres gerechtfertigt, dass er mit der Beschaffung des Medikaments und der Durchführung der Behandlung nicht abgewartet hat, bis der Bescheid der Beklagten auch bekannt gegeben war.

Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Gewährung der PDT mit Verteporfin als Sachleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für eine PDT mit Verteporfin hängt wegen der Eigenart dieser Therapie im Grundsatz sowohl von einer im Inland wirksamen arzneimittelrechtlichen Zulassung ab als auch von einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Während der durchgeführte Eingriff hinsichtlich der Arzneimittelindikation von der europaweiten Zulassung des eingesetzten Medikaments gedeckt war, lag ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, der den Einsatz von Verteporfin mittels PDT bei der hier vorliegenden okkulten Form der subfovealen CNV als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung anerkennt, zum Zeitpunkt der Behandlung noch nicht vor. Dies schließt den Primäranspruch des Klägers jedoch nicht aus.

1. Die Beklagte hat dem Kläger schon aus verfassungsrechtlichen Gründen die Kosten der PDT zu erstatten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 06.12.2005, Az. 1 BvR 347/98, ausgeführt, aus Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG folge, dass bei einem gesetzlich Krankenversicherten die Kosten für bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethoden unter folgenden Voraussetzungen zu übernehmen sind:

- Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor.

- Bezüglich dieser Erkrankung steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.

- Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Die von dem Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zum Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung gelten sinngemäß auch auf den Bereich der Versorgung mit Arzneimitteln (Bundessozialgericht, Urteil vom 04.04.2006, Az. B 1 KR 7/05 R). Das Bundessozialgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien dahin gehend ergänzt und konkretisiert, dass in diesem Fall folgende weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

- Es darf kein Verstoß gegen Arzneimittelrecht vorliegen.

- Unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes überwiegt bei der vor der Behandlung erforderlichen sowohl abstrakten als auch speziell auf den Versicherten bezogenen konkreten Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtliche Nutzen.

- Die - in erster Linie fachärztliche - Behandlung muss auch im Übrigen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt und ausreichend dokumentiert werden.

Zwar handelt es sich bei der Erkrankung des Klägers nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Gleichwohl gebietet das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine verfassungsmäßige Auslegung auch in anderen notstandsähnlichen Extremsituationen. In diesem Zusammenhang wird auch der nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorganes oder einer herausgehobenen Körperfunktion genannt (vgl. auch Bundessozialgericht, Urteile vom 04.04.2006, Az. B 1 KR 12/04 R, vom 26.09.2006, Az. B 1 KR 3/06 R, vom 26.09.2006, Az. B 1 KR 14/06 R). Das Sächsische Landessozialgericht hat im Urteil vom 21.03.2007, Az. L 1 KR 27/03, entschieden, dass eine Versicherte, die auf einem Auge nahezu blind und auf dem anderen Auge bereits sehbehindert ist, auch dann Anspruch auf Übernahme der Kosten der PDT hat, wenn zwar das Medikament Verteporfin im Behandlungszeitraum für die Indikation zugelassen ist, aber der Gemeinsame Bundesausschuss insoweit noch keine entsprechende Empfehlung nach § 135 Abs. 1 SGB V abgegeben hat. Dies gelte jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Behandlung eine nur nach Tagen oder wenigen Wochen bemessene Handlungsfrist verbleibt, um eine akut drohende hochgradige Sehbehinderung oder Blindheit auf dem verbliebenen Auge abzuwenden und keine anderen aussichtsreichen Behandlungsalternativen (mehr) bestehen.

Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen in Bezug auf den vorliegenden Fall an. Der Sachverhalt unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, den das Sächsische Landessozialgericht zu beurteilen hatte. Zutreffend hat das Sächsische Landessozialgericht hervorgehoben, dass die Sehfähigkeit die mit weitem Abstand wichtigste Sinnesleistung des Menschen darstellt und eine zentrale Bedeutung für die Alltagskompetenz der Menschen hat. Die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, wird durch die Sehfähigkeit maßgeblich geprägt und bei trotz Korrektur hochgradiger Sehschwäche oder gar Blindheit dramatisch reduziert.

Auch hier geht die Kammer von einer notstandsähnlichen Extremssituation aus. Denn das Sehvermögen des Klägers auf dem linken Auge war bereits weitgehend aufgehoben. Im Falle der Nichtbehandlung drohte dem Kläger innerhalb kurzer Zeit der irreversible Ausfall des funktionell einzigen und schon hochgradig sehbehinderten rechten Auges durch die weitere Ausbreitung der CNV. Die damit drohende vollständige Erblindung stellt einen so einschneidenden Sinnesverlust dar, dass die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts auch hier anzuwenden sind.

Zum Zeitpunkt der Behandlung stand dem Kläger im Rahmen des gesetzlichen Leistungssystems keine Behandlungsalternative zur Verfügung. Sowohl die behandelnde Augenärztin Dr. med. P. als auch die von der Beklagten hinzugezogene Gutachterärztin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung M. gehen in den der Beklagten vorgelegten Attesten bzw. der Stellungnahme vom 26.09.2005 übereinstimmend davon aus, dass keine andere Behandlung in Betracht kam.

Es bestand bereits vor dem Eingriff Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Nach Auswertung von internationalen Studien kam die "Empfehlung der gemeinsamen PDT-Kommission von Deutscher Ophtamologischer Gesellschaft und Berufsverband der Augenärzte zum gegenwärtigen Stand der PDT-Therapie" (Stand 04.02.2004) zu dem Ergebnis, dass die PDT auch bei okkulter CNV eine sinnvolle Therapieoption sei, wenn eine akute Verschlechterung (Visusreduktion oder Blutung) dokumentiert ist und die Läsion vier Papillenflächen nicht überschreitet. Der Visus solle mindestens 0,05 betragen. Diese Voraussetzungen lagen ausweislich der bei Antragstellung vorgelegten Befunde vor. Auch beim Kläger konnte ein Therapieerfolg festgestellt werden: trotz der verbleibenden Restleckage, die nach dem ersten Eingriff verblieb und die zweite Behandlung erforderlich machte, konnte bereits nach der ersten Behandlung der Visus stabilisiert werden. Diesen positiven Verlauf hat auch Dr. med. D. in ihrem Attest vom 14.08.2008 bestätigt.

Zwar trifft der Einwand der Beklagten zu, dass nur für einen Mindestvisus ab 0,2 durch die VIP-Studie ein Behandlungserfolg mit hoher Evidenz erwiesen ist. Schon insoweit handelt es sich allerdings um eine globale Aussage für ein statistisches Kollektiv. Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit in Bezug auf einzelne Patienten oder Subgruppen innerhalb dieses Kollektivs sind damit nicht ausgeschlossen. Die PDT zur Behandlung der okkulten Verlaufsform der CNV stellt auch bei Patienten mit einem Visus von weniger als 0,2 keine sog. "Alternativmedizin" zweifelhafter Wirksamkeit dar. Der pathophysiologisch begründete therapeutische Wirkeffekt der PDT mit Verteporfin ist dem Grunde nach durch die der Arzneimittelzulassung zu Grunde liegenden Studien nachgewiesen. Demgegenüber besitzt die Gegenanzeige bei einem Visus unter 0,2 überhaupt keine - zum Beispiel durch negative Studienergebnisse für diese Patienten belegte - Evidenz und vermag deshalb auch keine ungünstige Therapieprognose zu tragen. Der genannte Grenzwert beruht letztlich darauf, dass für die der Arzneimittelzulassung zu Grunde liegende VIP-Studie lediglich Patienten mit diesem Mindestvisus in die Studiengruppen einbezogen wurden (zur Darstellung des Studiendesigns: Verteporfin In Photodynamic Therapy Study Group, Am J Ophthalmol 131 [2001] Nr. 5 S. 541). Einschlusskriterien dieser Art sind in klinischen Studien schon deshalb erforderlich, damit die therapeutischen Effekte oder nachteiligen Auswirkungen des zu untersuchenden Medikaments noch in einem statistisch relevanten Ausmaß erfasst werden können. Sie dienen damit der eindeutigen Beurteilung der Ergebnisse (allgemein zur Bedeutung der Einschlusskriterien für die Interpretation klinischer Studien: Niroomand, DÄBl. 101 [2004] Nr. 26 S. A1870 f.). Aus dem gesicherten positiven Effekt des Arzneimittels ab dem unter methodischen Gesichtspunkten gewählten Mindestvisus im Rahmen der VIP-Studie darf deshalb nicht der gegenteilige Schluss in Bezug auf geringere Restsehschärfen gezogen werden. Solche Kriterien rechtfertigen schon ihrer Zweckbestimmung nach keine quasi normative Einschränkung der therapeutischen Verantwortung und Verantwortlichkeit des Arztes dafür, mit Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse des Patienten im Einzelfall festzustellen, ob eine dem Grunde nach anerkannte Therapie vertretbar und geboten ist. Aus den Einschlusskriterien der evidenzbegründenden klinischen Studien einen trennscharfen Ausschlusstatbestand für die aus dem Studienkonzept herausgenommenen Patientengruppen herzuleiten, würde den Sinn evidenzbasierter Medizin gerade ins Gegenteil verkehren.

Den mit der VIP-Studie nachgewiesenen pharmakologischen Effekt entgegen dem Expertenkonsens der einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ausgerechnet den Patienten vorzuenthalten, die nur deshalb nicht durch die in das Studiendesign einbezogenen Gruppen repräsentiert werden, weil ihre Krankheit weiter fortgeschritten ist und die deshalb in besonderem Maße auf die Behandlung angewiesen sind, verfehlt angesichts der einschneidenden Folgen des ungebremsten Voranschreitens der Krankheit auf der einen und der Alternativlosigkeit der Behandlung auf der anderen Seite den in Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Auftrag, sich schützend vor die Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zu stellen.

Insgesamt überwiegt damit nach Ansicht der Kammer bei der erforderlichen Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtliche Nutzen der Behandlung.

Da das Arzneimittel Visudyne® aufgrund seiner Zulassung für andere Diagnosen in der Apotheke beschafft werden konnte, liegt auch kein Verstoß gegen das Arzneimittelrecht vor. Schließlich geht das Gericht auf Grund der zu den Akten gereichten ärztlichen Berichte und Befundmitteilungen auch davon aus, dass die Behandlung den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt und ausreichend dokumentiert wurde.

2. Unabhängig von der tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalls an Hand der Kriterien des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 steht das Fehlen einer positiven Bewertung der PDT bei okkulter subfovealer CNV durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht deren Erbringung als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 135 Abs. 1 SGB V entgegen.

Die Kammer geht in Abgrenzung zu einem früheren rechtlichen Hinweis auf Grund der nur begrenzt drittschützenden Verfahrensgarantien des EU-Rechts sowie der Regelungsvorbehalte zu Gunsten der Mitgliedstaaten nicht davon aus, dass der Auslegung des § 135 Abs. 1 SGB V durch die Beklagte Artikel 6 der Richtlinie 89/105/EWG oder Artikel 1 Satz 3, Art. 13 Abs. 1 der Verordnung 726/2004/EG in Verbindung mit Art. 28 und 30 EGV entgegen stehen (vgl. Artikel 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG, Artikel 1 Abs. 2 der Verordnung 2309/93/EWG, Artikel 6 und 7 der Richtlinie 89/105/EWG).

Die Auffassung der Beklagten wie auch des Gemeinsamen Bundesausschusses, es habe vorliegend auch einer speziellen arzneimittelbezogenen Prüfung der Anwendung von Visudyne® mittels PDT bedurft, ist jedoch unvereinbar mit dem Begriff der Behandlungsmethode, der den Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 SGB V nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 25.08.1999, Az. B 6 KA 39/98 R) begrenzt.

Setzt die bestimmungsgemäße Anwendung eines Arzneimittels eine bestimmte ärztliche Applikationsmethode voraus, kann diese dem Methodenvorbehalt nach § 135 Abs. 1 SGB V unterliegen. Gegenstand der Prüfung kann dann aber nur die Applikation als solche sein. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass nicht jede neue einzelne Leistung eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V darstellt. So hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass nicht jede neue Laborleistung, die der Diagnostik dient, sich zugleich als neue Untersuchungsmethode darstellt. Mit § 135 Abs 1 SGB V soll die Qualitätssicherung in der vertragsärztlichen Versorgung dadurch verbessert werden, dass vor der Einbeziehung neuer - nach wissenschaftlichen Erkenntnissen möglicherweise zweifelhafter - Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die (ambulante) vertragsärztliche Versorgung eine Anerkennung dieser Untersuchungs- oder Behandlungsmethode durch den Bundesausschuss steht. Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens sind der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen der neuen Methode sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu beurteilen und die persönlichen und apparativen Voraussetzungen festzulegen, um eine sachgerechte Anwendung der Methode zu sichern. Schon die Zielrichtung der Norm, unter Qualitätssicherungsgesichtspunkten sowie aus Gründen der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die in der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden sollen, von solchen Methoden abzugrenzen, die den dargestellten Anforderungen nicht genügen, verdeutlicht, daß mit dem Begriff der Methode in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht jede einzelne diagnostische oder therapeutische ärztliche Leistung im Sinne des § 87 SGB V gemeint sein kann, die vom Bewertungsausschuss in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufzunehmen ist. In diesem Zusammenhang stellt sich der Begriff der Methode als der umfassendere dar. Diesem Verständnis des § 135 Abs. 1 SGB V folgt auch die Rechtsprechung, wenn sie für das Vorliegen einer Behandlungsmethode fordert, dass einer medizinischen Vorgehensweise ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegen muss, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Nicht jede einzelne in der vertragsärztlichen Versorgung erbringbare therapeutische Leistung erfüllt die Voraussetzungen für die Anerkennung als Behandlungsmethode, weil die einzelne Leistung oftmals nur ein Bestandteil eines methodischen Konzepts ist. Es gibt ärztliche Leistungen, die in den Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung aufgenommen werden können, ohne dass es vorab einer Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses bedarf (Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.1999, Az. B 6 KA 39/98 R). Schon dies spricht für ein weites, vom konkreten Indikationsbezug einer einzelnen ärztlichen Leistung losgelöstes Verständnis des Begriffs der Behandlungsmethode und eine dem entprechende Begrenzung der Prüfungs- und Bewertungstiefe des Bundesausschusses im Rahmen des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 SGB V.

Indikationsbezogene Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses für die ärztliche Anwendung bestimmter Pharmakotherapien sind nur in Bezug auf die Applikation selbst und die Qualifikation des behandelnden Arztes statthaft. Speziell in Bezug auf die auch hier streitgegenständliche PDT hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 19.10.2004, Az. B 1 KR 27/02 R, klargestellt, dass es neben der arzneimittelrechtlichen Zulassung der PDT auch einer Empfehlung des Bundesausschusses bedarf, um deren Zugehörigkeit zur vertragsärztlichen Versorgung zu begründen. Ähnlich wie eine Behandlungsmethode als "neu" zu beurteilen und deshalb der besonderen krankenversicherungsrechtlichen Qualitätskontrolle zu unterwerfen sein kann, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener - für sich jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zusammensetzt, ist die PDT vom Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht ausgenommen. Dabei hat das Bundessozialgericht maßgeblich darauf abgestellt, dass im Wege der PDT der Arzneimittelwirkstoff Verteporfin in die Blutbahn injiziert und anschließend mittels Laserbehandlung aktiviert werden muss. Diese aufwändige, zwingend durch einen Arzt vorzunehmende Anwendung des Medikaments erfordere die Beherrschung und sichere Anwendung der Lasertechnik an einem hochsensiblen Körperorgan, weshalb dieses Vorgehen mit der normalen Verabreichung eines Medikaments qualitativ nicht vergleichbar sei. Der Handhabung durch den Arzt komme ein mindestens ebenso großes Gewicht für den Therapieerfolg zu wie dem Wirkprinzip des in den Körper eingebrachten Stoffes. Dies kennzeichne die PDT als eine über die schlichte Verabreichung eines Arzneimittels hinausreichende neue Behandlungsmethode, die infolgedessen eine über das Arzneimittelrecht hinausreichende Prüfung verlange. Bei der Anwendung von Verteporfin in der vertragsärztlichen Versorgung seien nicht allein arzneimittelrechtliche Gesichtspunkte von Bedeutung, sondern auch die Art und Weise der Verabreichung durch den Arzt müsse den dafür geltenden Qualitätskriterien genügen. In einem solchen Fall komme eine Leistungspflicht für die mit einem Fertigarzneimittel zusammenhängende Therapie erst dann in Betracht, wenn die leistungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen für ein neues Arzneimittel und diejenigen für eine neue Behandlungsmethode kumulativ erfüllt sind - wenn also weder das arzneimittelrechtliche Verkehrsverbot noch der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt das verwendete Mittel erfassen.

Aus dem Nebeneinander dieser jeweils spezifischen Aufgaben des Methodenvorbehalts einerseits und der arzneimittelrechtlichen Zulassung andererseits ergibt sich zugleich die wechselseitige, aber auch wechselbezügliche Abgrenzung der Prüfungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Abs. 1 SGB V auf der einen und der arzneimittelrechtlichen Zulassungsbehörden auf der anderen Seite.

Einschränkungen des Indikationsgebietes der Behandlung, die sich nicht spezifisch aus der Art und Weise der Anwendung oder aus der ärztlichen Qualifikation in Bezug auf bestimmte Krankheitsbilder oder Patientengruppen ergeben (zum Beispiel der Einsatz bestimmter Laserarten, Zusatzqualifikationen für die Behandlung bestimmter Subtypen einer Krankheit oder ausgewählter Patientengruppen), sind vom Vorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V nicht gedeckt. Für Einschränkungen der Indikation, die sich unabhängig von der Applikationsweise oder der Qualifikation des Arztes allein aus der pharmakologischen Wirkung des Medikaments ergeben, gilt das Arzneimittelrecht abschließend.

Denn das Krankenversicherungsrecht verzichtet bei der Arzneimittelversorgung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 SGB V, anders als bei den übrigen Leistungen der Krankenbehandlung (siehe dazu §§ 135 bis 139 SGB V), weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung. Es knüpft insoweit an das Arzneimittelrecht an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikaments abhängig macht (§ 21 Abs. 2 AMG). Da dies dieselben Kriterien sind, an denen die Leistungen der Krankenversicherung gemessen werden, ist bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung davon auszugehen, dass damit zugleich die Mindeststandards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arzneimittelversorgung im Sinne des Krankenversicherungsrechts erfüllt sind. Unbeschadet der unterschiedlichen Zielsetzung von Arzneimittel- und Krankenversicherungsrecht rechtfertigt dies die Vorgreiflichkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung für die Anwendung eines Medikaments im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Für Pharmakotherapien beschränkt sich der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V deshalb im Wesentlichen auf die Anwendung neuer Rezepturarzneimittel. Soweit dagegen das Arzneimittelrecht eine Zulassung vorschreibt, ist nach der Gesetzessystematik der Nachweis der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit des Medikaments in dem neuen Anwendungsgebiet allein im Zulassungsverfahren und nicht im Wege der Zertifizierung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zu führen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesausschusses, zulassungspflichtige Arzneimittel für den Einsatz in der vertragsärztlichen Versorgung einer nochmaligen, gesonderten Begutachtung zu unterziehen und die arzneimittelrechtliche Zulassung durch eine für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geltende Empfehlung zu ergänzen oder zu ersetzen (Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2004, Az. B 1 KR 27/02 R, Urteil vom 19.03.2002, Az. B 1 KR 37/00 R).

Im vorliegenden Fall hat der Gemeinsame Bundesausschuss die sich hieraus ergebenden Grenzen seiner Prüfungsbefugnis überschritten, soweit er über die Festlegung der qualitativen und qualifikationsbezogenen Kriterien für die PDT hinaus für sich in Anspruch genommen hat, auch die bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung abschließend geprüften Indikationen für die pharmakologische Wirksamkeit des eingesetzten Arzneimittels Verteporfin einer nochmaligen - medikamentenbezogenen - Überprüfung an Hand der schon im Rahmen der Zulassung bewerteten klinischen Studien zu unterziehen. Die umfassenden indikationsbezogenen Vorgaben zur Anerkennung der PDT mit Verteprofin bei okkulter subfoveolärer CNV ohne klassischen Anteil im Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21.02.2006 - darunter der Mindestvisus von 0,2 - resultieren allein aus der nochmaligen Bewertung der bereits der Arzneimittelzulassung zu Grunde liegenden VIP-Studie. Sie weisen keinen Bezug zur konkreten Applikationsmethode mittels Laser oder zur Qualifikation des behandelnden Arztes für den Umgang mit der nichtthermischen Lasertechnik auf. Das Fehlen dieser Feststellungen im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung konnte deshalb kein Leistungshindernis im Sinne des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründen.

Dafür lag im Zeitpunkt der Behandlung bereits eine, schon am 18.01.2001 veröffentlichte und den Anforderungen des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V entsprechende Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die PDT mit Verteporfin vor, welche sich - nicht ihrem Wortlaut aber ihrem Inhalt nach - auch auf den Einsatz der PDT zur Behandlung der beim Kläger vorliegenden okkulten CNV erstreckte.

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hatte am 16.10.2000 beschlossen, Anlage A "Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V um die Nummer 8 "Photodynamische Therapie (PDT) mit Verteporfin bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolärer klassischer choriodaler Neovaskularisation" zu ergänzen, wobei die Einführung der Methode an die Voraussetzung geknüpft war, dass zeitgleich eine Qualitätssicherungsvereinbarung nach § 135 Abs. 2 SGB V in Kraft tritt. Die Qualitätssicherungsvereinbarung vom 16.07.2001 (DÄBl. 98 [2001] Nr. 31-32 S. A2056) enthält hinsichtlich der fachlichen Befähigung (Gebietsbezeichnung Augenheilkunde, Mindestanzahl an Fluoreszenzangiographien, Kurs zur Diagnostik und Therapie) und der apparativen Ausstattung (CE-geprüftes Lasergerät, welches geeignet ist, den verabreichten Wirkstoff ausreichend zu aktivieren) keine spezifischen Vorgaben, die allein für die klassische, nicht aber für die okkulte Verlaufsform der Erkrankung einschlägig wären. Indikationsspezifisch in diesem Sinne sind lediglich Vorgaben zur Überprüfung der Behandlungsindikation. Diese weisen jedoch wiederum keinen Bezug zur Art und Weise der Photoaktivierung des Medikaments mittels Laserstrahlen auf. Hinsichtlich der gerade für die Anwendbarkeit des § 135 Abs. 1 SGB V ausschlaggebenden Beherrschung und sicheren Anwendung der Lasertechnik unterscheidet sich die Qualitätssicherungsvereinbarung in der Fassung vom 16.07.2001 in nichts von der am 01.10.2006 in Kraft getretenen Neufassung (DÄBl. 103 [2006] Nr. 39 S. A2576). Die von der urspünglichen Qualitätsvereinbarung abweichenden Vorgaben zur Indikationsstellung in der neuen Fassung spiegeln wiederum nur die - insoweit mit dem Inhalt der Zulassung kollidierenden - pharmakologisch begründeten Indikationseinschränkungen des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses wieder. Hieraus ist zu schließen, dass bereits im Behandlungszeitpunkt die nach § 135 Abs. 1 SGB V allein zulässigen applikations- und qualifikationsbezogenen Anforderungen an die PDT mit Verteporfin unabhängig von den Unterschieden zwischen der klassischen und der okkulten Verlaufsform abschließend festgelegt waren.

Entgegen der Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses handelt es sich bei der späteren zulassungsbeschränkenden Festsetzung eines Mindestvisus für die PDT bei okkulter CNV nicht um einen von der Arzneimittelapplikation untrennbaren Aspekt der Behandlung. Der in § 135 Abs. 1 SGB V dem Bundesausschuss erteilte Prüfauftrag zwang den Bundesausschuss keineswegs zur Formulierung zusätzlicher Anwendungsbeschränkungen, die von der Arzneimittelzulassung abweichen. Auch mit einer Bezugnahme auf § 35b SGB V lässt sich die Einschränkung - ebenfalls entgegen der Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses - nicht rechtfertigen. Denn der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses beruhte gerade nicht auf dieser Norm. Die nach § 35b Abs. 1 SGB V vorzunehmende Bewertung müsste hier zudem aus den dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen zu Gunsten des Klägers ausfallen.

Damit waren im Zeitpunkt der Behandlung die Voraussetzungen des § 31 SGB V hinsichtlich des Anwendungsgebiets für das Medikament auf Grund der Arzneimittelzulassung der EMEA vom 27.07.2000 und die Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 SGB V hinsichtlich Applikationsmethode und ärztlicher Qualifikation auf Grund der früheren Methodenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16.10.2000 erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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