L 19 B 127/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 268/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 127/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 27.03.2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von insgesamt 116,73 EUR.

Die am 00.00.1940 geborene Klägerin ist alleinstehend und bezieht eine Witwenrente von mehr als 400,00 EUR monatlich. Seit dem 01.01.2005 erhält sie durchgehend Leistungen nach dem SGB II. Durch Bescheid vom 16.03.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin unter teilweiser Anrechnung der Witwenrente Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,45 EUR monatlich für die Zeit vom 01.04.2005 - 30.09.2005. Mit Schreiben vom 11.06.2005 teilte die Vermieterin der Klägerin mit, dass diese ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 45,39 EUR für die Zeit vom 01.07. - 31.12.2004 habe. Dieses Guthaben werde mit der am 01.07.2005 fälligen Miete in Höhe von 239,10 EUR verrechnet, so dass für Juli 2005 nur eine Miete von 193,71 EUR zu zahlen sei. Am 01.07.2005 buchte die Vermieterin von dem Konto der Klägerin eine Miete von 193,71 EUR für Juli 2005 ab.

Durch Bescheid vom 14.03.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin unter teilweiser Anrechnung der Witwenrente Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 212,64 EUR monatlich für die Zeit vom 01.04. - 30.09.2006. Mit Schreiben vom 12.06.2006 teilte die Vermieterin der Klägerin mit, dass diese ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 71,34 EUR für die Zeit vom 01.01. -31.12.2005 habe. Dieses Guthaben werde mit der am 01.07.2006 fälligen Miete in Höhe von 239,10 EUR verrechnet, so dass für Juli 2006 nur eine Miete von 167,76 EUR zu zahlen sei. Am 03.07.2006 buchte die Vermieterin von dem Konto der Klägerin eine Miete von 167,76 für Juli 2006 ab.

Mit Schreiben vom 05.03.2008 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Nebenkostenabrechnungen der Vermieterin für die Jahre 2004,2005, 2006 und 2007 vorzulegen. Nach Vorlage der Nebenkostenabrechnungen am 11.03.2008 hörte die Beklagte die Klägerin zur Überzahlung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 116,73 EUR an. Durch Bescheid vom 26.03.2008 hob die Beklagte die Entscheidungen vom 16.3.2005 und 14.03.2006 über die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07. - 31.07.2005 in Höhe von 45,39 EUR und vom 01.07. - 31.07.2006 in Höhe von 71,34 EUR unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise auf und forderte einen Betrag von 116,73 EUR nach § 50 SGB X zurück. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30.05.2008 als unbegründet zurück.

Am 03.07.2008 (Montag) hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass sie ihrer Mitteilungs- und Mitwirkungspflicht ständig nachgekommen sei. Sie habe sämtliche Belege über ihre Einnahmen und Ausgaben jeweils unverzüglich der Beklagten vorgelegt.

Durch Beschluss vom 27.03.2009 hat das Sozialgericht Dortmund die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.

II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Das Sozialgericht hat die hinreichende Aussicht auf Erfolg zutreffend verneint. Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist berechtigt gewesen, den Bewilligungsbescheid vom 16.03.2005 teilweise für Juli 2005 in Höhe von 45,36 EUR bzw. den Bewilligungsbescheid vom 14.03.2006 teilweise für Juli 2006 in Höhe von 71,34 EUR nach §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, aufzuheben, soweit die Aufhebungstatbestände der Nr. 1 - 4 gegeben sind. In den tatsächlichen Verhältnissen, die den beiden Bewilligungsbescheiden vom 16.03.2005 und vom 14.03.2006 zugrundegelegen haben, ist für Juli 2005 bzw. Juli 2006 eine wesentliche Änderung i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X insoweit eingetreten, als sich der Anspruch der Klägerin auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II um 45,39 EUR (Juli 2005) bzw. um 71,34 EUR (Juli 2006) gemindert hat. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Vermieterin vorgenommene Aufrechnung des Betriebskostenguthabens mit der Mietzinsforderung für den Monat Juli als Zufluss eines Einkommens nach § 11 SGB II zu werten ist (so BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, Rn 37 zur Betriebskostenerstattung als Einkommen vor dem 01.08.2006) oder im Juli 2005 bzw. Juli 2006 nur die tatsächlich geleistete Miete - entsprechend den Vorgaben des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II - der Berechnung des Anspruchs zugrundezulegen ist. Jedenfalls ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im Juli 2005 und Juli 2006 jeweils in Höhe des Betriebskostenguthabens weggefallen.

Die Aufhebungstatbestände des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X sind gegeben. Die Klägerin hat der Beklagten zumindest grob fahrlässig nicht angezeigt, dass sich die Miete für Juli 2005 bzw. Juli 2006 in Höhe des Betriebskostenguthabens reduziert hat. Ebenso wäre grobe Fahrlässigkeit gegeben, sollte sie nicht gewusst haben, dass sich ihr Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Monate Juli 2005 und Juli 2006 jeweils in Höhe des Betriebskostenguthabens mindert. Im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist die Klägerin verpflichtet gewesen, der Beklagten anzuzeigen, dass sich die Miete für Juli 2005 und Juli 2006 infolge einer Aufrechnung mit einem Betriebskostenguthaben mindert. Diese Anzeigepflicht hat die Klägerin verletzt, indem sie der Beklagten nicht unmittelbar nach Erhalt der Schreiben der Vermieterin vom 11.06.2005 bzw. vom 12.06.2006 mitgeteilt hat, dass sich ihre Unterkunftskosten mindern. Mit der Vorlage der Kontoauszüge für die vergangenen drei Monate (jeweils im September des Jahres im Zusammenhang mit einem Fortzahlungsantrag) hat die Klägerin ihrer Anzeigepflicht nicht genügt. Zwar geht aus den Kontoauszügen hervor, dass die Vermieterin jeweils im Juli eine geringere Miete abgebucht hat und ist in den Kontoauszügen auch die Höhe des Betriebskostenguthabens ausgewiesen, jedoch hat die Klägerin nach Aktenlage weder darauf hingewiesen noch ist ihre Änderungsmitteilung unverzüglich i.S.v. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I erfolgt (siehe zum Begriff unverzüglich i.S.v. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGBI Seewald in Kasseler Kommentar, § 60 SGB I RN 25 f mit Rechtsprechungshinweisen). Spätestens nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am 01.07.2005 hätte sich die Klägerin an die Beklagte zwecks Abklärung der Sachlage wenden können. Gründe, die die Klägerin im Juni 2006 an der Abgabe der Änderungsmitteilung gehindert haben, sind aus der Akte nicht ersichtlich und werden von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Die Klägerin hat damit ihre Anzeigepflicht grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Betroffene die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dabei ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten der Betroffenen sowie auf die besonderen Umstände des Falls abzustellen (BSG, Urteil vom 16.02.2005 - B 11a/11 AL 41/03 AL -). Aufgrund der maßgeblich Bewilligungsbescheide hat die Klägerin Kenntnis davon gehabt, dass die Beklagte bei der Ermittlung der Kosten für Unterkunft und Heizung die tatsächlichen Aufwendungen in Höhe von 272,10 EUR (239,10 EUR Kosten der Unterkunft + 33,00 EUR Abschlagszahlung für Gas) zugrundegelegt hat. Des weiteren musste der Klägerin aufgrund des Ausfüllens und der Vorlage des Zusatzblatts 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung einschließlich einer Mietbescheinigung im Erstbewilligungsverfahren sowie der Frage in den Fortbewilligungsbescheiden unter Punkt IV nach Änderungen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung bewusst sein, dass die Höhe der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung für ihren Anspruch nach dem SGB II entscheidungserheblich ist und Änderungen der Unterkunftskosten der Beklagten anzuzeigen sind, zumal sich die Klägerin in den Fortbewilligungsanträgen unterschriftlich verpflichtet hat, künftige Änderungen unaufgefordert und unverzüglich der Beklagten mitzuteilen. Die Klägerin hat auch erkennen können, dass aufgrund der geringeren tatsächlichen Mietaufwendungen für Juli 2005 und Juli 2006 ihr Anspruch nach dem SGB II für diese Monate kraft Gesetzes teilweise wegfällt.

Der angefochtene Bescheid ist auch formell rechtmäßig. Die Klägerin ist nach § 24 SGB X angehört worden. Die Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt. Die Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginnt in der Regel frühestens mit der Anhörung der Begünstigten zu laufen (vgl. BSG, Urteil vom 27.07.2000 - B 7 AL 88/99 R -, SozR 3-1500 § 45 Nr. 42 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Das Anhörungsverfahren nach § 24 SGB X ist durch das Schreiben vom 05.03.2008 eingeleitet worden, so dass die Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X am 05.03.2008 zu laufen begonnen hat. Die Beklagte hat den angefochtenen Aufhebungsbescheid am 26.03.2008 erlassen. Auch in Hinblick auf die Vorlage der Kontoauszüge betreffend Juli 2005 bzw. Juli 2006 im September 2005 bzw. September 2006 durch die Klägerin hat die Beklagte ihr Rücknahmerecht nicht verwirkt (siehe Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 Rn 27 mit Rechtsprechungshinweisen).

Der Erstattungsbetrag beläuft sich nach § 50Abs. 1 Satz 1 SGB X auf insgesamt 116,73 EUR.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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