S 35 AS 164/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 164/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird - unter Abänderung des Bescheides vom 09.03.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2006 verurteilt, der Klägerin weitere 630,- Euro Wohnkosten für die Monate Februar 2006 bis Juli 2006 zu zahlen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergericht- lichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - um die Höhe der von der Beklagten zu übernehmenden Mietkosten im Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006.

Im August 2005 beantragten die Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 01.09.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.09.2005 bis zum 31.01.2006 Leistungen in Höhe von 762,89 Euro, darin enthalten Grundmiete in Höhe von 425,- Euro.

Mit Schreiben vom 31.08.2005 forderte die Beklagte die Klägeri auf, bis zum 31.01.2006 die Grundmiete auf maximal 320,- Euro zu senken.

Mit Bescheid vom 31.01.2006 bewilligte die Beklagte den Kläger dann für die Zeit vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006 nur noch Leistungen in Höhe von 657,89 Euro, davon 320,- Euro Kaltmiete und 90,- Euro Nebenkosten.

Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein.

Diesen Widerspruch nahmen die Kläger zurück, nachdem die Beklagte eine Neuberechnung und Neubescheidung zugesagt hatte.

Unter dem 09.03.2006 erteilte die Beklagte einen weiteren Bescheid über Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006 in Höhe von 820,70 Euro, darin enthalten eine Nettokaltmiete von 320,- Euro.

Hiergegen legten die Kläger erneut Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2006 als sachlich unbegründet zurückwies.

Hiergegen richtet sich die am 30. Juni 2006 bei Gericht eingegangene Klage mit der die Kläger vortragen, zu den Bedingungen der Beklagten sei eine Wohnung in Leverkusen nicht anmietbar.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006 weitere Mietkosten in Höhe von insgesamt 630,- Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass im fraglichen Zeitraum Wohnungen in Leverkusen für 320,- Euro Grundmiete anmietbar gewesen wären. Die Beklagte weist allerdings darauf hin, dass der Grundmietsatz für Leverkusen inzwischen auf 340,- Euro angehoben worden ist.

Das Gericht hat zur Sachverhaltsermittlung diverse Wohnungsbaugesellschaften angeschrieben und diese um Mitteilung gebeten, ob und in welcher Anzahl diese Wohnungsbaugesellschaften Wohnungen zu den Bedingungen der Beklagten anbieten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenständlich sind nunmehr allein die zu erstattenden Kosten für die Kaltmiete im Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006, soweit die Kaltmiete von der Beklagten nicht übernommen worden ist. Für den gesamten Zeitraum beträgt diese Summe die hier von den Kläger geforderten 630,- Euro.

Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist begründet. Die Kläger sind durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, denn die Bescheide erweisen sich als rechtswidrig.

Nach § 22 Abs. 1 des 2. Buches Sozialgesetzbuch - SGB II - hat die Beklagte angemessene Mietkosten zu übernehmen. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Familiengröße und der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nur solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder durch andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II).

Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Wohnung der Kläger unangemessen groß ist, wovon das Gericht allerdings ausgeht, denn es war den Klägern im fraglichen Zeitraum nicht möglich, im Gebiet der Beklagten eine Wohnung zu den von der Beklagten vorgegebenen Bedingungen anzumieten, so dass sich der 6-Monatszeitraum des § 22 Abs. 1 SGB II hier entsprechend verlängert.

Die Kammer folgert dies aus den Mitteilungen der angeschriebenen Wohnungsbaugesellschaften. Aus diesen Mitteilungen geht hervor, dass Wohnungen, die den Angemessenheitskriterien der Beklagten entsprochen hätten in Leverkusen nur in sehr geringer Zahl vorhanden sind. Zwar fanden sich -wenn auch in geringem Umfang - angemessene Wohnungen, zu beachten ist vorliegend allerdings, dass die Angemessenheitskriterien in der überwiegenden Zahl dieser Fälle nur durch eine Unterschreitung der noch als angemessen angesehenen Wohnungsgröße erreicht wurde.

Der geringen Anzahl von in Betracht kommenden Wohnungen dürfte einer erheblichen Zahl von Bewerbern entgegenstehen, von denen die ARGE ebenfalls verlangt, ihre Mietkosten zu senken und in eine solche Wohnung umzuziehen. Auch die Beklagte konnte im Gerichtsverfahren nicht in dem erforderlichen Umfang Wohnungen benennen, die zur Anmietung frei stehen. Die Kammer geht daher, nach dem Gesamtergebnis ihrer Ermittlungen, davon aus, dass die für dieses Verfahren maßgeblichen Angemessenheitskriterin der Beklagten eine Wohnungssuche in Leverkusen für Empfänger von Hartz IV Leistungen derart beschränken, dass es im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten kommen muss. Die Beklagte hat nämlich ihre Angemessenheitskriterien so niedrig festgesetzt, dass Wohnungen für Hartz- IV Empfänger bei Wohnungsbaugesellschaften nur noch in seltenen Fällen überhaupt zur Anmietung bereit stehen. Gleichzeitig war die Beklagte nicht erkennbar bereit über die Angemessenheitskriterien eine dem konkreten Sachverhalt angemessene Einzelfallentscheidung herbeizuführen. Hierdurch zwingt die Beklagte die Wohnungssuchenden dazu, im Verfahren etwas zu belegen, was nur schwerlich belegbar ist, nämlich die Erfolglosigkeit der Wohnungssuche. Die Kammer hält dies für eine unangemessenen Benachteiligung der Wohnungssuchenden. So lange die Beklagte also nicht belegen kann, dass in Leverkusen - z. B. bei Wohnungsbaugesellschaften - in ausreichender Zahl Wohnungen zu den Bedingungen der Beklagten anmietbar sind, muss die Beklagte - nach Auffassung der Kammer - konkrete Anmietungsmöglichkeiten aufzeigen. Das ist hier nicht in ausreichendem Umfang geschehen.

Die Kammer hat bei alledem berücksichtigt, dass die Kläger - nach langem Suchen - eine angemessene Wohnung gefunden haben und damit ihren grundsätzlichen Auszugswillen bekundet haben.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit zwar für die Beklagte erhebliche Bedeutung haben mag, eine grundsätzliche Bedeutung der zu beantwortenden Rechtsfragen allerdings nicht besteht, da die Kammer von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht abweicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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