L 34 AS 792/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 170 AS 10640/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 792/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2009 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2009 wendet, mit dem er verpflichtet wurde, vorläufig darlehensweise Mietschulden durch Zahlung von 3208,28 EUR zu übernehmen, ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§§ 172 und 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie ist auch begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO-).

Ein Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner beziehungsweise Beschwerdeführer ist nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann dahinstehen ob, wie das Sozialgericht angenommen hat, in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch ein Widerspruch zu sehen ist beziehungsweise ob, verneinendenfalls, ein Widerspruch beim Antragsgegner doch noch erhoben wurde. Sofern kein Widerspruch eingelegt wäre, wäre ein Anordnungsanspruch wegen der Bestandskraft (§ 77 SGG) des ablehnenden Bescheides vom 07. April 2009 bereits nicht gegeben. Dies kann jedoch offen bleiben, da bereits aus anderen Gründen ein Anspruch auf Mietschuldenübernahme nicht besteht.

Nach § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I 558) können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, Schulden auch übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Es droht zwar im Hinblick auf die für den 13. Mai 2009 angekündigte Räumung der Wohnung der Antragsteller Wohnungslosigkeit. Dies ist dann der Fall, wenn die bisher bewohnte Unterkunft gefährdet ist und eine andere Wohnung auf dem Markt nicht angemietet werden kann und deshalb eine Unterbringung nur in einer Not- oder Obdachlosenunterkunft in Betracht kommt (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 09. November 2005 - L 23 B 1029/05 SO ER - zu dem inhaltsgleichen § 34 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII -). Nach der telefonischen Auskunft des sozialpädagogischen Dienstes der Abteilung Jugend und Familie des Bezirksamtes Reinickendorf droht den Antragstellern die Unterbringung in einem Wohnheim, da der Bezirk Reinickendorf ein Familienobdach nicht mehr vorhält.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Darlehens sind jedoch nicht erfüllt, da die Schuldenübernahme nicht gerechtfertigt ist. Dies ist grundsätzlich dann nicht der Fall, wenn die zu sichernde Wohnung kostenmäßig nicht angemessen ist (vgl. Lang/Linke in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn. 109 m.w.N.) und/oder, wenn die Unterkunft aus anderen Gründen nicht gehalten werden kann. Beides ist hier gegeben.

Die Wohnung am W Damm ist zwar angemessen, wenn man davon ausgeht, dass es bei dem alten Betrag von 724,89 EUR bliebe und weiterhin sechs Personen in der Wohnung leben würden. Beides ist jedoch nicht gegeben. Entgegen der dem Sozialgericht gegebenen Auskunft würde es bei dem (erforderlichen) Neuabschluss des Mietvertrages für den Fall, dass die Mietschulden bezahlt würden, zu einer zwanzigprozentigen Erhöhung der Kaltmiete kommen, diese würde dann 420,84 EUR (350,70 EUR mal 20% = 70,14 EUR plus 350,70 EUR = 420,84 EUR) betragen. Zusammen mit den bisherigen Betriebskosten, Heizkosten und Zuschlägen ergäbe sich ein Gesamtbetrag von 795,03 EUR. Dies ergibt sich aus der telefonischen Auskunft der zuständigen Sachbearbeiterin der G, Frau S, vom 11. Mai 2009. Diese hat angegeben, dass bei Neuabschluss des Mietvertrages diese Erhöhung zwingend erforderlich sei, hiervon könne nicht abgesehen werden. Hinzu komme, dass bei einem Neuabschluss des Mietvertrages eine Kaution in Höhe einer dreifachen Kaltmiete gezahlt werden müsse. Der Bevollmächtigte der G, Herr Rechtsanwalt R, hat diesen Sachverhalt auf telefonische Nachfrage des Senats bestätigt.

Eine Miete in Höhe von 795,03 EUR wäre gemäß der Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und den §§ 29 und 34 SGB XII vom 10. Februar 2009 (AV-Wohnen) für sechs Personen bereits nur unter Berücksichtigung einer zehnprozentigen Überschreitung der angemessenen Mietkosten angemessen. Diese käme zwar möglicherweise auf Grund wesentlicher sozialer Bezüge (z.B. Schulweg von Kindern, Betreuungseinrichtungen, Kitas) hier in Betracht. Für fünf Personen wäre jedoch die Wohnung selbst unter Berücksichtigung eines zehnprozentigen Zuschlages nicht mehr angemessen. Nach der AV- Wohnen sind für fünf Personen Kosten in Höhe von 705 EUR angemessen. Dieser Wert dürfte nicht zu beanstanden sein (vgl. zu den angemessenen Kosten für einen Fünf-Personen Haushalt in Berlin Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Oktober 2008, Aktenzeichen L 28 B 1798/08 AS ER, dokumentiert in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin zu 2) tatsächlich, wie sich aus den vom Antragsgegner übersandten Vermerken über Vorsprachen bei ihm vom 10. März 2009 und 07. Mai 2009 ergibt, aus dem Haushalt der Antragstellerin zu 1) und des Antragstellers zu 6) ausgezogen ist oder nicht. Sie hat dies telefonisch gegenüber dem Senat am 11. Mai 2009 bestritten und angegeben, sie habe lediglich zweimal in der Woche bei einer Freundin übernachtet, habe jedoch ihre gesamten Sachen noch im Haushalt der Eltern und sei nicht ausgezogen. Dieser Sachverhalt lässt sich wegen der Kürze der dem Senat zur Verfügung stehenden Zeit auf Grund der für den 13. Mai 2009 angekündigten Räumung nicht klären. Selbst wenn die Antragstellerin zu 2) noch nicht ausgezogen sein sollte, so ist dieser Auszug beabsichtigt. Sie sucht bereits mit Hilfe des Jugendamtes eine eigene Wohnung. Angesichts der Tatsache, dass es nach Aktenlage bereits mehrfach zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Antragstellerin zu 2) und dem Antragsteller zu 6) gekommen ist, dürfte dieser Auszug aus dem Haushalt der Eltern auch notwendig sein. Dies bedeutet, dass die Wohnung für die Antragsteller zu 1) und 3) bis 6) in Kürze nicht mehr angemessen sein wird. Daraus ergibt sich bereits, dass es nicht gerechtfertigt ist, für eine solche Wohnung Mietschulden zu übernehmen. Hinzu kommt, dass bei Mietvertragsabschluss die Zahlung einer Kaution in Höhe von drei Monatsmieten erforderlich wäre. Ohne diese Kaution kann der erforderliche neue Mietvertragsschluss nach Auskunft der G nicht erfolgen. Da die Antragsteller nicht in der Lage sind, diese Kaution aufzubringen, und eine Kautionszahlung auch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, kann die Übernahme der Mietschulden nicht zur Sicherung des Wohnraumes führen.

Die Antragsteller sollten sich umgehend an den sozialpädagogischen Dienst der Abteilung Jugend und Familie des Bezirksamtes Reinickendorf (Telefon ) wenden, damit eine Vermittlung einer Wohnung im so genannten geschützten Marktsegment in die Wege geleitet werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG analog.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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