L 16 AS 248/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 53 AS 2471/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 248/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 42/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts
München vom 17. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungs- und Erstattungsbescheids nach §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3, 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), über eine Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von insgesamt 11.974,35 EUR, streitig.

Am 30.11.2004 beantragte die 1976 geborene Klägerin zu 1) für sich und ihre beiden 1999 und 2002 geborenen Kinder (Kläger zu 2 und zu 3) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei der Beklagten. Sie bewohnt mit ihren beiden Kindern eine 140 qm große Doppelhaushälfte in A-Stadt, für die sie eine Kaltmiete in Höhe von 879,42 EUR entrichtet. Im Antragsformular gab die Klägerin zu 1) lediglich an, dass sie selbst ein Erwerbseinkommen in Höhe von 400 EUR monatlich habe und den bisherigen Sozialhilfebezug. Für die Kläger zu 2) und zu 3) gab sie als Einkommen Unterhaltszahlungen und den Kindergeldbezug an. Im "Zusatzblatt 2, Einkommenserklärung/ Verdienstbescheinigung" gab die Klägerin zu 1) als Einkommen lediglich das Arbeitsentgelt an. Beim Punkt "sonstiges Einkommen", mit dem im Antragsformular der Hinweis verbunden ist, dass als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen sind und ausdrücklich nach sonstigen Einnahmen gleich welcher Art gefragt wird, machte die Klägerin zu 1) keine Angaben. Mit ihrem Antrag vom 30.11.2004 legte die Klägerin zu 1) für die Monate Oktober und November 2004 Kontoauszüge vor, aus denen sich u.a. eine am 29.10.2004 erfolgte Gutschrift in Höhe von 1.000,00 EUR, die von der Mutter der Klägerin zu 1) geleistet wurde, ergab.

Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 22.12.2004 ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Gesamtbedarfs von 1.408,00 EUR. Die Kosten der Unterkunft wurden hierbei auf das angemessene Maß von 525,00 EUR gesenkt. Darüber hinaus wurden der Regelbedarf für die Klägerin zu 1) auf 345,00 EUR, Sozialgeld für die Kinder in Höhe von jeweils 207,00 EUR und Mehrbedarf für die Alleinerziehung in Höhe von 124,00 EUR zugrunde gelegt, unter bedarfsmindernder Berücksichtigung des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 1), des Kindergelds und des Kindesunterhalts ergab sich eine Gesamtleistung für die Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 522,58 EUR. Auf Weitergewährungsanträge der Kläger hin wurden die Leistungen mit Bescheiden vom 25.05.2005, 09.09.2005, 19.10.2005, 07.04.2006 sowie 10.10.2006 weiter gewährt.

Mit Weitergewährungsantrag der Kläger vom 26.09.2006 legte die Klägerin zu 1) für die Zeit von August bis November 2006 Kontoauszüge vor, aus denen sich verschiedene Gutschriften der Mutter der Klägerin zu 1) ergaben. Die Klägerin zu 1) gab hierzu an, dass diese Beträge von ihren Eltern für außergewöhnliche Leistungen (Rechnungen, Anziehsachen, Schuhe sowie für eine neue Wohnzimmercouch) gedacht gewesen seien.

Daraufhin forderte die Beklagte die Vorlage der Kontoauszüge von Januar 2005 bis Juli 2006 von der Klägerin zu 1). Bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten erklärte die Klägerin zu 1) am 07.11.2006, dass sie seit dem 01.01.2005 monatlich 1.000,00 EUR von ihrer Mutter für Miete und für ihr Studium an der Fachakademie für Ökologie und Management bekommen habe. Ihr stehe kein Anspruch auf Ausbildungsförderung zu. Sie habe diese 1.000,00 EUR monatlich bereits vor dem 01.01.2005 erhalten.

Mit Bescheid vom 29.12.2006 lehnte die Beklagte den Fortzahlungsantrag der Kläger vom 28.09.2006 ab, weil bei der Anrechnung eines sonstigen Einkommens in Höhe von 1.000,00 EUR (Unterhaltszahlung der Mutter) keine Hilfebedürftigkeit mehr bestehe. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 25.01.2007 Widerspruch erhoben. Als Begründung führte die Klägerin zu 1) an, dass sie zunächst dem Sozialamt und dann der Beklagten fortwährend, unter Vorlage von Kontobelegen, mitgeteilt habe, dass sie eine monatliche Zahlung in Höhe von 1.000,00 EUR erhalte, wovon die Miete in Höhe von 880,00 EUR und die Studiengebühren in Höhe von 250,00 EUR monatlich bezahlt würden. Im Übrigen hätten sich die Vermögensverhältnisse seit Anfang Dezember 2006 verändert. Sie erhalte seit Dezember 2006 von ihrer Mutter keine Unterhaltszahlungen mehr. Die Mutter der Klägerin zu 1) habe vielmehr den Mietvertrag übernommen und zahle die Miete direkt an den Vermieter. Die Klägerin zu 1) müsse ihrer Mutter monatlich 450,00 EUR Miete entrichten.

Mit Bescheid vom 11.05.2007 bewilligte die Beklagte den Klägern ab 01.12.2006 wieder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wobei sie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 450,00 EUR zugrunde legte.

Mit Schreiben vom 24.07.2007 hörte die Beklagte die Klägerin zu 1) zur beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Leistungen für den Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2006 in Höhe von insgesamt 11.974,35 EUR, die Rückforderung jeweils aufgeteilt auf den Individualanspruch des einzelnen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft, an. Mit Schreiben vom 30.08.2007 wandten die Bevollmächtigten der Kläger zur beabsichtigten Rückforderung ein, dass die Klägerin zu 1) dem Sozialamt und auch dem Jobcenter fortwährend mitgeteilt habe, dass sie eine monatliche Zahlung in Höhe von 1.000,00 EUR von ihrer Mutter erhalte. Von diesem Betrag seien die Miete inklusive Nebenkosten in Höhe von 880,00 EUR und die Studiengebühren in Höhe von 250,00 EUR bezahlt worden. Im Übrigen verwiesen die Kläger auf den sich in der Akte befindlichen Kontobeleg vom Oktober bzw. November 2004, aus dem sich der Zufluss eines Betrags von 1.000,00 EUR ergebe. Eine grob fahrlässige Nichtangabe von Vermögensverhältnissen sei somit nicht erkennbar.

Mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 13.09.2007 hob die Beklagte die Bewilligungsbescheide vom 22.12.2004, 25.05.2005, 09.09.2005, 19.10.2005, 07.04.2006 und 10.10.2006 über die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.10.2006 für die Kläger auf und forderte von der Klägerin zu 1) 9.381,98 EUR, von dem Kläger zu 2) 1.102,78 EUR und von dem Kläger zu 3) 1.489,68 EUR zurück. Der Bescheid erging an die Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin der Kläger zu 2) und 3). Die Klägerin zu 1) habe in ihren Leistungsanträgen zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X), weil sie die monatlichen Unterhaltszahlungen ihrer Mutter nicht angegeben habe. Hilfsweise wurde die Begründung auch auf § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X gestützt, da der Klägerin beim Durchlesen des Bescheides hätte auffallen müssen, dass sie trotz der von ihrer Mutter geleisteten Zahlungen auch vom Jobcenter Unterkunftskosten bewilligt bekam und deshalb der Bewilligungsbescheid rechtswidrig war. Die zu Unrecht bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.10.2006 seien nach § 50 SGB X zu erstatten.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger vom 25.09.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2007 als unbegründet zurück. Im Widerspruchsbescheid stellte die Beklagte die Berechnungsgrundlagen der Bewilligungsbescheide und des Aufhebungsbescheides ausführlich dar und hob die oben genannten Bewilligungsbescheide nach § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X auf, da die Klägerin zu 1) die Unterhaltszahlungen ihrer Mutter verschwiegen habe. Die Leistungen seien nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Am 28.11.2007 erhoben die Kläger Klage zum Sozialgericht München mit der Begründung, dass sich die Klägerin zu 1) nicht grob fahrlässig verhalten habe und keine unvollständigen Angaben gemacht habe. Die Klägerin zu 1) habe in mehreren Gesprächen mit den Vermittlern der Beklagten fortwährend auf die Unterhaltszahlungen durch ihre Mutter hingewiesen. Ausschlaggebend für die Nichtbeachtung der Zuwendungen der Mutter im Zeitraum 2005 und 2006 dürfte jedoch sein, dass in sämtlichen Antragsformularen der Beklagten nicht nach solchen Zuwendungen von Eltern gefragt worden sei.

Die Beklagte erwiderte zum Vorbringen der Klägerin, dass diese verpflichtet sei, sämtliche Einkünfte anzugeben. Dieser Verpflichtung sei sie nicht vollständig nachgekommen, sowohl im Abschnitt VI des Antragsvordrucks als auch in der Einkommenserklärung werde explizit nach sonstigen laufenden und einmaligen Einnahmen gleich welcher Art gefragt. Auch wenn nicht im Einzelnen nach Zuwendungen der Eltern gefragt werde, müsse sich die Klägerin darüber im Klaren sein, dass sie die nicht unerhebliche Zuwendung in Höhe von monatlich 1.000,00 EUR anzugeben habe. Aus dem von der Klägerin zitierten Kontoauszug vom Oktober 2004 sei nicht zu erkennen, dass es sich bei der Zahlung von 1.000,00 EUR um eine regelmäßige monatliche Zahlung handele.

Das Sozialgericht München wies mit Urteil vom 17.06.2008 die Klage ab, da es sich bei den Bewilligungsbescheiden vom 22.12.2004, 25.05.2005, 09.09.2005, 19.10.2005, 07.04.2006 und 10.10.2006 um rechtswidrige begünstigte Verwaltungsakte handle. Die monatlichen Unterhaltszahlungen der Mutter der Klägerin zu 1) in Höhe von 1.000,00 EUR seien nicht entsprechend den §§ 7, 9 und 11 SGB II als sonstiges Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt worden. Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.10.2006 für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Kläger genießen keinen Vertrauensschutz, da die o.g. Bewilligungsbescheide auf Angaben beruhen, die die Klägerin zu 1) gemäß § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X grob fahrlässig unvollständig gemacht habe, da sie die monatlichen Zuwendungen ihrer Mutter nicht angegeben habe. In sämtlichen Antragsformularen der Beklagten sei nach sonstigen laufenden oder einmaligen Einnahmen gleich welcher Art gefragt worden, ohne dass die Klägerin zu 1) die erheblichen monatlichen Zuwendungen ihrer Mutter angegeben habe. Der Klägerin sei zumindest im Erstantrag sehr wohl bewusst gewesen, dass auch Unterhaltszahlungen ihrer Eltern zu berücksichtigen seien, da sie in ihrem Leistungsantrag vom 30.11.2004 ihre Eltern und C. als unterhaltspflichtige Angehörige außerhalb der Haushaltsgemeinschaft angegeben habe. Die Klägerin zu 1) wäre nach ihrer persönlichen Einsichtsfähigkeit durchaus in der Lage gewesen, zu erkennen, dass eine freiwillige Unterhaltszahlung ihrer Eltern den Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten mindern kann. Den Klägern zu 2) und zu 3) sei das grob fahrlässig Verhalten der Klägerin zu 1) über die Vorschrift des § 1629 Abs.1 Satz 3 BGB zuzurechnen.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger am 01.07.2008 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Als Begründung haben die Kläger vorgebracht, dass gerade keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 SGB X im Verhalten und der Person der Klägerin zu 1) vorliege. Bereits im Mai 2003 habe die Klägerin erstmalig beim Sozialamt einen Mietzuschuss beantragt. Sie habe damals sämtliche vorhandenen Kontoauszüge vorgelegt, aus denen sich auch die Zahlungen der Eltern ergeben hätten. Bereits zum damaligen Zeitpunkt sei angegeben worden, dass es sich hierbei um Zuwendungen der Eltern für Miete und Nebenkosten handele. Bei einem Termin im November 2004 aufgrund der Umstellung von Sozialhilfe auf Arbeitslosengeld II-Leistungen habe die Klägerin Kontobelege übergeben und den Antrag in ausgefüllter Form abgegeben. Es sei dabei von der Beklagten keine Hilfestellung geleistet worden. Bei diesen Kontobelegen würde sich auch ein Auszug vom Oktober 2004 befinden, aus dem sich eine Zuwendung von 1.000,00 EUR seitens der Mutter der Klägerin ergeben würde. Im Übrigen sei im Antragsvordruck der Beklagten kein Feld für Zuwendungen seitens der Eltern angegeben. Der Klägerin könne deshalb keinesfalls grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden.

Gegen die Klägerin zu 1) ist von der Beklagten ein Strafverfahren wegen Betrugs eingeleitet worden. Der Senat hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft I. beigezogen. Mit Strafurteil vom 01.07.2008 wurde die Klägerin zu 1) wegen Betrugs in vier tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 EUR verurteilt, da sie bewusst wahrheitswidrig die monatlichen Zuwendungen ihrer Mutter nicht angegeben habe. Das Urteil wurde durch Rechtsmittelverzicht sofort rechtskräftig.

In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.06.2008 sowie den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 13.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2007 aufzuheben.

Die Vertreterin der Beklagten hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft I. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von den Klägern form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 13.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2007 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligungsbescheide vom 22.12.2004, 25.05.2005, 09.09.2005, 19.10.2005, 07.04.2006 und 10.10.2006 für den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2005 bis 31.10.2006 nach §§ 45 Abs.1 und 2 Nr. 2 und 3 SGB X, 40 Abs. 1 und 2 Satz 2 SGB II, 330 Abs.2 SGB III mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben und von den Klägern nach § 50 Abs.1 SGB X die zu Unrecht bezogenen Leistungen zurückgefordert.

Die gemäß § 24 SGB X erforderliche Anhörung wurde mit Schreiben vom 24.07.2007 durchgeführt. Die Beklagte hat die Rücknahmefrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X eingehalten, da sie innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, die Rücknahme ausgesprochen hat. Erst mit der persönlichen Vorsprache der Klägerin zu 1) am 07.11.2006 erlangte die Beklagte sichere Kenntnis darüber, dass die Klägerin zu 1) bereits seit dem 01.01.2005 monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von 1.000,00 EUR von ihrer Mutter erhielt. Die Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X wurde mit Erlass des Aufhebungsbescheides am 13.09.2007 gewahrt.

Bei den Bewilligungsbescheiden vom 22.12.2004, 25.05.2005, 09.09.2005, 19.10.2005, 07.04.2006 und 10.10.2006 handelte es sich um rechtswidrige, begünstigende Verwaltungsakte. Da bei der Berechnung der Leistungshöhe die den Klägern zugeflossenen monatlichen Unterhaltszahlungen der Mutter der Klägerin zu 1) in Höhe von 1.000,00 EUR nicht entsprechend §§ 7, 9 und 11 SGB II als sonstiges Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt wurde. Diese Unterhaltszahlungen sind als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II zu werten, da sie demselben Zweck dienen wie die Zahlungen nach dem SGB II. Sie sind keine zweckbestimmten Einnahmen im Sinn des § 11 Abs. 3 Nr.1a SGB II. Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Berücksichtigung als Einkommen, wenn eine klare Zweckbestimmung dieser Einnahmen und Zuwendungen besteht und sie einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dient (vgl. auch Mecke in Eicher-Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rdn.39). Hier sollten aber gerade die Zuwendungen der Mutter der Finanzierung der Wohnungsmiete und des Abendstudiums dienen, also dem allgemeinen Lebensunterhalt der Kläger, sodass sie dem gleichen Zweck dienen wie die Leistungen nach dem SGB II. Die monatlichen Unterhaltszahlungen der Mutter der Klägerin zu 1) sind daher als Einkommen anzurechnen.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, § 45 Abs 1 und 2 Nr. 2 und 3 SGB X, § 40 Abs.1 und 2 SGB II, § 330 Abs.2 SGB III. Nach § 45 Abs.2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakt vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, § 45 Abs.2 Satz 2 SGB X. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X. Auch kann er sich nach § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X auf Vertrauen nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

Die o.g. Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.10.2006 beruhen auf Angaben, die die Klägerin zu 1) vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht hat, da sie die monatlichen Zuwendungen ihrer Mutter nicht angegeben hat. Unter VI des Antragsvordrucks der Beklagten sind die Einkommensverhältnisse des Antragstellers und der im Haushalt lebenden weiteren Personen anzugeben. Hier sind u.a. auch sonstige laufende oder einmalige Einnahmen gleich welcher Art anzugeben. Auch im Zusatzblatt 2 der Beklagten ist ein Punkt sonstiges Einkommen vorgesehen, der auszufüllen ist. Trotz dieser in den Antragsformularen der Beklagten geforderten Angaben hat die Klägerin zu 1) die monatlichen Zuwendungen ihrer Mutter nicht angegeben, obwohl ihr bewusst war, dass auch Unterhaltszahlungen von ihren Eltern zu berücksichtigen sind, da sie in ihrem Leistungsantrag vom 30.11.2004 ihre Eltern als unterhaltspflichtige Angehörige außerhalb der Haushaltsgemeinschaft aufführte. Dies wird auch durch das Ergebnis der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht A-Stadt vom 01.07.2008 gestützt. Das Strafgericht ging in seinen Urteilsgründen davon aus, dass die Klägerin zu 1) bewusst wahrheitswidrig die Zuwendungen ihrer Mutter nicht angab. Der Argumentation des Klägerbevollmächtigten, dass die Klägerin zu 1) nicht grob fahrlässig gehandelt habe, da sie gegenüber der Sozialhilfebehörde die Unterhaltszahlungen angegeben habe und diese dort nicht beachtlich gewesen wären, ist nicht zu folgen. Die Beklagte und der Träger der örtlichen Sozialhilfe stellen zwei unterschiedliche Behörden im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X dar. Angaben die gegenüber dem Träger der Sozialhilfe gemacht wurden, sind daher der Beklagten nicht bekannt und nicht beachtlich. Die Klägerin zu 1) war verpflichtet vollständige Angaben zu machen und diese der Prüfung der Beklagten zu überlassen, die dann entsprechende rechtliche Schlüsse ziehen kann. Die Klägerin kann sich im Übrigen nicht darauf berufen, das sie die Angaben nicht machte, da sie glaubte, dass diese für die Anspruchsprüfung nach dem SGB II nicht relevant sind. Vollständige Angaben im Antragsformular sind notwendig, damit die Beklagte eine vollumfängliche Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen vornehmen kann. Dies ergibt sich von selbst. Daher hat die Klägerin zu 1) zumindest grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X gemacht und kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Die Klägerin zu 1) kann sich aber auch nicht auf einen Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X berufen. Denn selbst bei ordnungsgemäßer Angabe der Unterhaltszahlungen ihrer Mutter durfte sie nicht auf die Rechtmäßigkeit der Bewilligungsbescheide vertrauen, da für sie die Nichtanrechnung der Zahlung von 1000 EUR auf die monatlichen Leistungen nach dem SGB II erkennbar gewesen wären. Ein Vertrauensschutz in einen erkennbar rechtwidrigen Verwaltungsakt besteht nicht (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 6.Aufl 2008, § 45, RdNr. 54 ff).

Den Klägern zu 2) und 3) ist das grob fahrlässige Verhalten der Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin über § 1629 Abs.1 Satz 3 BGB zuzurechnen. Der Vertretene muss die Folgen wissentlich unwahrer Angaben oder des Verschweigens wesentlicher Umstände auch dann gegen sich gelten lassen, wenn diese Voraussetzungen nur in der Person des Vertreters erfüllt sind (BSGE 28, 258).

Der Senat sieht im Übrigen gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.

Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved