L 12 AS 3486/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 4836/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3486/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Lebensversicherungen können nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II geschütztes Vermögen sein, ein vertraglicher Verwertungsausschluss ist insoweit nicht erforderlich (entgegen LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Januar 2008 - L 3 AS 88/06). Die Höchstgrenzen des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II sind auf das privilegierte Altersvorsorgevermögen nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht zu übertragen.
Die Bestimmung des ""angemessenen Umfangs"" erfolgt in Anlehnung an das dem Standardrentner zur Verfügung stehende Altersvorsorgevermögen. Vorhandene Renten- oder Versorgungsanwartschaften des Hilfebedürftigen sind dabei anzurechnen.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2007.

Der 1959 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Architektur und als solcher seit Januar 1999 Mitglied im Versorgungswerk der Architektenkammer B.-W ... Er ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) von der Rentenversicherungspflicht mit Wirkung ab 1. September 1999 befreit (Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 3. Februar 2000). Der Kläger bezog bis Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe und ab 1. Januar 2005 bis 30. November 2006 - abgesehen von dem Bezug von Übergangsgeld in Zeit vom 10. März bis 19. Mai 2005 - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Vom 1. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 sowie vom 1. Oktober 2007 bis 31. Oktober 2008 war der Kläger als Bauleiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1. November 2008 bezieht er Arbeitslosengeld.

Am 1. Juni 2007 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Hierbei gab er als Vermögen an Bargeld in Höhe von ungefähr 400,- EUR, Guthaben auf einem Girokonto in Höhe von 390,83 EUR, ein Sparbuch bei der Postbank mit einem Guthaben von 2.196,68 EUR, eine Lebensversicherung bei der H.-C. Lebensversicherung AG (Versicherungssumme 55.296,- DM / 28.2272,40 EUR) mit einem Rückkaufswert zum 1. September 2006 von 11.430,- EUR und eine weitere Lebensversicherung bei der H.-G. Lebensversicherung AG (Versicherungssumme 12.613,- EUR) mit einem Rückkaufswert zum 30. November 2006 von 9.247,20 EUR. Beide Versicherungen dienten seiner Alterssicherung. Über Einkommen verfüge er - abgesehen von den Zinsen für das Sparbuch (im Jahr 2006 10,93 EUR) - nicht.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 23.664,71 EUR übersteige die Grundfreibeträge von 7.950,- EUR. Da die Verfügbarkeit des Altersvorsorgevermögens bereits jetzt gegeben sei, zähle es nicht als Altersvorsorgevermögen, sondern als sonstiges Vermögen. Der Kläger sei daher nicht hilfebedürftig und habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit seinem Widerspruch vom 5. Juli 2007 machte der Kläger geltend, die Lebensversicherungen dienten seiner Altersvorsorge. Er sei von der Rentenversicherungspflicht befreit, weswegen die Lebensversicherungen nicht berücksichtigt werden dürften.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, der Kläger verfüge über Vermögen von insgesamt 23.664,71 EUR. Nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II seien als Vermögen nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sei. Fraglich sei bereits, ob in Anbetracht der dem Kläger bei seinem Versorgungswerk zustehenden rentenähnlichen Rentenanwartschaft überhaupt noch Raum für eine zusätzliche Privilegierung gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II bestehe. Dies habe die Beklagte zugunsten des Klägers bejaht, als angemessen könne jedoch Altersvorsorgevermögen höchstens bis zur Grenze des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II anerkannt werden, somit bis zur Höhe von 11.750,- EUR. Ziehe man diesen Betrag vom vorhandenen Vermögen ab, verbleibe ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 11.914,71 EUR. Ziehe man hiervon den Grundfreibetrag gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Höhe von 7.050,- EUR (47 x 150) ab sowie den Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,- EUR, übersteige das zu berücksichtigende Vermögen die Freibeträge noch um über 4.000,- EUR, so dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II mangels Hilfebedürftigkeit nicht gegeben sei.

Mit seiner am 4. Oktober 2007 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Mit Urteil vom 16. Juni 2008 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab Antragstellung zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Kläger sei hilfebedürftig, die beiden Lebensversicherungen seien nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II als Schonvermögen nicht zu berücksichtigen. Der Kläger sei nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit und habe bereits anlässlich eines 2004 gestellten Antrags auf Leistungen nach dem SGB II und seitdem unverändert erklärt, seine beiden Lebensversicherungen dienten seiner Alterssicherung. Darin sei eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Altersvorsorgebestimmung zu sehen. Beide Lebensversicherungen hielten sich auch im vollen Umfang ihres Rückkaufswertes im Rahmen des Angemessenen. In Anlehnung an die Grundsätze, die vom Bundessozialgericht (BSG) zum früheren Arbeitslosenhilferecht für die dort relevante Frage nach der Angemessenheit einer zusätzlichen Alterssicherung entwickelt worden seien (unter Hinweis auf BSG SozR 3-4220 § 6 Nr. 6 = BSGE 83, 88), sei naheliegend, zur Bestimmung der Angemessenheit jedenfalls ein der Standardrente entsprechendes Vermögen anrechnungsfrei zu belassen und dabei die durchschnittliche Lebenserwartung zugrunde zu legen, welche einen Zeitraum von knapp 17 Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres umfasse. Der Wert der Standardrente belaufe sich ab 1. Juli 2007 auf 1.182,15 EUR. Hochgerechnet auf 17 Jahre ergebe sich daraus ein Kapitalbedarf bei Eintritt in den Ruhestand von 241.158,60 EUR. Da eine Altersvorsorge während des Berufslebens in der Regel erst allmählich aufgebaut werde, sei ab Vollendung des 20. Lebensjahres für jedes weitere Lebensjahr 1/45 dieser Summe als angemessenes Altersvorsorgevermögen unberücksichtigt zu lassen, für den bei Antragstellung 47jährigen Kläger somit eine Summe von 144.695,16 EUR. Da die Renten aus Anwartschaften im Versorgungswerk der Architektenkammer und bei der Deutschen Rentenversicherung Bund - zusammen in Höhe von 590,53 EUR monatlich - in den pauschaliert betrachteten 17 Jahren ebenfalls zur Verfügung stünden, seien sie zu berücksichtigen. Hochgerechnet auf 17 Jahre ergebe sich hieraus ein Betrag von 120.468,12 EUR. Werde dieser von dem oben ermittelten Ausgangsbetrag von 144.695,16 EUR in Abzug gebracht, verbleibe ein Restbetrag von 24.227,04 EUR, der im Fall des Klägers als angemessenes Altersvorsorgevermögen anzusehen sei.

Der Auffassung der Beklagten, die sich aus § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ergebende Begrenzung auch im Rahmen des Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 heranzuziehen und das als angemessen anzusehende Vermögen auf 11.750,- EUR zu begrenzen, könne nicht gefolgt werden. Dagegen sprächen Wortlaut, systematische Erwägungen und Sinn und Zweck. Das in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II geregelte Vermögen könne von Hilfebedürftigen abgesetzt werden, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert seien und geldwerte Ansprüche neben und zusätzlich zu ihren Anwartschaften in diese Versicherung erworben hätten. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II privilegiere dagegen Hilfebedürftige, die gerade nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert seien. Wenn und soweit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in berufsständischen Versorgungseinrichtungen bestünden, sei dem durch die Anrechnung bei der Ermittlung des Kapitalbedarfs in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Da die übrigen Vermögensgegenstände den sich aus § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Grundfreibetrag von 7.050,- EUR nicht überschritten, liege insgesamt kein zu berücksichtigendes Vermögen vor, der Kläger verfüge auch über kein Einkommen. Gegen das ihr am 23. Juni 2008 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 23. Juli 2008 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits Anwartschaften im Versorgungswerk der Architektenkammer und der Deutschen Rentenversicherung Bund auf eine monatliche Rente in Höhe von insgesamt 590,53 EUR erworben habe. Zudem sei die Verwertung der Lebensversicherungen vor Eintritt in das Rentenalter vertraglich nicht unwiderruflich ausgeschlossen. Gemäß § 165 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) dürfe der Wert der vom Ausschluss betroffenen Ansprüche die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bestimmten Beträge nicht übersteigen. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte nach wie vor der Auffassung, dass das als angemessen anzusehende Vermögen auf 11.750,- EUR zu begrenzen sei. Der Kläger sei mithin nicht hilfebedürftig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Juni 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, dass die Lebensversicherungen nicht als Vermögen zu berücksichtigen seien. Darüber hinaus hat er im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit ab 1. Oktober 2007 klargestellt, dass es ihm allein noch um die Leistungsgewährung für den Zeitraum 1. Juni bis 30. September 2007 geht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Klageakte des SG, die Senatsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Streitgegenstand ist allein der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2007. Der Kläger hat - nach Hinweis der Beklagten auf seine Berufstätigkeit ab 1. Oktober 2007 und den Bezug von Arbeitslosengeld ab 1. November 2008 - seine Klage auf diesen Zeitraum beschränkt. Der Sache nach liegt darin eine teilweise Klagerücknahme, wodurch das Urteil des SG für den Zeitraum ab 1. Oktober 2007 gegenstandslos geworden ist. Nicht streitig sind ferner Leistungen für Unterkunft und Heizung, da hierfür allein der kommunale Träger zuständig ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), dessen Bescheide nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sowie statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist indes nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zutreffend verurteilt, dem Kläger dem Grunde nach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im hier noch streitigen Zeitraum zu gewähren.

Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach haben Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Der zu Beginn des streitigen Zeitraums 47-jährige Kläger ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist auch hilfebedürftig. Hilfebedürftig ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allen nicht (1.) durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Über Einkommen (§ 11 SGB II) verfügt der Kläger im streitigen Zeitraum nicht. Es liegt auch kein zu berücksichtigendes Vermögen vor.

Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Grundsätzlich sind alle Vermögensgegenstände des Klägers verwertbar, insbesondere besteht auch kein vertraglicher Verwertungsausschluss für die Lebensversicherungen für die Zeit vor Eintritt in den Ruhestand. Die Lebensversicherungen sind jedoch gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen, d.h. sie sind als Schonvermögen bei der Ermittlung des Wertes des Vermögens nicht mit einzubeziehen. Nach dieser Vorschrift sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Der Kläger ist seit September 1999 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Er hat auch als Inhaber der Lebensversicherungen diese als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet. Erforderlich ist insoweit, dass die Vermögensgegenstände durch den Hilfebedürftigen subjektiv zur Altersvorsorge bestimmt sind und auch die objektiven Begleitumstände mit dieser Zweckbestimmung in Einklang stehen, die Zweckbestimmung daher glaubhaft ist (vgl. BSG SozR 3-4220 § 6 Nr. 6 = BSGE 83, 88, 91 zu § 6 Arbeitslosenhilfeverordnung 1974; BSG SozR 4-4300 § 193 Nr. 5; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12 Rdnr. 183; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 12 Rdnr. 66). Der Kläger hat bereits bei seiner ersten Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II im Oktober 2004 und seither durchgehend angegeben, die Lebensversicherungen dienten seiner Alterssicherung. Diese subjektive Zweckbestimmung wird auch durch die objektiven Begleitumstände gestützt. Hierfür spricht insbesondere die Wahl der Anlageform als Lebensversicherung (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 31. Januar 2003 - L 10 AL 102/01 - (juris)) und die langen Laufzeiten bis 1. September 2020 (H.-C.) bzw. 1. Dezember 2024 (H.-G.). Der Formulierung "vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände" ist zu entnehmen, dass gegenüber § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II eine spezielle Anlageform nicht vorgeschrieben ist (vgl. Hänlein in Gagel, SGB II, § 12 Rdnr. 46; Mecke in Eicher/Spellbrink, a.a.O., Rdnr. 67). Insoweit führt der Hinweis der Beklagten auf eine fehlende vertragliche Vereinbarung, die eine Verwertung der Anlage vor dem Eintritt in den Ruhestand ausschließt, nicht weiter. Denn das Gesetz verlangt dies in § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II im Gegensatz zu § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II gerade nicht (a.A. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Januar 2008 - L 3 AS 88/06 - bezüglich der analogen Anwendung der Privilegierungsvorschrift des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 auf Personen, die als selbstständig Erwerbstätige von vornherein nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen - Revision anhängig - B 14 AS 35/08 R -).

Entgegen der Auffassung der Beklagten halten sich die vorhandenen Lebensversicherungen auch noch in dem von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II geforderten angemessenen Umfang. Da der Wortlaut, wie das SG zutreffend festgestellt hat, keine Kriterien für die Bemessung der Angemessenheit hergibt, können unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift die vom BSG entwickelten Grundsätze zur Frage der Angemessenheit einer zusätzlichen Alterssicherung im Arbeitslosenhilferecht herangezogen werden. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II soll das zur Altersvorsorge aufgebaute Vermögen derjenigen schützen, die im Grunde der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, jedoch insbesondere aus Gründen der anderweitigen Vorsorge für das Alter von der Versicherungspflicht befreit worden sind; insoweit handelt es sich um eine Ergänzung zur Privilegierung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 68/06 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Im Urteil vom 22. Oktober 1998 (SozR 3-4220 § 6 Nr. 6 = BSGE 83, 88) hat das BSG als angemessene zusätzliche Alterssicherung typisierend einen Betrag angesehen, der 3/7 der Standardrente der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Es ist dabei davon ausgegangen, dass die Standardrente den Lebensstandard des Versicherten zu etwa 70 v.H. sichere, so dass es angemessen sei, wenn ihm zusätzlich ein Betrag zur Alterssicherung zur Verfügung stehe, der eine Lebensstandardsicherung bis zu 100 v.H. ermögliche.

Betreffend das SGB II soll sich die Angemessenheit nach der Vorstellung des Gesetzgebers jeweils nach der aktuellen Lebenssituation des Bezuges einer staatlichen Fürsorgeleistung und nicht nach vorherigem Lebenszuschnitt richten (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 53). Insoweit erscheint es gerechtfertigt, zur Bestimmung der Angemessenheit jedenfalls ein der Standardrente (Regelaltersrente eines Durchschnittsverdieners) aus der gesetzlichen Alterssicherung entsprechendes Vermögen unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Lebenserwartung anrechnungsfrei zu belassen (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 12 Rdnr. 68; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O., § 12 Rdnr. 192; Radüge in jurisPK SGB II, § 12 Rdnr. 102). Unter Rückgriff auf die Überlegungen des BSG im genannten Urteil ist daher vom voraussichtlichen Bedarf im Alter auszugehen, wobei entsprechend der durchschnittlichen Lebenserwartung von einem Zeitraum von knapp 17 Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres ausgegangen werden kann, in dem der Lebensunterhalt durch den Verbrauch des angesammelten Kapitals zu decken ist. Hinsichtlich der Höhe des monatlichen Kapitalverbrauchs kann insoweit an den Wert der aktuellen Standardrente angeknüpft werden. Diese entspricht dem Wert der Rente eines Versicherten, der über 45 Jahre Beiträge aufgrund eines Entgelts gezahlt hat, das dem des durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmers entspricht (§ 68 SGB VI). Die insoweit maßgeblichen 45 Entgeltpunkte (§ 70 SGB VI) sind mit dem zum 1. Juli eines jeden Jahres zu aktualisierenden Rentenwert (§ 69 SGB VI) zu multiplizieren.

Da der hier maßgebende Leistungszeitraum mit dem 1. Juni 2007 beginnt, ist noch der aktuelle Rentenwert 2006 zu berücksichtigen. Dieser belief sich, da die Rentenanpassung zum 1. Juli 2006 ausgesetzt worden war (vgl. Gesetz über die Aussetzung der Anpassung der Renten zum 1. Juli 2006) auf 26,13 EUR (West) entsprechend dem ab 1. Juli 2005 geltenden Betrag (§ 1 Abs. 1 Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Alterssicherung der Landwirte zum 1. Juli 2005). Unter Berücksichtigung des maßgeblichen Rentenwerts von 26,13 EUR ergibt sich eine monatliche Standardrente von 1.175,85 EUR. Hochgerechnet auf 17 Jahre ergibt sich hierauf ein Kapitalbedarf bei Eintritt in den Ruhestand von 239.873,40 EUR. Da eine Altersvorsorge während des Berufslebens in der Regel erst allmählich aufgebaut wird, kann analog § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ab Vollendung des 20. Lebensjahres für jedes weitere Lebensjahr 1/45 dieser Summe als angemessenes Altersvorsorgevermögen unberücksichtigt bleiben (so überzeugend Mecke in Eicher/Spellbrink, a.a.O. § 12 Rdnr. 68). Für den zu Beginn des streitigen Zeitraums 47-jährigen Kläger ist somit eine Summe von 143.924,04 EUR (27: 45 x 239.873,40 EUR) als angemessenes Altersvorsorgevermögen anzusehen.

Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass die vorhandenen Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund und dem Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit zu berücksichtigen sind. Nach den vom Kläger vor dem SG vorgelegten Unterlagen beträgt die Rentenanwartschaft im Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg 272,23 EUR und bei der Deutschen Rentenversicherung Bund 318,30 EUR, insgesamt somit 590,53 EUR. Auch diese Renten stehen dem Kläger in pauschaliert 17 Jahren zur Verfügung, so dass sie bei der Ermittlung des angemessenen Altersvorsorgevermögens zu berücksichtigen sind (vgl. Brühl in LPK SGB II, a.a.O., § 12 Rdnr. 40; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O., § 12 Rdnr. 192). Hochgerechnet auf 17 Jahre ergeben die Anwartschaften von 590,53 EUR einen Betrag von 120.468,12 EUR. Im Hinblick auf den ermittelten Gesamtbedarf von 143.924,04 EUR verbleibt ein Restbedarf zur Alterssicherung von 23.455,92 EUR, welcher hier konkret als angemessenes Altersvorsorgevermögen anzusehen ist. Diesen Wert erreichen die beiden Lebensversicherungen des Klägers nicht. Die Rückkaufswerte belaufen sich auf 11.430 EUR (Stand 1. September 2006) bzw. 9.247,20 EUR (Stand 30. November 2006), insgesamt somit 20.677,20 EUR. Diese Werte erhöhen sich zum 1. September 2007 auf 12.371 EUR und zum 1. Dezember 2007 auf 9.529,86 EUR, insgesamt somit 21.900,86 EUR. Die Lebensversicherungen sind daher insgesamt während des gesamten noch streitigen Zeitraums als angemessenes Altersvorsorgevermögen geschützt und nicht zu berücksichtigen.

Soweit die Beklagte auch im Berufungsverfahren die Auffassung vertritt, das als angemessen anzusehende Vermögen sei unter Anwendung der in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II geltenden Grenzen auf 11.750,- EUR zu beschränken, kann dem nicht gefolgt werden. In der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung bestimmt § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, dass vom Vermögen abzusetzen sind geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250,- EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 16.250,- EUR nicht übersteigt. Sowohl Wortlaut als auch systematische Erwägungen sprechen klar gegen eine Übertragung der in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II geregelten Höchstgrenzen auf § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Im Übrigen sprechen auch die Ausführungen des BSG zur Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II im Hinblick auf die Privilegierung des für die Altersvorsorge bestimmten Vermögens eines von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung Befreiten gegenüber sonstigen Sicherungsformen von Personen, die niemals der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlagen (BSG, Urteil vom 15. April 2008, a.a.O.), dagegen, die Begrenzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II zu übertragen. Teilte das BSG die Auffassung der Beklagten, wären die in der genannten Entscheidung getätigten Erwägungen zu einem möglichen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz wegen der Privilegierung der von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht Befreiten in dieser Form nicht erforderlich gewesen. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum sich aus § 165 Abs. 3 VVG eine Anwendung der in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bestimmten Beträge auf § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II ergeben sollte. Auch aus der von der Beklagten wiederholt zitierten Literatur ergibt sich dies nicht. Hänlein (in Gagel, a.a.O., § 12 Rdnr. 98) bezieht sich ausdrücklich auf die Berechnung der Freibeträge nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II. In der dortigen Kommentierung zu § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II (a.a.O., Rdnr. 44-47) findet sich kein Hinweis, welcher die Rechtsauffassung der Beklagten stützen könnte.

Von den verbleibenden Vermögensgegenständen des Klägers (Bargeld 400,- EUR, Girokonto-Guthaben 390,83 EUR, Sparbuch-Guthaben 2.196,68 EUR) ist schließlich noch der Grundfreibetrag gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 150,- EUR je vollendeten Lebensjahres des volljährigen Hilfebedürftigen, somit 7.050,- EUR abzusetzen. Da die vorhandenen Vermögenswerte unter diesem Freibetrag liegen, ist insgesamt kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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