S 32 AS 257/08 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 32 AS 257/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen zwei Bescheide, mit denen seine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) abgesenkt werden.

Der Antragsteller steht im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin. Am 17.03.2008 schlossen der Antragsteller und die Antragsgegnerin eine Eingliederungsvereinbarung deren Inhalt es u. a. war, dass der Antragsteller an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei dem Träger "Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände" (AGWV) vom 31.03.2008 bis 30.03.2009 teilnehmen solle. Mit Datum vom gleichen Tage erhielt der Antragsteller ein Zuweisungsschreiben, in dem ihm die näheren Einzelheiten mitgeteilt wurden. Am 31.03.2008 teilte der Maßnahmeträger der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller bis zum vorgesehenen Zuweisungsdatum dort nicht vorgesprochen habe. Daraufhin hob die Antragsgegnerin die Bewilligung der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung mit Bescheid vom 31.03.2008 auf. Mit Schreiben vom 07.04.2008 lud die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einem Beratungsgespräch zum 15.04.2008 um 08:30 Uhr ein. Da der Antragsteller zu diesem Termin nicht erschien, versandte die Antragsgegnerin mit Datum vom 15.04.2008 eine Folgeeinladung für den 22.04.2008. Auch zu diesem Termin erschien der Antragsteller nicht. Am 23.04.2008 ging bei der Antragsgegnerin das Schreiben des Antragstellers vom 21.04.2008, mit dem der Antragsteller mitteilte, dass er weder der Einladung zum 15.04.2008 folgen konnte, noch bei der Diakonie zur Aufnahme der Gemeinwohlarbeit vorstellig werden konnte. Es sei aktenkundig, dass er stark fehlsichtig sei und dadurch erhebliche Sehprobleme habe, die sich in letzter Zeit zusehends verstärkt haben. Ohne technische Hilfsmittel sei ihm das Schreiben und Lesen nicht möglich. Ebenso schlecht sehe es für ihn im Straßenverkehr aus, weil er beispielsweise beim Überqueren einer Straße herankommende Fahrzeuge nicht früh genug sehen könne. Er versuche seit geraumer Zeit einen Termin bei einem Augenarzt zu bekommen. Doch wo er auch anrufe, bekomme er zu hören, dass er als neuer Patient in absehbarer Zeit keinen Termin bekommen könne.

Mit Bescheid vom 05.05.2008 stellte die Antragsgegnerin die Zahlungen an den Antragsteller vorläufig ein. Sie führte aus, der Antragsteller habe auf zwei Einladungen der Arbeitsvermittlung nicht reagiert. Sie gehe davon aus, dass der Antragsteller durch eigene Bemühungen eine Arbeit gefunden habe, oder anderweitig seinen Lebensunterhalt sicherstellen könne und somit kein Interesse mehr an der Vermittlung in Arbeit bestünde. Es bestünden zumindest erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers. Sollten sich keine Veränderungen in den wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnissen des Antragstellers ergeben haben, werde er gebeten, schnellstmöglich einen Termin mit seinem Arbeitsvermittler zu vereinbaren, ansonsten würden die Zahlungen zum 01.06.2008 nicht überwiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 20.05.2008 Widerspruch. Er sei zwar auf zwei Einladungen der Antragsgegnerin nicht vorstellig geworden, jedoch habe er die Gründe hierfür mit Schreiben vom 21.04.2008 schriftlich genannt, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass er durch eigene Bemühungen eine Arbeit gefunden habe, oder anderweitig seinen Lebensunterhalt sicherstellen könne. Er teilte außerdem mit, dass er am 01.09.2008 einen Augenarzttermin bei Frau Dr. N. habe. Mit Schreiben vom 04.06.2008 teilte die Antragsgegnerin mit, dass die Wiederaufnahme der Leistungszahlungen veranlasst worden sei. Es werde jedoch ein Beleg über die Gesundheitsstörungen vom behandelnden Arzt benötigt. Spätestens bis zum 20.06.2008 solle der Antragsteller einen entsprechenden Beleg einreichen. Andernfalls behalte sich die Antragsgegnerin vor, die Leistungen des Antragstellers um 30 % (wegen des Nichtantritts der Arbeitsgelegenheit) und 10 % (wegen den Nichterscheinens zur Einladung zum 22.04.2008) zu kürzen. In einem ärztlichen Gutachten vom 09.08.2007 sei bei dem Antragsteller eine mittelgradige Sehbeeinträchtigung diagnostiziert worden. Der Aufforderung zu einer Brillenanpassung, wie im ärztlichen Gutachten gefordert worden sei, sei der Antragsteller bisher anscheinend nicht nachgekommen. Hierzu solle der Antragsteller eine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 17.06.2008 teilte der Antragsteller mit, dass er bisher davon ausging und die Hoffnung hatte, dass sich seine akute Sehschwäche in absehbarer Zeit wieder legen würde. Daher habe er sich bisher keine Sehhilfe anpassen lassen. Die im ärztlichen Gutachten diagnostizierte mittelgradige Sehbeeinträchtigung habe sich jedoch mit der Zeit leider noch verschlechtert.

Mit Bescheid vom 09.07.2008 senkte die Antragsgegnerin das Arbeitslosengeld II des Antragstellers für die Zeit vom 01.08.2008 bis zum 31.10.2008 monatlich um 30 % der maßgebenden Regelleistung ab. Daraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von 105 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung vom 15.02.2008 werde insoweit für den o. g. Zeitraum gem. § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben. Zur Begründung führte sie aus, dass der Antragsteller sich am 31.03.2008 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert habe, eine ihm zumutbare Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II als Aktivierung bei der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände auszuführen. Die vom Antragsteller angeführten Gründe könnten bei der Abwägung der persönlichen Einzelinteressen mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtig im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II anerkannt werden. Nach Rücksprache mit der Amtsärztin und unter Berücksichtigung des Arztgutachtens vom 09.08.2007 wäre dem Antragsteller die Ausübung der Arbeitsgelegenheit zuzumuten gewesen.

Mit einem weiteren Bescheid vom 09.07.2008 senkte die Antragsgegnerin das Arbeitslosengeld des Antragsteller für die Zeit vom 01.08.2008 bis zum 31.10.2008 monatlich um 10 % der maßgebenden Regelleistung ab. Daraus ergebe sich eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II in Höhe von 35 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung vom 15.02.2008 werde insoweit für den o. g. Zeitraum gemäß § 48 Abs. 1 SGB X aufgehoben. Zur Begründung führte sie aus, dass der Antragsteller trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 22.04.2008 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei. Die vom Antragsteller angeführten Gründe könnten bei der Abwägung der persönlichen Einzelinteressen mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtig im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II anerkannt werden. Nach Rücksprache mit der Amtsärztin und unter Berücksichtigung des Arztgutachtens vom 09.08.2007 wäre ihm die Wahrnehmung des Termins möglich gewesen.

Am 14.07.2008 erhob der Antragsteller gegen diese Bescheide Widerspruch.

Am 17.07.2008 hat er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Damit begehrt er die Zahlung seines Arbeitslosengeldes II in voller Höhe. Zur Begründung trägt er vor, dass er aufgrund seiner starken Fehlsichtigkeit, mit der er in ärztliche Behandlung muss, um sich eine entsprechende Sehhilfe anpassen zu lassen, die von der Antragsgegnerin angebotene Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung am 31.03.2008 nicht habe aufnehmen können. Aus demselben Grund sei er zum Meldetermin am 22.04.2008 nicht vorstellig geworden. In beiden Fällen habe er die Antragsgegnerin schriftlich informiert.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen, ihm vorläufig die ihm zustehenden Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Ihres Erachtens sind die Absenkungssbescheide vom 09.07.2008 zu Recht ergangen.

Die Antragsgegnerin hat während des laufenden Verfahrens den Widerspruch des Antragstellers mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 23.07.2008 zurückgewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist unzulässig und unbegründet.

Statthafte Antragsart ist hier ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Klage. Denn in der Hauptsache würde es sich hier um eine Anfechtungsklage handeln. Der Antragsteller wendet sich gegen einen belastenden Verwaltungsakt, durch dessen Aufhebung im Klageverfahren der vorherige Bewillgungsbescheid wieder zur Geltung kommen würde. Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Klage ist, dass ein offenes Widerspruchsverfahren oder Klageverfahren hinsichtlich des angefochtenen Bescheides anhängig ist. An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Denn das Widerspruchsverfahren hinsichtlich beider angefochtener Bescheide ist durch die Widerspruchsbescheide vom 23.07.2008 zum Abschluss gebracht worden. Eine anschließende Klageerhebung erfolgte nicht. Somit kann vom Gericht weder die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet werden, da das Widerspruchsverfahren bereits abgeschlossen ist, noch kann vom Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet werden, da gar keine Klage erhoben worden ist. Zudem ist auch die Klagefrist mittlerweile abgelaufen, so dass Klage auch nicht mehr zulässigerweise erhoben werden kann und die angefochtenen Bescheide damit bestandskräftig sind.

Ohne dass es darauf ankäme, ist noch darauf hinzuweisen, dass der Antrag auch unbegründet ist. Denn die von der Antragsgegnerin erlassenen Sanktionsbescheide sind gem. § 31 SGB II rechtmäßig. Die hier allein streitige Frage, ob dem Antragsteller ein wichtiger Grund für die Nichtteilnahme an der Gemeinwohlarbeit und das Nichterscheinen zum Termin am 22.04.2008 zur Seite stand, ist zu verneinen. Denn die vom Antragsteller vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen stellen keinen wichtigen Grund hierfür dar. Nach den Feststellungen des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Duisburg vom 04.09.2008, liegt bei dem Antragsteller eine mäßiggradige beidseitige Seheinschränkung aufgrund einer Kurzsichtigkeit, eine Altersfehlsichtigkeit, eine Hornhautverkrümmung sowie ein eingeschränktes Tiefensehen vor. Mit einer angepassten Brillenkorrektur bestehe ein beidäugiges Sehvermögen von 70 %. Mit einer derartigen Sehleistung bestünden keine wesentlichen Einschränkungen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Diesen Ausführungen sowie dem Umstand, dass der Antragsteller offensichtlich in der Lage war, zu den ärztlichen Begutachtungsterminen zu erscheinen, ist zu entnehmen, dass es für den Antragsteller auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, sowohl der Einladung zum Beratungsgespräch am 22.04.2008 bei der Antragsgegnerin Folge zu leisten, als auch am 31.03.2008 zum Antritt der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung zu erscheinen. Der Antragsteller hätte dann mit den Ansprechpartnern vor Ort entscheiden können, welche konkreten Arbeiten er unter Berücksichtigung der verminderten Sehfähigkeit hätte durchführen können. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die vom Antragsteller behauptete mangelhafte Korrektur seiner Sehschwäche ebenfalls nicht als wichtiger Grund für sein Nichterscheinen zum Beratungsgespräch und zum Antritt der Arbeitsgelegenheit herhalten kann, weil der Antragsteller bereits seit knapp einem Jahr darüber informiert war, dass seine Sehschwäche einer (weiteren) Korrektur bedurfte. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, worauf der Kläger seine Hoffnung, die Verschlechterung seines Sehvermögens sei nur von vorübergehender Dauer, gründete. Auch die Angabe des Antragstellers, er habe bisher keinen Termin bei einem Augenarzt bekommen können, erscheint dem Gericht nicht glaubhaft. Denn die Aufforderung zur Korrektur seiner Sehschwäche erfolgte bereits im Rahmen einer ärztlichen Begutachtung bei der Agentur für Arbeit Duisburg im August 2007. Dass es dem Antragsteller seitdem bis zum März 2008 nicht möglich gewesen sein sollte, einen Termin bei einem Augenarzt zu bekommen, hält das Gericht für ausgeschlossen, zumal der Antragsteller nach Erlass der Sanktionsbescheide am 09.07.2008 immerhin innerhalb von zwei Monaten zum 01.09.2008 einen augenärztlichen Termin vereinbaren konnte.

Da der Antragsteller nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB II alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen muss, wäre er auch bei nicht ausreichendem Sehvermögen verpflichtet gewesen, so schnell wie möglich eine Korrektur seines Sehvermögens zur Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit herbeizuführen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved