S 35 SO 27/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 SO 27/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Der Bescheid vom 10.02.2003 und der Widerspruchs- bescheid vom 08.08.2007 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergericht- lichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - um die Rückforderung von gewährter Sozialhilfe.

Der Kläger erhielt von der Beklagten seit Januar 1997 Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz ohne Anrechnung von Einkommen.

Unter dem 11. November 2002 teilte die Bundesanstalt für Arbeit der Beklagten mit, der Kläger sei nach den Feststellungen der Steuerfahndung E als Spendensammler für den G-Verein e.V. tätig. Dabei habe der Kläger für seine Spendentätigkeit eine Provision in Höhe von 40 % der gesammelten Spenden erhalten. In der Zeit vom 06.01.1999 bis zum 22.12.1999 habe er 31.167,- DM, in der Zeit vom 25.01.2000 bis zum 16.11.2000 27.086,- DM, in der Zeit vom 11.05.2001 bis zum 20.12.2001 23.270,- DM und in der Zeit vom 08.01.2002 bis 23.07.2002 10.476,- Euro erhalten.

Unter dem 15.11.2002 forderte die Beklagte den Kläger auf, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Gleichzeitig stellte die Beklagte ab dem 01.12.2001 den Bezug von Sozialhilfe ein.

Der Kläger legte daraufhin eine Bescheinigung des G-Pflegevereins e.V. vor, nach der er für die Zeit vom 01.08. bis zum 30.11.2002 nur eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 470,40 Euro erhalten habe.

Unter dem 10.02.2003 erteilte die Beklagte einen Rücknahmebescheid, den sie auf § 45 SGB X stützte. Der Bescheid bezieht sich auf den Zeitraum von Februar 1999 bis November 2002. Mit ihm werden 27.725,67 Euro zurückgefordert.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2007 zurückwies. Die Beklagte führte darin aus, die Bescheinigung des G-Vereins sei eine reine Gefälligkeitsbescheinigung. Der Kläger habe offensichtlich über den gesamten Zeitraum zu Unrecht Leistungen bezogen. Allerdings reduzierte die Beklagte im Widerspruchsbescheid den Rückforderungsbetrag auf 17.935,49 Euro und nahm Bezug auf eine Aufstellung der im fraglichen Zeitraum gewährten Sozialhilfe, die dem Bescheid offensichtlich beigefügt war.

Hiergegen richtet sich die am 05. September 2007 bei Gericht eingegangene Klage, mit der der Kläger darauf hinweist, dass ein Steuerstrafverfahren gegen ihn eingestellt worden sei und dass nicht belegt sei, dass er die von der Beklagten behaupteten Einnahmen gehabt hätte.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2007 aufzuheben.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann vorliegend durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) entscheiden, denn der Sachverhalt erweist sich für eine Entscheidung als ausreichend aufgeklärt und die dem Verfahren zugrunde liegenden Rechtsfragen sind einfacher Natur. Im Übrigen haben die Beteiligten einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid zugestimmt.

Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, denn die Bescheide erweisen sich als rechtswidrig.

1. Die Bescheide sind bereits formell rechtswidrig.

Nach § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, der auf das inzwischen außer Kraft getretene Bundessozialhilfegesetz - BSHG - anwendbar war, bzw. nach § 33 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, der jetzt für das Recht der Sozialhilfe gilt, muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Bei dieser inhaltlichen Bestimmtheit handelt es sich um eine Voraussetzung für die materielle Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes. Aus dem Verwaltungsakt muss klar hervorgehen, was die Behörde verfügt hat, was seinem Empfänger zugebilligt und was ihm auferlegt wird.

Die angefochtenen Bescheide sind jedoch inhaltlich zu unbestimmt. Mangels Heilbarkeit dieser Rechtmäßigkeitsvoraussetzung sind sie deshalb rechtswidrig und aufzuheben (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2006, Az.: L 20 SO 20/06, www.sozialgerichtsbarkeit. de). Um inhaltlich hinreichend bestimmt zu sein, muss zu allererst der Verfügungssatz eines Rücknahmebescheides so präzise wie möglich klarstellen, was geregelt wird. Deshalb ist zu erklären, welcher Verwaltungsakt mit Wirkung zu welchem genauen Zeitpunkt zurückgenommen wird (LSG a.a.O.). Mit dem Bescheid vom 10.12.2003 wird lediglich geregelt, dass eine Rückforderung in Höhe von 27.725,67 Euro bestehen soll. Darüber hinaus wird in dem Bescheid bestimmt, dass diese Summe für den Zeitraum von Februar 1999 bis November 2002 zurückgefordert wird. Der Bescheid bestimmt jedoch nicht, welche Verwaltungsakte aufgehoben werden. Insoweit enthält der Bescheid schon keinen den Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage des § 45 SGB X entsprechenden Verfügungssatz.

Selbst wenn man die dem Bescheid anheftende Aufstellung über die Zahlung von Sozialhilfe als Bestandteil des Bescheides berücksichtigen würde, erschließt sich dem Leser des Bescheides nicht, welche Bescheide konkret aufgehoben werden. Die Beklagte listet lediglich auf, welche Leistungen zugeflossen sind und fordert diese Leistungen pauschal zurück. Dies ist jedoch nach der oben zitierten Rechtsprechung nicht zulässig (LSG a.a.O.). Dieser Mangel wird im Widerspruchsbescheid nicht behoben. Dem Widerspruchsbescheid ist lediglich eine Liste mit einer Gegenüberstellung von mutmaßlichen Einnahmen des Klägers und Sozialhilfeleistungen angefügt. Die Aufhebung konkreter Bewilligungsbescheide wird im Widerspruchsbescheid nicht ausgesprochen.

2. Unabhängig davon sind aber auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide nicht gegeben. Nach § 45 SGB X kann ein rechtswidrig begünstigender Bescheid zurückgenommen werden. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides ist von der Beklagten zu beweisen, weil sie sich auf diese Ermächtigungsgrundlage beruft. Die Beklagte hat nach Aktenlage nicht bewiesen, dass im hier fraglichen Zeitraum der Kläger zu Unrecht Leistungen bezogen hat, weil er Einnahmen aus seiner Spendentätigkeit hatte. Ein entsprechendes Strafverfahren gegen den Kläger ist nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt worden. Der G-Verein e.V. hat schriftlich bestätigt, dass der Kläger keine Zahlungen erhalten hat. Die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kontoauszüge über den fraglichen Zeitraum lassen nicht einmal im Ansatz erkennen, dass der Kläger Zahlungen in der vom Beklagten behaupteten Höhe erhalten hat. Wenn überhaupt, lässt sich aus den Kontoauszügen lediglich darauf schließen, dass der Kläger die von ihm behauptete Aufwandsentschädigung erhalten hat. Zwar wäre eine solche Aufwandsentschädigung, wenn sie über den tatsächlichen Aufwand des Klägers pauschal hinausgeht, möglicherweise auch Einkommen im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes und damit anrechnungsfähig und einer Rückforderung zugänglich. Eine Rückforderung durch die anfefochtenen Bescheide scheitert jedoch an den o.g. formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG
Rechtskraft
Aus
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