S 31 (11) AS 50/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 31 (11) AS 50/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2007 verurteilt, der Klägerin im Zeitraum vom 01.10.2006 bis zum 31.03.2007 weitere Kosten der Unter- kunft in Höhe von monatlich 88,00 Euro zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Klägerin.

Die alleinstehende Klägerin wohnte bis Ende September 2005 in Jüchen und bezog Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) von der örtlich zuständigen ARGE Neuss. Mit Schreiben aus Mai 2005 wies die Gemeinde Jüchen die Klägerin darauf hin, dass ihre seinerzeitigen Kosten der Unterkunft nach dem Auszug ihres Sohnes und dessen Umzug nach Köln unangemessen hoch seien und forderte sie auf, sich um einen preisgünstigeren Wohnraum zu bemühen. In dem Schreiben wies die Gemeinde Jüchen auch darauf hin, dass die Klägerin bei einem Umzug in den Bereich eines anderen Leistungsträgers vorab dessen Zusicherung zu den Unterkunftskosten einholen solle, da sie anderenfalls nur Anspruch auf die örtlich angemessenen Kosten der Unterkunft habe. Anfang September 2006 unterzeichnete die Klägerin den Mietvertrag für ihre gegenwärige Wohnung in Köln. Es handelt sich um eine 1-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 43 qm. Die Nettokaltmiete beträgt 300,00 Euro, die Betriebskostenvorauszahlung 85,00 Euro sowie die Heizkostenvorauszahlung 25,00 Euro monatlich, insgesamt beträgt die Bruttowarmmiete somit 410,00 Euro. Eine vorherige Zusicherung der Beklagten zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft holte die Klägerin nicht ein. Mit angefochtenem Bescheid vom 27.10.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 und berücksichtigte hierbei Kosten der Unterkunft in Höhe von ledigtlich 322,00 Euro. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2007 zurückwies.

Hiergegen richtet sich die am 01.03.2007 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage.

Die Klägerin behauptet, eine 1-Zimmer-Wohnung zu den von der Beklagten als angemessen anerkannten Konditionen sei trotz 2-jähriger intensiver Wohnungssuche nicht verfügbar gewesen. Sie ist zudem der Auffassung, dass ihr ein Wegzug aus Köln wegen des dortigen Aufenthaltes ihrer Söhne aus familiären Gründen nicht zuzumuten sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2007 zu ver- urteilen, ihr für den Zeitraum 01.10.2006 bis 31.03.2007 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 88,00 Euro zu ge- währen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihre Richtlinien, wonach im streitgegenständlichen Zeitraum für einen 1-Personenhaushalt eine Mietobergrenze von 297,00 Euro monatlich als Bruttokaltmiete gegolten habe. Entsprechende Wohnungen seien auf dem Kölner Wohnungsmarkt auch verfügbar. Die Beklagte legt insoweit 4 Wohnungsanzeigen aus dem Internet vor.

Das Gericht hat eine schriftliche Stellungnahme des Wohnungsamtes der Stadt Köln zur Verfügbarkeit von Wohnraum zu den von der Beklagten zugrunde gelegten Konditionen eingeholt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte verwiesen, welche zum Zeitpunkt der Entscheidung vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und sachlich begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 27.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von monatlich 410,00 Euro zu.

Ein entsprechender Anspruch folgt aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung und unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7 B AS 18/06 R). Erforderlich ist insoweit eine zweistufige Prüfung: Zunächst ist die abstrakte Angemessenheit zu ermitteln, dass heißt, es ist zu fragen, welche Aufwendungen nach den Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes üblicherweise getätigt werden müssen, um eine Wohnung in der für den Hilfeempfänger maßgeblichen Größe in einfacher Lage und einfacher Ausstattung anzumieten. Unter Rückgriff auf die Wohnungsgrößen nach den Ausführungsbestimmungen der Länder über die Förderung des sozialen Wohnungsbaues hält das Bundessozialgericht bei einem 1-Personenhaushalt eine Wohnfläche von 45 – 50 qm für angemessen. Zeigt sich nach Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze, dass die tatsächlichen Mietaufwendungen des Leistungsempfängers über der abstrakten Angemessenheitsgrenze liegen, so ist in einem zweiten Schritt die konkrete Angemessenheit zu prüfen, dass heißt, es ist zu fragen, ob der Leistungsempfänger tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit hatte, eine als abstrakt angemessen eingestufte Wohnung auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Klägerin in Höhe von insgesamt 410,00 Euro monatlich bereits als abstrakt angemessen anzusehen. Denn die von der Beklagten berücksichtigte Mietobergrenze in Höhe von 267,00 Euro monatlich brutto kalt deckt sich nicht mit den konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Kölner Wohnungsmarkt. Der Kölner Mietspiegel, Stand September 2006, weist für Wohnungen mit einer Wohnungsgröße um 40 qm mit Heizung und Bad/WC ohne besondere Ausstattung in einfacher Wohnlage eine Mietpreisspanne von 5,25 Euro bis 7,85 Euro je qm aus. Der Kölner Mietspiegel differenziert nicht zwischen Wohnungen in einfacher Wohnlage mit einfacher Ausstattung und solchen in einfacher Wohnlage mit mittlerer oder guter Ausstattung. Lediglich Wohnungen mit besonderer Ausstattung, dass heißt solche die etwa über einen außergewöhnlichen Fussboden mit Parkett oder Marmor oder einer Einbauküche oder andere erheblich über dem Durchschnitt liegende Qualitätsmerkmale verfügen, werden in der Baualtersgruppe II (Wohnungen in Gebäuden, die von 1961 bis 1975 bezugsfertig wurden) gesondert ausgewiesen. In der vorgenannten Spanne von 5,25 Euro bis 7,85 Euro sind deshalb auch Wohnungen enthalten, die sich zwar in einfacher Lage befinden, die jedoch über eine mittlere bis gute Ausstattung verfügen. Im Rahmen der Ermittlung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten kann deshalb zur Überzeugung der Kammer nicht auf den oberen Rand der vorgenannten Preisspanne abgestellt werden. Andererseits ist jedoch auch ein Abstellen allein auf den untersten Wert in Höhe von 5,25 Euro nicht zulässig. Zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit ist der übliche Preis für Wohnungen in einfacher Lage und mit einfacher Ausstattung in der entsprechenden Größenordnung zu ermitteln. Üblich sind bei einer im Mietspiegel ausgewiesenen Preisspanne jedoch auch noch solche Werte, die über dem Mindestwert liegen. Die Kammer geht deshalb unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen davon aus, dass der Mittelwert für Wohnungen in einfacher Lage nach dem Kölner Mietspiegel bei Ermittlung der Angemessenheit zugrunde zu legen ist. Dies entspricht bei einem 1-Personenhaushalt einer Nettokaltmiete von 6,55 Euro (Mittelwert der Preisspanne von 5,25 Euro – 7,85 Euro). Multipliziert man diesen Nettokaltmietzins mit der angemessenen Wohnfläche von 45 qm, so gelangt man zu einer Nettokaltmiete in Höhe von 294,75 Euro. Da die Angemessenheit der Miete auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze nur annähernd bestimmt werden kann, ist die Angemessenheit auch noch bei geringfügigen Abweichungen von dem so errechneten Kaltmietzins zu bejahen. Die Nettokaltmiete der Klägerin beträgt 300,00 Euro, liegt nur geringfügig über dem errechneten Richtwert von 294,75 EUR und ist deshalb abstrakt angemessen.

Hinzu kommen noch Betriebs- und Heizkosten. Die von der Klägerin zu zahlende monatliche Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 85,00 Euro ist nach Auffassung der Kammer nicht unangemessen. Von der Beklagten wurde auch nichts anderes vorgetragen. Insbesondere verbietet sich nach Auffassung der Kammer insoweit ein starres Abstellen auf statistische Pauschalwerte, wie etwa die um die Ausgaben für Heizung, Warmwasser, Aufzug und Kabel bereinigten Werte des Betriebskostenspiegels 2007 für Köln des Deutschen Mieterbundes in Höhe von 1,52 EUR/qm. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den vorgenannten Werten lediglich um Durchschnittskosten handelt, aus denen nicht abgeleitet werden kann, was bei Wohnungen in einfacher Lage und einfacher Ausstattung als Betriebskosten noch als üblich angesehen werden kann. Berücksichtigung muss insoweit auch finden, dass es üblichen Preisbildungsmechanismen auf dem Wohnungsmarkt entsprechen dürfte, überdurchschnittliche Betriebskosten durch unterdurchschnittliche Nettokaltmieten auszugleichen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht zulässig sein, den Empfängern von Leistungen nach dem SGB II, welche auf unterdurchschnittliche Nettokaltmieten verwiesen werden, hinsichtlich der Betriebskosten an den Durchschnittswerten für sämtliche Mietverhältnisse festzuhalten. Auch die tatsächlichen Heizkostenabschläge der Klägerin in Höhe von 25,00 Euro sind zur Überzeugung der Kammer nicht unangemessen.

Die von der Beklagten zugrunde gelegte Mietobergrenze in Höhe von 297,00 Euro deckt sich demgegenüber entgegen den Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 01.02.2007 nicht mit den Werten des Kölner Mietspiegels. Selbst wenn man – was nach Auffassung der Kammer nicht zulässig ist – den untersten Wert der im Mietspiegel ausgewiesenen Preisspanne in Höhe von 5,25 Euro der Berechnung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten zu Grunde legt, so gelangt man zu einer Nettokaltmiete in Höhe von (5,25 Euro x 45 =) 236,25 Euro. Hinzu gerechnet werden müssen die hier angemessenen Betriebskosten in Höhe von 85,- EUR, so dass man selbst unter Berücksichtigung des untersten Wertes der im Kölner Mietspiegel ausgewiesenen Preisspanne zu einer angemessenen Bruttokaltmiete in Höhe von 321,25 EUR gelangt. Selbst dann würde die von der Beklagten festgesetzte Obergrenze in Höhe von 297,00 Euro somit nicht ausreichen.

Der von der Kammer angewandten Berechnungsweise kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Kölner Mietspiegel allein auf den freien Wohnungsmarkt abstellt und im sozial geförderten Wohnungsbau niedrigere Mietzinsen üblich seien. Das Bundessozialgericht hat in der oben zitierten Grundsatzentscheidung ebenfalls auf den allgemeinen Wohnungsmarkt abgestellt. Soweit die Beklagte die von ihr festgesetzten Mietobergrenzen auf Datenmaterial außerhalb des Kölner Mietspiegels stützt, hätte es ihr oblegen, dieses Datenmaterial als Grundlage ihrer Berechnungsweise offen zu legen. Demgegenüber hat sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 01.02.2007 ausdrücklich auf eine Auswertung des für den Raum Köln geltenden Mietspiegels gestützt. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass nach Auskunft auf den Internet-Seiten des Wohnungsamtes der Stadt Köln derzeit die Anzahl der Bewerber für Sozialwohnungen weit größer ist als die Anzahl der verfügbaren Sozialwohnungen. Schon aus diesem Grund ist ein Abstellen allein auf den Markt für Sozialwohnungen nicht zulässig.

Der Verweis der Beklagten auf den Beschluss des Landessozialgerichts NRW vom 01.08.2005, Az.: L 19 B 21/05 AS ER vermag die Kammer ebenfalls nicht zu überzeugen. Zwar ist mit der vorgenannten Entscheidung die Mietobergrenze der Beklagten in Höhe von 297,00 Euro für einen 1-Personenhaushalt als rechtmäßig angesehen worden. Das Landessozialgericht hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der von der Beklagten zugrunde gelegte Wert von 297,00 Euro den Bruttokaltmietzins einschließlich Nebenkosten abdecken soll, die Werte des Kölner Mietspiegels jedoch die Nettokaltmieten ohne Nebenkosten widergeben.

Die Beklagte war demnach antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Kammer hat die Berufung zum Landessozialgericht zugelassen, da der Wert des Beschwerdegegenstandes mit (6 x 88,- Euro =) 528,- Euro unter der Berufungssumme gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in Höhe von 750,- Euro liegt, das Urteil von der oben genannten Entscheidung des Landessozialgerichts NRW abweicht und auf diese Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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