S 4 SO 677/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 677/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Vorliegen eines Merkzeichen G führt nur in besonderen Fällen zur Übernahme von Kfz Versicherung und Kfz-Steuern als abweichender Bedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Übernahme der Kfz-Versicherungsbeiträge und der Kfz-Steuer durch den Beklagten.

Der 1936 geborene Kläger erhält neben seiner Rente vom beklagten Landkreis ergänzend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Mit Bescheid vom 16.06.2005 wurden dem Kläger ab dem 01.02.2005 Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von monatlich 77,51 EUR bewilligt. Bei der Bedarfsberechnung wurde ein Mehrbedarf aufgrund Merkzeichen G in Höhe von 58,65 EUR monatlich nach § 30 SGB XII berücksichtigt.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 07.07.2005 Widerspruch ein. Er sei aufgrund seiner Gehbehinderung auf sein Fahrzeug angewiesen. Die Jahresprämie der Versicherung betrage 1.396,40 EUR, die Steuer 151,00 EUR, so dass monatlich ca. 150,00 EUR an PKW-Kosten entstünden. In dieser Höhe müsse der Bedarf nach § 30 SGB XII abweichend festgesetzt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da die Leistungsempfänger nach dem 4. Kapitel des SGB XII überdurchschnittlich häufig in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt seien, sei in § 30 Abs. 1 SGB XII ein pauschalierter Mehrbedarf für Leistungsempfänger über 65 Jahren mit dem Merkzeichen G vorgesehen. Abweichungen kämen nur in atypischen Einzelfällen in Betracht, die beim Kläger nicht gegeben seien. In unmittelbarer Nähe der Wohnung befände sich eine Bushaltestelle, zudem könne der Kläger öffentliche Verkehrsmittel aufgrund des Merkzeichen G kostenlos nutzen.

Daraufhin erhob der Kläger am 10.02.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg. Durch seinen Prozessbevollmächtigten führte er aus, dass sämtliche näheren Bushaltestellen mehr als 500m Fußweg von der Wohnung entfernt seien. Diese Strecke könne er nicht mehr zurücklegen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 16.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 Leistungen nach dem SGB XII unter Übernahme der Kfz-Versicherungsbeiträge sowie der Kfz-Steuer zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid.

Mit Änderungsbescheid vom 09.11.2005 wurden aufgrund einer Rentenänderung und Mieterhöhung Leistungen in Höhe von 80,62 EUR monatlich für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.08.2005 und in Höhe von 90,62 EUR für die Zeit vom 01.09.2005 bis 30.06.2006 bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 20.02.2006 wurden für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.01.2006 Leistungen in Höhe von 0,00 EUR und vom 01.02.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von 90,62 EUR monatlich bewilligt, da der Kläger im Januar 2006 aufgrund einer Erbschaft keinen Anspruch auf Leistungen habe.

Gegen den Bescheid vom 20.02.2006 legte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 28.03.2006 Widerspruch ein und verwies auf das vorliegende Klageverfahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2006 wies der Beklagte den Widerspruch wegen Verfristung als unzulässig zurück.

Mit Bescheid vom 06.04.2006 stellte der Beklagte die Leistungsgewährung zum 28.02.2006 ein, da der Kläger aufgrund einer Erbschaft und Zahlung aus einer Unfallversicherung über Vermögen verfüge, welches die Freigrenze übersteige.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen zulässig und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG statthaft. Die Klage ist aber nicht begründet.

Streitgegenstand ist nur noch der Zeitraum vom 01.02.2005 bis 30.06.2005, nachdem die Leistungsgewährung zum 28.02.2006 eingestellt und die Leistungsbescheide vom 09.11.2005 und 20.02.2006 mit denen Leistungen ab dem 01.07.2005 gewährt wurden, bestandskräftig sind.

Nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII in der im streitigen Zeitraum gültigen Fassung wird Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) mit dem Merkzeichen G besitzen, ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert des maßgeblichen Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

Der Kläger ist im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit einem GdB von 80 und mit Merkzeichen G. Aus diesem Grund bewilligte ihm der Beklagte den pauschalierten Mehrbedarf in Höhe von 58,65 EUR monatlich. Ein weitergehender Anspruch des Klägers besteht nicht. Zwar hat der Kläger nachgewiesen, dass seine Kfz-Steuer 151,00 EUR jährlich und die Jahresprämie seiner Versicherung 1.396,40 EUR beträgt, woraus sich monatliche Kosten in Höhe von 128,95 EUR ergeben. Diese höheren Kosten rechtfertigen jedoch nicht die Gewährung eines abweichenden Bedarfes i.S.d. § 30 Abs. 1 SGB XII.

Der Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII soll den Umständen Rechnung tragen, dass ältere Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, dadurch erhöhte Kosten haben (vgl. Münder in LPK-SGB XII, § 30 Rn. 8). Zusätzlich können gehbehinderte Menschen öffentliche Verkehrsmittel kostenlos nutzen (§§ 145, 146 SGB IX) oder erhalten eine Ermäßigung der Kfz-Steuer (§ 3a Abs. 2 KraftStG). Durch die Pauschalierung des Mehrbedarfes wurde den besonderen Umständen gehbehinderter Menschen bereits Rechnung getragen. Eine abweichende höhere Festsetzung käme nur in Betracht, wenn tatsächlich ein zwingender erhöhter Bedarf des Leistungsberechtigten besteht, der sich aus besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt und der nicht schon von den Gründen, die zu einer pauschalen Erhöhung des Mehrbedarfs geführt haben, umfasst sind. Das alleinige Vorliegen des Merkzeichen G führt zunächst zur Gewährung des pauschalierten Mehrbedarfs und rechtfertigt noch nicht die generelle Gewährung eines höheren Bedarfes. Der pauschalierte Mehrbedarf sieht auch bereits einen erhöhten Bedarf an Fahrtkosten vor.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Benutzung des PKW für den Kläger eine erhebliche Erleichterung im täglichen Leben darstellt. Die grundsätzliche Anerkennung der Kfz-Versicherung und der Kfz-Steuer als abweichendem Bedarf würde jedoch dazu führen, dass jedem Leistungsempfänger, der einen Anspruch auf Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII hat und im Besitz eines PKW ist, die zusätzliche Kosten für Kfz-Versicherung und Kfz-Steuer als abweichender Bedarf gewährt werden müssten. Aufgrund des Ausnahmecharakters der abweichenden Festsetzung im Gegensatz zur pauschalierten Gewährung des Mehrbedarfs kann dies jedoch nur in besonderen atypischen Einzelfällen erfolgen. Regelfälle, wie dies der Besitz eines angemessenen PKW mit seinen Folgekosten darstellt, sind bereits durch den Regelsatz und die Pauschalierung des Mehrbedarfes nach § 30 Abs. 1 SGB XII abgegolten. Für das Gericht ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger, der jedenfalls im streitigen Zeitraum lediglich über das Merkzeichen G und nicht aG verfügt, in dieser Zeit zwingend auf einen PKW angewiesen war. Nur wenn ein Leistungsempfänger aus zwingenden Gründen auf einen PKW angewiesen ist und dies nicht lediglich eine Erleichterung des täglichen Lebens bedeutet, käme eine Übernahme der Kfz-Kosten in Betracht. Die vom Kläger vorgetragene Gehbehinderung führt lediglich zur Anerkennung des Merkzeichens G. Weitere Beeinträchtigungen neben der Gehbehinderung hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich. Aus diesem Grund geht das Gericht davon aus, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht zwingend auf den PKW angewiesen war, so dass eine über den bereits gewährten Mehrbedarf hinausgehende Übernahme der Kfz-Steuern und der Kfz-Haftpflicht nicht gerechtfertigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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