L 9 AS 20/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AS 87/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 20/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts vom 26.01.2007 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Kläger auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 03.05.2006.

Die am 00.00.1970 geborene, alleinerziehende Klägerin zu 1) ist die Mutter der mit ihr in Haushalt lebenden, am 00.03.2005 geborenen Klägerin zu 2). Die Klägerin zu 1) beantragte am 01.02.2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie bewohnte zusammen mit ihrer Tochter eine 76 qm große Wohnung mit einer Gesamtmiete von 446,50 Euro (lt. Mietvertrag vom 27.12.2004 459,20 Euro abzüglich 12,70 Euro für "Flurputzen" und "Flurlicht"). Für ihre Tochter erhielt sie 127,- Euro monatliche Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes in Höhe von 77,- Euro sowie weitere 77,- Euro Kindergeld/monatlich.

Ferner zahlte das Versorgungsamt Erziehungsgeld bis zum 09.03.2006 in Höhe von 700,- Euro/monatlich.

Nach ihren Angaben verfügte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt über ein Sparbuch bei der J Bank mit einem Guthaben in Höhe von 9686,25 EUR, ein weiteres Sparbuch mit einem Guthaben in Höhe von 690,10 EUR und eine Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 25,64 EUR bei bislang geleisteten Beiträgen in Höhe von 4060,00 EUR. Mit Bescheid vom 15.02.2006 lehnte die Beklagte die beantragten Leistungen ab, da die Klägerin über Vermögen in Höhe von 15.0401,99 EUR (Sparkonto J 14.686,25 EUR, Zuwachssparvertrag mit einer Gutschrift in Höhe von 690,10 EUR, Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 25,64 EUR) verfüge, das den Freibetrag von 8500,00 Euro unter Berücksichtigung des Bedarfs der Klägerin zu 1) und 2) in Höhe von 841,16 Euro übersteige. Zur Begründung ihres am 22.02.2006 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, dass sich auf ihrem Konto bei der J Bank zum Zeitpunkt der Antragstellung nur 9.686,25 EUR und nicht 14.686,25 EUR befunden hätten. Sie habe bei der Antragstellung einen alten Kontoauszug vorgelegt. Außerdem verfüge sie noch über 690,10 EUR bei der Sparkasse E und 488,55 EUR auf ihrem Girokonto. Mit Bescheid vom 14.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil die Klägerin zumindest über ein Vermögen von 10.401,99 EUR verfüge (Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 25,64 Euro zum 31.12.2005, Zuwachssparvertrag mit einer Gutschrift von 690,10 EUR, Sparkonto bei der J in Höhe von 9.686,25 Euro). Dem stehe ein Freibetrag von nur 8.500,00 EUR gegenüber, der sich aus einem Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 7.000,00 EUR (300,00 EUR je Lebensjahr) und einem Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II in Höhe von jeweils 750,00 EUR für die Klägerin und ihre Tochter zusammensetze.

Hiergegen hat die Klägerin zu 1) am 31.03.2006 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Beklagte zu Unrecht für ihr minderjähriges Kind keinen Freibetrag gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II in Höhe von 4.100,00 EUR berücksichtigt habe. Unter Einbeziehung dieses Kinderfreibetrages liege das Vermögen jedenfalls unter dem Gesamtfreibetrag der Familie in Höhe von 12.600,00 EUR.

Die Klägerin zu 1) hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2006 zu verurteilen, den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 01.02. bis 03.05.2006 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass entgegen der Auffassung der Kläger ein weiterer Freibetrag gemäß § 12 Abs. 2 Nr. la SGB II nicht zu berücksichtigen sei. Diese Vorschrift beziehe sich lediglich auf das eigene Vermögen eines hilfebedürftigen minderjährigen Kindes und komme deshalb nur zur Anwendung, soweit einem Kind nach den Umständen des Einzelfalles Mindestvermögen zugeordnet werden könne. Der Kindergrundfreibetrag könne also dem Vermögen der Eltern weder ganz noch teilweise hinzu addiert werden.

Mit Bescheid vom 26.05.2006 hat die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 04.05.2006 bis 31.05.2006 814,83 Euro und ab dem 01.06.2006 einschließlich zum 31.10.2006 841,16 Euro monatlich bewilligt. Ab dem 04.05.2006 habe die Klägerin ihr Vermögen durch weiteren Verbrauch unter den Freibetrag von 8.500,00 Euro abgesenkt, so dass ab diesem Zeitpunkt Bedürftigkeit vorliege.

Mit Urteil vom 26.01.2007 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die Kläger hätten Anspruch auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, weil das vorhandene Vermögen nicht die zu berücksichtigenden Freibeträge überschreite. Neben den von der Beklagten bereits anerkannten Freibeträgen sei für das minderjährige Kind der Klägerin zu 1) ein Freibetrag von 4.100,00 Euro gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II zu berücksichtigen. Zwar werde in der Kommentarliteratur vertreten, dass es sich bei dieser Regelung nicht um einen "Kinderfreibetrag" handele, sondern der Grundfreibetrag vielmehr nur das Vermögen des Kindes selbst mindere und nicht als weiterer Freibetrag einem erwachsenen Hilfebedürftigen zu Gute kommen könne. Diese Auffassung halte einer rechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand, weil bereits nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II der Grundfreibetrag jedem Hilfebedürftigen zustehe, ohne dass auf seine konkreten Vermögensverhältnisse abgestellt werde. Nach dem Regelungszusammenhang entspreche dieses Ergebnis der Regelung des Grundfreibetrages für volljährige Hilfsbedürftige und ihrer Partner in § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, die auch unabhängig davon, wem das Vermögen rechtlich zuzuordnen sei, jeweils einen Grundfreibetrag von mindestens 4.100,00 Euro hätten. Nach der Gesetzessystematik sei deshalb davon auszugehen, dass der in § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II geregelte Grundfreibetrag für Kinder ebenfalls dem einzelnen hilfebedürftigen Kind unabhängig von den individuellen Vermögensverhältnissen zustehe, da auch bei der Bedarfsgemeinschaft volljähriger Hilfebedürftiger das gesamte Vermögen unabhängig von den individuellen Vermögensverhältnissen zu Grunde gelegt werde. Damit widerspreche die Auslegung der Beklagten, dass nur Kinder mit eigenem Vermögen diesen Grundfreibetrag erhielten, der gesamten Gesetzessystematik des SGB II, das in seinem § 9 Abs. 2 festlege, dass innerhalb der Bedarfsgemeinschaft das Einkommen und das Vermögen des Partners und bei minderjährigen unverheirateten Kindern das Einkommen und Vermögen der Eltern zu berücksichtigen seien. Damit gehe die gesetzliche Regelung davon aus, dass der gesamte Hilfebedarf durch die gesamte Bedarfsgemeinschaft zu decken sei. Dieser Regelung würde es eindeutig widersprechen, wenn zwar das Einkommen und Vermögen der Eltern zur Deckung des Lebensunterhaltes der Kinder herangezogen werde, die den Kindern zustehenden Freibeträge jedoch nicht vom Vermögen der Bedarfsgemeinschaft abgezogen werden dürften.

Gegen das am 02.03.2007 eingelegte Urteil richtet sich die am 27.03.2007 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, dass der Freibetrag nur das tatsächlich vorhandene Vermögen des Kindes mindere.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts vom 26.01.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, dass eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift dafür spreche, dass es sich um einen Kinderfreibetrag handele, der unabhängig vom tatsächlichen Vorhandensein von Vermögen auf Seiten des Kindes anzusetzen sei. Die gegenteilige Auslegung führe zu einer Schlechterstellung der Lebensform "Familie" gegenüber der Lebensform "Ehe", die durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigt sei. Die Klägerin trägt außerdem vor, dass es sich bei dem Sparkonto bei der J in Höhe eines Betrages von 3020,00 EUR um Vermögen der Klägerin zu 2) gehandelt habe. Diese habe anlässlich ihrer Geburt Geldgeschenke von Verwandten und Freunden erhalten, was in der Türkei so üblich sei. Man wolle damit dem Kind für später einen gewissen Grundbetrag sichern. Sie habe das Geld auf ihrem Konto bei Seite gelegt und mit 4 % verzinst.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 03.05.2006 verurteilt.

Die Kläger haben für die Zeit vom 01.02.2006 bis zum 03.05.2006 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil sie in diesem Zeitraum nicht hilfebedürftig waren.

Gemäß § 19 S. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Arbeitslosengeld II). Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) haben. Zu einer Bedarfsgemeinschaft in diesem Sinne gehören gemäß § 7 Abs. 3 SGB II Nr. 4 SGB II auch die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder der genannten Personen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können (Nr. 4). Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Bei minderjährigen unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben, und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen der Vermögen beschaffen können, sind gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen. Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Abzusetzen sind nach § 12 Abs. 2 SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) ein Grundfreibetrag in Höhe von 200,00 EUR je vollendeten Lebensjahres des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 4.100,00 EUR, wobei der Grundfreibetrag für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen darf (Nr. 1), ein Grundfreibetrag in Höhe von 4.100,00 EUR für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind (Nr. 1a) und ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen (Nr. 4).

Im streitgegenständlichen Zeitraum überstieg das Vermögen der Bedarfsgemeinschaft mit 10.962,62 EUR den maßgeblichen Freibetrag in Höhe von 8500,00 EUR um 2.462,62 Euro und damit auch den zu berücksichtigenden Bedarf in Höhe von 841,70 Euro. Dieser errechnet sich aus der Regelleistung nach § 20 II SGB II für die Klägerin zu 1) in Höhe von 345,- Euro, den Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 124,20 Euro gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, das Sozialgeld für die Klägerin zu 2) gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von 207,- Euro sowie den Unterkunfts- und Heizungskosten in Höhe von 446,50 Euro, wobei der Senat die Frage der Angemessenheit der Wohnung im Hinblick auf die Größe von 72 qm dahingestellt lassen kann. Von diesem Gesamtbedarf in Höhe von 1122,70 Euro sind abzuziehen die Leistungen nach dem UVG sowie das Kindergeld in Höhe von insgesamt 281,- Euro. Hieraus ergibt sich ab 01.01.2006 ein monatlicher Bedarf in Höhe von 841,70 Euro.

Demgegenüber verfügte die Klägerin zu 1) zum Zeitpunkt der Antragstellung über zu berücksichtigendes Vermögen in Form eines auf ihren Namen lautenden Sparbuchs bei der J Bank mit einem Guthaben in Höhe von 9.686,25 EUR, einen Zuwachssparvertrag mit einer Gutschrift von 690,10 EUR und ein Girokonto mit einem Guthaben von 550,27 EUR mithin über ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 10.962,62 EUR. Die Lebensversicherung war hingegen nicht zu berücksichtigen. Denn bei monatlichen Beiträgen in Höhe von 76,30 EUR und bis zum 31.12.2005 eingezahlten Beiträgen in Höhe von 4060,00 Euro stellte sich ihre Verwertung mit einem Rückkaufswert von 25,64 EUR zum 31.12.2005 als offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II dar. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 15.04.2008, Az. B 14/7b AS 56/06 R) ist wohl bereits bei einer Differenz des Verkehrswertes (Rückkaufswert der Versicherung) zum Substanzwert (Summe aller eingezahlten Beiträge) von mehr als 18,5 % von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit auszugehen.

Nach Auffassung des Senats ist das Guthaben auf dem Konto bei der J Bank in voller Höhe als Vermögen der Klägerin zu berücksichtigen. Soweit die Klägerin erstmals im Laufe des Berufungsverfahrens vorgetragen hat, dass es sich bei dem Guthaben auf diesem auf ihren Namen lautenden Konto in Höhe von 3.020,00 EUR um Vermögen der Klägerin zu 2) gehandelt haben soll, überzeugt dies den Senat nicht. Die Klägerin macht insoweit das Vorliegen eines verdeckten Treuhandverhältnisses geltend. Die Voraussetzungen eines solchen Treuhandverhältnisses liegen jedoch nicht vor. Ein Treuhandverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (vgl. BSG Urt. v. 24.05.2006, Az. B 11a AL 49/05 R). Dabei ist bei einem verdeckten Treuhandverhältnis das Vorliegen einer Treuhand nach außen hin nicht offengelegt. Das Bundessozialgericht hat zur verdeckten Treuhand bei der Arbeitslosenhilfe entschieden (BSG a.a.O. und Urt. v. 13.09.2006, Az. B 11a AL 19/06 R), dass sich die Frage, ob der Arbeitslose einen als Vermögen zu berücksichtigen Anspruch habe oder einer berücksichtigungsfähigen Verpflichtung ausgesetzt sei, allein nach bürgerlichem Recht beurteile. Das BSG verlangt, dass auch bei einem behaupteten verdeckten Treuhandverhältnis anhand aller Umstände des Einzelfalles ermittelt werden muss, ob und ggf. mit welchem Inhalt die behauptete Treuhandvereinbarung besteht. Dabei sollen diese Grundsätze des verdeckten Treuhandverhältnisses auch zwischen nahen Familienangehörigen gelten. Zunächst steht es nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die 3.020,00 EUR tatsächlich wie von der Klägerin zu 1) vorgetragen zunächst in das Vermögen der Klägerin zu 2) gelangt sind. Die Klägerin zu 1) hat trotz entsprechender mehrfacher Aufforderung durch das Gericht den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der von ihr erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung behaupteten Geldgeschenke nicht näher dargelegt. Unabhängig davon ist das Guthaben auf dem Konto der J Bank aber schon deswegen ausschließlich als Vermögen der Klägerin zu 1) anzusehen, weil es an einer wirksamen Treuhandvereinbarung für dieses Geld fehlt. Die Klägerin zu 1) hatte nach ihrem Vorbringen auf dem Konto der J Bank sowohl eigenes Geld als auch Geld der Klägerin zu 2) angelegt. Die bei einem Treuhandvertrag bestehende Treuhandbindung untersagt es aber, das Vermögen des Treugebers mit eigenem Vermögen zu vermengen (BGH Urteil vom 24.06.2003, IX ZR 120/02, NZI 2003, 549, Rn. 10 ff). In einem solchen Fall besteht kein Aussonderungsrecht des Treugebers, auch weil eine geteilte Berechtigung von Treuhänder und Treugeber an aus Eigen- und Treugut bestehenden Vermögensgegenständen rechtlich nicht möglich ist (BGH a.a.O.). Das Guthaben auf dem Konto der J Bank ist somit ausschließlich der Klägerin zu 1) zuzurechnen.

Das zu berücksichtigende Vermögen der Klägerin zu 1) in Höhe von 10.962,62 EUR bei Antragstellung überstieg den maßgeblichen Freibetrag der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 8500,00 EUR. Erst nach teilweisem Verbrauch des Vermögens lag dessen Wert seit dem 03.05.2006 unter diesem Betrag. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ab diesem Zeitpunkt hat die Beklagte den Klägern auch Leistungen gewährt.

Der maßgebliche Freibetrag der Bedarfsgemeinschaft setzt sich zusammen aus dem Grundfreibetrag gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 4.100,00 EUR. Die Klägerin zu 1) hatte das 35. Lebensjahr vollendet, so dass sich ein Grundfreibetrag in Höhe von 7000,00 EUR ergibt. Hinzu kommt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II der Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen in Höhe von insgesamt 1500,00 EUR.

Ein weiterer vom Vermögen der Bedarfsgemeinschaft abzusetzender Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II (in der hier anzuwendenden ursprünglichen Fassung vor Änderung durch Gesetz vom 20.07.2006 mit Wirkung zum 01.08.2006, BGBl I, S. 1706) in Höhe von 4.100,00 EUR kommt hingegen nicht in Betracht. Der Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II kann entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht als Kinderfreibetrag angesehen werden, der der Bedarfsgemeinschaft unabhängig vom tatsächlichen Vorhandensein von Vermögen auf Seiten des Kindes zu Gute kommt. Vielmehr bezieht sich dieser Freibetrag nach Auffassung des Senats ausschließlich auf tatsächlich beim Kind vorhandenes Vermögen (so auch LSG NRW, Urt. v. 21.04.2008, Az. L 20 AS 7/07 – Revision anhängig unter Az. B 4 AS 58/08 R; LSG Thür., Beschl. v. 06.06.2006, Az. L 7 AS 235/06 ER; SG Reutlingen, Beschl. v. 19.02.2007, Az. S 2 AS 656/07 ER; SG Berlin, Urt. v. 29.03.2006, Az. S 55 AS 7521/05; Mecke in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl. 2008, § 12 Rn. 42; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 12 Rn. 139c; Radüge in jurisPK-SGB II, 2 Aufl. 2007, § 12 Rn. 57; a. A. LSG Bad.-Württ., Urt. v. 26.06.2008, Az. L 12 AS 5863/07; SG Aurich, Urt. v. 15.02.2006, Az. S 15 AS 107/05, SG Aachen, Urt. v. 11.09.2007, Az. S 11 AS 124/07).

Zu Recht hat das Sozialgericht allerdings darauf hingewiesen, dass der Wortlaut der Vorschrift, wonach "ein Grundfreibetrag in Höhe von 4100,00 EUR für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind" vom Vermögen abzusetzen ist, der von der Klägerin vorgenommenen Auslegung nicht entgegensteht. Allerdings spricht nach Auffassung des Senats der mit der Norm verfolgte Zweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm für eine Auslegung dahingehend, dass der Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II ausschließlich dem jeweiligen hilfebedürftigen Kind zu Gute kommen soll.

Dabei ist zunächst im Rahmen der Entstehungsgeschichte der Norm zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf des § 12 SGB II vorsah, dass minderjährige Kinder ihr Vermögen vollständig für ihren Lebensunterhalt verbrauchen sollten, bevor die Einstandspflicht der Eltern gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II eingegriffen hätte (BT-Drucks. 15/1516 S. 12). Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II später im Gesetzgebungsverfahren dann ausdrücklich zur Schonung eines Teils des Vermögens des minderjährigen Kindes eingeführt. In der entsprechenden Gesetzesbegründung heißt es, dass die Regelung dazu diene, dass dem hilfebedürftigen minderjährigen Kind ab seiner Geburt ein Grundfreibetrag zur Verfügung stehen solle, d. h. dass "jedwedes Vermögen - sei es aus Sparvermögen oder etwa Ausbildungsversicherungen - in dieser Höhe bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II/Sozialgeldes für das Kind geschützt" bleibe (BT-Drucks. 15/3674, S. 11). Schon hieraus folgt aus Sicht des Senats, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Freibetrag ausschließlich dem Schutz des Vermögens des Kindes und nicht dem Schutz des gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II für den Lebensunterhalt des Kindes einzusetzenden Vermögens der Eltern dienen soll. Denn da das Kind auch nur eigenes Vermögen zur Deckung seines Lebensunterhaltes einzusetzen hat, bevor es nach dessen Verbrauch zur Bedarfsgemeinschaft zählt, kann sich eine entsprechende Schutzvorschrift auch nur auf eigenes Vermögen des Kindes beziehen.

Darüber hinaus spricht auch die Gesetzessystematik des SGB II dafür, dass sich der Freibetrag nur auf Vermögen bezieht, das dem Kind rechtlich zuzuordnen ist. Die Regelungen des SGB II gehen grundsätzlich von einem getrennten Wirtschaften des minderjährigen Kindes und seiner Eltern aus. Dies ergibt sich zunächst aus § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, wonach die dem Haushalt angehörigen minderjährigen unverheirateten Kinder dann nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, soweit sie aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes beschaffen können. § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II ist zudem im Zusammenhang mit der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu sehen. Dort ist geregelt, dass bei der Berechnung des Bedarfs von minderjährigen unverheirateten Kindern, die Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft sind, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern zu berücksichtigen ist, aber umgekehrt nicht das Einkommen und Vermögen der Kinder zur Unterstützung ihrer Eltern. Ein gesonderter Kinderfreibetrag zu Gunsten der Bedarfsgemeinschaft stünde mit diesen Regelungen, die insoweit erkennbar gerade nicht von einem gemeinsamen Wirtschaften "aus einem Topf" ausgehen, nicht in Übereinstimmung. Wenn der Gesetzgeber dennoch hiervon abweichend einen Kinderfreibetrag gewollt hätte, der auch vom Vermögen der Eltern abzusetzen wäre, hätte es zumindest nahegelegen, diesen im Rahmen von § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II einheitlich mit den sonstigen von der Zuordnung zu einer bestimmten Vermögensmasse unabhängigen Freibeträgen zu Gunsten der Bedarfsgemeinschaft mitzuregeln.

Soweit in Folge dieser vom Senat vorgenommenen Auslegung die Gefahr von Vermögensübertragungen zu Lasten von Kindern auf die Eltern bzw. die übrige Bedarfsgemeinschaft gesehen wird, um deren Freibetrag "aufzufüllen" (LSG Bad.-Württ. a.a.O., SG Aachen a.a.O.), so besteht eine solche Gefahr unabhängig davon, ob man mit dem Sozialgericht von einem Kinderfreibetrag zu Gunsten der Bedarfsgemeinschaft ausgeht oder einen Schutz des eigenen Vermögens des Kindes annimmt. Denn die Gefahr entsprechender Vermögensverschiebungen oberhalb der Grenze des Freibetrages nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II besteht ja bereits deswegen, weil das Kind nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft gehört, wenn sein eigenes Vermögen diesen Freibetrag übersteigt (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Es müsste folglich das überschießende Vermögen zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verbrauchen, wenn es nicht zuvor auf andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft "verschoben" würde, sofern diese Möglichkeit nach der Vermögenslage der übrigen Bedarfsgemeinschaft besteht (so auch LSG NRW a.a.O.).

Auch das Verfassungsrecht gebietet keine andere Auslegung der Norm. Zum Teil wird vertreten, eine Freibetragsregelung, die sich nur auf das Vermögen des Kindes beziehe, verstoße gegen Artikel 3 bzw. Artikel 6 des Grundgesetzes (GG). Ein solcher Verstoß wird vor allem darin gesehen, dass Bedarfsgemeinschaften, in denen Kinder ohne eigenes Vermögen leben, gegenüber Bedarfsgemeinschaften, in denen Kinder mit Vermögen leben, ungerechtfertigt benachteiligt seien. Denn auch die Eltern eines vermögenslosen Kindes seien diesem gegenüber zu Unterhalt verpflichtet und insoweit nicht weniger bedürftig. Rücklagen, etwa zu Gunsten einer Ausbildung, würden aber bei Bedarfsgemeinschaften mit vermögenslosen Kindern nicht geschützt (LSG Bad.-Württ., Urt. v. 26.06.2008, Az. L 12 AS 5863/07; SG Aurich a.a.O.). Dies überzeugt nicht. Selbst wenn man insoweit zumindest dann vom Vorliegen einer Ungleichbehandlung ausgeht, wenn das Kind über Vermögen verfügt, das unterhalb des Freibetrages liegt - wenn es über darüber hinausgehendes Vermögen verfügt, gehört es ja bereits nicht zur Bedarfsgemeinschaft (vgl. LSG NRW a.a.O.) -, so liegt für eine solche Differenzierung zumindest ein sachlicher Grund vor. Es ist sachgerecht, dass minderjährige Kinder einen eigenständigen und vom Freibetrag der Bedarfsgemeinschaft abgrenzbaren Freibetrag erhalten, der den Eltern bzw. den übrigen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft nicht zu Gute kommt. Bei Gewährung eines Kinderfreibetrages, der vom Vermögen der Eltern abgesetzt werden könnte, bestünde keine Gewähr dafür, dass bei einem entsprechenden Bedarfsfall das Kind auf entsprechende eigene Vermögenswerte in Höhe des Freibetrages zurückgreifen könnte. Denn möglicherweise wäre ja überhaupt kein eigenes Vermögen des Kindes vorhanden. Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Verhältnis von minderjährigen Kindern zu ihren Eltern bezüglich des Vermögens der Kinder gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II gerade nicht von einem Einstehen der Kinder zu Gunsten ihrer Eltern und damit gerade nicht von einem Wirtschaften "aus einem Topf" ausgeht. Es ist daher auch aus diesem Grunde sachgerecht, dass minderjährige Kinder nur für ihr eigenes Vermögen einen eigenständigen und vom Freibetrag der Bedarfsgemeinschaft abgrenzbaren Freibetrag erhalten, der den Eltern und der Bedarfsgemeinschaft insgesamt nicht direkt zu Gute kommt.

Angesichts dieses den Gesamtbedarf übersteigenden Vermögens hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht die Leistungsbewilligung für den hier streitigen Zeitraum abgelehnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Bei der Frage, ob bei dem Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II nur das Vermögen des Kindes zu berücksichtigen ist, handelt sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), zu der bereits divergierende obergerichtliche Entscheidungen vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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