L 13 AS 4462/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 3690/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4462/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Unverzichtbare Voraussetzung für einen krankheitsbedingten Mehrbedarf ist, dass ein ärztliches Attest die Erforderlichkeit der besonderen verordneten Kostform darlegt und nicht nur den Gesundheitsschaden benennt.

Aufgrund der Zweckbestimmung des Mehrbedarfs ist zudem für die Anerkennung im Einzelfall zu fordern, dass der Hilfebedürftige substantiiert darlegt, welche verordnete Kostform oder Diät er einhält und welche Aufwendungen er insoweit hat.

Eine besondere Kostform oder Diät ist im Falle einer Erkrankung an Hepatitis C ohne Komplikationen nicht allgemein krankheitsbedingt erforderlich.

Vollkost bedingt keinen Ernährungsaufwand, der nicht durch die Regelleistung gedeckt wird (vgl. Die Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, 3. Aufl. 2008, III.2)
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. Mai 2007 und wird zurückgewiesen; die Klage gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2005 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aufgrund einer Erkrankung an Hepatitis C.

Der 1954 geborene Kläger beantragte am 8. September 2004 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für sich und seine damalige Lebensgefährtin. Im Antragsformular wies er darauf hin, dass er an Hepatitis C erkrankt sei und seine Ernähung aus medizinischen Gründen kostenaufwändiger sei. Dazu legte er ein Ärztliches Attest zur Erlangung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändigere Ernährung vom 27. Oktober 2004 und eine Ärztliche Bescheinigung vom 13. September 2004 der behandelnden Ärztin Dr. T. vor.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger zunächst Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 in Höhe von 509,50 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 29. Dezember 2004 wurden dem Kläger und seiner damaligen Lebensgefährtin für diesen Zeitraum monatlich insgesamt 985,- EUR gewährt. Mit Änderungsbescheid vom 13. Januar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger und seiner damaligen Lebensgefährtin Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 in Höhe von 1.019,00 EUR monatlich (jeweils 509,50 EUR monatlich). Im Bescheid teilte sie mit, dass ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nicht anerkannt werden könne. Der Kläger legte am 28. Februar 2005 dagegen Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 1. April 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger und seiner Lebensgefährtin Leistungen für die Zeit vom 1. April 2005 bis 30. September 2005 zunächst wiederum in Höhe von insgesamt 1.019,00 EUR monatlich (jeweils 509,50 EUR monatlich). Hiergegen legte der Kläger am 12. April 2005 Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2005 wurden der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 1. April 2005 bis 30. Juni 2005 erneut Leistungen in Höhe von insgesamt 1.019,00 EUR gewährt und für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. September 2005 nur noch monatlich insgesamt 944,48 EUR. Mit Bescheid vom 26. September 2005 änderte die Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom 1. April 2005 bis 30. September 2005 erneut und gewährte dem Kläger Leistungen für April 2005 in Höhe von 1019,00 EUR, für Mai 2005 in Höhe von 972,53 EUR, für Juni 2005 in Höhe von 1019,00 EUR, für Juli 2005 in Höhe von 898,01 EUR, für August 2005 in Höhe von 959,36 EUR und für September 2005 in Höhe von 1019,00 EUR, nachdem dem Kläger mit Scheiben vom 28. Juli 2005 mitgeteilt worden war, dass für die Monate Mai und Juli 2005 das Honorar seiner Lebensgefährtin als Einkommen angerechnet werde und es insoweit zu einer Überzahlung gekommen sei.

In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 6. Oktober 2005 verneinte Dr. A. die Notwendigkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2005 wies die Beklagte die beiden Widersprüche zurück. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge begründe eine Hepatitis C-Erkrankung keine kostenaufwändigere Ernährung. Eine Leberzirrhose oder Leberinsuffizienz sei nicht nachgewiesen. Nur bei Vorliegen dieser Leiden könne ein Mehrbedarf gewährt werden.

Der Kläger hat sein Begehren weiterverfolgt, am 10. November 2005 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, er versuche, bei der Ernährung viel auf frisches Obst zu achten. Das Obst kaufe er bei einem Bauern ein, der es ihm billiger überlassen würde. Er benötige auch Vollwertmehl und esse Vollkornbrot. Dagegen würde er auf Fleisch bei der Ernährung verzichten. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 änderte die Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom 1. April 2005 bis 30. September 2005 nochmals und gewährte dem Kläger Leistungen für April 2005 in Höhe von 1019, 00 EUR, für Mai 2005 in Höhe von 998,09 EUR, für Juni 2005 in Höhe von 1044,56 EUR, für Juli 2005 in Höhe von 915,05 EUR; für August 2005 blieb es bei Leistungen in Höhe von 959,36 EUR und für September 2005 in Höhe von 1019,00 EUR.

Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. Ar. und Sch. als sachverständige Zeugen vernommen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ar. hat in seinem Bericht vom 19. Januar 2006 ausgeführt, es bestünde eine chronische Virushepatitis C und Asplenie bei einem Zustand nach Splenektomie. Zu empfehlen sei die Ernährung durch leichte Vollkost (flüssigkeitsreich, obstangereichert, überwiegend ovolactuvegetabil und nicht zu fettreich). Außerdem solle auf häufige kleine Mahlzeiten und Alkoholkarenz geachtet werden. Besondere medikamentöse Zusatzstoffe seien nicht notwendig. Der ärztliche Leiter der F. Rehabilitation für Drogenabhängige und Facharzt für Innere Medizin Sch. hat in seiner Auskunft vom 20. Juni 2006 eine vitaminreiche abgerundete Ernährung im Sinne einer Vollkost empfohlen. Eine Eiweißrestriktion sei nicht notwendig. Weiterhin hat das SG die Diplom-Oecotrophologin Dr. F.-B. in H. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 27. Juni 2006 ist diese zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung und seines Untergewichtes einen besonderen Ernährungsbedarf in Form einer leichten Vollkost benötige. Die Ernährung solle energiereich sowie nährstoff-, vitamin- und mineralstoffhaltig sein. Eine bewusste Auswahl und Zubereitung der Lebensmittel, die sich nicht primär am Preis und an Sonderangeboten orientiere, würde die notwendige Nährstoffdichte sichern. Um die Leber in ihrer Entgiftungsfunktion zu entlasten, sei es sinnvoll, Lebensmittel mit möglichst geringer Schadstoffbelastung zu bevorzugen. Dies könne durch Waschen und Schälen und durch den bevorzugten Kauf von Bio-Gemüse und Bio-Obst erreicht werden. Die körpereigene Abwehr könne dadurch gesteigert werden. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 30. August 2006 hat die Sachverständige mitgeteilt, dass sie die Ausführungen von Dr. A. wissenschaftlich nicht widerlegen könne.

Mit Urteil vom 23. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfs. Der Kläger leide an Hepatitis C. Er bedürfe jedoch keiner kostenaufwändigen Ernährung. Das Gericht gehe bei seiner Beurteilung davon aus, dass eine Erkrankung an Hepatitis C grundsätzlich nicht mit einem Kostenmehraufwand verbunden sei. Eine Ausnahme könne nur dann gemacht werden, wenn im konkreten Verlauf besondere Krankheitserscheinungen aufträten, die eine spezielle Therapie erforderten. Das Gericht folge bei seiner Entscheidung dem Begutachtungsleitfaden der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen, der zu dem Ergebnis komme, dass eine besondere Krankenkost bei einer Hepatitis C-Erkrankung nicht erforderlich sei. Bei der Ernährung sei vielmehr wichtig, Alkohol und andere Lebergifte zu vermeiden. Mehrkosten entstünden durch diese Diät nicht. Auch aus den Angaben der behandelnden Ärzte und dem eingeholten Gutachten ergebe sich kein anderes Ergebnis. Dr. Ar. empfehle dem Kläger eine flüssigkeitsreiche, überwiegend ovolactuvegetabile Ernährung, die nicht zu viel Fett, jedoch viel Obst enthalten solle. Des Weiteren rate er zu der Einnahme von kleinen Mahlzeiten und dem Verzicht auf Alkohol. Er habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass besondere diätetische Zusatzstoffe nicht notwendig seien. Soweit er die Einnahme einer leichten Vollkost für erforderlich halte, könne das Gericht darin keinen erhöhten Kostenaufwand erkennen. Denn die Zutaten und Lebensmittel, die für eine leichte Vollkost benötigt würden, seien heutzutage auch in Supermärkten erhältlich. Der Facharzt für Innere Medizin Sch. komme zu dem Ergebnis, dass bei der Ernährung lediglich auf eine hohe Vitaminhaltigkeit zu achten sei. Eine Eiweißrestriktion sei dagegen nicht notwendig. Die Sachverständige Dr. F.-B. weise darauf hin, dass der Kläger aufgrund seiner Hepatitis-Erkrankung alle Substanzen vermeiden solle, die auf die Leber toxisch wirkten. Nach Ansicht des Gerichts entstehe durch das Weglassen von toxisch wirkenden Stoffen kein Kostenmehraufwand. Zwar habe die Sachverständige Dr. F.-B. ausgeführt, dass es sinnvoll sei, Lebensmittel mit möglichst geringer Schadstoffbelastung zu konsumieren. Sie habe jedoch darauf hingewiesen, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln oder ähnlichen Schadstoffen auch durch Waschen oder Schälen der Lebensmittel entfernt werden könnten. Da bei dem Kläger keine weitergehende Leberfunktionsstörung nachgewiesen worden sei und auch insbesondere keine Interferontherapie durchgeführt werde, habe das Gericht auch im konkreten Einzelfall keinen Kostenmehraufwand erkennen können.

Gegen dieses ihm am 8. August 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. September 2007 beim SG Berufung eingelegt. Er hat u.a. vorgetragen, dass die Stärkung des Immunsystems im Hinblick auf seine Erkrankung erforderlich sei, um einer Zirrhose vorzubeugen und die Notwendigkeit einer teueren und nicht unproblematischen Interferontherapie zu vermeiden. Dies werde durch bestimmte Ess- und Trinkvorgaben erreicht. Es werde Alkohol, weißes Mehl, raffinierter Zucker u.ä. vermieden. Es werde demgegenüber empfohlen, täglich frisches Obst und Gemüse zu essen. Hieraus ergebe sich der geltend gemacht Mehrbedarf, den bei ihm zwei Ärzte bestätigt hätten. Ihm seien auch Fälle anderer an Hepatitis C erkrankter Hilfebedürftiger bekannt, die den Mehrbedarf erhielten.

Er beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 13. Januar 2005, 1. April 2005, 30. Juni 2005 und 26. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2005 sowie des Bescheids vom 15. Dezember 2005 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2005 zusätzlich zu den jeweils bewilligten Leistungen einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 50,00 EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2005 abzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihre Bescheide für rechtmäßig.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Prozessakten des SG sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung vom Sozialgericht zugelassen worden ist. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 13. Januar 2005 und vom 1. April 2005 sowie die Änderungsbescheide vom 30. Juni 2005 und 26. September 2005, die gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sind, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2005 sowie der Bescheid vom 15. Dezember 2005. Dieser war zwar gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, das SG hat jedoch – wohl mangels Kenntnis – hierüber nicht entschieden. Dies hat der Senat nachzuholen (BSG SozR-1500 § 96 Nr. 4; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG § 96 Rdnr. 12a). Zudem hat sich die Beklagte mit der Entscheidung über die Klage gegen diesen Bescheid im Berufungsverfahren, die auch im wohlverstandenen Interesse des Klägers liegt, einverstanden erklärt. Die genannten Bescheide sind, soweit sie der Kläger angreift, rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2005 keinen Anspruch auf den von ihm geltend gemachten Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs. 5 SGB II gegen die Beklagte. Folgebescheide und Folgezeiträume sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Denn eine analoge Anwendung des § 96 Abs 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II erfolgt nicht (vgl. BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R -, SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 und vom 23. November 2006 B 11b AS 9/06 R -, SozR 4-4300 § 428 Nr. 3).

Arbeitslosengeld II (Alg II) gemäß § 19 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung erhält nach § 7 Abs. 1 SGB II ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung ist grundlegende Voraussetzung der Leistungsberechtigung von erwerbsfähigen Personen die Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Für den Senat steht nach dem Inhalt der Verwaltungsakten fest, dass beim Kläger die oben genannten Voraussetzungen während des maßgeblichen Zeitraums vorlagen und er insbesondere erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne des SGB II war. Die Beklagte hat ihm für den maßgeblichen Zeitraum auch monatlich Leistungen in zutreffender Höhe bewilligt.

Diese Bewilligungen greift der Kläger nur insoweit an, als er monatlich jeweils zusätzlich einen zweckgebundenen - Mehrbedarf geltend macht. Einen Anspruch auf diese von ihm begehrten zusätzlichen Leistungen in Höhe von monatlich 50 EUR für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs. 5 SGB II hatte der Kläger jedoch nicht, da ein tatsächlicher Mehraufwand für eine kostenaufwändige Ernährung und dessen Erforderlichkeit aus medizinischen Gründen im vorliegenden Fall für den maßgeblichen Zeitraum nicht feststellbar sind. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigeren Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Bei dem Begriff der "angemessenen Höhe" des Mehrbedarfs handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt. Eine kostenaufwändigere Ernährung ist durch die dem Kläger bescheinigte Erkrankung nicht grundsätzlich indiziert. Ob und in welcher Höhe in seinem Fall tatsächlich ein Mehrbedarf besteht bzw. im maßgeblichen Zeitraum bestand, lässt sich nicht feststellen, da er trotz Aufforderung nicht dargelegt hat, wie er seine Nahrung zusammenstellt und welche Ausgaben er hierfür regelmäßig tätigt. Damit war auch nicht ermittelbar, ob ein ggf. vorliegender Mehraufwand aus medizinischen Gründen erforderlich ist.

Das Bundessozialgericht hat in seinen Urteilen vom 27. Februar 2008 (B 14/7b AS 32/06 R und B 14/7b AS 64/06 R, veröffentlicht in Juris) im Einzelnen dargelegt, dass zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung jeweils eine Einzelfallprüfung zu erfolgen hat, wenn der ernährungsbedingte Mehrbedarf nach Inhalt und Höhe "streitig" bleibt. Den "Empfehlungen des Deutschen Vereins" hinsichtlich der Krankenkostzulagen kommt zwar keine normative Wirkung zu; es handelt sich nicht um "antizipierte Sachverständigengutachten", aber um in der Verwaltungspraxis etablierte generelle Kriterien, die im Normalfall eine gleichmäßige und schnelle Bearbeitung geltend gemachten Mehrbedarfs im Bereich der Krankenkost erlauben. Diese Empfehlungen können damit im Regelfall als Orientierungshilfe dienen. Sie entbinden aber nicht von der Ermittlungspflicht im Einzelfall, sobald Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe geltend gemacht werden. Dabei kann es zum einen auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, das Erfordernis der Krankenkostzulage auch für eine Erkrankung zu bejahen, die im Katalog der Empfehlungen nicht vorgesehen ist. Es kann sich zum anderen aber auch für eine dort genannte oder damit gleichzusetzende Erkrankung im Einzelfall ein höherer oder niedrigerer Mehrbedarf als in den Empfehlungen vorgesehen ergeben. Maßgeblich ist stets der Betrag, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist. Er ist im Einzelfall von Amts wegen aufzuklären (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch bzw. § 103 SGG). Mithin haben die Instanzgerichte jeweils den genauen krankheitsbedingten Mehrbedarf der Kläger im Einzelnen zu ermitteln.

Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf den geltend gemachten Mehrbedarf nicht zur Überzeugung des Senats feststellbar. Die aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (3. Aufl. 2008) enthalten keine Empfehlung für eine besondere Kostform oder Diät im Falle einer Erkrankung an Hepatitis C. Das gilt auch bereits für das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (Kluthe R. et a., Das Rationalisierungsschema 2004, Aktuel Ernaehr Med 2004, 245, 249 f.). Als Lebererkrankungen, die eine eiweißdefinierte Kostform erfordern, werden hier genannt: Fettleber, Alkoholhepatitis, kompensierte Zirrhose. Für Leberpatienten mit Komplikationen wird eine Supplementierung von Vitaminen und Spurenelementen empfohlen. Darauf hingewiesen wird, dass bei beiden Ernährungsformen eine qualifizierte Ernährungsberatung vonnöten ist, um die komplexe Ernährungsumstellung zu erleichtern. Im "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs 4 BSHG" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2002, der von einer Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten aus Gesundheitsämtern in vier Bundesländern erstellt wurde, wird ebenfalls eine eiweißdefinierte Kost nur im Falle der Entgleisung der Leberfunktion empfohlen, wobei nach dortiger Auffassung auch hierdurch keine Mehrkosten entstehen. Bei unkomplizierten Lebererkrankungen, wie z.B. Hepatitis wird keine besondere Kostform für erforderlich gehalten, sondern lediglich das Weglassen von Lebergiften, wie besonders Alkohol und Vermeidung eines erhöhten Eiweißkonsums (S. 11, 18). Wie sich aus den eingeholten ärztlichen Auskünften des SG entnehmen lässt, liegen die genannten Gesundheitsstörungen beim Kläger nicht vor. Auch im Hinblick auf seinen konkreten Gesundheitszustand wurde von den befragten Ärzten weder eine eiweißdefinierte Kostform noch eine Supplementierung von Vitaminen und Spurenelementen für erforderlich gehalten. Soweit von den ärztlichen Zeugen und der Sachverständigen - leichte - Vollkost empfohlen wurde, steht für den Senat auf der Grundlage die Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (3. Aufl. 2008, III.2) fest, dass diese Kostform keinen Ernährungsmehraufwand bedingt, der nicht durch die Regelleistung gedeckt wird. Auch im Hinblick auf das leichte Untergewicht (body mass index von 19,5), das die Sachverständige Dr. F.-B. am 27. Juni 2006 mitgeteilt hat, ergibt sich aus diesen aktuellen Empfehlungen (II. 4.2), denen der Senat auch insoweit folgt, noch kein Anhaltspunkt für einen erhöhten krankheitsbedingten Ernährungsbedarf im hier maßgeblichen Zeitraum, ohne dass es darauf ankommt, ob das Untergewicht krankheitsbedingt war bzw. ist. Gleiches gilt hinsichtlich des Gewichtsverlusts von 7 kg innerhalb von 19 bis 20 Monaten (laut Attest von Dr. T. vom 27. Oktober 2004 wog der Kläger damals 76 kg, nach Angaben von Dr. F.-B. vom 27. Juni 2006 wog er noch 69 kg). Ob dem Kläger derzeit ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zusteht, was der Fall sein könnte, wenn er krankheitsbedingt weiterhin abgenommen haben sollte (body mass index von 19,5) oder ein schneller krankheitsbedingter Gewichtsverlust zu verzeichnen wäre (5% des Ausgangsgewichts innerhalb von drei Monaten), ist nicht Gegenstand des Verfahrens und bedurfte daher keiner Aufklärung.

Auch im Übrigen kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass es auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt ist, das Erfordernis der Krankenkostzulage für diese Erkrankung zu bejahen, die im Katalog der genannten Empfehlungen nicht vorgesehen ist. Dies ergibt sich aus Folgendem: Auch nach den genannten Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge begründen nicht allein die dort berücksichtigten Krankheiten einen Mehrbedarf, sondern nur die im Einzelfall erforderliche und verordnete Kostform. Unverzichtbare Voraussetzung für einen krankheitsbedingten Mehrbedarf ist damit grundsätzlich, dass ein ärztliches Attest die Erforderlichkeit der besonderen verordneten Kostform darlegt (Empfehlungen 2. Aufl. 1997, S. 12, 15, 28; 3. Aufl., II.6) und nicht nur den Gesundheitsschaden benennt (Empfehlungen 1997 S. 23). Es ist hier aber schon unklar, ob die behandelnde Allgemeinärztin Dr. T. dem Kläger für den hier maßgeblichen Zeitraum Vollkost (Ärztl. Attest zur Erlangung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendigere Ernährung vom 27. Oktober 2004) oder eine "Leberdiät mit spezieller Kost" (Ärztliche Bescheinigung vom 13. September 2004) verordnet hat. Aufgrund der Zweckbestimmung des Mehrbedarfs ist zudem für die Anerkennung im Einzelfall zu fordern, dass der Hilfebedürftige substantiiert darlegt, welche verordnete Kostform oder Diät er einhält und welche Aufwendungen er insoweit hat. Die Angaben des Klägers, er esse Vollkornbrot, viel frisches Obst, verwende Vollkornmehl, Fleisch esse er nicht, lassen in dieser pauschalen Form einen Rückschluss auf eine besondere Kostform oder Diät nicht zu. Die Einhaltung einer verordneten Kostform oder Diät setzt ausreichende Kenntnisse über die zu verwendenden Nahrungsmittel zumindest auf der Grundlage einer Information durch den verordnenden Arzt und deren praktische Umsetzung voraus. Insofern ist zu erwarten, dass der Hilfebedürftige, der einen Mehrbedarf geltend macht, einen Ernährungs- und damit auch einen Einkaufsplan einhält, anhand dessen, zum einen der Mehrbedarf und zum anderen seine Bedingtheit durch die Krankheit geprüft werden kann. Auch diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Soweit der Kläger vorträgt, ihm entstünden krankheitsbedingte Mehraufwendungen für Ernährung in Höhe von ca. 50,00 EUR monatlich, ist er substantiierten Vortrag schuldig geblieben. Trotz schriftlichen Hinweises des Senats auf seine Mitwirkungspflicht hat der Kläger weder genauer vorgetragen, wie sich dieser Betrag zusammensetzt, noch hat er Belege über entsprechende Ausgaben vorgelegt. Nachdem insoweit schon nicht substantiiert vorgetragen wurde, ist der Senat nicht verpflichtet, diesem Vortrag weiter nachzugehen (vgl. zu Mitwirkungsobliegenheiten der Beteiligten LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Februar 2007 L 7 SO 4267/05). Es war ihm mangels Mitwirkung des Klägers insbesondere auch nicht möglich, eine ernährungsmedizinisches Gutachten auf der Grundlage seiner Angaben einzuholen, um zu ermitteln, ob im vorliegenden Einzelfall die dargelegte Ernährung, soweit sie ärztlich verordnet wurde und den geltend gemachten Mehraufwand bedingt, im Hinblick auf seine Erkrankung erforderlich ist.

Es kommt schließlich nicht darauf an, ob, was der Kläger sinngemäß geltend macht, in anderen Fällen allein aufgrund der Erkrankung an Hepatitis C - ohne Einzelfallprüfung - ein Mehrbedarf von der Beklagten oder anderen Trägern der Grundsicherung gewährt wird, da es sich bei der begehrten Leistung um keine im Ermessen der Behörde stehende handelt. Der Gleichheitssatz verleiht dagegen keinen Anspruch auf Wiederholung eines rechtswidrigen Verwaltungshandelns ("Gleichheit im Unrecht"), weil eine durch rechtswidrige Verwaltungsübung erzeugte Pflicht der Verwaltung zu weiterem rechtswidrigen Handeln dem Vorrang des Gesetzes zuwiderlaufen würde (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1969, BVerwGE 34, 278 ff. 282 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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