L 6 P 463/05

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 16 P 2451/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 P 463/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 17. März 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 7. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2003 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Geldleistungen entsprechend der Pflegestufe II ab dem 1. September 2002 streitig.

Der 1979 geborene Kläger bezog seit dem 21. Oktober 1991 Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit nach § 57 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 31. März 1995 gültigen Fassung (SGB V (a.F.)). Dem zu Grunde lag ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 26. November 1991. Dort wird als Hauptdiagnose ein frühkindlicher Hirnschaden mit autistischen Zügen und deutlichen mentalen Defekten, als Nebendiagnose ein chronisches Ekzem genannt. Der festgestellte Pflegebedarf begründe allein nicht Schwerpflegebedürftigkeit. Wegen des hohen Kontroll- und Beaufsichtigungsaufwandes über den gesamten Tag werde die Anerkennung der Schwerpflegebedürftigkeit jedoch befürwortet.

Aufgrund einer Nachuntersuchung bestätigte der MDK in dem Gutachten vom 13. Oktober 1993 das Vorliegen von Schwerpflegebedürftigkeit. Der Besuch sei am 5. Oktober 1993 in der Förderschule erfolgt. Der Kläger habe im Vergleich zum Vorgutachten weitere lebenspraktische Fertigkeit erlernt, die er jedoch nicht zielgerichtet und folgerichtig selbstständig durchführe. Im Bereich der Mobilität sei er nicht eingeschränkt, wobei er etwas verlangsamt wirke. Außer Haus sei er hochgradig unsicher und selbstgefährdend. Täglich wiederkehrende Hygieneverrichtungen habe er erlernt, er müsse dazu jedoch regelmäßig aufgefordert und angehalten werden, insbesondere zum Verrichten der Notdurft, obwohl keinerlei Unsauberkeiten nachweisbar seien. Auch das An- und Auskleiden habe er erlernt, wobei er jedoch nicht in der Lage sei, eine Auswahl von Kleidungsstücken in der häuslichen Umgebung selbstständig zu treffen. Er benötige bereitstellende und kontrollierende Hilfen. Hauswirtschaftliche Versorgungen bewältige er nicht. Bei Aufforderung sei er willig und in der Lage, bestimmte einfache Tätigkeiten unter Anleitung zu verrichten.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab November 1993 befristet bis zum 31. Dezember 1996 Geldleistungen anstelle der Kosten für häusliche Pflegehilfe in Höhe von 400,00 DM monatlich. Mit Bescheid vom 29. März 1995 bewilligte die Beklagte ihm ab dem 1. April 1995 Pflegegeld in Höhe von 800,00 DM monatlich nach der Pflegestufe II.

Mit Gutachten vom 12. Februar 1997 stellte der MDK Thüringen e.V. wiederum das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit entsprechend der Pflegestufe II seit Dezember 1996 fest. Im Bereich der Grundpflege bestehe Hilfebedarf in einem zeitlichen Umfang von 135 Minuten täglich (Körperpflege: 70 Minuten, Ernährung: 20 Minuten, Mobilität: 45 Minuten), im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung im Umfang von 420 Minuten wöchentlich. Gegenüber dem Vorgutachten vom 14. Oktober 1993 habe sich insgesamt keine gravierende Verbesserung der Situation ergeben. Ein zusätzlicher Pflegebedarf sei durch das Rasieren hinzukommen. Der Kläger führe die meisten Verrichtungen des täglichen Lebens nur unter Anleitung durch, die korrekte Durchführung müsse immer wieder kontrolliert werden. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe II seien weiterhin erfüllt.

Auf Veranlassung der Beklagten erfolgte am 9. April 2002 erneut eine Begutachtung durch den MDK. Mit Gutachten vom 24. April 2002 stellte Dr. R. einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 46 Minuten (Körperpflege: 28 Minuten, Ernährung: 8 Minuten, Mobilität: 10 Minuten), im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten täglich fest. Seit der Vorbegutachtung habe der Kläger unter konsequenter Förderung in der Schule und im häuslichen Umfeld im lebenspraktischen Bereich Entwicklungsfortschritte erlangen können, er sei lediglich noch auf Aufforderung, Motivation, verbale Anleitung und Unterstützung bei der Körperpflege, der Nahrungszubereitung und beim Wäschewechsel angewiesen. Er benötige allgemeine Beaufsichtigung außerhalb pflegestufenrelevanter Verrichtungen zur Vermeidung von Gefahrensituationen und Fehlhandlungen sowie volle hauswirtschaftlichen Versorgung.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2002 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 28. März 1995 mit Wirkung ab dem 1. Juli 2002 und Zahlung von Leistungen entsprechend der Pflegestufe I an. Nach der Äußerung des Klägers und Überreichung eines Pflegetagebuchs für die Zeit vom 8. bis zum 13. Mai 2002 holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK vom 26. Juli 2002 ein. Danach besteht im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von 74 Minuten (Körperpflege: 49 Minuten, Ernährung: 8 Minuten, Mobilität: 17 Minuten), im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ein Hilfebedarf von 60 Minuten täglich.

Mit Bescheid vom 7. August 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab dem 1. September 2002 erfolge die Umstufung von der Pflegestufe II in die Pflegestufe I. Mit weiterem Bescheid vom 7. August 2002 bewilligte sie ihm ab dem 1. September 2002 Pflegegeld in Höhe von 205,00 EUR monatlich. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2003 zurück. Der Verwaltungsakt sei nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Nach den Gutachten des MDK bestehe nur noch ein berücksichtigungsfähiger Hilfebedarf in der Grundpflege von 74 Minuten. Die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Pflegestufe II seien nicht mehr erfüllt.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht u.a. eine Stellungnahme der Diakonie-Verbund- Eisenach gem. GmbH (Im Folgenden: DVE) vom 5. Oktober 2004 sowie ein Pflegegutachten der Dr. H. vom 21. Oktober 2004 eingeholt. Danach besteht im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von 105 Minuten (Körperpflege: 83 Minuten, Ernährung: 8 Minuten, Mobilität: 12 Minuten), im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ein Hilfebedarf von 60 Minuten täglich. Der an Autismus leidende Kläger könne für seine Lebensführung selbst keine Verantwortung übernehmen. Der geistige Zustand könne mit dem eines Schulkindes in den unteren Klassen verglichen werden. Motorische Einschränkungen lägen nicht vor. Seine Alltagskompetenz sei durch das autistische Syndrom bei Oligophrenie unverändert schwer eingeschränkt. Die rein formale Ermittlung des Hilfebedarfs für die Grundpflege in den Bereichen der Hygiene, Ernährung und Mobilität erreiche mit 105 Minuten nur den untersten Bereich der tatsächlichen Hilfe. Der Hilfeumfang sei situationsbedingt in Form ständiger Beaufsichtigung und Betreuung bei den Verrichtungen des täglichen Lebens weitaus höher. Ohne Aufforderung und gezielte Anleitung und Überwachung würde der Kläger die Notwendigkeit der Verrichtungen nicht erkennen; er würde sie allein nicht zu Ende führen. Die Symptome des ausgeprägten autistischen Syndroms hätten seit 1991 zur Gewährung der Pflegestufe II geführt, mit der Begründung, dass der Pflegebedarf allein die Schwerpflegebedürftigkeit nicht begründe, sondern der sehr hohe Kontroll- und Beaufsichtigungsaufwand über den gesamten Tag. Dieser Hilfebedarf bestehe weiterhin, sodass sie den Kläger weiterhin auf Dauer als schwerpflegebedürftig einschätze. Nach Vorlage eines Gutachtens des MDK vom 22. November 2004 hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme der Dr. H. vom 4. Januar 2005 eingeholt.

Mit Urteil vom 17. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II lägen nicht mehr vor. Insoweit habe der MDK darauf hingewiesen, dass durch die konsequente Förderung im Bereich der Behindertenwerkstatt und der häuslichen Umgebung im lebenspraktischen Bereich Fortschritte erzielt worden seien.

Mit der Berufung trägt der Kläger vor, Dr. H. habe in ihrem Gutachten unter anderem festgestellt, dass keine Veränderung gegenüber den Vorgutachten zur Pflegestufe II festgestellt werden könne. Die Beklagte habe die Besonderheit der Erkrankung eines frühkindlichen Autismus nicht hinreichend gewürdigt. Diese liege darin, dass die Angehörigen den vielfältigen Verhaltensauffälligkeiten begegnen müssten, die im Alltag den Umgang nachhaltig erschwerten und ständige Aufsicht und Betreuung erforderlich machten. Einer Zurückstufung in die Pflegestufe I sei auch rechtlich durch Art. 45 Abs. 1 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) ausgeschlossen. Zudem habe die Beklagte keine wesentliche Änderung i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dargelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 17. März 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 7. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt ihrer angefochtenen Bescheide sowie die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils. Ergänzend führt sie aus, der Gesetzgeber habe den Aufwand, der sich durch die ständige Beobachtung und Beaufsichtigung ergebe, im Rahmen der Pflegeversicherung nicht berücksichtigt, soweit er mit den abschließenden Entscheidungskriterien des § 14 SGB XI nicht in Zusammenhang zu bringen sei. Autismus sei nicht heilbar, jedoch könne ein intensiver therapeutischer und erzieherischer Einsatz autistischen Menschen helfen, Kompensationsstrategien zu entwickeln. Diese i.V.m. einer intensiven Förderung könnten dazu beitragen, dass diese Menschen in die Lage versetzt würden, mit geringen Hilfen ein relativ selbstständiges Leben zu führen. Dies sei auch hier der Fall. Durch die konsequente Förderung in der Schule/Behindertenwerkstatt und im häuslichen Bereich seien wesentliche Fortschritte im lebenspraktischen Bereich erzielt worden, die zu einer Verringerung des Hilfebedarfs in der Grundpflege geführt hätten, mit der Folge, dass nunmehr nur noch die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorlägen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme der Dr. H. vom 23. März 2007 eingeholt. Danach bezieht sich ihre Einschätzung, dass der Kläger weiterhin schwerpflegebedürftig sei, darauf, dass keine inhaltliche Veränderung zu den Vorgutachten festgestellt werden konnte. Des Weiteren hat der Senat einen Bericht über die Entwicklung der lebenspraktischen Fähigkeiten der DVE vom 7. September 2007 beigezogen.

Im Erörterungstermin am 19. Februar 2007 hatten die Beteiligten Gelegenheit, sich zur Sache mündlich zu äußern.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 7. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2003 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides vom 1. April 1995 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Aufgrund dessen sind dem Kläger Geldleistungen entsprechend der Pflegestufe II seit dem 1. September 2002 nachzuzahlen. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Bei der Prüfung, ob eine derartige Änderung eingetreten ist, ist bei Bescheiden, mit denen - wie hier - die Bewilligung von Leistungen der Pflegestufe II auf Grund von Art. 45 Abs. 1 PflegeVG erfolgte, für den Vergleichsmaßstab folgendes zu beachten: Nach Art. 45 Abs. 1 PflegeVG werden pflegebedürftige Versicherte, die bis zum 31. März 1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 bis 57 SGB V erhalten haben, mit Wirkung vom 1. April 1995 ohne Antragstellung in die Pflegestufe II eingestuft und erhalten Leistungen in dem entsprechenden Umfang. Mit dieser Regelung wurde vom Gesetzgeber in Kauf genommen, dass Versicherte in Einzelfällen zwar die gesetzlichen Voraussetzungen für die Pflegestufe II nicht erfüllen, aber dennoch die entsprechende Leistungen erhalten. Eine Herabstufung dieser Pflegebedürftigen wegen von Anfang an zu günstiger Einstufung kommt allerdings schon aus Rechtsgründen (partieller Bestandsschutz) nicht in Betracht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 13. März 2001 - Az.: B 3 P 20/00 R, nach juris). In dieser Entscheidung führt das BSG aus, der partielle Bestandsschutz mache § 48 SGB X nicht unanwendbar, er bewirke aber, dass Versicherte, die nach Art. 45 PflegeVG pauschal der Pflegestufe II zugeordnet worden seien, nur dann nach § 48 SGB X in die Pflegestufe I herabgestuft werden können, wenn sich der Pflegebedarf nach dem 31. März 1995 (also nicht schon zur Zeit der Geltung der §§ 53 ff SGB V a.F.) aufgrund tatsächlicher Umstände wie z. B. einer gesundheitlichen Besserung, durch Ausstattung mit Hilfsmitteln oder durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in solchem Maße verringert habe, dass nur noch ein Pflegebedarf in den sachlichen und zeitlichen Grenzen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB XI (Pflegestufe I) vorhanden sei. Eine Herabstufung sei bei gegenüber dem Zustand vom 31. März 1995 nach Art und Umfang unverändertem Hilfebedarf, also bei fehlender nachträglicher wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, ausgeschlossen. Eine Herabsetzung wegen von Anfang an zu günstiger Einstufung kommt aus Rechtsgründen daher nicht in Betracht. Die objektive Beweislast für eine wesentliche Änderung trägt die Beklagte.

Eine wesentliche Änderung i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist bezüglich des Hilfebedarfs des Klägers im Jahr 2002 gegenüber dem Hilfebedarf im März 1995 nach den vorliegenden Gutachten nicht eingetreten.

Bereits bei der ersten Untersuchung des Klägers stellte der MDK fest, dass der eigentliche Pflegebedarf allein keine Schwerpflegebedürftigkeit begründet. Die Gewährung von Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit wurde wegen des sehr hohen Kontroll- und Beaufsichtigungsaufwandes über den gesamten Tag befürwortet.

In dem Gutachten vom 13. Oktober 1993 stellte der MDK im Bereich der Mobilität und Motorik keinen Hilfebedarf des Klägers fest, im Bereich der Ernährung, in dem lediglich das Zubereiten und Aufnehmen der Nahrung berücksichtigt wurden, bestätigte der MDK einen häufigen Hilfebedarf bei der Zubereitung der Ernährung. Im Bereich der Hygiene, in dem der Hilfebedarf, beim Waschen, Duschen/Baden, Zahn-/Mundhygiene, Kämmen/Rasieren, Verrichten der Notdurft, beim An- und Auskleiden und bei den hauswirtschaftlichen Verrichtungen überprüft wurde, stellte der MDK einen häufigen Hilfebedarf beim Verrichten der Notdurft und bei den hauswirtschaftlichen Verrichtungen fest, bei den sonstigen Verrichtungen benötige der Kläger keine Hilfe. In der zusammenfassenden Beurteilung verweist der MDK darauf, dass der Kläger die täglich wiederkehrenden Hygieneverrichtungen sowie das An- Auskleiden - ohne eine Auswahl der Kleidungsstücke treffen zu können - erlernt habe. Er benötige jedoch bereitstellende und kontrollierende Hilfen. Zur Begründung der Befürwortung der Schwerpflegebedürftigkeit verweist der MDK darauf, dass der Kläger, obwohl er im Vergleich zum Vorgutachten weitere lebenspraktische Fertigkeiten erlernt habe, die er jedoch nicht zielgerichtet und folgerichtig selbstständig durchführe, immer wieder aufgefordert und angeleitet werden müsse. Insgesamt bedürfe er der häufigen Beaufsichtigung. Somit sei unter Wertung des Gesamtbetreuungsaufwandes Schwerpflegebedürftigkeit ebenfalls erreicht.

Im Unterschied zu den Vorgutachten wird in den Gutachten des MDK vom 24. April und 26. Juli 2002 nunmehr ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege bejaht. Nach dem zuletzt genannten Gutachten besteht Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Oberkörpers, beim Duschen, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren und beim Stuhlgang in einem Umfang von 49 Minuten täglich. Im Bereich der Ernährung bestätigte der MDK in beiden Gutachten einen Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung von acht Minuten täglich. Im Bereich der Mobilität stellte er einen Hilfebedarf von 10 Minuten täglich bzw. in dem Gutachten vom 26. Juli 2002 Hilfebedarf beim Aufstehen/Zubettgehen, Ankleiden gesamt, beim Ankleiden des Ober-/Unterkörpers, beim Entkleiden gesamt sowie beim Entkleiden des Ober-/Unterkörpers in einem Umfang von 17 Minuten täglich fest. Dr. R. äußert sich in dem Gutachten vom 24. April 2002 dahingehend, dass der Kläger seit der Vorbegutachtung unter konsequenter Förderung in der Schule und im häuslichen Umfeld im lebenspraktischen Bereich Entwicklungsfortschritte erlangen konnte und lediglich noch auf Aufforderung, Motivation, verbale Anleitung und Unterstützung bei der Körperpflege, der mundgerechten Nahrungszubereitung und beim Wäschewechsel angewiesen ist. Zweifelsfrei benötige er allgemeine Beaufsichtigung außerhalb pflegestufenrelevanter Verrichtungen zur Vermeidung von Gefahrensituationen und Fehlhandlungen sowie volle hauswirtschaftlichen Versorgung. Der ermittelte Pflegeaufwand entspreche nur noch grenzwertig den zeitlichen Kriterien der Pflegestufe I. Dies bestätigt die Gutachterin S. im Gutachten vom 26. Juli 2002.

Hieraus ergibt sich für den Senat, dass in den, im Jahr 2002 erstellten Gutachten der Hilfebedarf des Klägers nur anders - "richtig" - beurteilt wurde, in dem Sinne, dass der Hilfebedarf konkret bezüglich der einzelnen pflegerelevanten Verrichtungen geprüft wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stellt der allgemeine Aufsichts- und Betreuungsbedarf bei Behinderten außerhalb der pflegerelevanten Verrichtungen keinen berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf dar (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 P 5/04 R m.w.N., nach juris).

Hieraus lässt sich keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse herleiten. Wie bereits ausgeführt, hat der MDK bereits in dem Gutachten vom 13. Oktober 1993 festgestellt, dass der Kläger motorisch die täglich anfallenden Verrichtungen beherrsche, jedoch der Anleitung und Kontrolle über den gesamten Tag bedürfe.

Diese Einschätzung bestätigt auch Dr. H. in dem Gutachten vom 21. Oktober 2004 sowie der Bericht der DVE vom 7. September 2007. Dr. H. verweist darauf, dass die Symptome des ausgeprägten autistischen Syndroms bei dem Kläger seit 1991 zur Gewährung von Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit geführt haben mit der Begründung, dass der Pflegebedarf allein nicht die Schwerpflegebedürftigkeit begründe, sondern der sehr hohe Kontroll- und Beaufsichtigungsaufwand über den gesamten Tag. Dies ergebe sich auch aus den in den Jahren 1993 und 1997 erstellten Gutachten. Gegenüber den Vorgutachten könne keine Veränderung festgestellt werden. Dies bestätigt Dr. H. in ihren ergänzenden Stellungnahmen 5. Januar 2005 und vom 23. März 2007. Der Mitarbeiter der DVE, E., teilt in seiner Stellungnahme vom 7. September 2007 mit, dass der Kläger seit dem 1. September 2000 bis zum 31. August 2002 in einer beruflichen Bildungsmaßnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt war und seit dem 1. September 2002 im Arbeitsbereich der Eisenacher Werkstätten der DVE beschäftigt ist. Von einer Entwicklung seiner lebenspraktischen Fähigkeiten im Zeitraum seiner Ausbildungstätigkeit von April 2000 bis August 2002 könne nur insoweit gesprochen werden, als eine Orientierung an räumliche Gegebenheiten erfolgt sei. Jegliche weiteren lebenspraktischen Fähigkeiten habe er von Zuhause mitgebracht, eine Weiterentwicklung dieser Fähigkeiten habe in dem genannten Zeitraum nicht beobachtet werden können.

Mangels Vorliegens objektiver Anhaltspunkte für eine Weiterentwicklung der lebenspraktischen Fähigkeiten des Klägers im Jahr 2002 gegenüber den im Jahr 1995 vorhanden gewesenen Fähigkeiten, bedarf es hier keiner weiteren Prüfung, ob die zeitlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen entsprechend der Pflegstufe II vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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